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Befoiibtret Seridfjid^tigund päbagogifd^tt ^laitn.
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1867.
%qA 9ted6t ber Ueberfe^ong »trb botbel^aften.
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»orrclic.
^ie %taQt Oumctilian'S: Numquid melius dicere
m, quam potes? lonnte meine 3tt)eifel befd^toid^tigen
l^elfcn^ ob id^ b(tö toorlieflenbe aSBeri fo toie e^^ einmal ge=
toorben ifl ber Oeffentlid|f!eit übergeben foEte ober nid^t
3d^ f agte mir nämlid^ : toa^ bu baran l^ätteft beffer mad^en
tbnnen, fonnteft bu nid^t beffer mad^en^ toeil bu aU @{(abe
h^ t&glid^en S3rotö auf biejjenige SSoQenbung, toeld^e allein
aud^ bir f eiber i^fttte genügen. fönnen, J;>eraid^ten mufeteft,
ba e^ an jener ftetigen äRujse gebrad^, bei n^eld^er ftd^ VLn^
ebenffeiten be^ @til^ unb ber ganzen S)arftellung leidster
bermeiben, ali^ n)ie ftd^ fold^e f)>äter mit nad^träglid^er
Seile toegfd^affen laffen.
Sin £^eil feined ^ni^altö erfd^ien ju Md^aeti^ 1864
mit bem Programm ber ffüffttn Sürgerfd^ule )u Sauenburg
in Sommern unter ber 93e)eid^nung .^^dbagogifd^-d^aral^
terologifd^e Fragmente" unb gleid^jeitig in @e))aratabbrudE
unter bem S^itel ,^®runb)üge }u einer S^atterologie mit
befonberer Serüdfid^tigung j>äbagogifd^er gragen" (SKnflom)«
SHefe^ ^rud^ftiidE führten bamal^ nad^ftel^enbe ®A|e beim
fiefer ein:
„gßie bie ^Pf^c^ologie atö ^ülf gtoiffenf c^aft in ben S)ienft
ber ^ftbagogtt unb beren it>raltifd^er Slu^übung tritt, fo ift
bie @t^ale eine reid^e ^nbfifttte .})fi;d^ologif(^er a3eobad^=s
vin Sötcebe.
tungen, unb ol^ ©rtrftge biefeS frud^tbarcn SBed^fetoerl^ält^
niffe^ n)ünfd^e i^ ba^ }unäd^fi SSorgelegte aufgenommen
in feigen. @ü fann e^ }ugleid^ mün)ir!en gu einer ^m^^
ttgung lanbläuftger SCnjtd^ten über bie ©tettung ber Seelen^
lunbe jur ©rjiel^ungglei^re, unb in^befonbere bem Srrtl^um
entgegenarbeiten, afö bringe eine ^Ile untoergorenen
cafuijiifd^en 3Wateriate ober ein J^otter ©d^ematiömuö für
bequemfie ©inrubricirung ber 3nbit)ibualitäten ben Seigrer
fonberlid^ ttjeiter in ber aSerfolgung feiner S^ede. Älareg
SSetoufetf ein um bie ©darauf en, innerl^alb n>eld^er atteit^ bon
einer ©intoirfung ouf ben Söö^ng äberl^aupt bie 3lebe fein
lann, ifl ja bie SSorbebingung für rid^tige^ älnn^enben ber
babei }u @ebote ftel^enben SRittel. Unb bied ^l^ema ein^
maC tt)ieber ju erörtern, bafür liegt ebenfo iM Slnla§ wt
in ber l^&ufig begegnenben Ueberf d^A^ung ber 3Rad^t, meldte
ber ©rjiel^ung^f unft toirfCid^ inneit^ol^nt, n)ie in ber jumeifl
burd^ fold^e^ @|trem it>rot)ocirten äJertennung il^rer bod^
immerl^in mSglid^en (Srfolge. Oft genug gel^t ber eine VLn^
Derfianb unmittelbar in ben anbemüber; biefelben äleltertt,
loeld^e onfang« geneigt finb, alle SSeranttoortlid^feit für
baö «@eratl^en» il^rer Äinber ber Sd^ule ober bem in ben
toerfd^iebenften formen t)on an^m l^er an biefelben l^eron-
fretenben 83eif!j)iele jujutoftljen, oud^ tool billig genug, ftd^
felber toegen taufenbfad^er, Heiner ober großer, S3erf&unp
niffe anjuflagen, — ebenbiefelben toerfatten ^p&ttt leicht öor^
eilig in untröfllid^e^ Sßer jagen, ba^ l^offnung«lofer ®leid^
gültigfeit jum ^anb^ n>irb, alle« gelten lä^, toie e« eben
gel^t, unb in fiumjjfer SRefignation nun ate ein unentrinm
bare« ©d^idffal i^innimmt unb beflagt, toa« fx^ bei mel^r
3Kutl^ unb aSefonnenl^eit bod^ nod^ red^t tt)ol^l jum SSeffem
tt)enben liefee.
„SBenn aber berartige @ntmut^igung i|fren n&d^ften
@runb im Mangel an richtiger äBürbigung berjenigen ^^
8embe. * ix
bä)ibualität ^at, mlift Dbject ber ©rjiel^ung iß, fo tommt
nid^t tniitber ntanc|itnal aud^ auf feiten be^ er^iel^enben @ub::
jectö eine Unftd^erl^eit im ®elbftt>ertrauen ^or, n)eld^e in
entfj)red^enber SJerfennung beS SÄed^tö ber eigenen 3fwbis
^ibuolit&t n)ut)elt; unb mtSf fold^en, meldte biefer ©efal^r
auSgefe|t ftnb, n)irb bie @]^araIterologie mand^es pr
©tmunterung fagen fönnen, inbem bur^ fie angeredeten
©elbjlarrflagen ber Soben entjogen tt)irb. aSerflftnbigen wir
un3 alfo jm)örberfl über SBefen unb älufgobe biefer, l^ier ium
erjlen mal unter eigenem Slamen aufttetenben, SBifffufd^aft ! "
©ie SCufnal^me, meldte biefe ^rö6e fftnbe, füllte ent=
fc^eiben über bie iperau^gabe be^ ®anim. Dbiool aber
bie ju fold^er ermunternben Stimmen mel^r nur bie j)äba=
gögifd^e ©eite baran im Sluge l^atten, fo ifi bod^ feitbem
gerobe biefe in ber Sluöfül^rtmg unb legten SRebaction
me^r unb mel^r jurfidgetreten unb mag nur nod^ aU ^t^
legentlid^e l^anbtDerl^m&^ige äSerbr&mung angefel^en te>erben.
ein Sal^r fj)Äter — im ^erbfl 1865 — toar baiS
%oxiyt brudfertig gemad^t, tt)urbe jebod^ im 3Rai 1866
einer nod^maligen SRetnfion toon mir unterzogen unb fottte
gerobe in bie 3)ru(Ierei gegeben toerben, ald ber Slu^brud^
bed ftriege^ neuen ätufentJ^alt brad^te. @eitbem l^abe id^
geglaubt ntid^ jjeber eingreifenben Slenberung enti^alten,
fDld^e^ aber (xa biefer ©tette nid^t unertüäl^nt laffen ju
foKen, um falfd^er äuffaffung entgegenjutoirfen, tt)enn es
fd^elnen fönnte, ba^ bie8 unb jjeneS barin jeitl^er t)on ben
®reigniffen imberlegt »orben fei. Der ©d^ttJierigfeiten unb
ber Ungtmft ber aSer^ftltniffe toar fd^on fo genug gemefen
unb einem genriffenl^aften @e|et bie Slrbeit ol^nel^in nid^t
leidet gemad^t. 3)arum unterblieb baS Eintragen nid^t nur
gtd^erer Serid^tigungen, fonbern aud^ überfid^tlid^erer ©n-
gongaaj>itel, te»ie id^ pe f onft felber für ein J>aar Stbfd^nitte
tt>ih*e getofinfd^t \i(&z(^,\ unb id^ fud^te mid^ bei bem
X SJotrcbe*
©cbanlen ju Berul^tgen, bafe bte 3tt>if#enjett nteine
änfd^auungen im loefentlid^en nid^t l^atte etfd^üttem fön*
nen, btefetten alfo tool auf Beiferm Orunbe ol^ bem einet
Wofeen ^ge^meinung pelzen n>ütben.
SIm Itebflen iebod^ l^ätte id^ bem ®anjen ba« %av^
toort:
^i(be mir nidt^t ein td^ fBnnte tt>ae (eieren,
2!)ie iE^enfd^en gu Beffern unb gu Befel^ren
jum 9Rottü gegeben, um fo am Uir^eften @rn)attungen^
bie id^ nid^t erregen n>oIIte^ toot^ubeugen. S)enn in^be^
fonbere toürben fid^ alle biejenigen getäufd^t ftnben, iwld^e
»ermutigen mftd^ten, eö gebe in biefem 83ud^ t)iel ,,ptci'
tifd^e aßinfe", etioa gar eine Einleitung über bod^ einjelne
aSorfd^riften ium Unterrid^ten unb erjid^en; unb gerob^
über ben Slbfd^nitt, loeld^er Don bem aWobificabilitätö:^
!|)roblem unb anbern l^eifeln fingen ^anbelt unb für te>eld^en.
jjeneg SSelenntnife t)orjug^toeife gilt, toerben bie blofeen ^rafc
tifer urt^eilen, er fei für ü^re Sebürfniffe unb 3toede aHju
fte^tifd^ aufgefallen. @benfo l^abe id^ mid^ bed älbfd^toeifeniS.
}u birect legi^latorifd^en Erörterungen enthalten, toieiool
für bie lex ferenda, 3. 33. fiinftiger ^rüfung^reglement«,
fld^ im})licite mand^ 5ßoflulat erl^eben toirb, barauf gerid^tet,
bafe nid^t fort unb fort baö Slllerungleid^artigfle nad^ einem
unb bemfelben 3Sla%c tapirt toerbe.
Uebrigen« benfe id^ toon biefem SSud^e, tt)ie öon allen
anbern aud^: baö Slufnei^men frember ©ebatrfcn.in unfere
SebenSanfd^auungen unb ^Rajdmm ift nur ba ein lebenbige^^;.
tt)o eg fo unmerflid^ öor fid^ gel^t, tote bie äffimilation bjer
Seibei^nai^rung, tt)o alfo ber Sßieberfd^lag au^ ber Ißeftüre
fo toenig too^rnel^mbar „anfe^t", toie.biegrud^t unter bem.
3Belfen ber 33läte; unb nur loer toäl^nt, e« fei auf ein %p'
^liciren au^ioenbig gelerntet Siegeln abgefel^en, öerfennt,
Somt)€. XI
toaS. aQe pSibaQoq^\6ft Sl^eorie in ben 9iext>aä)t gebrad^t
j^di^ fd^Ie^tl^in unnü| }u fein, ^r b<tö felbftti^ätige
äßad^iSti^um ber ©eifleMarl^ett unb fomit für baS unrefleo
tirte ^anbetn bleibt barum nid^t unfrud^tbar^ toa^ beim
einjdfaH atterbingS nid^t mel^r afö ha ober bort em!j)fan8ene
,,9ute Seigre" öor bem 33ett)u|tfein fielet — ber ©efammfe^
l^eit unferer 3nteffectualtl&ätigfeit fann e§ ja bod^ einverleibt
fein, iwe äff ber übrige SCrobition^gel^alt unfern SBBefen^,
ä&ol^l ober ifl ba«^ affemal ein l^öd^ft bebenflid^e^ @^m^tom,
tümti un^ fofort nad^ bem ipören ober Sefen einer ©arftet
lung bag Sett)ufetf ein lommt: e^ fei nid^t^ baöon l^aften ge^
blieben; benn bo^ befagt: ba^ ©an je fei an^ blofeen Segrip^
confiructionen aufgefül^rt; — tt)eil n&mlid^ nur ba§ 2lnfd^au=
li^e fi(i^ einjjrägt imb atö ein germent, ba§ man „bel^ält"
unb bei fid^ bel^ält, forttoirfen fann.
@old^e @rtt)ägungen mögen mid^ aud^ einer au^füi^r::
li^ent 3ti)ologie uberl^eben, inbem id^ ba^ ©eftänbnife au^^
fj)red^e, toie e^ mir nid^t entgel^t, ba^ id^ burd^ ben toeiten
Äbflanb ju>if<i^en ben SBel^anblung^toeifen meinet ®egen=
fionbeS in ben öerfd^iebenen Slbfd^nitten mid^ felber ber
ä^ntlage .auggefefet i^abe, e^ fei t)on mir eine ungleid^=
mäßige Slet^obe befolgt loorben. SBäl^renb einige fid^ an
©teBen befd^toeren toerben über eine abftrufe ©d^toerfäffig-
feit in breiter 35efj>red^ung metai)l^^fifd^er ^^agen, loer^
ben onbere meinen, man öermiffe bie fd^ulgetool^nte gorm
„f|«culatiDer" aOSiffenfd^aftlid^f eit, too bie ©iction gerobeju
rl^etorifd^ gefärbt fei obey l^inabfleige auf baö SRiöeau eine§
nöd^emen common-sense, tü^a toie bie <Bpxai)i ber ^ßo^
!()ulat|>^iIofo})l^en be§ 18. Sa^rl^unbert^. (Sin 3lrd^it)ar für
bie Acta philosophorum n:)ie di. ^atfm ff&Ü f d^on ein leeret
%0gi) fut mid^ ^>arat: er tt)irb ol^ne toeitere^ mid^ feinen
„2:]^eoi)]^rajien" (t)gl. SR.^a^m, „Slrtl^ur ©d^ojjenl^auer",
»erlin 1864, @. 104, mit 3lnfj)ielung auf ein t>on ©d^O::
XII Sorre^c.
pmfjantt fettft brieflid^f gegen SuHu^ ^auenftSbt*] ge«
hxan<S)U^ SSBort) einreiben: — ba^ öon mit aufgeBtad^te
2;iteltt)ort ift gar ju öerlodenb baju. S)ett befcrtf)tit)en
©tüden U)irb man abfr redten, tt)a^ SeioeiJ neuerbing«
ba^ SSiftonäre am ©d^riftfleHer genannt l^at; ben bebuo
ti^en bte logifd^e 83änbtgleit, unb benjenigen, todift ate
ein mittjere^ ®enre aud^ bie %oxm ber bloßen „Sieflesion"
nid^t t>erfd^mÄ]^en, alle „toal^rl^aft j)^ilofoj)]^ifd^e" 2;iefe
beflreiten. 8Ba^ fott i6) baju t>iel anberS fagen, ate mit
Gerrit ©ottfrieb loBefan:
„3^ (äff' mix' 9 ff alt gefattett;
äßatt tiii^tet mir n^tö anberS an,
«I« meinen «rübern allen''?
3Rit ber 3lnlage tt)irb aHm&i^Kc^ fid^ fc^on befreunben,
toer nur erfl erfennen ttjiH, tt)ie S^^alt unb ©arfleHung
immer concreter toerben, j|e h)eiter bie »etrad^tung in bai5
aSefonbere t>orrüdtt. Unb iDenn man bann tveiter in ©es
trad^t jiel^t, ba§ ber Slitel lein gefd^foffene« ©^flem, f^p
bern nur SBaumaterial ^erfj)rid^t, fo Iftfet fid^ nid^t füglid^
ber aSorh)urf ergeben, id^ ^fttte ein ©todtoerl in ®ranit,
ein anbereg in ©anbjlein, ein brittej^ in »adtfiein, ein i>xtt^
te^ aU ^ad^toerl, ein fünftel afö ^oliban aufgefill^tt unb
tt)ol gar bem ®anim nod^ ein ©tü(f in ®ifen* unb &lai^
confiruction l^injugefügt. S)afür tftume id^ benn aud^ jes
bem fold^en Sefer, ml6)m, nid^t baran liegte übetoS bie
Slnfnfi!i)fungen an grül^ergefagte« gu tjerfolgen, toißig bo^
Siedet ein, nad^ feinem inbiDÄueHen ©efd^mad „Äu*Iefe"
JU galten in bem, \oa^ gerabe i^n an^ie^^en mag ; — tooBte
id^ bod^ mand^e ^Probleme nid^t fohjol löfen, ali5 6fod auf^:
jeigen. 9htr bitte id^ al^bann, bie ä(nmerlungen nic^t um
befel^en^ ju überf dalagen; benn biefelben finb Ieine«tt>eg«, toie
*) ^xtifViX @(l^o))enl^auer. 8on i^m. UelSer tl^n. &. 496.
Sorrcbe. xm
fottfl tt)0l, lebfglid^ mit ienem „ gelefirten/' SaHafl ange-
f&Dt^ t>on tDeld^nt mannet t)ermetnt^ er lönne ol|fne i^n bem
Älel feinet tofffenfd^aftlid^m fjafitjeug« nid^t ben redeten
Tiefgang unb ba« rid^ttg fd^ftoebenbe ©leid^getoid^ft be^ un*
tem ©c^ipraume« geben.
SlBeltt gerabe ßefem ^on jener — ba§ id^ fo fage —
lajem ^ßtap« gegenüber ttjirb t>ieBeid^t ber au^gebe^nte
©ebraud^f t)on f^emblDörtem einer entfd^u&igung bebürfen,
jumal in einer 3^*^ tt)0 6inf(i^rftnlung beffelben öielerfeitö
ju einer nationalen ^flid^t fott gemad^t werben, aber
tt)eber bin id^ ber SWeinung, ba§ tt)ir unfere 3Rutterfj)rad^e
f^änben, toenn. tt)ir unfere gftfiigfeit ju feinem Unterfd^ei=
bungen nid^ft unbenu|t laffen, inbem toir enttt^eber öon av2^
vo&tti entnel^men^ tüa^ un^ ba^eim bei aQem Steid^tl^unt
ijerfagt i% ober, ben SBertretem einer j)rfiben ©d^ulf))rad^e
jum %xo^, nic^t tjerfd^mälj^^, toa« in bem SSereid^ ber
^robinjialtamen unb anberer nid^t folonfäl^iger Su^brudt^
toeifen an berbem äu^lunft^mitteln pc^ un^ barbietet,
um S)inge beim redeten Slamen ju nmam, benen i^re 3la=
tur feinen Änf^mid^ auf gart äjil^etifd^e »efianblung toer«
leifit; nod|f l^alte id^ ei^ ^r ein btUigei^ Slnftnnen, ba^ je^
ntanb unbered^gter 93olt^tl^ämli(^Ieit gu Siebe ftd^ fd^Ar::
ferer ©ejeid^nungen entf dalagen f olle, bloiJ bamit bief em unb
\mttn ein oberf{Ad^li(^eS SSerft&nbni^ erleid^tet toerbe; benn
im allgemeinen imrb man bo(^ emften i^m jutrauen
muffen, fie l^ätten allemal il^re guten ®rünbe baju gehabt,
t9D fte bem f^emben unb Ungetoo^nten t>or bem (Sin^ei-
mifd^en unb ®eU)0^nlid^en ben äSorjug gegeben l^aben.
S)eimod^ tM id^ l^iermit S^bemnitAt na^gefud^t ffabm fär
aDe bie ^e, too bal^in ju befinben fein foHte, ba§ nid^t«
ate eine getoiffe »equemlid^Ieit im SSeibei^alten be^ gerabe
mir 3uf AQig ©elAuflgflen jur älbn)eid^ung bon fonfi U^b^
lid^ffim mid^ berleitet f)af>e.
XIV Sprrebe.
Uttioerfdl^nttd^er älbgunii ober unäbeminblid^er ®ldif^
gäliig!ett tDirb fretlid^ biefe^ 93u(i^ I^egegnen bei aQen jene»
„©efunben", bie jtd^ ilj^re^ (Slüdlic^feinö fd^ier ate ein«:
Xugenb tül^men itnb mit ilj^tem 3?afcrünH)fen unfete ©atite
^)robociren, h)ä^renb fie afe ^)raltifd^e unb „reaIj)olitif(^e''
Seute öetratl^en, toeld^er Slrt ba^ „®Ül(f" fei, ba^ fie ftd^
unb anbetn bereiten tooHen, erlauft um alle^ ®ble, toa^
bie aRenfd^enbruft belegen fann, mit ber fd^nöben 3w^
mut^ung: i^ unb trini, liebe @eele, benn aUeS anbere ift
Ji^orl^eit !
5Rur U)eil e^ bennod^ auf ®rben öiel jerfd^lagene $er=
Jen gibt, läfet fid^ auf einige ®mj)fÄnglid^feit red^nen für
Slefultate eine^^ bielgel^e|ten Seben^, unb fold^e toiegt für
ba^ ©emütl^ me^r benn jebe älnerlennung berfetten ate
einer bloö geiftigen Seiflung.
ajon bem, toa^ fonft nod^ in SSorreben gefagt gu tott-
ben ^)flegt, entl^ftlt bie @d^rift fetter an geeigneten Orten
ba^ Siötl^ige über meine Stellung gu SBorgängern unb
SKeiftem. Sin eine bef onbere Älaffe \)on Sef em l^abe id|
in conscribendo nid^t gebadet, unb bie flauen nid^t au«?
brüdtlid^ abjufd^redkn, bagu gab ber jufäUige Umftanb mir
ben aJlutl^, bafe gerabe fold^e be« SJud^e« (gntflef^ung mit
freunblid^em Slntl^eil begleitet f^ahm — ber tiefem Se=
jiel^ung l^ier nid^t ju gebenfen, toeld^e bie SBibmung Au^brüdtt.
3U)ar njeife ic^ tool^l, toie gerabe eine aufeer ben.5pai5==
teien jlel^enbe Dbjectiöit&t . leidet toiel ©egner unb nid^ \>id
Anhänger berfd^afft; bennod^ lebe id^ b^ Hoffnung', baj5
toa^ iä) l^ier ya bieten l^abe fo toenig ber fjreunbe tt)ie ber
^einbe ^af)l i)erminbem iperbe, unb b^f^oüb ergel^t meine
@inlabung an beibe gleid^ unbefangen: „Sßeffmt e3 i^in!"
Sauenburg in ^ßommem, im Februar 1867.
3inl^alt bed erflen ^taihti.
•eite
fBnttbt vn— xiT
(Etttleititttg.
9e0¥tff unb Umfang bet S^raltetologie ... i
3it])]tctofif4|t Surbetra^tititgeit«
1. fBtbecf^rüc^e in ben tCeugerungen bet 3nbtt>ibuaIMt ... 3
2. lieber güQe bec 3nbbibuaIttSten, namentlid^ burci^ fLbtotu
drangen ))om iDltttelmag , befonbetd in inteKectueKer dtiäftmt^ 7
8* iBorI5ufige9 über ben Bufammenl^ang jtoifd^en ben intellec^
tuellen nnb ben bitect bem SBillen ange^i^renben (Elementen
ber SttbiöibuafttSt 13
ober
@runb}äge.
1. 2)ie 2:emt>eramente 18
2. ^ortfe^nng. ^te £eni))erantente in intern ^erl^Sftntg gn
(Eonfiitntion nnb Slatnrett 38
3. 2)eT ®egenfat be§ ®i^«!oIo« unb <Sufo(o9 a(9 Wta^ ber
?eibe»«ffiMgfeit ^. . . 45
i. 2)ie etl^iffi^en (Smnbbifferensen '. . . 50
6efon)eret Sl|eU
ober
SluSfül^rungen.
Iti^bergang.
9e0ba^(tmigff0Tine» mtb ^mibfifitteK bet (El^atatterologie ... 65
®eitc
1. %19 <Sd^etntem))erainente auftretenbe Q[oin^Ucationen , beten
j^enngetc^en unb bte Wtttf^oht i\)xtv ^udfonberung .... 62
2. 2)te S^em^eramente in ^erbinbnng mit bem ^ofobi^nifd^en ®t^
ßenfa^ unb Reibet Segiel^nng gum iptafHfd^en ober re^robuc«
titoen @J?flem (Zama @una) 77
3. 2)iefetben (Som^Ie^e anf il^r ^ed^fe(t)er^ä(tntg gut tnteQectu«
eilen ©erfd^iebenl^eit angefel^en 87
4. S^erfotgurtg ber Btöjcr httxaöftttm äRifd^unge^robuctc in fei*
nere ©^ielarten 96
5. Sed^felbegiel^nng gtcifd^en ben etl^ifci^en unb ^ofob))nif(i^en ®e^
genfä^en 102
6. gortfe^ung. Unterfd^iebe naci^ bem SWagöer^ättniffe ber Äraft 107
7. @(4Iug. Sßod^ einige gemifd^te (grfdf^cinnngen au8 ben burci^ '^
fd^tt)an(enbe (Strengen gmeifel^aften Gebieten 112
!S)ie 3nt|iutal)tatät0frage
unb
L gormuUrung ber fernem Probleme 118
2. SDie Sm^utabiütätdfrage ^om etl^ifci^en nnb t9om ci^arattero'
logifd^en @tanb^unft 125
3. gortfefeung. 2)er ^m^ntabilitStefrage unb bem SWobifica*
bilitäte^roblem geraeinfame ©ebiete 128
4. gortfe^ung. ^te fogenannten ©eifledfianfl^eiten unb tl^re
(i^arafterotogifd^e ^ebeutung, ))orgugdn>eife t)on ber etl^ifd^en
©eite betrad^tet, mit Uebergang gum SBcfen be« Äffectö . 134
5. gortfe^jung. SBeitere ©ctraci^tung ber ^(ffectl^anbtnngen unb
t^>re« ^erl^ältniffee gur ©epnnung 144
6. 2)ie @ingelfragen, in n>eld^e bad äl'^obificabiUtätSiproblem [x6f
gerlegt . 148
7. ^anfl^afte Steigerung ber S)v$!oIie; ^p^od^onbrie unb i9er«
' »anbtc (Srfd^einungen , 149
8. j^o^mifdje @inn>irhtngen in i^ren d^araTteroIogifcitien golgen. 15$
9. S^Jarfotifa unb Stimulantia, gunäd^fl nad^ i^rer öerfd^ie*
benen Sirlung auf berfc^iebene (Sonftitutionen unb f>tx t)er«
fd^icbenem S^Jaturett 157
10^ Vorläufige ffe^tifd^e @^)ifobe '. 162
11. 2)ie ^l^Snomenaliter ben ^^angeborenen'' (E^arafter ,,umtt>an»
betnben'' gactoren. a) ^a9 Seben unb bie Seben9k)er]^SUniffe
aller Urt, fammt ben ))on i^nen aufgebrungenen @en)ö$« ^
nnngen, Srfal^rungen unb ,,@inbrüden'' 167
X2». gortfe^ung. l>) m^tiäft folgen bt% etnf adrett dttUSectfl^
Sml^alt bei» erften Sanbed. xTn
eette
Betet^entt^s, al^gtfe^en t»on babei tttoa aitf brfttf&l^ ^etfolg»
tcti „cr^e^fiii^tn'* Stowfen 174
13. S)ie Ueberfd^S^ung ber im engem ®mnt ^ftgogtf^en (Sin*
n>icfiingen;.iteB{l ^arabafen Aber man^txld 8er!ebTtbetteit
ht9 @(l^ii(meiflertbum6r btbaltifd^e, met^obologifd^e ntib
attbere SCbtmnigen 179
14« 2)ie äRobificabtlMtöfrage ))on ber metat^^^pf^'^Mfclett ©eite 202
15. gfortfe^ititg. 2)te äSbgUd^fttt ber fogenaniiten ©elbfibebetr«
fd^ung, ^elbflerjtebntig, ^ttbp^xthinuQ itnb ber ,t^t^t^
mag'' über^att»>t .^ . . . . 211
16« 9ieca^ititIation r nebfl gonnultrung iDeiterer (Sotif equen^en . 221
17. gottfet^mig. S^tne, i^etDiffen, i^etotffen^angfi , ©eiDtffen«
b<tftigi^eit, ^anbeln nad^ (Bhnnbfäten unb 3beftlett .... 227
18. ^oviitiinnQ. 2>ie 3n#aiiaen bed et|^ifd|«ii gatalUrntt« . . 282
19. ^rtfe^nng* Autonomie <ÜM ^ercu^feigimg ieber Stn^ttta"
bilität 246
20. goTtfe^mtg. Sunfd^, BtU^dt, ©timmitiig (mit nod^tno^
Itger ^erüdfid^tigung be9 ^ofobi^mfd^en (Slemeotd). . . . 255
21. {^ortfe^mig. 2)ie (SinlDürfe ht$ WLttxiat\9mva in vetro«
' f^ectiber ^fd^ä^ung .263
22. f^ortfe^nng. 2)ie bämontfd^e Tladft fittUd^er ,,)^er(om^
menbeit" 269
23. ©d^IußbcmerfuKg mit Uebergang '. . . 271
24. S)ie 2)emoratifatton im bud^ftSbttd^en ©inne aX9 ,,@ntfitt«
lid^ung" 273
25. 2)er 3iibit>tbiialt9mud atd fout>erane ^ritil % , 282
26. gortfc<jung. Sßirflid^c unb t)crmeintttc^c griöoUtSt . . .\ 289
27. gortfeöung. 2)cr ,,moroItfd^c md\ä)xiiV* bei mtUxn unb
3nbtt)ibuen, befonbcrö nad^ ^tx^lixun^ ber „3lntorttät'* . 293
28. ^it energie^emmenbe Sirfnng ber rcflectircnbcn ©efbfl*
bcobadftung 298
29. 2)ie fogenannte fittUd^e ^ereblung ; Sirtung bed ÜBetf^ietd
nebfl beren ^oraudfegungen; fßertb ber !BegaUtät, aud^
nad^ ibrer ©ebcutung für hxt innere «ScIbflberfBbnnng . . 300
30. {Jortfe^nng. @m})fängUd^feit för'bie entfü^ncnbc Äraft bc8
Seibenö unb ber ©träfe in ber SBed^felbegic^nng mcnfd^^
lieber (Eoejiftena . 310
31. (Bxtn^tvL ber (Smanci^ation t)ön fittltc^en @d^ran!en in
praxi unb in thesi 316
#
Sit Commnnfam^robina.
1. J^a9 Sneinanber bott SBiKe unb SnteKect im allgemeinen
nnb bie ^egirfe il^rer $ommuniond))robin| 325
I
©eile
2* !dcr 9li{fat9irtc6 ober ®a(r(eit9btan9 aU ®trekti»ii4ilt 326
3. Sottfe^uttg. 2)a« 9$erl^5Itntg bt9 (Sinjetnett gn Hefetn ^a»>
t^ol usb bte MitifHf feieren »er^SItniffe« 382
4. dntcnnejao: 9Ketat>l^i^fif4e 9nl6Ii((e in bte letzten SBiSenft-
gttetfe 334
5. goctfetung. 2)te in Wx\pxuäf genommene ^enberflettmif
bei denief 348
6. 9?a<l^tl^ef(e ber einfeitig inteffectueSen 9Ui9BiIbnng für ben
(E^arafter aU ju enoecbenben 347
7. 2)ie f(ufmer!fam!ett at9 t>a9 beutlid^^e Btoifd^engeBtet tMW
ifötae nnb SnteÜect 360
8. ^tffx ober loeniger )»on bem f&tx^ttaii bed ^iSen« jnm
SnteOect oBl^angige (S^arafterdgeiifd^aften 362
9* (Stntge bem 3ngenba(ter. at9 C^at(t!terpl^5nomene boqng«
tDetfe eigentl^fimltd^es ^^Untngenben^'r mit einem (S^cnrf |
über 3cr(h:entljeit nnb Scrfajrenl^eit 367 j
10. 3tttermc|ao: ^i^tUi^Utt — «tttmüt^igfeit — bnibenbef |
3[n«ljarren 387
11. 9tftdtgang: (SUi paar SBürte über bie $rognofe nad^ ben
3ngenb))]^anomenen im allgemeinen 394
Sit SHeriiegrobt
«
)ota bamtt }iifammet4i]tgt
1. 2)e/ (Sigenfinn, an ftc!^ nnb in feiner bamonifd^en 9latur. 397
2. Sortfet^nng. Ste^tl^aBerei nnb CuetlB^ftgYett 400
3. gortfe^nng. (Si^noni^mifdEfe fCBgrenanng be9 Q^genfinnt
gegen i^erioanbte (Sigenfci^aften 404 j
4* 2)ie ^abagogifdSfe 8eianblung bed Stgenfinnd 411
5. SEBirflid^e nnb fd^ctnbare (S^arafterfd^toäd&e , gegen bte Sr* |
f^etnnng^toetfe ed^ter SiHendflarle gehalten 417
6^ SSefen nnb Urtcn ber fogcnanntcn (S^araftcrloftgfcit ... 428
7. gortfeftung. ffitnbfd^iefe (S^araftere 431
8. gortjeftung — : (E^arattcrloflgfeit, toerfd^iebcn naä} ben a:em-
^eramenten; ^eSeitSten nnb ®cnttment«; ha9 eigentliche
Snm^entl^nm — nnb ?[bfd^Iug 433
€tnl(Unn0.
©cgtiff uttb Umfang bet Sl^ataltctologie*
2lfö eine „ ^Phänomenologie be« SBitten^" f)at bie
ß^arafterologie ben SBiUen ate in 3nbii)ibualitäten
übevf)au\>t erfd^einenben fennen ju leieren. Snfofem ift fie
eine befcrfc>)tit)e aSiffenfd^aft unb fann fid^ aud^ auf Se^
trad^tung ber gefammten %f)xemdt auöbel^nen. Site 2^l^eil
ber 3lntl^roi)ologie befd^tänft fie fid^ auf Slnal^fe ber 5p er =
fönlid^Ieit unb fftHt mit beftimmten 3lbfd^mtten ber fo-
genannten ^f^d^ologie im engem ©inne jufammen. ©ie
lann babei fo loenig toie irgenbeine anbere j)^ilofoj)l^ifd^e
UJigciplin ber metoj^l^^fifd^en ©runblage entrat^en, unb fo
oft fie fid^ auf biefe jurüdbejiei^t, mufe fie bebuctit) t>er^
fahren. S)e^l^at6 ift t)on jebem SSerfud^, fie f^ftematifd^
barjuftetten, ein Slu^ioeig barüber ju verlangen, auf ioeld^
meta^^l^^fifd^e SSorauj8fe|ungen er fid^ ju ftü^en gebeult;
aud^ fd^on barum, loeil nur in ber 3ä[nlel^nung an eine
bereite feftftel^enbe ober in ber Sled^tfertigung einer neu
aufgefteHten ^Terminologie fidlere unb i)otte SBerftänblid^feit
bie nöt^igen Oarantien finbet. Qnbem alfo bie l^ier ge=
lieferten SSeiträge ouf bem ^on Srtl^ur ©d^o!i)enl^auer
gelegten gunbamente %n^ f äffen, fe|en biefelben im gan=
jen eine Sefanntfd^aft mit beffen Se^re unb 3lu^bru(Ji^=
Saj^ttfen, (S^ataltetologie. I. 1
2 (Stniettung.
toeife toorau^. Qn^befonbere ift e8 bag ^Problem ijom
lebenbigen SSerl^ältntfe jtoifd^en SBiHe unb äWotib, bejfen
Söfung barin geförbett werben foH; unb fd^on l^tera«^ er-
l^^ellt, ba§ jtoar bie reine ©rfenntnifelel^re — ©ianoiologte
— foU)ie bie eigentlid^e äftl^etifd^e X^eorie i)on unfeter
aBiffenfd^aft auögefd^Ioffen bleibt, nid^t aber iXb^f}au\>t bie
SBefd^äftigung mit bent SnteHect unb feinen ©igenf d^aften ;
benn fotoeit biefe ba^ ®e))rftge ber 3nbii)ibualität mit^
beftimmen, fatten fie auc^ unter. j|ene^ ^Problem, unb ba§
aSortoiegen ber einen ober anbern SnteHectualfunction auf
beren Gonnej mit bem aBiUen^fem jurüdjufül^ren, mad^t
gerabe eine ber ipau^jtaufgaben ber Gl^arafterologie au^,
mit toeld^er fid^ bie SKobificabilität^frage in h)efentlid^en
©tüden aufs innigfte öerbinbet, fobafe e§ jugleid^ biefe
©eiten fein toerben, an toeld^e fid^ ijorjugStoeife baS Qn-
tereffe beS ^ßäbagogen atö fold^en !niH)fen mu^.
Siegt es nun bem erften, bafe id^ fo fage, attgemeinen
%f}ül ber ß^aralterologie ob, bie ©runbformen unb ®runb=:
floffe, ioeld^e ben inbii)ibuellen Gl^arafter confHtuiren, ju
llaffificiren, fo loäre eigentUd^ in biefen aud^ eine geftflet
lung in SBetreff ber intettectuetten Anlagen aufzunehmen —
nad^ Ueberioiegen je 1) bes SBerftanbeS; 2) ber finnlid^en
Slnfd^auung; 3) ber ©inbilbungSlraft ; 4) ber ^ßj^antafie,
als ber ©eburtsfiätte ber i)latonifd^en 3been; 5) ber aSer=
nunft, als SBermögenS ber Segriffe ober bes abftracten
©enfenS; 6) beS ©ebäd^tniffeS, als ber 2lufbett)a^rungS:=
fäl^igleit für Segriffe, im Unterfd^iebe bon ber ©rinnerung,
u. f. tt). 3lIIein einerfeitS ift tbm l^ierfür eine SBertoeifung
auf bie Vorgänger am el^ejien guläffig, unb anbererfeits
ioirb l^ierju Oe^örenbeS entioeber fd^on in ber (Einleitung
jur ©^)rad^e fommen, ober es toirb ©ad^e beS jioeiten,
„befonbem", S^^eilS fein, baS einfc^lagenbe SWaterial je
an feinem Drte ju verarbeiten ; ebenfo loie eS biefem über==
laffen bleibt, bie nad^ il^ren Dbj[ecten fid^ bifferenjirenben
©!i)ecialneigungen, fammt ibiof^nfratifd^en ^\)mpati}\m unb
SfntitJatl^ien, Siebl^abereien ober ©elüften unb S!li)erfionen,
Segtiff unb Umfang bcr ß^arafterologic. 3
in ©rtoägung ju jie^en. ®^ l^at nämlid^ ber befonbere
Xffnl, bemgemftfe me^t conftructti) toerfal^renb, ju feinem
Dbject bie 3Wifd^ungen unb 3Wifd^ung§ber^äItniffe, in unb
nad^ meldten jene formalen unb materialen ®iemente ju
einer Snbiöibualitftt jufammentreten.
Somit getoiffermafeen jugleid^ mor^jl^ologifd^er unb
ätiologifd^er Statut, ift bie ©l^arafterologie fel^r lool^l ge=
eignet, ein Sinbeglieb jtoifd^en rein ijjf^ci^ologifd^er unb
et^ifd^er SBetrad^tungiSioeife l^erjuftetten.
SSie ber ^ßftbagogi! , f o f)at fte aud^ ber Griminalifti!
unb ^ßf^d^iatrie bie ^ßrolegomena ju liefern unb barf fid^
gelegentüd^ ber Stbfd^ä|ung ber fittlid^en ©ignitdt il^rer
SJI^atfa^en nid^t entjiel^en, ipenngleic^ ftreng ju unter-
fd^eiben bleibt, ob ein gegebene^ ^räbicat d^aralterologifd^,
b. f). auf bai§ l^anbelnbe Qnbibibuum felber, ober nur afe
auf eine (Sinjell^anblung belogen jur änttjenbung fommt;
benn au^ Ie|terer ift ber ©d^lufe auf erfiereö ol^ne SWit-
berüdEftd^tigung fämmtlid^er d^arafterologifd^er gactoren
unb ber beterminirenben SD'lotii)e aUemal t)oreiIig. SEBir
lönnen j. 33. in einem befonbern %aü jemanb^ SBenel^men
eigenfinnig nennen, flnb aber barum nod^ nid^t ol^ne loei^
tereö bered^tigt, ©igenfinn für ün SWerftnal feinet Sl^a=
rafter^ auöjugeben.
@ntf^)re^enb nun ber angefünbigten Slbfid^t, an allen
fünften ben ^^ftbagogifd^en SRufeanioenbungen bie 5perfi)ec=
tite freijul^alten, mag fogleid^ bie nähere S3egrünbung be^
SRed^t^ ber ©l^arafterologie auf bem SBege ber Snbuction
i^re »elege ebenfalls wm gelbe ber i)ftbagogifd^en 6r=
fa^rung auflefen.
^nbuctortfd^e SJorbetrad^tungen.
h ®iberf<jrilrl&e in bcn ^teu^erungen ber Stibitiibuolität*
5Wit nod^ größerer ©id^erl^eit al^ toomit Seibnij be^
^aui)ten burfte, bafe in aUm aSBälbern nid^t jioei »Ifttter
1*
4 ßinleitung.
einanber loöHtg gleid^en, läfet fid^ fagen, ba§ unter allen
SRenfd^en, bie j|e gelebt l^aben, je^t leben ober etnft leben
toerben, ntd^t jtoei einanber fd^led^tl^in gleid^ finb; — mit
nod^ größerer, toeil, abgefel^en t)on ber geringern SBal^r^
fd^einlid^Ieit, toeld^e für fold^e abfolute ©leid^l^eit bie flei^^
nere Slnjal^l menfd^lid^er Qinbibibuen bietet, bie SWerfmale,
bie biefe ©leid^l^eit conftituiren müßten, ungleid^ mannig-
faltiger finb beim 3Wenfd^en atö beim blatte. 6^ gibt ja
nid^t^ Dberffäd^lid^ereg afö ba^ (Sinreil^en ber 3Jlenfd^en in
fo unbeftimmte Äategorien, mie gut unb böfe, Sug unb
bumm, fd^toad^ unb ftarl u. bgl. m.
Sber feltener ^)flegt bebad^t ju toerben, bafe fd^on im
Änaben::, ja im Äinbe^ter biefe ®ii)erfität ftd^ funbgibt,
bafe auc^ fein Säugling, lein Shilling bem anbern in
allen ©tüdEen gleid^ ift; unb bod^ bebarf e^ toeber be§
SDlüroffo))^, ba^ nn^ i)ietteid^t erft bie SSerfd^iebenl^eit jlüeier
Slätter t)or 3lugen legt, nod^ ber ©d^äfertt>ei^l^eit, bie jeben
J&ammel ber eigenen ipeerbe bom anbern unterfd^eibet, fon-
bem nur be^ liebei)onen ©ingel^en^ auf bie lleinften Steu§e=
rungen be^ Äinbe^it)efen§, um ju erfennen, ba§ jtoar ba^
sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant fein boUe^ Siedet
bel^ält, aber bie puerilia jebe^ einjelnen im detail gerabe
ebenfo fel^r nur fld^ felbft gleid^ finb, mie bie pueri felber,
einer im SSergleic^ i\xm anbern. Unb eben folange aU
toix beim Äinbe nod^ auf eine Deutung feiner f^mbolifc^en
3eid^enf^)rad^e angeft)ief en finb , folange alf o aud^ Sä^^^ng
in feiner SBeife, fi^ ju geben, burd^ abfi^tlid^e SSerftettung
nod^ nid^t möglid^ ifi, unb ßonbenienj ober „Slnftanb" ge^
toiffe ©en^oi^nl^eiten nod^ nid^t jur „jn^eiten 5Katur" gemad^t
l^aben : gerabe fo lange l&fet fid^, f ogar ol^ne bef onbere ® e=
fc^id^lid^Ieit unb ©rfal^rung, au^ bem ganjen mimifd^en
unb fonfiigen Iftr^^erlid^en ©ebaren beffelben tin jiemlid^
fidlerer ©d^lufe auf^ Qnnere — jumal ba^ Xemi)erament
unb bie etl^ifd^e Slnlage — jiel^en.
®od^ möd^ten ton un^ nid^t t)erinen in bie gineffen
ber baby-education, toeld^e neuerbingi^ bem 5pebantentl|fum
^Snbuctottfd^e SoTbetrac^tutigen. 5
fo Breiten 3:;ummelt)la| eröffnet ^at, fonbem befd^ränfen
un^ bei vorläufiger ©sennjlification auf^ Änabenalter unb
auf einen S3Ii(f in bie erjie bie bejie ©d^ulfiube, ber fd^on
überreid^lid^*e Slu^beute geiüäl^ren toirb.*)
S)a flit gleid^ ber „Träumer" neben bem „SBinb^unb"
— beibe f)at ber Seigrer in feine Siftl^e gerüdt, ben einen
ju gelegentlid^er Slufrüttelung, ben anbern, um nötl^igens
fatt§ ber S^teutl^eit unb i^ren folgen ju njel^ren. SBic
aber, toenn ft)ir biefelben knabm bann auf bem ®pkU
plal^ toieberfeben unb bod^ laum toiebererlennen, toeil ^ier
aa^ ber „©d^lafmü^e" ein „Sftitter o^ne gurd^t unb 2^=
bei", au^ bem etoig „©t)ielerigen" ein feiger ©udmäufer
geworben ift? Ober toir ffo^pitixm bei einem Goffegen unb
finb tooffer SBertounberung, unfern burd^ SRegfamleit unb '
(gifer auögejeid^neten Äiebling auf ber unterflen 83anl in
buntt)fer Sll^eilnal^mlofigfeit Ij^inbrüten unb unter unabläf-
figem Säbel mürrifd^ unb i)erbroffen ju feilten, loäl^renb
berfelbe 3unge, ber i)on nn^ atö unijerbefferli^er %anU
P^k^ //jw citteiA Outen träge", tftglid^ ©^elte belommt,
flral|ilenben Sluge^, im SBoUgefü^l foeben entj^fangenen SobejJ
ob bejier Seifhing, aufl^ord^t unb fid^ nod^ ejtra ber längfi^
erfel^nten ©tunbe freut, ft)o er aud^ öor un^ in günfügerm
Sid^t ftd^ jeigen fönne. SBeld^er Seigrer lennt fie nid^t, bie
unerquidlid^en Debatten ber SBerfe|ung§5 unb Abiturienten^
i)rüf unggsßonferenjen, too über baä 5ßlu^ l^ier unb ba^ SKi^
nu^ bort faft unijermeiblid^ ein geilfd^en entfielet, folange
nid^t bie inbibibualifirenbe ÖJered^tigfeit burd^bringt, ftarf
genug, um ben ©goiärnu^ ju überloinben, ber gerabe nur
♦) stuf ba« frühere Ätnbc^alter aurüdgrctfcnb IJat ©d^eibert
in einem Vortrage, ,,2)cr Äcrn ber (Srgtcjung^frage'', ben ba« 2ai\^^
Uin'\^t $äbag. 9(rd^i^, 1865, mittl^etUe (berfelbe ifl f^äter aud^ aU
@e^aratabbru(t im nämttd^en Vertage erfd^tenen), mit überaus an«
f))re(!Efenber Snbibibuatifirunci tint dttif^t t>on ©egenfSgen borgefül^rt,
\oxt jte fd^on in ben erflen Sebendja^ren gu Sage treten; a. a. O,,
@. 562—565,
6 ehtleituttg.
ba« eigene %a<S) für loott unb entfd^eibenb toiff gelten laffen?
— aSeld^e« SWttglieb eine« ga^lreid^ern Se^retcottegiumiS
wäre nid^t fd^on erftaunt, tomn anä) bei ^eflfe^ung ber
©enfur über ba§ ^Betragen ber einzelnen bie urtl^eile iu^
teilen fo h)eit aui^einanbergel^en, bafe ijon beut einetf ber^^
felbe ©d^üler atö 9Wufier ber SBefd^eibenl^eit ge^)riefen toirb,
ben ber anbere afö ftörrifd^ d^arafterifirt ? ®a berul^igen
fid^ benn tuol bie SSertreter be^ mittlem Urtl^eifö bei ber
ainnal^me: jener l^abe „toerjogen^', h)o biefer nid^t „rid^tig
ju nel^men" i)erftanben — unb bie toa^ren ©rünbe fold^er
S)ifferenj liegen bod^ nod^ ijiel tiefer. aJlan brandet bafür
gar nid^t einmal jurüdjugel^en auf bie rätl^fel^aften 3ho^
tit>e unerflftrlic^er B\)m\>atifim unb 3lnti))at^ien — obtool
aud^ fold^e ©el^eimniffe mit l^ineinf))ielen — unb barf fid^
ebenfo toenig berul^igen bei einer Berufung auf bie 3Äad^t
i)orgefa§ter SKeinungen: bie entfd^eibenben gactoren fatten
babei meiftenö in (Sebiete, an toeld^e junäd^fi niemanb
benft, ber fid^ fold^e ^agen nid^t au^brüdlid^ ate ^ro=
blem gefteHt l^at.
®{e ©d^ablonirfud^t ift eine iDeiter i[)erbreitete Äranfl^eit,
atö man gemeiniglid^ fid^ unb anbern jugeftel^en lüill; il^r
untrüglic^fteg ©9m))tom ber atte Xage \>emommm^ ©to^-
feufjer: „mie l^aben lüir un^ bod^ in bem unb bem ge=
täufd^t!" unb ba^ lüirb nid^t anberö Werben, Weil bie
gro^e SWenge ber SHd^tenben niemals aufl^ören Wirb, mit
einer unglaublid^ fleinen Slnjal^l bon Segriffen afö um
biegfamen 3Kafeftäben ju l^antieren. 2Ber afö gereifter
3Jlann unb gereiften 'Scannern gegenüber fo leidet mit fei-
nem 3Serbict fertig ift, wie Will man bon bem erwarten,
er werbe Änaben gegenüber, an benen bod^ all bie in^
Stuge JU faffenben Äennjeid^en geWöl^nlid^ erft in Wenig
fi^tbaren ÄeimanfÄ|en t)orl^anben finb, mit mel^r Untere
fd^eibungiSgabe, b. f), geredeter t)erfa^ren? 3Ber f eiber
wenig ober nid^t^ 3Rarfirte5 an fid^ trägt, wo fotten bem
bie gül^lfÄben l^eröorwad^fen, mit welken er jart unb leife
bie galten unb gältd^en fremben Sßefen^ betaften lönnte?
3n^uctonfd^e SoTbetradfttungem 7
SBer fetter Bis inS ©d^toabcnalter ein etoig grüner unb
etoig glatter ^Jrifd^fling bleibt, tool^er fott bem ba§ SBer*
ftänbnife fommen für bie 3tatnx eines Änaben, um beffen
SRunbtoinfel fd^on bie ^pnxm juifen i)on jener ^^^fios
gnomie, bie il^m einfl baS SluSfe^en beS 3^t:lebtfeinS
geben mu§? 3« fö ^toaö finbet bann tool ber ungebut
bige SWc^tfenner eitel 3;ro| unb ©ettftgef&Higfeit, toäl^renb
ber aci^tfam ßoufd^enbe burd^ bie l^arte raul^e Ärufie baS
Sittem eines im tieffien Qnnem toeid^en unb nur burd^f
©d^eu t>erfd^rum))ften ©emüti^S öemimmt unb tbm toer^
möge biefeS aSerfiänbniffeS pd^ beffen ganje Siebe geh^innt»
2. Ueber %Mt ber ^nbtbtbitalitSten, namentli^ burii^
9lb)Det(]^ttngtit üom äßtttelmag, befouberS tu inteOet-
tueOer Stiftung.
©amtt ifi natürlid^ nid^t in SKbrebe gefteHt, bafe eS
aud^ getoiffe mel^r ober minber feftflel^enbe ®runbt9J)en gibt,
beren ®rfd^einungSft)eife toeniger tt)iberf^)rud^St)oIle 9Wo-
mente entl^Ält. 3lber aud^ bie ga^l biefer t)flegt toiel ju
rafd^ abgef d^loffen , bie ijorttjaltenben ®egenfä|e toiel ju
toeit gefaxt, bie Sluancirungen burd^ \>id gu »enig garben
unb ©d^attirungen verfolgt ju lüerben. SBaS an einer
3nbü)ibualität nid^t ol^ne Ueberfd^ufe unb S)eficit l^inein=
pa^t in ben Slai^men mitgebrad^ter gorberungen, ift na-
mentlid^ benen ein ©reuel, bie fid^ gern ber eigenen „®e=
funbl^eit" rühmen, unb bie wxf^n am Dbject aufgezeigten
aBiberft)rü(^e i)erlegen fld^ alsbann gern in bie SBeurtl^ei-
lung, ft^eld^e baS ©ubject auffiettt. 9Ran loerlangt g- 33.
2;üd^tigeS unb ©olibeS; aber fobalb bieS faum merflid^
einen 89eigefd^madE ijon „Slltflugl^eit" ober gar „5pi^ilifter^
^aftigleit" angenommen, finbet eS aud^ feine ®nabe me^r
t>or ben Slugen beS, felber bon „^fd^e" firo^enben, Stif-
ters. SWan toitt , ba^ ber angel^enbe 3üngling „ettoaS auf
fid^ ^olte", point d'honneur l^abe; aber fobalb fold^eS
8 dinleitun^.
©elfcfigefüi^I unbequem toirb, fei e« gegen 3Ritfd^üler ober
Seigrer, befd^toert man fid^ übet Unöerträglid^leit, ober eS
l^eifet: „ber Qunge ift unau^ftel^ltd^ emi)finblid^". 3Kan
ftettt an bie ©))i|e beö ©ittencobej für bie ©d^ule ben
®a|: „gleife ift bie ©arbinaltugenb be^ ©c^üler^!" Slber
ttjenn einer im emfigen ©ammeln unb 3«f<t«wienfto^)i)eln
fein aJlafe finben fann, toirb fold^ traurige ^ßarobie bei§
©d^iHer'fd^en „®enie b. f). gleife" aud^ nur mit ad^fet
judenbem 33ebauern bef^Jöttelt. SBa^ anber^ liegt hierin,
atö ba^ Verlangen, bafe mit freier ©elbfttl^ätigfeit nad^
inbii)ibuenem Seruf gelernt toerben fotte? — aber gleid^^
jeitig f offen bie gortfd^ritte mit ber (Sffe meßbar, in allen
©egenfiÄnben ba^ „5penfum" angeeignet fein. 3eber gad^=
lel^rer nimmt cbm aU fold^er für feine eigene 5ßerfon ba^
non omnia possumus omnes in 3lnf))rud^; aber tt>el^e bem
armen Surf d^en, ber bag Unglücf l^at, gerabe für biefen
®egenftanb toeber SReigung nod^ Begabung ju befi^en ■—
unb $egel fagt: „jeber fann ein biefer fein"; fo fann
baS: „3a, 33auer, ba0 ift ganj loa^ anber^!" I^ierbei aud^
jebem begegnen. — ^mn aber gar eine ®rinnerung an
bie einji felber in äffen gäd^ern ^)räftirte ©ur^fd^nittö-
leiftung (jum ©lüdE ift ja ber Slu^toei^ barüber gefüi^rter
5ßroto!offe geloöl^nlid^ nid^t gleid^ jur $anb) fold^e gorbe-
rung unterftü^en toiff, bann liegt ber SSerbad^t fel^r na^e,
ber tt>arme Sßerfed^ter ber 3Kittelmä§igfeit i)laibire in pro-
pria causa. — ^afe bon ber l^iernad^ ju forbemben ©r^
toeiterung be^ fogenannten ßom^jenfation^f^ftem^ für 5prü-
fungen ber 2luffa| in ber aWutterfprad^e ftet^ unberül^rt
bleiben mu§, berul^t im legten ©runbe gerabe auf ber Un^
erfe|lid^feit ber 3nbit)ibualitÄt^entloidelung , toeld^er l^ier
ba^ SBort gerebet toerben foff. 9Kag immerl^in SSörne
suo jure fid^ barüber luftig gemad^t ^aben, ba§ man be::
rei^tö bon Änaben unb Sü^gKngen „©til" verlange, ba
bie toenigften aWänner einen l^ätten — bie ©eltung beS
le style c'est rhomine meme fielet bennod^ nid^t ganj
aufeerl^alb ber ©d^uljeit; ift 'ber ©til „bie ^l^^fiognomie
/
^nbuctottfdfte Sotb^trad^tungen. 9
beö ©eifte«", f o muft Tw^ ber ©til be« Änaben unb Sünfl*
lingS 3U bem bes einftigen SRonne^ genau fo t)erl^alten,
ti>ie bie nod^ nii)t feft geworbenen ©efic^töjäge ber 3ugenb
}u ben aui^ge^^r>en ^enen beS reifem äUter^. Unb tt)ie
es ©efid^ter gibt, benen man mit größter Qni>et^6)t boS
^rognoftüon fleUen fann, fte it)erben zeitlebens f(^al unb
fabe bleiben, unb anbere, in benen fd^on alle ©d^&rfe
reid^em ©rieben^ j)räformirt ift: fo bleibt bem Sluge beS
Äunbigen nid^t lange »erborgen, ob biefer unb jener ©d^il=
ler einft einen ©til f)abm ttjerbe ober nid^t. S)abei ift ber
Siegel nad^ benjenigen bie günftigfie ^ßrognofe ju ftetten,
njeld^e jur ^pubert&tSjeit tDader „mit ber ®})rad^e ringen"
unb fid^ toie SKaultoürfe fo tief in i^re aSorfteHungSgfinge
eintoü^len, ba§ fle ben SEBeg jur lichten Älarl^eit nic^t gleid^
jurüdtpnben fönnen: fie bilben ben »offen ®egenfa| ju
jener Slrt t>on furjat^migen ©eiftern, benen gleid^ „bie
Suft ausgebt", fobalb man einmal mit il^nen bie 3;aud^er5
glode betreten möd^te, ol^ne loeld^e bie ©d^S^e ber S^iefe
fid^ nic^t lieben laffen. *) ©inige t>on imm gelangen frei-
*) 2)ane6en iebod^ qxU t9 einen anbern modus cogitandi, ben
man aud^ aU eine ^rt geifitgen ^fl^mdd begetd^nen mBd^te, ber aber,
fokoenig mie bad Ux^txüä^i Sßl^nta immer Sungenfc^m&d^e , !eine9«
tvegd attemal ©d^kDcid^e ber 2)enIIi:aft inbicirt; bielmel^r toiberflrebt
berfe(be nur bem rafd^en Sed^fet ber ^orflettungen unb gemiffen %U
bretiaturen eined bünbigen @d^(ugberfa^rend ; für fein nod^ fo f(^n)te«>
rtge^ Problem fe^It i^m ba9 i^erflänbnig, bie ,,$affung0fraft''; nur
toiti er 3<tt l^aben, fcnfl beßemmt il^n ba9 ©efü^I, nid^t „mit«
lommen'S nid^t ,,<Sd^ritt ]^atten")uli^nnen; bad trip^etnbe Sorko^rtd«
fd^reiten ifl il^m aber aud^ jutDtber; er fe^t imax nur tangfam einen
gug toor ben anbern, aber nic^t in furjem ^bßanb, fonbern totiU
aud^olenb unb mit 9{ad^brudf; er bietet in rein inteHectueHer ^t*
giebung bas <§^eitenfiüd gu bem, n>a9 mir f^citer ati gorm be9 ^^^leg»
matiter^ c unb ^nämatt!er9 c tennen lernen toerben, unb toirb fid^
oft genug, tt)o nid^t gar immer, mit einer biefer beiben j£em^erament9«
beflimmtl^eiten jufammenfinben. ^m übetpen ftnb biefe armen lurg«
atbmigen ©elfter unb (£^araltere baran, totnn bad Seben fie gufammen«
to}ß}ßtlt mit ben „^ibbcligcn" (trepidi) — mit jener Älaffe öon Seuten,
10 einlettung.
lid^ niemate toieber an bie fonnenl^effe Dbetfldd^c*), bod^
öerfjjred^cn fie in ber JJugenb affc, einft afe Rip\e mit
mel^r ober toeniger j)^UofoH)l^if(i^em Stnflufl ftd^ ju bcloäl^ren,
uttb bürfen, beiläufig bemerft, ben Seigrer öeranlaffen, ffxa
unb tpieber abftd^tlid^ eine S)enlaufgabe aU %f)tma )u
fteHen, bereit 83ett)ältigung ©d^ülerfräfte eigentUd^ über=
fleigt:
SBenn {id^ ber äTlofl aud^ gan) abfurb geBerbet,
(Sd gibt gule^t bod^ nod^ *nen SBeitt.
S)agegen l> bie äBaffer^eUe beiS SCu^brudS in ber
genannten ^eriobe äSeri^arren im ©eid^ten für aQe Seiten
erttjarten. Sieben biefem ©egenfa^jaar ber ©d^iperfäffigleit
unb ©etpanbtl^eit fielet als toto genere bat)on i^erfd^ieben
bie nid^t« bon ruhiger @tettgfeit totffen unb fld^ unter ,, Steig" ein
atl^entlofed betreibe t)orfleI[en, n>eld^e9 toit ein Sntermejjo ha9 be«
quente iRid^t^t^un unterl^rid^t, bamit nur ba9 Cbliegenbe be[d^afft
toerbe. 2)ann ge^t e9 an ein flennen unb 3agen unb Ueberftür^en —
naäf ber U^r foH atlt9 fertig fein; ob pl^t^pfd^ed unb pft^d^ifd^ed ^t*
finben eben je^t (Sinfprud^ erl^eben möd^ten, banad^ mirb nid^t ge^
fragt — )u jeber anbern 3^it ^<^^ m^tt 3^it j"in gaulengen — mon
ftt^tt unb geberbet ftd^ al9 ben @f(a^en feiner eigenen Arbeit , —
carttirt ben Steiler unb richtet, n>enn aud^ unbetougt, gutceilen Uu«
l^eit an, roti^t9 !eine 3utunft mel^r audgngleid^en Dermag. Sßa^r«
^aft SBefriebigenbed aber toirb auf biefem Sege nirgenbd gu ©tanbe
gebrad^t, benn aVit9, toa9 fo ausgerichtet toirb, bel^ätt baS (S^e^räge
be« Ueberl^afteten. (Sin fold^es £^un bleibt fegentos, toeU ed feelen*
Io9, b. b* nid^t Dom innerflen ®eifle I^erau6getrieben ifl, eine bloge
9{fl]^rtgtett ber ©lieber, baS entfd^iebenfie ©egenflfidf gum fliH fletigen
©d^affen loal^r^aft tfit^tiger 9laturen. (i@gt. aud^ ^eben unb ^^d^rif'
ten be« M. 3. %x. gtatttd^, Don Ä. gr. Sebberl^ofe, 4,5lufr., @. 86;
205 fg. unb 444: über (Sommer* unb ©Interobjl; unb®. 347 fg. unb über
Ingenia tarda, coli. ®. 438.)
*) 3u tl^nen bürfte ein ^erbart gu ^SffUn fein , ber mit eifrigem
gorfcberfinn gtoar bie Probleme aufgutofil^ten tt)eig unb in bereu ent«
legenfle @eitengänge fid^ bertieft, aber !eiu9 gu einer befriebigenben
i^Bfung ftt^rt, toeil Ui il^m jeber <StoI[en nur meiter in ben nS(iften,
nid^t gurfltf nad^ auf märt« leitet, toäl^renb gerabe hierin fid^ ^^e*
^enl^aner*« (9r9ge offenbart.
Sfnbuctorif^e Sorbettad^tun^en. 11
ba^ ber armfeligfcit In SBorten unb ©ebanfen unb be«
^l^rafenteid^t^um^. £e|term $aate fel^lt gftnjlid^ to>a^ bem
etilem gemeinfant, aber in ijerfd^iebenen ©toben ber Quan-
tität unb 3[ntenfttat, eigen ifl: ba^ SSermögen ber 3ntuitton,
jene^ innere ©d^auen (nid^t bloö abjhracte, fuiperficielle
begreifen i. e. Setaften) ber SBorflellungen, toeld^e^ auf
feiner ^ö#en ©tufe bie ^p^antape ate fünfllerifd^e« 3Ser^
mögen, bie $ßerce))tion ber iplatonifd^en Qbeen au^mac^t.
— angefd^aute^ aber ifl ba^ rinjige, toa^ bem Äo|>f toir!^
lid^en gni^alt gibt — blofee, )oon ber Slnfd^auung nid^t
garantirte Segriffe finb nur hülfen unb aU fold^e leer.
®ag ift fd^on taufenb- unb aber taufenbmal auS*
gefiprod^en, alfo ein i^erjlid^ trivialer ©a^ — unb bennod^
fd^eint nod^ niematö rechter @mfl bamit gemad^t, il^n tt)irl=
lid^ ber ßint^eilung inteDectueffer Anlagen ju ®runbe )u
legen unb au§ i^m bibaftifc^e SolgefÄ|e in aller Strenge
ber ©onfequenj l^erjuleiten. 3»t ©egentl^eil: eine ganje
SRei^e gefe^lid^er Qfnflitutionen berul^t auf ber SRid^tad^tung
beffelben. — ©elbfl bie ©lementarfd^ule, hjeld^e feit ^jjefla^
lojji mit i^rem fogenannten Slnfd^auungöunterrid^t il^m
geredet gu tt)erben fd^ien, tt)ar unleugbar auf ben SIbttjeg
geratl^en, bie gewonnenen Stnfc^auungen hjieber ju 9e^
griffen ju t)erflüd^tigen; unb \üa^ ba^ intuitiije SSermögen
toedten, üben unb bilben fottte, ifl auf bem SBege jener
Sublimation, ober red^t eigentlid^ trodtenen S)eftillation,
aui^gemünbet in abftracte „S)enf Übungen". — ©o ijoffs
ftänbig tt)ie ba§ ®^mnafium fonnte fie aber ber ejtremin
©infeitigfeit nid^t anl^eimfallen, toeil i^r ein ©egengetoid^t
blieb in Silbung^factoren toon unjerftörbar finnlid^er 3latur.
Äeine^toeg^ jlebod^ ift ben ©egnem ber ©^mnafialbilbung
einjurftumen, bafe e^ beren fjunbamente toefentlid^ fei, ju
rein formaliftifd^er SRet^obe toerurti^eilt ju bleiben SBJa^tr^
lid^, bie ©riechen, — bieg aSott reinfter, Harfler unb iJoH-
fler Slnfd^auung! — ^aben eS am tt)enigflen ju öerant^
»orten, toenn man i^re ©eifte^fd^öjjfungen mi^braud^t ju
©jercitien ber 3lbflraction; ober nid^t einmal ben SRömem
13 (Sittlettung.
mit t^rem ©ubfumtion^ ^ itnb ©ubotbination^genie in
Siedet, ©:t>ra(i^e unb ftrteg^toefen fällt ber S^l^lgriff jur
ßafi, tDenn t)on i^nen mei^r für ßogif, ate für |>raftif(i^=
nüd^temc SBerflänbigfeit foff gelernt toerben. SBa^ fönnen
fie baffir, ba§ ^^ilologifd^e ©c^ulmeifter il^ren abftracteften
unb allerun|>raftifd^jien ©d^ftbel — ben ®l^ren=3^uniu^ —
jum ©cifte^red, man toeife faum, fott man fagen: erl^öl^t
ober emiebrigt l^aben? — toa^ gar für bie ©umme ber
2J^orl^«it, nad^ toeld^er bie ge^lerjol^l lateinifd^er ejtem^
j)oraIten jum ©^rtt^ unb ß^jmtmeter für bie ingenia un^
ferer ©^mnafiaften getoäl^lt hjorben? SBie grünblid^ )oct^
feiert bie§ ift. Hefte fid^ nur nad^loeifen auf hjeiten Umtoegen
burd^ ba^ f^3rac^})l^ilofoJ)l^ifd^e S^errain — ^ier fommt eiS
nur barauf axir um SBamung^tafel auf Juristen toor jener
jtoeifd^neibigen ttngered^tigfeit, toeld^e in bemfelben SWafte
bie intuitiv begabten jurüdfe|t, toie fie bie „fd^Iagfertig"
inH)rot)ifirenben aWofaifarbeiter betoor^ugt, beren aKufit)^
iieine bie memorirten 5ßaragraj)^en il^rer lateinifd^en ©ram^
mata finb. Unb toeil anber^too *) k)on uni^ öerfud^t ifl,
nad^ Anleitung unb äRaftgabe ber ^on ©c^o^en^auer
„ju (Snbe gebadeten" S)ianoiologie Äant'^ ben „Silbungg^
toert^ ber aRatl^ematif" auf feinen Saarbeftanb ju rebu^
ciren, fo fei ^ier nur conjiatirt, baft bie Äe^rfeite be^
obenangegebenen SEBed^felcurfe^ ?ßroteft erl^ebt gegen bie aWei:^
nung: bie SRatl^ematif fönne ate bie 3Biffenfd^aft ber rei=
ntn älnfd^auung ba^ rid^tige @om|)Iement ^ergeben jur
anfc^auung^lofen ©rammatlf. 33ielme^r finb in ber SKa^
t^emotil ejcellirenbe Äöipfe bie aJHld^brüber ber beflen ®p
tem|>oralienfd^reiber — unb ioeil bei beiben ba^ formale
©ebäd^tnift ba^ gute S3efte t^un muft, fo gefeffen fid^ il^nen
meiften^ nod^ bie gelben ber l^iftorifd^en, geogra})l^ifd^en
unb naturtoijfenfd^aftlid^en Slomenclaturen ju, tt)äl^renb bie
einfad^fte 5ßrobe ber 3ntuitiütalente bie ^J^^FiI «nb ©i^e^
*) 3n ber ©d^uljettung für bie ©craogtfiümcr @d^le«tt>i0 * ^ol-
ßeitt itnb Sauenburg , 1857, ^x. 21, 25 unb 26.
3nbuctorif4e Sorbettad^tungetu 18
nric fein toetben (fotoeit beten 3n^lt nid^t in tnatffmci^
tifd^e gormein aufgellt, fonbem 6aufalitätöi)erfi4ltniffe bot»
fül^rt), eine reid^ere ober an ber Sluffaffung bei^ pxaQ-
matifd^en Qn^anmmf)anQ^ in ber ©efd^id^te fid^ mad^en
l&fet, beren ©l^araftere enblid^ nur bem nad^fd^affenben
Dic^terftnne fid^ erfd^liefeen.
S)amit finb bereite aKarffieine für einige ®tuppm t>on
SnbitoibualitÄten fljirt. ©e^en toir jefet ju, toie fc^on
hierfür Goiffficienten d^arafterologifd^er SRatur im engem
Sinne mit in 83etrad^t fommen*
3« SurlSnftgej über ben äufammeitliaitg stpifd^en ben
inteOectueOeit nnb ben birect bem SSiOen attge^iüretiben
Slementen ber Snbtbtbnalttüt.
e« finb, toie fd^on ©• 2 angebeutet toerben mu^te,
bie intellectuetten SÄerftnale einer SnbitoibualitÄt mit
nickten fo losgetrennt t)on ber ftemgrunblage ber ganzen
5ßcrfönBd^feit, bem SBillen, bafe jebe beliebige SD«=
f^ung beiber SJefianbt^eile benfbar ttJäre; — unb bieg
mag um fo mel^r l^ier |>rononart toerben, je mel^r ber ttr«
lieber ber $l^ilofo)>l^ie bed SBiKenS aus anbem ®ränben
fld^ Jjeranlafet fanb, bie ©onberung ber SBelt ate SBBiffe
unb ate aSorfieHung f o f ^arf bur^gufül^ren , ba§ jtoif d^en
beiben ein nid^t gu toermittelnber S)ualiSmuS ju Haffen
fd^eint aSielmel^r enH)fie]^It eS fic^, bem Srüdfd^en nad^s
gufipüren, loeld^e« bur^ ,,baS SSunber xar i^oxiqv" tt>oU
lenbeS unb erfenncnbeS ©ubject in ein „3d^" öerbinbet,
unb bie ©teilen aufjufud^en, tt)o ber 3inteIIect bem SBiUen
als bie ^öd^fte Slüte feiner „Dbjectitftt" entleimt
@S gibt ja bo(^ unberlennbar ©renggebiete gn^ifd^en
beiben ©eiten ber Sfnbibibualejiftenj, toelc^e beiben gemeim
fam finb: bal^in gel^ören ber SBiffenStrieb (öon ber S^eu*
gier bis jum metaj)^9fifd^en Sebürfnife) unb jeber Slct ber
Slufmerlfamfeit, bal^in aud^ bie @rinnerung im Unterfd^ieb
14 (Stnleitung.
\>om ©ebftc^tnife, — ja fogar bie gfi^igfeit ä^^^tifc^er 5per=
cej)tion, fofetn fie bebingt ift burd^ bai^, toa^ Äant bie
„Sntereffelofigfeit", ©^o^)m]^aucr bo^ jeittoeiHge ©d^toei^
gen affe^ SBoffen^ nennt; benn offenbar fönnte bod^ ba^
Äji^etifd^e Dbject nic^t al^ „Quieto" toirfen, mm fd^led^t-
l^in ©leid^gültigfeit gegeneinanber baö einjige SSerl^ftltnife
gtt)ifd^en ben Dbjecten be^ rein erfennenben ©ubjectö unb
bem SBttten toäre. — 38od^ toeniger aber fann ii>otte Un=
abl^ängigfeit boneinanber beftel^en jtoifd^en befümmten in^
tellectuellen Stnlagen unb ben 3Kerfmaten beö Snbitoibual-
^aralter^ , ber i^r Präger ift. 3n ^infid^t auf ba§ ,,®mW
f)at ©d^D^jenl^auer bie^ fc^on felbft im einjelnen nad^^
gefciefen unb bamit fel^r fefle 9ln^aft5})unfte für eine ber-
artige ttnterfud^ung uni^ an bie §anb gegeben. — Slufeer^
bem aber finben fid^ aud^ fold^e ©teilen bei il^m, too er
ebenbaff elbe auf anbere gftHe antoenbet; j. 83. too er eine
getoiffe Oebulb unb ftillei^altenbe^ Slufmerfen afö ein ©r^
forbemife für bebeutenbe^ matl^ematifd^e^ Talent d^arafte^
rijirt (SB. a. SB. u. 33., 3. Stufl., II, 157 fg.). *) SBarum
foUte e« benn ba nid^t aud^ un§ juftel^en, ettoa ju unter-
fud^en, h)ie k)iel Sll^eil an gutem ©jtem^joralefd^reiben bie
ftaltblfttigfeit l^at? überl^au^Jt, toie toeit ba^ SBort )oon ber
„Xem^eramentSfad^e" aud^ auf ©d^üler5„^ugenben" Sin?
*) (Sd ifl ba9 nid^td anbetet ald tüai in fetner nattjen ft^flemlofen
SBeife ber neuerbtng9 and Sid^t gezogene %iatüä) (a.a.O., <^. 266 fg.) bie
{fS^ig!eit nennt rr^^^nge aneinanber gu benfen''. Sir merben biefen intui*
tionSreic^en ^äbagogen bed Dorigen 3al^r]^unbert9 no(f) oft ertoS^nen;
freiließ nur in gelegentUd^en iRad^trSgen, benn bie ©runbgebanfen bor*
liegenber Arbeit n)aren im ganzen längfl feflgefleHt, el^e id^ bie dnU
bedfung mad^te, in toxt fra:|)43anten Uebereinflimntungen berfelbe nid^t
nur mit @d^o^en^auer unb beffen ^rämiffen, fonbem aud^ mit
mit in ben (SonduflDnen fid^ begegnet, b>e(d^e id^ an ber $anb ber
(Srgiel^erbeobad^tung aud biefen p giel^fen gesagt l^abe. SBer bie <Sd^id'
fale ber Söerfe @d^openl^auer'« bebenft, toirb e« ol^nel^in Begreiflich
finben, toenn gerabe beffen SJere^rer mit einer getoiffen <Si?m:|)at]^ie
aßen benjenigen entgegenfommen , beren 35erbienfie gfeid^fatt« einer
fd^merbegreifKiii^en ^erfd^oHenl^eit erfl entrtff«n toerben mugten.
Snbuctorifd^e Sotbetraij^tungen. 15
toenbung leibet? 6« jÄl^^lt unter bie Ungercc^tigfeiten bet
„®efunben", tjon einem ©jamengfieber nid^t^ toijfen ju
tootten — fie begreifen nid^t, bafe nur äufeerüd^ Slnge^
lerntet äffe Slugenblid gur Jp^nb fein fann. SBer getoo^nt
ifi, äffen geiftigen S^^l^alt, ben er in fld^ aufnimmt, ju
ijerarbeiten, gerabe ber lüirb burd^ ba^ Oefüi^l bopptlt
ftarf aufgeregt: je^t gilt e^ ^rom^te« 2(nttt)orten!
Stud^ für ba^ geiftige ©gentium gilt ber Unterfd^ieb
öon eigent^um unb »erift- ©ö gibt Äö^jfe — ba« finb
bie tieferen meift unb reid^en — bie i^aben öiel gu eigen,
ober n)enig afö ftüffige^ Rapital gleid^ baar in promptu;
— unb e« gibt anbere, bie oberfläc^lid^en, aber „gett)cg;ibs
ten", bie l^aben t)iel entlel^nten 33efife, ftembe^ ©gentium,
bequemet ©rbgut, bie fönnen immer im:|orot)ifiren — i^nen
gel^t bie 3Rünje nie au^ — eö ift aber auc^ banad^: lau=
ter ^leingelb! bie i^erftei^en bie ^unfi nid^t, au^ ))offem
©d^ad^t JU fd^öi^fen, einl^eitlid^ ©rofee^ auSjul^auen — fie
briffiren oft im ©jamen mit 3tx. I — aud^ beim abfragen
ber ©efd^id^te ber 5p^ilofoj)^ie — aber nie in ber ^pi^ilo^
foi)l^ie f eiber — einfad^, toeil jie nid^t „©elbftbenfer" finb,
SBer aber fo fein bi^c^en glitterftaat an fid^ trägt in toeit^
aufgebaufd^ten galten: ber gtli nun einmal in ber SBelt
für reid^, unb fold^en ©d^ein l^ertoorjurufen, barauf aMn
ifi mand^ k)ielgej)riefene SKet^obe angelegt; benn toie bie
3iergärtnerei bie garben- unb gormen^jrad^t ber SBlumen
mit ^rei^geben jeglid^er Sefrud^tung^fäl^igfeit fünftlid^ er?
i)'6\)t, fo „erjielt" bie l^eutige SBriffant- unb gorcirerjie^ung
ba^ ©id^tbar=2lbfragbare auf ftoften jeber SBerinnerli^ung*
SBer in ijofftoid^tigem gemünjten ®olbe einen fc^toeren 35eutel
mit \i(S) ]^Uppt, ber ^ei^t ein pauvre diable — donec
demonstretur contrarium. S)agegen ber „SBBinbbeutel",
ber ein ganje^ guber luftiger gabitftten auf feinen breiten
©d^ultern trägt, gilt beim großen Raufen für iijtereffant
— iper bebftd^tig folibe ©ebanfen guten Älangeö aui^gibt,
ber mufe barauf gefaxt fein, für einen ^au^l^älterifd^en
©jjarer au^ Srtot^ angefel^en ju werben*
16 Gtntettung.
3fm fleinen be^Ätigt jebc ®jtemj)oralecortcctut biefette
6rfa^tung: bie emper nad^benfenben Staturen toittern
©4ft)terigfciten, too leine finb, «nb bermel^rett fo tl^re
^el^Ierja^l, ol^ne bie toirflici^e Qualität il^rer Slrbeit ju Jjer*
fd^Ied^tem — unb umgefe^tt liefern bie ^jj^legmatifd^en gted^-
föj)fe, unbeirrt toon ©cru^)eln unb S^^f^tn, ettoa^ Gor^
recte^ — freilid^ \)on jener ßorrect^eit, beren jtoeifel^aften
SBertl^ fd^on ©dritter in einem Diftid^on benuncirt f)at
©elbfi ba§ ®ebdd^tni§ in feiner ganj mec^anifd^en
2^^fttig!eit be^ aRemoriren^ fielet fid^tbar unter ber ®in=
toirlung be^ SBitten« — nid^t nur nad^i 3Ra§gabe bei^ „fiuft
unJ) Siebe junt S)inge mad^t alle 5tRül^e unb Slrbeit geringe"
— fonbem aud^ fofem gurd^t bie Äraft be^ SlneigneniS
la^mt: bie SSorfteHung , bafe etn^aiS fd^toer t)om ©eb&d^tni§
bellten toerbe, erfd^ioert ba^ Slu^toenbiglernen felber*
SWand^er lernt mit großer ßeid^tigfeit unb ©id^erl^eit SSo^
cabeln, aber bag öertDed^felung^fofe ©iniprÄgen toon ©igen-
namen in ber @eoQtapf)k tviU if)m nid^t gelingen — bei
anbern ifl baö Umgefel^rte ber gall. — %üx beibe l^at bie
toieber^olt gemad^te @rf a^rung ettoa^ 6ntmutl^igenbe^ ; fie
bilben fid^ julefet ein, ein^^ ober baS anbere burd^auö nid^t
ju lönnen — unb toie eine ftje Sbee flört fie jule|t biefer
SBai^n bei jebem neuen Slnlauf, ben fie nel^men; bi^ enblid^
t)ielleid^t ein glüdlic^er 3«fött fie überjeugt, bafe e^ ben=
nod^ aud^ gel^e. Unb um ben eintritt biefe^ ©efü^fe ju
befd^leurtigen, ift für ben Sel^renben bie aWajime inbicirt:
nid^t^ forciren ju toollen, toeil bie^ bie SÄengftlid^feit nur
fleigem toürbe. ©r überlajfe fol^e ©c^üler für biefeg gad^
eine 3^t I^ng fid^ f eiber, ftelle an fie feine ^agen, über=
l^öre il^nen nod^ toeniger bie ganje aufgegebene ßection,
fonbem i)ertraue junftd^fl bem semper aliquid haeret —
bann toirb fid^ bem erften bünnen 8obenfa| aHmft^lid^
fd^on mel^r anl^eften, loenn nid^t me^r jeber SSerfud^, burd^
ben fid^ einbrängenben ®laubm an feine JBergeblid^feit
felber, toieber bereitelt iüirb — unb ein ganj unöermerft
bleibenbe^ ©inüben toirb mel^r gewinnen, ate bie fortgefe|te
3inbuctorifd^e Sorbetrad^tungcn. 17
Oual beg „ 6in^)auf en^ " jemals toermöd^te, um fo fd^Ieu^
niger, je intenfitoer ba§ ©elbftoertrauen gehräftigt iüirb.*)
SBer in einer geiftigen 5C^ätig!eit „mit ganjer ©eele"
babei ifi, lüirb alfo toieHeid^t bie ©id^er^eit öermiffen laffen,
aber toal^rlid^ an 2^üd^tigfeit bem nid^t nad^ftel^en, toeld^er
bie 3[^)atl^ie \>ox i^m "ooxau^ffat ®ag })ra!ttfd^e Seben
fieHt beS^alb nad^l^er regelmäßig eine anbere Siangorbnung
ber ©eifter ^er afö bie Socation nad^ imiprotoifirten ^rü=
fungöleiftungen; beffen ganj ju gefd^toeigen, baß nid^t nur
bie Unjut)erläffigfeit bei l^äu^Iid^en Seiftungen burd^ reget
mäßig unter SKuffid^t angefertigte ©ipecimina geiüiffermaßen
fd^eint legalifirt ju toerben, fonbem aud^ ber ©dualer burd^
fold^e aHju häufige Verarbeiten balb jjeber ftetigen, gefam-
mclten unb mit SRul^e ©elbftcontrole au^übenben S^^ätigfeit^^:
toeife enttoöl^nt toerben fann.
5Rid^t einmal, tüte fid^ bod^ ertt^arten ließe, für bie
Surifterei finb bie blo^ fd^lagfertigen Äö^)fe befonber^ taug=
lid^ — benn aud^ ba genügt ja nid^t ba§ abftracte ©ub=
fumiren, fonbem bie einzelnen 9ied^t§l^anblungen tooHen
in il^re acte jerlegt, aUe ^lebenbejüge bead^tet fein — unb
bie^ beibe^ ift toeit mel^r ©ad^e be^ anfd^auenben §Berftan=
beg, ate beg bloßen Siegelfinnö, unb nur biefe^ le|tere
erforbemiß jum „juriftifd^en Äo^fe" bejeid^net ©d^iöer'g
äu^brud „tobellarifd^er SSerftanb", für bejfen Kriterium
bie gä^igfeit be§ einorbnen« in getoiffe Äreife unb Segrip^^
fj)l^ären gelten muß.
*) 2)ic^ tft glcid^ »icbcr ein ^uitft, on tocld^em tvir mit äljin*
lid^en ^at^6)läQtn glattid^'d giifammentreffen.
Sa^nfeitr <Sl^araTterologie. I.
/
^ii^tmtxntx 9:i|eil
ober
©ruubsflge.
L 2)te Xtmpttümtntt.
ftcitt anbetet Rcöpitd ber ^Pf^d^ologic pflegt fo fc^t
ba^ Saicn|>ublilum ju bcfd^ftftigen tolc bie Unterfd^eibung
ber 3^cttH)eramente, unb bo^ begegnet man nic^t leidet
irgenbtDo einem gtöfeetn Unbermögen, SRed^enfd^aft ju geben
bon bem, toa^ bei getoiffen lanbläufigen Flamen borgejiellt
toitb, ate eben auf biefem ©ebiete. äSage, öeriüorrene, ben
t)erf(^iebenflen |)f^d^ifd^en Functionen entlehnte, ebenfo
unllare toie unbeutlid^e Slngaben muffen ^ier, toie freilid^
oft genug aud^ anberSioo, ben SWangel an toirflid^ fonberm
ben SBeftimmungen berfteden; alle ©renjlinien finb )oex^
fd^üttet mit einem SBuft balb l^iet^ balb bort^er aufgegriffener
SWerlmale, unb bie ßonfufion gijjfett in angeblichen
SDWfc^ungen t>on ©lementen, bie ebenfo unberträglid^ finb
toie geuer unb SBaffer, e^ müfete benn ber ,,Qttv SWifro^
foi^mu^" bejg aWej)^ifto|>l^eleg auf äffen ©äffen leibi^aftig
umherlaufen.
3)ie Zm,pttamentt. 19
äKein e^ fo&xe ungerecht, einjig bie Dbcrflftd^Kd^fett
bcr ^opnlaxp]\)i)oloQk für folc^ ein S)ur(^einanbcttt>erfen
t)eranttoortli(ä^ ju mad^en; e^ liegt k)ieltnel^r bie ©d^toierigs
feit in ber ©a^e f eiber; unb bafe jebeS neue ßel^rbucl^ ber
5ßf^(^oIogie bag alte ^Problem anber« anfaßt, betoeifl fatfc^
fam, tt)ie bie SBiffenfd^aft f eiber feine^toeg^ auiS bem
©d^toanfen l^erau^ ift 3a, jeber, toelc^er fid^ toieberl^olt
unb einigermafeen umftd^tig bie l^ier einfd^lagenben fragen
öorgel^alten ^at, tt)irb balb genug inne gettjorben fein, toie
iljin bo^ Unbefriebigenbe ber getoonnenen Slefultate ju im=
mer neuen 3Serfud^en anfjjomen mufe, feiner ©arflellung
eine größere S)urd^pd^tigleit ju erarbeiten.
©0 ift eg nid^t etioa für eine öerbraud^te 5ßl^rafe ber
^feubobefd^eibeni^eit )u l^alten, tomn bie nad^fiel^enben @rs
örterungen ft(^ für nid^tS mei^r ausgeben unb für ni(^t^
me^r angefel^en ju toerben iüünfd^en, ate für ben jüngften
S3erfu(^ nad^ bieten, bie ate ©rgebniffe emften unb unbe^^
fangenen 3la6)hmlmi borangegangen unb al^ unjul&nglid^
bertt)orfen toorben jtnb.
SBenn eg i^nen gelingt, bem gebanfenlofen SSermifd^en
unb ber fieten ixe-raßaaLC sJc «XXo y£vo<; ein ©nbe ju
ma^en unb ftatt beffen bie jtoeifell^aften 3it)ifd^enflufen mit
einiger ©c^ärfe ate fold^e ju marfiren, fo toerben jte an
i^rem 2;^eil einen Seitrag gur Klärung be^ SBertoorrenen
geliefert IjK^en, toeld^er ^inreid^t, bie babei geübte ©elbjls
Verleugnung ju bergüten. — Sltö ben äct einer fold^en
nftmlid^ barf id^ e^ bejeid^nen, bafe id^ mid^ juleit ent=
fd^loffen , nad^ einem borläupgen Slu^funft^mittel ju greifen,
ttjeld^e^ ber fonftigen SBeife meiner S)enfarbeiten fo fremb^^
artig toie möglich ifi 5Bon ^aufe au^ ein abgefagter geinb
atter rein fd^ematifd^en SRubricirungen, l^abe id^ bod^ ge-
glaubt, in biefem %aU ben 3^^^ "^^ S)eutlid^feit unb
Ueberfid^tlid^Ieit am beften }u förbem, te)enn id^ eine %a^
belle boranfleUte, n)eld^e geeignet fein !dnnte, bem neuen
Aufbau ium beffer biftinguirenben ©runbgerüfte ju bienen ;
unb inbem id^ jebe ©rlÄuterung einer f j)ätem S)etaiffirung
20 ©tuttbjügc.
Dorbc^alte, meine id^, ben SBottoutf eine§ Siücffall^ in
,,längft übertounbene 2luf f affung^toeif en " nic^t f dienen ju
bürfen, ber gutoerfid^t mi^ getröftenb, bafe toer über ba^
blofee @eri)3^)e l^iitau^blicft, feine ®rtt>artung neuer ®efid^t^=
punft^ and} nid^t ganj getäufd^t finben toirb.
auf bie ®efal^r ^in, ber ßiebl^aberei für eine fd^ola=
ftifd^e SJemtinologie bejid^ügt ju ttjerben, jle^e id^ nid^t
an, nöt^igenfatt^ bie 3al|>l ber l^ergebrad^ten Sßomen nod^
um einige felbftgetoä^lte ju t^ermei^ren, für beren SSerftfinb^
lid^feit bie nad^folgenbe ©jem^^Iificirung forgen mag.
©0 fd;eibe id^ öorneloeg bie ^ofob^nif (icoaois; —
oSuvT)) ab Seigre toon ben ©raben ber 6a^)acitfit für
©d^merj unb fiuft (bie 2Bal^l ber JSejeid^nung ift befümmt
burd^ ba^ a potiori fit denominatio) nad^ bem ®egenfa|
ber S^^folie (SupcoXfa) unb (Sufolie (suxoXta) an& ber
Seigre wn ben 5rem^)eramenten gänjlid^ au^, um biefe, fo
wn jlebem fojufagen materiellen Äriterium burd^au^ frei,
auöfd^liejsli^ auf bie rein formal-quantitativen Unterfd^iebe
nad^ ben Oraben ber ©Spontaneität, Sftece^jtibitftt,
Smipreffionabilitfit unb Sieagibilität ju grünben,
toeld^en bie toier ©egenfa^^jaare: ftarf unb fd^n^ad^ — rafd^
unb langfam — tief unb flad^ — nad^l^altig unb flüd^tig —
entfipred^en. Unb bamit fold^e Sefer, bie fid^ nad^ SSor=
liebe unb ©eloöl^nung leidet möd^ten abfd^redEen laffen, ein
fd^etnbar von allem ©oncreten abgen:)anbte^ gelb itjeitefter
Slbftractionen unb ungeläuflgfier ^Begriffe überl^au^)t ju be^
treten, einfivoeilen geneigter gemad^t toerben, mir toeiter
in folgen, mag eine mdglid^ft popnl&x^ (Srflärung junäd^ft
Derbeutlid^en, um ft)a^ e^ fid^ im allgemeinen l^ierbei ^an=
belt. SSieHeid^t hjirb bann ber 3Keta^)l^is>fifer in bem, toa^
x6) f)ux nur ate ^j^^fifalifd^e Slnalogien unb aSeranfd^au*
lid^ungMittel ^eranjie^e, fogar m^ SSefenöeinl^eit, t)crfd^ie=
bene ©rfd^einung^toeifen eine« Qbentlfd^en auf öerfd^iebe^
nen 5Wanifeftation«ftufen be« all=einen SGßillen«, erfennen.
©d^on bie unbelebte Sftatur bietet ja ^l^änomene bar, in
loeld^en toir ein „f^)ontane«" SSerl^alten toal^mel^men; ba-
S)ie Xetnt>etamente. 21
f)\n ifl nid^t nur bie d^emif^e Sttffinität, fonbern bereite bie^
jenige Qualität ju jÄl^len, toeld^e in ber Seigre toon 3Wag5
netiSmuS unb ©leftricität i^re 35arftettung finbet; bo^ ©ifen
bringt ber magnetifd^en Äraft grofee SBereittoittigfeit mU
gegen, fid^ burc^ fie beftimmen ju laffen, unb bie gatoa==
nifd^e Siei^e gibt bie ganje ©cala fämmtlid^er ©lentente in
Ä^nlid^em SJeri^alten. ®em })araffei fielet bie lange ©tufen^
folge ber lebenbigen SBefen — fd^on im ^Pflanjenreid^ an=
^ebenb nad^ bem Unterfd^ieb jtoifd^en rafd^cm unb lang=
famem SBod^^t^um unb fortlaufenb ju jenen 3;i|^ieren, be^
ren ganje^ SBefen SBetoegung ju fein fd^eint (finnreid^
legte unfere <Bpxa6)e biefe Seobad^tung in einzelne 3lamen
f eiber i^inein: fliege, ©d^lüalbe u. bgl.). 3n ber 3)lenfd^en=
toeU ttJünfd^t bie ^nbiöibualit&t bon f d^hjad^er ©|)ontaneität,
möglid^ft lange in Unt^ätigleit i)erl^arren ju fönnen, unb
toartet affemal erft ba^ ^erannal^en ber erregenben ^Rotitoe
ab , toäl^renb bie t)on [tarier ©Spontaneität biefe ,,an^ eige^^
nem Slntriebe" auffud^t; unb toeil legtere afferbingö afe
befonber^ actito fid^ barjiefft, fo bejeic^net ein ungenauer
©Jjrad^gebraud^ erflere gern aU eine „mel^r ^)affitoe 5Ratur",
lüobei nid^t i>ergeffen ttjerben barf, ba| felbji unfer „lei^
benb" oft ben bloßen ®egenfa| jum Xl^Ätig^ein au^brücft
(J.S3. 3Äarie ©tuart, U, 8:
2)en!et ntd^t, bag iä) fte letbenb ^ätte
3um Zoht gc^en laffenl).
S)iefe Unterfd^eibung nad^ fd^toad^er unb ftarfer ©^jontanei-
tat befagt alfo noc^ gar nid^t^ barüber, ob bie Äraft f eiber,
loeld^er bie ©i)ontaneität afö^pr&bicat il^rerßrfd^einung^ltjeife
beigelegt ioirb, grofe ober Hein, energifdö ober nid^t fei;
unb ebenfo tt)enig ift e^ affemal gett)ife, bafe dn Sffiiffe öon
[tarier ©Spontaneität jugleid^ aud^ bie ©igenfd^aft befi^t,
ein fid^ barbietenbeg 9Kotit) raf d^ in fid^ auf junel^men ; bie^
rid^tet fid^ öielme^r nad^ ber 9lece:p tibi tat*), aU njeld^e
*) %u^ für jtc muffen mx bieö grembtoort fcetbc^alteu; bcnn
22 ®tunb)üg6.
wn ber @!pontaneität ebenfo unabl^ftngig ifl, toic ctoa bie
^ftl^igfeit ber einzelnen Äör^jer , gctoiffe f ogenanntc 2let^er=
fd^toingungen rafd^ f ort jui^Pan^en , ober ba^ Sid^t burd^
ft^ ^inburd^julaffen, toon i^rer ^ärte unb SJtd^tigfeit, ober
ioie bie SBeid^l^eit t>om fipecififd^en ©eloid^t. aBieberum
ober l^at bie SRece^tibität atö fold^e ntd^t^ ju tl^un mit ber
gäl^igfeit, m 9Motit) lange bei fid^ aufjubetoal^ren, ober
baffelbe in ftd^ fortn:)irfen ju laffen, ja, nid^t einmal mit
bem 3Ka^e, biö ju njeld^em fid^ ber ©inbrud beffelben fo=
jufagen in ben SBillen einbohrt — fte befiimmt nur ben
erfien SWoment, ba^ erjle ©tabium feiner ©intoirfung, näm^
Ud^ bie 3rftbauer öon feinem erften ^eranfommen bi« ju
bem Slugenblide, too e^ in ber 3;i^at toirffam toirb. Db
ein SWotit» ftd^ eintoül^lt — f oaufagen bi« an^ 3Rarf beS Oe-
fammtioilleng ber 3nbii>ibualitfit — ba§ rid^tet fid^ nad^ ber
Sm^^reffionabilitat: ©ta^I unb ©ifen ftnb einanberja
aud^ nid^t gleich in ber „3;reue", mit toeld^er fle ben in
fie übergeleiteten SKagneti^muä in fid^ aufbeloal^ren. (2ln
biefer ©tette üermelben toir ben Sluäbrud „©enfibilität",
um benfelben für anberioeitige aSertt)enbung aufjuf^jaren;
— folange bie Db=„©enfitit)en" mit il^rem Stnf^rud^
auf »ürgerred^t in ber ©^jrad^e ber 5Rert)ent)atl^ologie nod^
nid^t enbgültig ab:: unb jur Siul^e genjiefen finb, toerben
\t)ix jenen Xerminu^ aud^ jur Sejeid^nung franfl^after SReijs
barfeit ber Sm^ir^ffionabilität ni^t ganj entbel^ren fönnen.)
3lber felbft tt)a^ „einem hi^ in^ innerfte ^cr^ einfd^neibet",
tt)ül^lt be^l^alb nid^t immer aud^ ben SBiHen felber auf ju
anbauember ©egenfirebung — bei flüd^tiger 3leagibi=
lit&t l^ört ber SBiUe balb auf, fid^ toonbem eingetretenen
3Rotiü fotticitiren iü laffen. (S^in SWenfd^ \)f>n tiefer 3m-
ais^ tu bem, tcM toh auf beutfc^ Q^m^fängtid^Ieit nennettr lägt
fi^ noäf t)ertnöge eine9 Ui^t irreleitenben ^c:^43elfinn9 ein iD^oment
ber ®i|)ontanettät — beö Slufne^mcntDotten« unb *m8gen8 — unb ber
5Recej>tiöität — be« Äufne^>menfönncn« — untcrfd^eibcn.
Sie Xemperamente. 23
})teffionaWIitat lann, h)ie ein Sd^toamm, fid^ fojufagen boH-
gefogcn ffabm ^oon (Sinbrüden, unb feine ganje 9leaction
befleißt nur barin, biefem gleid^, ju finfen unb fortan re^
gunff^lo^ ju bleiben — ober nad^ einem anbem Silbe: toa^
bie 3wtt)refjtonabilitÄt, ber 6aj)iffarattraction niel^r afö ber
bloßen 5ßorofität öergleid^bar, in fid^ oufbetoal^rt, fann an
ben SGBanbungen beffen, toa& nunmel^r fein ©efäfe gett)or=
ben, einen Stoff finben, jtoifd^en toeld^em unb ifftn f eiber
fein d^emifd^er 5ßrocefe entfielet ober nur ein balb vorüber*
ge^enber, infolge beffen eine Ärufle fld^ bilbet, bie »eitere
eintoirfung jtoifd^en SBitte unb aRotiö öerl^inbert — bann
ifi feine nac^i^altige SReagibilität öor^anben; benn bie
aieagibilitÄt brüdt bag frül^ere ober fipatere 3lufl^ören ber
Slad^toirfung ber 3Wotii>e an^, unb in biefem ©inne Reifet
,,flü^tig fein" baffelbe, toie eine ©ad^e, bie man l^at
auf fi(^ ioirfen laffen, balb lieber fal^ren laffen, fie leidet
öneber „aufgeben"* 9lafd^e^ äuff äugen unb ^iefsin^fid^-
einfidfem 5 laffen einer glüffigleit feiten^ eine^ feflen Äör:*
ptx2 finb alfo in ber J)^^fifd^en SBelt bie aSorgftnge, ioeld^e
ben d^arafterologifd^en ©rfc^einungen ber 3lecej3tii)it&t unb
3mj3refftonabilität cntf^^red^en. — 3Rit biefen Slnfd^auungen
gel^e man bie S^abelle bur^ (f. ©• 24), bi^ ber befonbere
2;^eil bie weitere aufgäbe übernimmt, in gefd^loffenerer
Sünbigfeit auj^jufü^ren, tva^ ^ier ijorerfl nur bienen follte,
bie ©ad^e burd^ illufirirenbe ®leid^niffe, ol^ne ioiffenfd^aft^
lid^e ©trenge, getoiff ermaßen „munbred^t" ju mad^en für
®aumm, bie bei „trodfener" ©})eife leidet ba^ ©efü^l beiS
Slu^gebörrtfeini^ befommen.
24
Onmbjflge.
taitet*
tat:
3?ece^ti*
büät:
3mi)ref*
fionaBitt*
tat:
8icagt6i*
atät:
2^em|)erament :
1.
I.
M
ruf*
tief
nad^l^altig
(|ioIetif(| a.
2.
i-in.
ftatl
raf«
flad^
nad^^alttg
d^olcrifd^ b.
3.
ML
ftatf
wfrj
tief
püd^Hg
d^olerifd^ c.
4.
n.
ftaxt
rafd^
M
flüditig
fangitinifd^ a.
5.
IM.
\ä)toaäf
rafd^
ffa*
mm
fanguinifd^b.
6.
ii-m.
flarf
kngf am
ffatif
nmm
fanguinifd^c.
7.
ni.
flarf
lattgfam
flac^
mdfyaim
^i^Iegmatifdj a.
8.
IIMV.
fd^hjod^
(angfam
•
frac^
m6)Him
:|>^Iegmattf(^>b
9.
UM.
ftarf
langfam
tief
nadji^aüig
:|>Megmottfd&c
10.
IV.
fdjtoail^
rafd^
tief
na($l^altig
anämatifd^ a.
IL
IV J.
f^ioa^
rafd^
tief
P*ttg
anämatifd^ b.
12.
lY-III.
fd^toat^
kngfotn
tief
nadd^aUtg
anämatifd^ c.
13.
MV*)
fc^mod^
raf4
flad^
na($]^alttg
d^olcrtfd^ d.
14
IMV.
fd^toad^
langfam
ffa*
P«tiö
fanguinifd^ d.
15.
in-ii.
jlarf
(angfam
tief
Pci^tig
:|>]^Icgmatifd^ d.
16.
iv-n.
f4)oa4
langfam
tief
Pci^tig
anämattfd^ d.
*) ein bem ©angutnifcr gcnSl^erter 3lnämatifcr (sub 16) ober
ein bem SlnSmattfer genäljierter ©anguinifer (sub 14) erfd^cint attcr-
biug^ cbcnfo h)ie ein bem Slnämatifcr genäherter (S^olcrifer (sub 13),
unmittelljar alö eine contradictio in adjecto, unb tt)tr!Ud^ be^ätt
biefcr nur ein« feiner beibcn toefentüc^icn SWerfmale , toic aud^ ber bem
@anguinifer gcnäl^ertc ^Ifitegmatifer (sub 15). 5lbcr babei bilft ent*
iceber (sub 13) bie glad^l^eit ber Sm^reffionabilität bie @d^h)äci^e ber
@:pontaneität au^glcid^cn, ober (sub 14) bie langfame 9lece:|>tit>ität
\)ält ber fd^hjad&cn @J)ontanettät bie Sßage, ober (sub 15) bie tiefe
äm^refftonabilität tt>irb burdjj bie flild^tigc ÜJeagibilität neutralifirt ;
über cnblid^ (sub 16) bie flüi^tige Sifeagibilität balancirt bie langfamc
9?ece:|)tiöität. SebenfaHö laffen fic^ fold^e SKifd^naturen unfd^mer in
ber Örfal^rung nad^toeifen. greilid^ raubt i^^nen ber innere ^ibcr=
f^rudfi i^rcö 2ßefcu3 mit ber @in^cit and) jebcu redeten ^alt unb fo*
mit jebc SCnlage gur Süd^tigf eit , mälfircnb unter ben mit c begeid^*
netcn Kombinationen befonberö toertböoüe, ja crquidftic^e (Srfd^ei*
nungen »jorfommen fönnen.
3)ie Zemipttammie. 25
3n biefer Sicd&effe finb bei Slufflellung bcr jtoifd^en
jenen gactoren möglid^en ©ombinationen äberatt bie:*
jenigen 3Werfmale fld^tbar au^gejetd^net, toeld^e je in erflet
ober .jtoetter Sinie ba^ ©J^atafteriftifd^e unb für ben ba^
neben^el^enben S^em'^jetomentönamen @ntf(i^eibenbe l^ergeben,
unb toäl^tenb nnter biefen ben reinften Älaffent^|)uS ein
beigefefetes a fennjetd^net, f ollen b-c-d je ba^ aRofe beö
Slbftanbe^ 'oon bemfelben auöbtüd en. *) S)emgemft§ toat
ijorlommenbenfattä ju entfd^eiben, auf meldte ©eite foju-
fagen bei ©leid^l^eit ber ©ttmmen bie getoi(^tigem fatten,
unb ob c ober b getoftl^lt tourbe, fonnte ebenfo nur bo?
ioon abhängen, ob bie au^faffenben SWerftnale mel^r ober
toeniger d^arafteriftifd^ finb; b^iel^ung^ioeife bai)on, toie
loenig ober loie üiel biefelben burd^ bie 6igentl^ümlid^!eit
ber an il^re ©teffe tretenben com:>)enfirt toerben* ©ofem^
ioo d inbicirt ift, aBewal eine ©renjftufe t)orl^anben fein
mufe, ift e^ freittd^ an^ benlbar, baJ3 bie ®ntfd^eibung
fdjmanfenb bleibt, toe^l^alb bie mit d bejeid^neten -In ab^
gefonberter @xü)^pt am 6nbe jufammengeftettt loorben
finb.**)
*) 2)em (S^emifer mi^gen baBei getetffe gortneln fetner Siffen«
f(^aft einfatten, toie unterd^torige ^ämt, öfloxx^t ^ävat, ViTxttxäflov*
fäure, &flox\äüVt unb Ueiberd^Iorfäure — Op}h unb O^t^bul — ^nlb«
o^t^b unb $)^^ero^)^b nc!6ft vettern (SomBinaticnen: fd^toefelfaurc«
@ijen0(^b, f(!(iiDefiigfaured (Stfenoj:)^n( — tin^aö), anberttialbfad^, $mei«
fad^ u. f. to. faure ©atge — Mn — Mn, O, — Mn 0, — Mn
O3 — M112 O7 u. f. tD.
**) gfüt biejenigen, koetd^e fid^ bie äfUil^e geben n>offen, an obtgec
Tabelle bie nV^oht be9 'Sttditntj^tmpti^** bamit gu ntad^en, bag fte
ein beliebig ^eraudgegriffened 3nbit)iDnunt baranf anfe^en, in tpeld^e
ber fed^ge^^n Stubtüen ed mit feinem Temperament gn {leiten fornme^
fann, mt fid^ bon felbfl t)er{le^t, and^ ein objectiü begrünbete^
^d^tvanfen, eine Unfid^erl^eit ber (Sntfd^eibnng, aud ber 9{elatit)ität
ber t)ier (^egenfätje entflel^en: ed fann gtoeifel^aft bleiben, oh eine
«Spontaneität fd^toac^ ober flart, eine 9{eagibi(ität Pd^tig ober nad^«
baltig 3u nennen fei u« f« f.; benu ed gibt natürlidb überaKein iDKtt^
iered, ))on bem e@ fd^mer, mo nid^t gar unmögUd^ ifl, gu fagen, ob
26 9rttnb)üge.
3Benn aber aud^ nod^ in bcr fo refultitenben ®tuj)-
pitutifi me SeßAtigung beiS les extremes se touchent
mehrmals fld^ atö unaui^toeii^lbar ertoeift^ fo batf ba^ aU
eine @atantie bafüt anQe^pxs>^m ioerben, bafe bie 3lebens
einanberotbnung bem realen Seben^ nid^t einem toiViSit'-
ßd^en (Sonjhruiren, il^re ^etfunft berbonft; benn gerobe
eine abfh:acte Symmetrie l^ier erreid^en tooDen^ l^ie^e ber
natürlid^en SBuntl^eit ©eiDalt antl^un.
®ne v>ereinfad^enbe Slebuction ber JJabette ipftre atter*
bingg ba fiattl|faft, tt)o bie ©ini^eit bon „rafd^" unb „ftarl"
ate i^eftigleit, üon „langfam" unb „f<^te)ad^" d« Sau?
I^eit ber Srritabilitfit eintreten fann; ober fd^on bie
reinen formen bed 9in&matxttt^ unb ^l^legmatiferd bmqm
ftd^ fold^er @in)n)&ngun8 nid^t — bod fei uniS eine Wiax^
nung, weiter fd^emotiftrenb )u e£))erimentiren^ um fo mel^r^
atö an ber 3^ritabilität als ©rregbarleit aud^ bie 9tea?
gibilit&t älnt^eil l^at; toeS^alb bon leidet unb fd^toer er::
regbaren Slaturen gefprod^en tt>irb.
ed bieffeit obec ienfett be6 {^a(btrung9^unYte6 liege — unb ba bie^
toon fämmtlid^en (i^arafterologtfd^en (SIementen gilt, fo finb aUerbtng«
bie gäSe I^Sufig genug , too mir unfer Urtl^eil fudpeubiren muffen,
obfc^on auf bie t>»ffnung l^in, fernere Beobachtung lönne babei nod^
äRomente erfennen laffen, meiere ben ,,9u9f(i^tag geben'' — unb ido
bie« zutrifft, f^red^en tt>tr Don einer r»tt>ettig au0ge))r5gten'\ n^ie im
entgegengefet^ten %atLt ^on einer Mf^arf marürten" ¥erf9nU(i^reit
Wian fleHe ft<j^ iebec^ äberl^au^t ba9 Ctrlennen ber allgemeinen ^xu
terien für bie einzelnen 9lummem nac^ ber XaUViz nic^t aK^n ein«
fa(!^ Dor ; indbefonbere Bei ber 9{ece)>titität bleibt bie Beobad^tung, an«
flatt koirtUtb — toorauf ed beim ^emi^erament al9 fold^em anfommt —
au^fc^Iiefilid^ ba« Ser^Sttnig be6 Siaen« sum fßtoüty in« 9uge ^u
f äffen, leicht etnfeitig auf ba« inteOectuelle (Seebären befd^rSnlt, tt>a«
um fo c^er gu Serioe^felungen fü^tt, al« aSerbing« bie innige 3n^
fammenge^Brigteit be« inbibibueflen SBiUen« mit feinem SnteClect (anm
in einem anbem ®tfi(fe fo beutlid^ )u erfennen i^, toie gerabe in
biefem; aber nur beflo mebr mug man fid^ gegenwärtig bitten , bag
^btegmatif^e 9^aturen, auf toeld^e jebe« ^Ttotit nur fcl^r langfam ein«
n>ir(t, ntd(^t feiten ))on fiberrafc^enb fcbncfler „9nffaffnng«gabe", unb um«
gefe^rt fangninifd^e gfattergeifler, beren SBotten auf leifefle ^nrei^ung
^ entgüttbet, ebenfo oft „fe^r fd^tt>er i»on $3egriff" ßnb.
Sie Xemt>etaniente* 27
@l^er toxxh t§ nöti^ig fein, nod^ befUmmter aU e^ bereitö
in ber ^nmerlung gut SobeEe gefd^el^en ifl, ber @inrebe )u be«
gegnen, an6f biefe Sifie fil^re factifd^e Unmöglid^leiten auf;
nid^t nur infofem, afe j* 33, ein ,,6l^olerifer d" ein Un^
bing fei, toeil fd^toad^e Spontaneität ben Segriff be^ 6l^o-
lerifer^ toftttig aufl^ebe; fonbern aud^ infofem, aÜ bie fd^on
i)om ©anguinifer c auögefagte, unb an einem anbem (d)
gar neben ©d^toäd^e ber Spontaneität bel^auptete Sang^
famfeit ber SReceptitoität l^inreid^e, ein ©iberojl^lon gu er-
geben; — mit einem JBorte: ber Äußern SSoIIflänbigleit
ju Siebe feien unbenfbare Sßerbinbungen mit aufgenommen
unb obenbrein ben Flamen ©etoalt angetan.
Si^ auf toeitere^ erioibem ioir hierauf nur fo üiel:
atterbing^ operirt e^ fid^ bequemer mit reinen 0egenfä|en —
bod^ man probire ^ nur einmal, n)ie toeit man bamit
lommt, unb toie balb fld^ bann bie abflracte Si^i^eorie t>on
ber ©mpirie im ©tid^ gelaffen finbet. *)
*) 93tr bfirfen an biefer Stelle nid^t vorgreifen in ben ^efon*
bem Xf^tit, nnb o^ne eine berarttge Sntici^atton ift edfaunt t^un«
U(^, haß hio^ SBegifferte in concrete 9{amen umjnfe^en. 2)o(( mag
eine Knmertnng einfimeiten conflatiren, bag es ^6^ in ben^^if^en»
gliebern (einedn>eg0 Uo9 um d^aratterologtfc^e ICnontalten l^anbeU,
unb ba9 toermeintlic!^ Unbenfbare ni(!^t feiten gerabe ha^ %Ht&gLi^t
audbrücft. 3n biefem @inne toiS folgenbed Sergetd^nig, georbnet
na4 ben 9htntmern ber ZabtUtf benrtt^eilt fein; baffelbe foll geigen,
n>ie fid), menngleid^ in )6erf(l^me(iung mit anbern Elementen, beren
^eraud^ebung erfl in ber golge Vorgenommen n>erben lann, bie
i^em^eramente nngefäl^r andnel^men; unb t9 ent^SU fomit gngleid^
eine toeitere Stntttnbigung bom Snt^alt bed ,,Befonbern Xht\i9**, ge«
tt>ifferma6en einige ber tuic^tigfien ^a^itelüBerf Triften für biefen:
1) 2)ie grogartige ^elbennatur — man beule an einen Sut^er!
2) 2)er frifd^e, tü(!^tige iftann, bou fhraffer, teic^t fogar etma« ptta^
lantcr {Haftung; nad^ UmfiSnben alfo aud^ „htx gefunbe Sunge".
3) 2>er Iet(^tent)ünbUd^e (S^arafter; vor allem ber 3re at9 gut"
mflt^iger ,,$abbi^"; ba^u ber $oIe nnb 3taüener. 4) 2>er {eic^ti*
(ebtge ttTltn^^ ber @tunbe'\ ba6 ,,munlere'' äTZabd^en, bie SrangBßn
nnb ber ,, quedtfUberne '^ ®a8cogner ber Unelboten. 5) SDer fd^neE
fCufbraufenbe o(^ne ^udbaner; ,,ba9 e^altirte grauenjimmer". 6) 2)er
28 ©tunbjügc.
Um 5Ramen ju fjobetn, ifi ober DottenbiJ ein unftud^t:
bare« »eginnen unb eigentlid^ fd^on abgefd^nitten burd^
ba« 3ugeflftttbni§: tnond^e« bleibt fd^toanlenb. 3^ l^abe
nur «nmafegebli^e SSorfc^lftge für ap^^rojimatibe »ejeid^-
nungen mad^en motten, bon beren SJetaifö id^ willig jebe«
einer überieugenben »elel^rung jjrei^gebe. ®laubt alfö
etoa einer, ben „Slnftmatifer c", tpeil er aud^ bie beiben
$am)tmerlmale be« 5ß^Iegmatiferg an fid^ trägt, für eine
©})ielart wn biefem anfeilen ju muffen, fo l^abe id^ nid^tä
bagegen; man berliert baburd^ l^öd^ften« an £eid^tig{eit be«
®ruj)i)iren«.
änbere lieber möd^ten meinen, flad^e 3m:>)reffionabi5
lität fei bem ©l^olerifer „natürlid^er", unb be^i^alb l^ätten
e^olerifer a unb ©l^olerifer b iJ^re 3tamm ju taufd^en,
unb jener bielmel^r fei eine bem 5ßl|ilegmatiler genftl^erte
Äuance; aHein gerabe ber reine X\))pn^ be« ^^legma tt>irb
burd^ Xiefe b^ 3mj)refftonabilitftt getrübt
flu^ibe ^i^Io^f. 7) 2)er MtMü^i , htb^ti^t unb aaegeit nüci^terne
energtfd^e Cunctator; ber ^nglänber. 8) 2)er faumfeHge, eigenfttt«
xtige, ,,(equeme'' Strbeiter — ^oUcinber; bie flittt^fätige ©d^affnerin.
9) i>tx mit yiaäfhxnd ianhtinht ü^emüt^ömenfd^ — ®d^u>a6e; abtx
au4 ber nntxhittüä^t ganattfer — @)>amer. 10) ^Der tmpfinbli^t,
nad^trägerifd^e ^äfto'däflin^; aSer audf eine Uid^t)»erU^te ebelgeartete,
bod^ in fid^ (altlofe 9^atnr »ie ®oet^e'« £affo ober SSert^er. 11)
2)er halb erfd^Iaffenbe (Sntl^ujiafi; bie im ^eräd^tU(!^en 6tnne „fenti^
mentale'' ^d^to&rmerin. 12) 2)te f d^toererregte ; bod^ um fo treuer
aud^orrenbe grauennatur; aber anö^ ber uuioerföt^nlid^ ©roHenbe, am
leid^teflen erlennbar im l^'öl^ern Sl(ter. 13) ^er reizbare i^rie^gram,
untuflig jur Snitiatite toic jur fr&ftigen ÄBtoel^r; ber ,,,triebclfc:^f"
unb bie „Äeiferin''. 14) 2)er flum^f finnig atbcrne fd^laffe ©efett;
ber 9{eger unb ber ^aI6e 3biot. 15) 2)er launenhaft t>erbroffene,
träge ©tarrfo^f, „©öoticr" unb ber „liolj toerbrießlic^ fd^mere S^iarr'^
n^ie !S)unot« ben iSonnetable nennt (^d^itter'9 ,,3ungfrau k)on JOrlean«'',
I, 2). 16) S)cr ,,e»ige trafeelcr''; ber „erbärmUd^e SBid^t" öoH
verhaltenen 3ngrimm9; ber äugerlid^ inbolente unb (0pat\}i\ä}t Xx&n^
mtXf ber, leidet gei^cinfelt, alled, toa^ i^n ^^urmt'S in fid^ ^^^inunter«
ttürgf' unb beim ^en^ngtfeiu eigener ^aftloftgteit innerüd^ ,,t)er«
Wffen" »irb.
3)ie XempnamenU. 2ß
©0 liege fid^ nttt tnel^r ober toeniget 6|^icane tool
jebe Slumtnet beanftanben , unb ber SRed^tfertigungen burd^
Stad^tüeifen i?on ©omipenfationen loäre lein ©übe, toenn
tttd^t berücffid^tigt werben fott, bafe e§ ijotetft nur barauf
anfommt, überJ^auj^t in Setreff einer ^ijirung fid^ ju
einigen; unb ha toirb benn tool bie SBerft&nbigung junäd^ft
für ben Slcunen ,,3[nämatifer" ju erftreben fein.
3ur negativen ©m^fel^lung fann e^ bemfelben vorläufig
gereid^en, bafe er ba^ ffienomination^genuiB nid^t toerläfet
unb inSbefonbere ben ®egenfa| jum ©anguinifer fd^arf
genug auöbriidtt. *) ®er Siome aber, toeld^er trabttioneff
bie bierte ©teile unter ben S^emiperamenten einnimmt, mufe
toeid^en, toeil er borjug^toeife e^ ift, ber bie entftanbene
Gonfufion tjerfd^ulbet f}at 3Mjt nur, bafe bei ber SBor^
Rettung i)om aReland^olifer atter SWad^brudE auf ben Sm«
Jjreffionabilität^grab ju fallen pflegt; biefelbe l^at aud^ in
ganj onberer SBeite beS Umfangt iJ^ren ibentifd^en mate^^
riellen Snl^alt am 33egriff be^ StiipcoXoc, afe in toeld^r ber
©anguinifer bem euxoXoi; gleid^gefiellt toerben barf. Unb
fud^en tt>ir nad^ ber ^erfonification ber matten SRad^l^altigs
feit unb nad^i^alttgen 9Kattigfeit, afö bem ©egenfa^ pm
d^olerifd^en entfd^loffenen „SWann ber %f}at'', fo bliebe beim
SWeland^olif er i^öd^fieng ba^ öage aWerfmal ber äbertt)iegen=
ben ^paffitoität bepel^en, benn ba^ Sluffud^en einer toeä}^
felnben, jiet^ frifd^en gülle ^tm ®inbrüdEen liebt unter
Umftänben gerabe aud^ ber 3Keland^olifer. — ©agegen re^
^jrftfetttiren ba^ anämatifd^e ^Temperament junäd^ft unb ju^
meift jene fleinlid^en 3?aturen, bie toon nid^t^ fiarf unb
fräftig afficirt, aber bafür i>on maleren ßappalien ju nad^?
*) Unb tDemt hit mebtcmtfd^e $^))ot]&efe fiäf begrünben liege,
itaci^ tvetti^er bie l^eutige ^tx^ofitat mit bet Tlobt üdermägtger $(ut«
abg(L|)fungen im t^origen ^a^il^tinbert einen Bufammenl^ang i^'dttt, fo
toaxt bie ^e^eic^nung fogar t>ont <^tanb:|pun!t ber $at()o(ogie an^ ge*
^ü^t; bann Ratten bie Italiener t>iel]ieid^t noä) bie $eriobe t>or ftd^,
in »eld^er n>ir unb ^(biond bletd^e Zbäfttx je^t fd^on {leiten.
30 ' ®runb}Ü9e.
I^altigej: SReactföu angeregt werben, S)er änämatifer, übet-
äff geneigt, bon ettoai^ „iJtel SBefen^ ju mad^en", ifl in
ben Keinen SBotlommniffen be^ äfftog^ toon entfe|Ilci^er
„tlmflänblici^feit". ®a« Heinfle SSorl^aben, ju toeld^em
ein SRinimum f^)ontanen (Sntfd^lujTe^ gehört, fann il^n in
eine fieberl^afte Aufregung betfeien; tagelang Verfolgt e^
il^n, ba§ et einen ©efd^aft^btief ju fd^teiben obet einen
Stu^gang, um ©tfunbigungen einjujiel^en, u* bgL abjumad^en
ffcibe — eine ttntul^e, füt beten Sejeidsinung bet ©d^tift^
f|)tad^e toiebet bag ted^te 3Bott fe^lt — ein niebetbeutfd^et
5ßtobinjiali^mu^ bafüt ift „püttjerig''. ®t bejeid^net jene
,,83eba^tfamfeit", bie au^ einet ,,a3ebenflid^feit" in bie
anbete getätl^ unb auf intmet neue ©ctujjel ftö^t; ben
®egenfa| ju jebet „butd^gteifenben" unb ,,einfd^neibenben"
ipanblung^to^ife, unb bet aWangel l^ietan ifi ja eben iebem
fol(^en „Äleinigfeitj^Itämet" eigen.
®o jtnb e^ bet Slnätttatif et unb, ndd^fi i^m, bet ©ans
guinifet, in toeld^en Spontaneität unb bai8, toa^ tt>it bie
SReagibilitfit ju nennen gesagt l^aben, in il^tet 83etfd^ieben=
l^eit am beutüd^flen aui^einanbettteten. S)ie ©pontoneitftt
n&mttd^ gibt eine ä3eftimmung be^ SSet^alten^ beS SSiiffend
bot ©inhjitlung bet SKotibe, alfo bei^jenigen, toa^ bet
SBiffe an Suft fojufagen, äbetl^au})t ftd^ ju betl^ätigen, ben
SWotiben entgegenbringt*) — unb befaßt, toenn man tolff,
ben Untetfd^ieb bon Seb^aftigfeit **) unb fiafe^eit — bie
*) a)te reine ©^ontaneitÄt erfd^eint aU „txxih'* jur ar^atiglett,
al9 <Stre(fam(eU unb, in gmedtofer iBet^ätigung , unter UmflSnben
al« SDhit^toittc; erfl tt)o jle fid^ mit ber SRece^jtiöitot gur SrritobititSt
Derbinbet, fann il^r i>a9 $r£bicat „^tQ\amUiV* gufomnten, unb btefe
gum i^eid^tfmn fä(^ren. 2)er di^oUvihx toirb leicht mut^miHig , ber
^anguinifer fa^ Qtxo'6f)nlxäf leid^tfinnig fein«
*•) Unfetc Umgangfif^rac^c begeid^net fogar etwa« ber reinen
€^>ontaneitSt fe^r nal^e ©tel^enbc« mit bem SBorte ,,8ebcn" felber in
9iudbru(f«»eifen tiDte: ,ft9 ift lein Seben in bem ä^enfc^en''; nnb t9
ift al9 eine »eitere i^ergweigung i>it\t9 ^ebraudl^d angufe^en, bag
man {agen ^9rt: ,,ber Kaffee mug einem morgeniS txft bie 2ihtn9*
Sie Ztmpttamtnie. 81
aieagibilität bagcgcn gibt baS aRafe ber 3«tenjttät, mit
toeld^er bet SBitte burd^ betettö in SBirffamfeit getretene
3Rotiüe in äctiröät toetfe|t, famrnt ber t)on biefer gnten*
fitat abl^ängigen S^tbauer, tt>ftl^renb toeld^er er in »ctitols
tat erl^alten tolrb. Unb fotoentg allemal ftarfe Qponta^
neität mit rafd^er 3*ece})ttoität jufammen ifi, eben fotoentg
toiberfprid^t ettoa unbebingt eine flad^e 3m^)refftonabiIität
nad^l^alttger SReagibilität* 9inäf ein fu:>)erficieH bletbenber
©nbrud fann lange aufbetoai^rt toerben unb fö forttoirfen,
mib ob bie^ ober ba§ ©egentl^eil gefd^ie^ft, toirb ebenfatt«
nid^t baburd^ bebingt, tote bie urfj)rüngltd^e ^ßercejjtion,
fei e« langfam ober rafd^, fei e^ mit Seb^aftigfelt ober
SWattigfeit, erfolgte.
©d^on ^teraui^ erl^efft, toie Spontaneität unb Sleagt«
bttttftt iebeiS für fid^ nod^ nid^t au^reld^en, um über ble
abfolute, nid^t blo« relatitoe, 2;^atfraftigfeit bei^ SBltten« ju
befinben; unb gendt^igt, toie totr e^ jtnb, ©d^ritt für
geifler toecfen" (tDomit man Derglcid^en ma^f toa9 8rubcr äKartiu
gum ©ö^ Don ber SBirfnng btd Setnd fagt), ober: „bie (ü(ile ^txhft*
Inft belebt''; benn f^rifii^e nnb 9^übi0!eit fmb bie SRobificationen,
t9el(]^en int iOaufe bed Za^9 bie Steugerung^metfen ber €>^ontanettät
fic^ au^gefe^t geigen. Ser ni(^t nfxi\äf** 1% ifl f<^I5ftig, abgef^annt,
unb bad <^egent(ei( bed (Srfrifci^enben ^aben toir am 2)uni)>fma(i^enben.
2)a0 fd^täfrige nnb bnnt^fe Sefen ift toie ^alb abgeflorben; badfrifd^e
nnb muntere toie boi^^e(t{ebenbtg , unb toer fid^ frifd^ fübtt, ffat ein
gepeigerted Seben9gefÜ(i(, b« ^. eben, er ifl fetner ©^ontaneität in er*
^B^tem ®rabe inne getoorben. Unb umgelel^rt: ba« (Srfd^kffenbe
großer ^i^e (toie ungeto$(n(i(i^er Stritt) t>er(iiIFt un« gn einem an«
f(^au(id^en ^erfiSnbnig be« inbtfc^en Ouiettdmud, ben ade SDoctrin
nur in abflracter kläffe uns oorfü^ren tann. 2)a9 etngige, toad
unter folc^er Hemmung ber @))ontaneität nod^ aU iiafi unb ^d^merj
em))funben toirb, tfl bie Snbioibualeanfiena felber aU fold^e, ba< bloge
2)afein, unb äffe 9lerOenaffectionen gelten auf in biet negatioe ^ine —
ber 2>dfmtxi tote bie Seibenf(i^aft f^ueigt, unb Ueberna^me eines po*
fittt>en ©(^merged toirb aUbann fafi gur (Srquicfung, toeü folc^er nod^
ein afftrmatit>ed Snnefein ber (Spfleug tu fi(^ fc^Iiegt, fobag unter
folf^er (limattid^en (Stntotrtung fogar bie ^afleiung faum einen Kuf«
toanb etgentlt(i^er @e(bfh)erleugnung lu erforbem ff^eint.
32 (Bminb^üge.
©d^ritt mit ber Unjulfttiglid^!ett bcr ©^ra^e unb il^iten
§omon^mien ein ©omjjromife einjuge^en, trollen toxx no^-
tnolS betonen, toie im obigen ©d^ema ber SBegriff „©tätfe"
nur eine ^ro^JortioneH^grabueffe, nid^t jene materieUsquan^
titatit)e S)ifferenj ber Qnbiioibuald^araftere angibt, toeld^e
erft in befx 6 n e r g i e g r a b e n il^ren 3luöbru(f ftnbet. ®ief e
toerben toir ate felbftänbigen d^arafterologifd^en Factor, ber
aüm anbem 3Kifd^ungen gum 2^räger bienen fann, für
fid^ gu betrad^ten l^aben, toäl^renb l^ier ber contrftre ®egen=
fa| ju ©t&rfe nid^t eigentliche ober abfolute Äraftlofigfeit,
fonbern ©d^toftd^e ate ©^non^mon öon glaul^eit, 3Rattig-
feit (in bem ©inne, ioie man t)on SWattl^ergigfeit fi)rid^t)
unb ©d^laffl^eit ifi. — S5e^gleid^en erfannten toir ja in
ber 3leagibilität m 3lttribut be^ 3^*1 ^"^^^^ntoirf en^ , ate
beö Slangential^rnnfteS , t)on SBitte unb 3Kotti), fobafe aud^
beren äBefen ber nad^ftel^enben gormuHrung, auf beren
SBerftänbUd^Ieit loir nunmel^r red^nen bürfen, nid^t i^inber^
ttd^ ift:
S)a§ 2!enH)erament ift ber ®j^onent für ba^ rein for^
male SBerl^ältnife jtoifd^en aBitte unb 3Kotit), brü({t foju::
fagen nur ba^ ©efefe be^ SWed^ani^mu^ ber 2iBitten§beftim=
mungen an^, alfo ein bloS 5ßro))ortionatQuantitatii;)e^ (nid^t
ein SKateriatOuantitatiüe^, aU ioeld^e^ erft in ber Gl^araf ter^
energie gegeben ift), ba§ jebe qualitatit)e 33eftimmtl^eit erft
anber^tool^er bejiel^t.
3n Sinfei^ung ber ©nergiegrabe lönnen folgenbe (^x^
Tagungen bienen, bie SSereinbarfeit großer ©ifferenjen
innerl^alb berfelben mit i?erfd^iebenen 2;em})erament§formen
jü erl^ärten. äßenn ben reinen 5ßl^Iegmati!er fein ®Ieid^=
mutl^, alfo ein innere^ ©leid^toiegen; au^ jeid^net, fo ifl
bamit nod^ gar nid^t barüber entfd^ieben, ob e§ Heine ober
grofee ®ett)id^te finb, bie in je jioei ©dualen ber ^oppeU
toage liegenb einanber bie Salance l^alten; unb ebenfo
toenig betoeifi momentaner Ungeftüm beS ß^olerifer^, Wenn
er fid^ nid^t jugleid^ in ftetiger SBieberfel^r auf ein iben:=
tifd^eS Si^l rid^tet, für einen l^ol^en ®rab loal^r^aft intens
Sie Zemt^etanteitte. 83
ftoer fttftftiflfeit 3a, fcttfl bet «nftmatifet lam ein be=
träd^tlid^e« duantum @netgic in ftd^ liegen, nur bafe e»
an ÄleiniflWten ijerjettelt toirb, «m ©onguinifer enblid^
ober conH)enfilrt fid^ bie fd^embate ©eringfügiglcit leidet in
beflo leb^afterm SBed^fel innerl^alb lutjer 3«tinterballe.
®^ gibt fogat einen bloßen ©d^ein träger ^pafftüität, too
bennod^ über einen reid^en gonb^ nad^|>altiger (Snergie üer^
fügt toirb. ®ai5 jeigt fid^ namentlidg> bei fold^en 5ß^legs
matifem, bie jugleid^ SuptoXot finb unb t)on il^ren $anbs=
lungen leinen redeten @rfolg erwarten: il^r SBotten fd^eint
erlal^mt — fie leiben lieber, atö bafe fie ftd^ ber gleid^faH«
nid^t fd^merjlofen aRül^e be« ^anbeln^ unterhielten; aber
toa^ fie f dienen, toa^ fie abl^<, bie älnflrengung be8
%^wx& auf fld^ ju nehmen, ift hjeniger bie Sefd^toerbe ber
t^atfÄd^lid^en SluiSfül|frung, ate ber bejHmmenbe, bie 3ni«
tiatit)e ergreifenbe SfBiUeni^act felber — fie finb eben nur
fc^toer beftimtttbar, aber ftnb fie einmal über ben Slrtlauf
^inaug, fo fe|en fie bag SBerl mit nad^l^altiger Sonfequenj
fort unb fd^einen fajl mü^eloS, hjie bie gefto^ene Äugel
bergab, ju laufen, feiner Leitern 3nH)ulfe bebürftig, toie
fie j. 83- beim ß^olerifer c nod^ oft nöt^ig toerben; benn
biefem ifi e^ loirHid^ — gerabe toeil baiS ©to^= unb dludf
toelfe gu feiner SC^ätigfeit^form gel^ört — eigen, bafe in
bie Raufen feinei^ ipanbdn^ unb au^erbem nad^ allen 9lid^=
tungen, in loeld^en er augenblidflid^ nid^t gerabe befd^äftlgt
iji, ©trid^e öon gnbolenj ober ^paXffie fatten. — SBie t^
Seute gibt, bie bo« inftinctftje ©efül^l be« ^ungeri^ nid^t
fennen, aber bod^ mit ftarlem 2H)petit effen, wenn bie
©!t>eifen erft t)orgelegt finb: fo brftngt fid^ ber 5ßl^legma^
tiler nid^t jum ^anbeln ^eran — aber einmal barin, läfet
er e^ an fid^ burd^^ nid^t fel^len, fonbern „greift taj>fer
ju'', toietool il^m bie lebhafte Irritabilität abgel^t, toeld^e rafd^
juf&l^irt in l^inbembem ober auöfül^renbem „ßinfd^reiten/'
tteberi^au^jt muffen meine SSorfd^lftge bringenb toünfd^en,
mit üöttiger Unbefangenheit aufgenommen ju ioerben ; benn
tm getoiffen, ioal^rfd^einlid^ mitgebrad^ten, Slebenborflet
Oal^ttfctt, S§avciItetoIo9ie« I. 3
34 (Scunbiftge*
litngen md^t ium boraud entfagt f)C(t, lann tl^nen nintmemel^t
geredet »erben. Solange g. 85. jemanb ,,:j)I^Iegmatif(^"
für ein ffaü>t& @d^im))ftoort nimmt unb ftd^ be^^alb nid^t
unter biefer 3lubril auffud^en mag, f)at er bie Intention
ber Tabelle nod^ Q&nili6) ^tttannt 9lid^t minber, toer
eüoa umgelei^rt ba^ d^olerifd^e 5i;em))erament aU fd^led^t«
f)m unvereinbar mit e^ter äBeibUd^feit anfielet unb gleid^
beleibigt auffal^ren möd^te^ tomn man if)m fagt^ feine eble
^eunbin fei eine reine ßl^olerilerin , — afe ob ^eftigeiS , un= '
geb&nbigte^ äCufbraufen hcS eigentttd^e ^ennaeid^en unb
inner^Ib bei^ toeiblid^en ®efd^led^t^ ber ,^au^brad^e" ber
einjige benibare 'S^\fpn^ für bie^ 2lem|>eroment toäre, ober
man jum minbefien eine Virago fid^ babei öorfieffen mü|te,
3Wd^tÄ von attebem! ©old^er Srrtl^um berui^t aber toieberum
auf ber falfd^en ätnno^me, |ebe^ ber ad^t äßerfmale fei
obfolut ober n>oI gar im @£trem beiS @u^erlatit)^ )u ber::
fieil^en; m&^renb ba^ 9füd^tige ift, fid^ äberaS bie toppdU
9ielatit)it&t gegentoärtig }u galten ^ nad^ tt)eld^er ed abge^:
fd^ft|t fein loill: nämlid^ einerfeit« nad^ feinem SJerl^ÄltniB
}um ^urd^fd^nitt über^au))t unb anbererfeitiS nad^ feiner
^topiyxtion gu ben brei anbem^ neben il^m in berfelben
3nbi)[>ibualität beflei^enben Sem))eramenti8factoren. (&^ f^ci
alfo niemanb von feiner Sem))erament£befd^affenl^eit ol^ne
toeitere« etwa« für feinen guten 9luf jubeforgen. aSer
fid^ umjufel^en toei^, fann ftd^ unfd^toer jHttgefeflete grauen-
naturen toergegentoftrtigen, bie er d^olerifd^ a nennen mut,
toeil bei il^nen ©eifl unb iperj mit gleid^er Sebi^faftigleit
ber aOBelt offen fteJ^fen unb il^r ®emüt^ an 2;iefe ber 3m=
»)refftonabißtat unb SRad^l^altigfeit ber »eagibilitftföon !ei^
nem ftd^ tibertreffen Iftfet; bennod^ l^aben fie nid^t« von
einer Heroine an fid^ unb betoeifen il^re @rö§e meift nur
im Bulben unb ger&ufd^lofer, bod^ nie ermattenber ^filfe
bei frember 3lt>ti}; ifi bod^ 93irtuofitAt im Seiben ^ jumal
auc^ im (Ertragen för^erlid^er ©d^merjen unb ®ntbel^rungen
(befonber« be« ©d^tofe«) ein ©tärfeborjug beiS fogenannten
fd^to&d^em ober jartem ®efd^Ied^ti$, toeld^en lein 3RQxm
3)ie 2efn))nainente. 35
beflteiten ioitb, ber übexffawpt offenen Äuge« in einer %a=
milie gelebt |fat.
©0 v>erfel^rt e« aber toftre, bie energiegrabe t>on
©pontaneität unb SReagibilität fd^Ied^t^fin trennbar ju
benfen, ba fte ja bo<i^ innerl^alb biefer formen ftd^ mani-
fefüren muffen, fo tt>ä)erftnnig unb obenbrein für jebe ein^
^eitUd^e d^arafterologifd^e äuffaffung \)emid^tenb ttJürbe e«
fein, bie 3m^)reffionabilitÄt ate burd^aui^ inbifferent gegen
jeben beliebigen Ofnl^aU rein für ft(^ fefll^alten gu tootten-
^elntel^r toerben ttnr uni^ jeber ©tette ju freuen l^aben,
an b[>el(i^er ftd^ ein 9!lnfa| barbietet, 'oon bem an^ fid^ ju
anbem ^l^eilen ber C^aralterologie äHabucte ^finüberfO^ren
laffen. ^cbtn toir t^ bei ber 3;enH)erament«le^re nur mit
®raben ju tl^un, fo interefprt nn» ja in ber (Sti^if nwe
in ber ^ofob^nif ber nad^ biefen ®raben gemeffene ©tof f :
in jener befommen bie 2;^ätigleiten, in biefer bie ®inbrü(fe
i^ren Snl^alt — unb ®ut unb S9öfe, ©d^merj unb Sufl
treten ate materielle ®intl^eilung§grünbe in ©eltung;
n>omit fid^ fofort bai^ ^Dictum erlebigt: bie S^ugenb fei
3^emt)eramenti^fa(^e, tt>eld^ed neuerbingi^ fogar in bem ©inne
reiwifHnirt ift, ba§ bag abflracte Ouantum aSBitten^energie
bo^ 3Ra^ ber et^if d^en ^ignit&t beflimmen foQ. Ob info^
fem ttü>a» SSSa^rei^ baran ift, atö bad eine 2^em!t)erament
me^r al^ ba^ anbere geeignet ift, ftttlid^e 3^äd^tig{eit
ju garantiren, ift eine anbere ^age, beren Wttige erlc=
bigung erft bei Setrad^tung ber SfUfd^ungen ungleid^rtiger
3nbi^ibualitAtiSeIemente ju ©tanbe lommen tann.
SSir begnfigen un^ für je|t, afö mit bem 9tefuttat
unferiS bid^erigen 9[udfd^ett^ungi$))roceffeiS, bomit, nod^matö
}u conflatiren, toie bie fogenannten bier ^emjjeramente nad^
geiDö^nlid^er 9lamengebung gar nid^t einmal unius generis
pnb, bal^er einige 5paare unter il^nen einanber fo ioenig
oudfd^Iie^en , ba^ innerl^ialb berfelben 3nbiv>ibualitat jtoei
nebeneinanber in boQer Integrität befielen fönnten« ^0(^
tooim mir ^ier nid^t burc^ eine ouiBfü^rlid^ere ftritü frem-
8*
36 (intiiHftdt*
ber {Definitionm bnt Stoitm für )>i){ttbe S^atle^ungeti nix^
leitet beengen.
9hit fofetn e^ tAtfyxQ fd^einen lonn^ unfere eigenen
XufßeQungen gegen bie älngri^e beiou^ter ober un6eit>u|ter
SRiiSbeutungen )u unüoaOen, mögen i^fier nod^ einige Sinjel?
bemerhtngen bie ©teile t>i)rgef(i^obener Sofien einnehmen.
3n fold^er ^orbeugenben Slbftd^t olfD toerbe baton erinnert,
ba| bie 9ielatitnt&ten wn rafd^ unb langfam, fläd^tig unb
bauemb ober nad^^altig nid^t an einer @ecunbenu^r i^ren
SRalflob l^en: ^l^legmatiler toerben fo oft in SRimiten
^^aufgebrad^t^^ toie ©anguinüer jahrelang unter ber "Staäf^
ioirfung eine^ einzigen 3m^ulf eiS fortgefd^oben toerben Un^
nm, fobal }. 9* t>on ^ieraud nid^td im äBege flAnbe,
einen äße^anber ben ©ro^en ben ©anguinilem bei)U)fi^len.
2[m aOgemeinen aber tann man jagen: bem ©ongitinifer
finb mel^r bie älffecte, bem (Si^foleriler me^r bie Seibm^
fd^aften eigen. S)er „mobile" ©anguinüer mit feiner nid^fc:
ottemben S^^genblid^Ieit beranfd^aulid^t ba^ Bpxxdfto^tt:
„am rottenben ©tein loddgifi fein 3Roog"; ber unermub^
lid^e ei^olerüer l^anbelt nad^ bem 3Bal^If)>rud^: „9ta{i' iSf,
fo rofi' id^/' Unb bie feit $egel beliebte Sermengung
ber Xem))eramente mit ben ®gentl^ümli4fleiten ber 2tbm^i^
alter enti^< boc^ fo ^iel an SKc^tigem, baB man aäex^
bing^ jugeben fann: ben erflen jtoanjig Sauren {lel^t baS
fanguinifd^e, ben jioeiten ba^ d^olerifd^e, ben britten baiS
|>l^legmatifd^e unb bem Sieft bad anämoüfd^e SBefen am
natürlid^ften (le^tere^ namentlid^ in ber ^orm bed älnfi-
matilerd c, ioo}u bie Um>erf0l^nlid^!eit ber ©reife fUmmt.
— „©ie SBett ate ©itte unb »orfleBung", 3. äufl., H, 267:
The young man's wrath is like light straw on fire;
But like red-hot steel is the old man's ire);
nOmlid^ fo toie jebed SRuftÜftüdC in toerfd^iebenen Dcto^en
gef))ielt toerben tann^ aber nur eine bie feinem 3n^lt oxv^
gemeffen^e ifl, unb toie ju Sa^noten ein befd^unigteiS
Xm^o ftd^ nid^t fd^iden toiS. Unb toenn bie äßelobie
2){e ZempetammU* 37
eines Solföttebei^ aU SRarfd^ ober Xan^ftäd t)em)enbet
\oxxh, ift baS nid^t^ toie n>enn ein €l^arafterinl|falt tt>eld^et
jum äSefen eines ^l^legmatilerS c J^amtonifd^ am beßen
fltmmt^ fid^ genau iDieberftnbet bei einem (SfyolcaÜtt b ober
einem ©anguinüer?
SUd^t einmal ber urf^ßrünglid^en (St^mologie beS 3Bor^
teS 2^perament (-temperare-) finb toir gänjlid^ untreu
geioorben — benn ob toir bie 2;em^)eramente jtoar nii^t
an^ ©äftemifd^ungen herleiten, fo fiellen fte bod^ aud^ nn^
ein 9DKfd^ungSt)erl^ältni§, nftmlid^ ber ©trebungS- unb 3(n=
eignungSformen bar, unb ber beibel^altene 3lam^ jielt uns
öberbieS ab auf baS ^robuct beS Qü^ammmtohtm^ t)on
rein 3nnerli(^5©ub|ectibem mit bem bon au^en ^injutre*
tenben.
a)a Hegt benn bie 8Se:rfud^ung na^e, bie S^emi)eramente
red^t einfad^ bie ®rabe ber ©lafiicitfttbeS SEBittenS, ober
nod^ lürjer: !t)f^d^ifd^e ©lafiicitfttSgrabe ju nmnm. Slffein
es iji uns betonet, toie aud^ bieS fein fel^ir aJliSßd^eS l^at*
®enn toie bem SBBiUen eine bon allen Unterfd^ieben nad^
2;emi)eramenten unabhängige ©(^nettfraft innetool^nt, offen-
bart fid^ in all ben Ratten, tt)o berfelbe, lange rejjrimirt,
in xifatm ber SSerjtoeiflung auSbrid^t, felbft toem er nur
über m 3Rinimum ))^^fifd^er Äraft t)erfttgt, ®ann ifl er
einer entfeffelten ©})ringfeber gleid^, bie mit einmaligem
SJuffd^netten alle Slad^l^altigfcit ber SBirfung verliert,
töäl^renb bie eingefd^loffene — ber gebänbigte, aber nic^t
bem ©efnidtioerben attju nal^ gebrai^te aBitte — fietig forfc:
rüÄt unb, als Ul^rfeber, toieber aufgewogen, toerben lann
— toaS mit ber in SReiJblten „ber!t)ufften" 8SoffSlraft j- S5.
nid^t me^r möglid^ ifi.
®od^ unbeirrt toon biefem latus claudicans unferS
simile fd^lie^en toir im Sntereffe überfid^tlid^er 5Reca!t)itu=
lation unfere 3)arlegung mit folgenber Sßergleid^ung : ber
änftmatifer ifl einer ^o^llugel t)on bünner ©utta^^erd^a,
ber ©anguinifer einem mafjtben ©nmmibaU, ber 6l^ole=
rifer einer elf enbeinenen SBittarbfugel, ber ^p^legmatiler
38 ®runb}üge.
einer eid^enen Aegetlugel Al^nlid^; toobei nic^t t)erf(l^to>iegen
tDerben foD, bag bctö 93Ub bad SRoment ber 9teagi6ilit&t
ein it)eni0 auf Unlofien ber ®))i)ntaneit&t t)eranfd^auU(i^t.
^er &<S)tottpnv!tt bed tertiom comparaüoms f&Kt t)ielleid^t
mit etoaiS ju großem SHad^brud in bie gäl^igleit, bie ur:=
fprünglid^e @eflalt imb S)imenfton nad^ erfolgtem Sln!t)ral[
in mei^fr ober minber fefier ©elbftbe^ou^tung toieberju-
gctoinnen. S)ann ftdnbe an bem ßjtrem, toeld^e^ in un^
ferer S^obeEe ber 9ln&mati!er c einnimmt^ eine toeid^ feud^te
£el^m{ugel^ bie jeben @inbrud t)oII em))f&ngt unb bauemb
fefll^<, bi^ fie bei aUin heftigem fd^malpd^igem @toB
auiSeinanberbrid^t ober bei breitfläd^igem )ur Sd^eibe, too
nid^t ju amor^dl^er SSreimaffe gequetfd^t koirb. SKeu^erlid^
angetrödtnet mit fpröber Dberfläd^e entfpräd^e fie bem ^l^leg-
motifer b, ber \a atö ©ubf^)eciei^ nad^ Äantifd^er ©d^ei=
bung fd^on t)om toadmi (ft^enifd^en) }um tr&gen (afil^e-
nifd^en) 5pi^legma fid^ l^inüberneigt. 3ene3, bei un^ ^^l^-
motifd^ a unb c^ l&^t fid^ meifteniS too^I toiQig uml^er-
f d^leubem unb tr> in ber Flegel nur ©d^rammen bat>on ;
ober tomn c^ aSe^ o^ne biele jarte dtiidftd^ten bor ftd^
nieberioirft, gibt e& juloeilen bod^ aud^ tiefgel^enbe 9Kf[e,
ioeld^e nur bie jftl^e ^ejtur nid^t ju jertrümmernben SpaU
im ioerben lä^t.
2« 9ottfe$ttttg. ^te !Sem|)eramente in tl^rem I6er]^ä(tttit
}tt (Eonftttntton nnb 9latnreO.
9lod^ loeniger afe oben ein 3i*fÄWtti^^<^tt9 jte>ifd^en
2^em})erament unb ftttlid^er 2^üd^tigfeit g&njlid^ in äbrebe
geflefft loerben burfte, Ift^t pc^ ^ne ärt bon äJertoanbtfd^aft
tjerlennen, in toeld^er bie XemperamentSunterfd^iebe )u
geioiffen ßigenl^eiten ber organifd^en ©l^fteme flel^en. ffien^
nod^ toirb aud^ bei beren äSetrad^tung fic^ ergeben, ioie es
nad^ bem augenbUdHid^en ©tanbe ber miffenfd^aftlid^en
Debatte un£ mei^fr obliegt, bem @efe|e ber ©^ecificotion
S)ie Sem))eramente, (Eonfttttttion unb SRatuteD. 39
aiS bem ber ^omogeneit&t @enüge )u tl^un; benn eS ifl
biSl^er^ t9ie ü6erl^au))t, fo anäf in biefem Stade, auf um
ferm @ebiete augenfd^einlid^ me^r butd^ 93ermengungen
unb äSetkoed^felungen gegen hai: entium varietates non
temere esse minuendas, als butd^ l^aarfvattenbe ^it)tfiO'
neu unb @u6bit)ifionen toiber baS: entia praeter neces-
sitatem non esse multiplicanda gefünbigt tpotben. — ^oU
lenbs feitbem eine \>on jebem ^^Atitici^nntiS^^ fid^ emanci::
t)irenbe moteriatiflifd^e älnfd^auungiSloeife bie SSerfud^e ge«
^&uft i^ot, ben äludgangd))unft für bie ^f^d^ologie t)on
bet ))^^(tologifcl^en (Stmpim, ftatt t)on ben Ur))l^&nomenen
bed äSeiDu^tfeind )u nehmen, fd^eint eS an ber 3^Ur bem
fomotifd^ älccibenteQen mit ^lad^brud feinen ^la| an fecun-
bdret @telle anjutoeifen, mag eS übrigen^ unter bem 3la?
mm ^^Sonftitutbn^^ ober mit inbifd^er Terminologie als
3^ma ®una (t)gl. @d^ot)enl^auer, ,,^ie SBelt als SBiQe
unb »orftettung", 3.3lufI.,I,379, unb: „SBiCe in berSKo^
tur", 2- älufl., ©. 31 fg.) feine 5ßrätenfionen erlj^eben-
Unfere n&d^fte Aufgabe, nad^ bem suum cuique baS
2^emt)erament unb feine SSariet&ten feß ju um^irlen, er-
laubt uns, ein mel^r negatit>eS äSerfa^ren innezuhalten,
unb entl^ebt vin^ bamit jugleid^ einem guten S^eil ber
@d^tt>ierigfeiten, loeld^e baS Unjuldnglid^e ber t)orgefunbenen
Determination beS S3egriffS „(Sonflitution" mit fid^ bringen
lönnte. Offenbar ftreiten fid^ um beffen 3i^9^^örigfeit 5p^^5
fiologie unb ^atl^ologie. ^Kein, toäl^renb tt»ir bei ber
äluffieUung ber SemperamentSgru!|)^en nid^t anfianben, auf
eigene 9!}eranttt)ortung am ^rabitioneüen Umbeutungen, ja
felbfl bie @nt)iel^ung t)on 3tamm unb @ebietstl^etlen t)or^
{unel^men, \a gerabe auf biefe SBeife eS mdglid^ mad^ten,
bel^ufS ber ju rettenben äSerft&nblid^Ieit nid^t allgu toeit t)on
ben burd^ Ueberlieferung f eft geworbenen SSorfteUungen uns
ya entfernen, — ^anbelt es fid^ j|a ^ier nid^t fotool um
eine 9let>ifion birect ))fvd^ologifd^er ©laubenSartilel , als
um bie 9lnlel^nung an b^ftimmte ^ad^lDiffenfc^aften, unb eS
jiemt fld^,babei Autoritäten für biefe nid^t ungefragt ju laffen.
40 ®tunb)1lde«
(S&fat i^otte bie Sonfütution im Xuge, ai& er feine
infUncttoe @d^eu tor ben magern unb fein SSertrouen )u
ben fetten bürgern au&^pxaä). $SS)x entlegnen bie 3Rtiu
cafler bie beiben ^anbtxtobtttt ,Jififpoä)ovi)ct'^ unb ^Jifp^
rifd^", mit bencn fie fid^ fo gern bie unbequemjlen ^ßa*
tienten wm ^alfe fd^affen; unb auf i^re ©el^eimniffe be-
' rufen ftd^ bie „nert)dfen" S)amen unb iperren, fobalb fie
burd^ il^re Saunen fd^toierig iDerben. 3Benn aber ^iiS^o-
fUion unb $rAbidt)D{itionen, ^i$!t>i)nirtfein unb 9Ud^tbid^
j)onirtfein in ber Gonftitutton unb ben auf biefe toirfenben
©inpjfen il^ren ®runb l^aben, fo ergibt fid^ jjebenfaff« eine,
iDenngleid^ umfi&nblid^ t)ermittelte, äS^ie^ung }u getoiffen
äSorbebingungen be^ ftttUc^en 2ebm^, unb fott)eit biefed
an Stimmungen, Liebhabereien für befummle ä3efd^&fti=
gungen, übaffaulpt ibiof^nhatifd^en ©^m)}atl^ien unb ^n^
ti)>atl^ien, unb nad^ ben Dbjecten ftd^ bifferengirenben 9lei^
gungen unb 3lt)erfiDnen, ©elfifien ber SBßllerei, Xrunffud^t,
aBottufl u. f. w. (ß, 2) feinen Sn^alt belommt, flc^t eä
in einem engern ober lofem Gaufalberbanbe ju bemienigen
&om))Ies t)l^^fiDlogifd^'!t)at^Dlogifd^er äSorg&nge, toeld^er ata
lärjefien aU Sonftitution bejeid^net toirb. ^ag eben t>iel
5ßatl^ologifd^e8 l^ineinfj)ielt unb inSbefonbere getoiffe in-
ücterirte Anomalien in ben j)l^i^fiologifc^cn 5ßroceffen,
mad^t e^ gugleid^ erll&rlid^, toarumim KinbeS^ unb Anaben^
alter noc^ feiten an bie ßonflitution aippeüitt toirb, ©o
t)iel erlennt aud^ ber £aie; unb too er mit ben Qntentio^
neu be^ ^p^ilofo^j^en an biefe S)inge herantritt, mn^ e«
il^m gejiattet fein, el^e er bie ©Jjecialforfd^er ju 3Borte
fommen lä^t, eine ©rinnerung öor jubringen baran, ba§
bod^ aud^ biefe — in ber ©t)rad^e Bpimio!^ gefprod^en
— riiodi unb accibentcHen ^^Änomene in ber ©ubjianj,
ober, Äantifd^i©d^DVen^auerifd(f au^gcbrüdt, im S)ing an
fid^, im j)rfteEiftenjieIIen, intelligibeln aOBefen, i^r Gorrelat
^aben muffen, toenngleid^ beffen 3lad^tt)eifung faum je ge^
Hngen toirb (bgL üom entgegengefe|ten SluSgangSj)unft
boffelbe gefagt in ©(^Dt)en^auer, „5ßaralij>omena", 1- auf!..
2)ie 3^em))eramente, (EonfKiuiion imb SlatuteD. 41
§* 102 b^ gegen (Snbe). 3)emgem&g ifi beim aud^ ben l^iet
einfd^logenben ^oBlemen in einer audfül^tlid^en ^ifoxaite^
tologie il^te eingel^enbe Setrad^tung )u Tefet:t)iren.
hiermit ifl ^ugleid^ bie nötl^ige 93em)al^ntng eingelegt
gegen bie in nad^fte^enben Zitaten auf anbern (Srunb«
onfd^auungen fu|enben 93el^au)9tungen.
3un&d^fi fteittd^ bmaffvt Soi^anned mmtt feinen (S^cm
rolter ote t)^il0fo)}^ifd^ gefd^utter ^^^ftülog batin^ bag er
auä)rädQid^ tor einer 93erit>ed^felung ton SonfUtution unb
Xem}}er(unent toomt Qk fagt in feinem ^,Jpanb6ud^ ber ^^^fto^
lügie bed aßenfd^en" (Äoblenj 1840), II, 575 fg-: „affer*
bing^ liegt ed f e^r nal^e, in ben ®runbformen ber Functionen
unb i^rer organifd^en S^fieme eine 93egrilnbung ber Xem^
it^amente )u fud^en, }. 93. in beut t>egetatit)en, motorifd^en
unb fenftbeln ©^fiem, unb k)on bem äSortoiegen eine^ bie::
f er ©i^fteme bie geifiigen ®igenfd^aften ber 2;enH)eramente
abzuleiten, aber bie SRuj^Iellraft ifi loeit entfernt, d^ole-
rifd^ ju mad^en — e^ gibt fel^r Magere 9Renfd^en genug
t)on entfefelid^em ^l^legma.*) .... SKan mu§ öielmel^r
wn ben 2^ettH)eranienten getoiffe })l^i?fiologifd^e (Sonfti^
tutionen unterfd^eiben, bie aKerbingd auf bie relatibe Slud^
bilbung ber organifd^en @i^fiteme gegrünbet ftnb, ioie bie
muÄfulöfe, t)egetatibe, fenfible ©onfKtution, toeld^e fid^ mit
ben Temperamenten t>erbinben Idnnen. SBaiS bie Seigre
t)on ben ^emt)eramenten gar bertoirrt l^at, ifl bie Ser^s
mifd^mtg ber ipatl^ologifd^en (Sonflitutionen mit bem
Xent|)eramente. IDa foSen bie ^l^legmattler l^m)}l^atifd^
fein ... . bie @anguinifd^en fttl^rt man bid ium pfftifU
jtfd^en ^abitu^ unb )ur ip^tl^iftfd^en (S^onfUtution .... bie
e^oleriler foSen )u Jtranf^eiten ber £eber bid))onirt fein.
. . . @^ gibt jebod^ t^iele Sl^oleriler, bie fid^ im älffect
aSe^ el^er berberben ald bie £eber, }. S3. fd^led^t berbauen.
*) Unb, fe^e ^ Wh^t t^W toemger an (Sorpulena indintrenbe
C^otetifeT.
42 ^nmbjftge«
^ftjfto^jfeti bdmimm, {tttern unb juÄen/' — 3m übrigen
ober nennt et bie %ufftellung ber 2;en^)etamente „m*
alt, öortrefpid^ unb toietteid^t untwbefferUd^" unb nur „bie
SegrüiAung ber Xtten fo fel^lerl^aft aU H)xt älnftd^ten k)on
ben (Srunbbeftanbtl^eilen bed ntenfd^Iid^en £ör))erd^'; unb
banad^, ba^, tt)enigftend für ben @anguiniler unb 9ReIan^
d^oliter, an6) iffta ba^ Uebertoiegen t)on IBufl ober Unlufi
ben Gintl^eilung^grunb i^ergibt, ifl e$ ju toürbigen, toenn
er in bie Sefümmung ber Temperamente aud^ ,,bie 9lal^
rung, toäift bie ©trebungen unb ©emütl^iSerregungen in
ber SRifd^ung unb in ben S^^ft^^^n ^^^ organiftrten
Steile — alfo in ber Sonftitution — öorfinben", auf^
nimmt; tt)ad un^ kDenigftenS boi^ Sted^t befiätigt, in einer
e^arotterologie biefe SRomente nid^t au^er Sld^t }u laffen.
^em ^^ftologen laffen toir je|t ben ^at^ologen an
bie @eüe treten.
Sei äBunberlid^ ftnben ttnr folgenbe SSeptimmung
O^^anbbud^ ber ^at^ofogie unb 2;^eraj)ie" [Stuttgart 1854],
9b. 2, älbtl^. 1, @. 3 fg. mit ä3ei)iel^ung einer ©teQe aui^
»b. 1 [Stuttgart 1850], ©. 212): „S)ie ßonjlüution ifl
ber Inbegriff ber gefammten Drgonifationdtoerl^tniffe bed
Rüxptt^ . . . . fte ift jut>0rberft }u betrachten afö nod^ in
ber »reite ber ©efunbij^ belegen — l^ört aber auf nor^
mal ju fein, toenn aKe ober fe^r ^oiele unb namentlid^
toiäftx^t ^eile beS Jtöt^er^ abnorme S^ftänbe, abnormeiS
^nctiomren jeigen. . . . ^ie ßon^tution^anomolien, un-
ermeglid^ unb un^&^lig in il^rer SRanntd^faltigleit, muffen
bod^ be^ufiS ber SBetrad^tung unb SBefd^reibung in länfi'
lid^e Äategorien abgegrenzt loerben. . . . 9lur ifl nie-
mals in überfeinen, ba| . . . . t)iele ber natürlid^en ^at^
lommniffe nid^t in bie gemad^ten Kategorien, fonbem auf
bie ©renken fallen, toeld^e bad Softem gebogen unb für
ttjeld^e ber ©ebraud^ feinen 3iamen gefd^affen." — SHatür-
lid^ gilt etttja^ ganj analoge^ für jeben SBerfud^ c^arafte:^
rologifd^er Slnal^fe, toa& bei biefer Oelegen^eit ein für
aQemal bemerft fein mdge ; t>^xf)&U e^ fic^ bamit bod^ laum
Sie Temperamente, Sonftitution unb StatureQ. 48
onberd cäS mit ber Xbgrengung bet ^a^x^iitüm je nad^
aftronütnift^er 83e{Ummung im ftalenber unb na^ bem^
btx\tmx!tli^m äBttterung Bei feiner (Sintl^lung folgetd)en
äSolfögefüi^I: bie ))0!|DulAten SSe^eid^nungen ioerben ein
qxo^mtif^ an^tvffdb ber oben obgefledten Slatfjeid^en
faQenbed @ebiet bef äffen ^ mdf beiben Seiten ^ovx einen
in^ anbete l^inäbetgreifenb.
älber t)0n ber l^ier in 9tebe fiel^enben 93er))fltcl^tung^
bie Se^re t)on ben Temperamenten in fi>forttgen 3ufammen^
ffaxiQ )u bringen mit ber (SonfUtution^boctrin^ entbinbet
uns t)oSenbS ber toeitere ®a^ (o. a. 0.^ @. 7): ^^9lud^
l^ier ti)ie überall grenzt bo^ für normal (Srad^tete in fo
unmerflid^en Uebergftngen an bad unbejtoeifelt Jlranf^afte,
ba^ ^l^i^fiofogie unb ^ati^ologie ein fel^r breites gemein«
fd^aftlid^eS ®ebiet i^en." — SBir toürbcn olfo l^ier faum
einen @d^ritt t)orn)&rtS tl^un lönnen^ ol^ne baS %€xtain
ber ^f^d^iatrie }u betreten^ für ti)eld^e mir bod^ ft&ä)^tn^
einige SJorarbeiten ju liefern l^oben.
9lad^ bem pathologia docet physiologiam möd^ten
koir xmS aber nod^ über einen anbem Segriff Status er-
holen bei ben ©m^jirilern — bod^ ba feigen toir m& erfl
red^t t)ergeblid|; nad^ e^acten SSefUmmungen tm unb ftnben
uns olfo auf ben @))rad^gebraud^ in feiner aKerDogefien
Unfif^erl^eit angennefen^ toenn ioir nn^ boS Serl^<mjs
beS 9laturelU Ilar pi mod^en fud^en^ einerfeits ium re«
tribirten ^em!|£)eramentsbegriff^ atü^ererfeits }u ber @)[>^äre^
beren äSetrad^tung @egenftanb ber ^ofob^il fein toirb.
3)aS ©ti^mon fd^eint hierbei bie fd^ioanfenbe Slüffig*
feit beS Segrip lebiglid^ fanctioniren ju toollen — nur
fo t)iel l&jst ftd^ fagen: teineStoegS jebe ,,natürlid^ älnloge'^
— toometoeg lamn jemals bie inteHectuette — ifi in bitfen
Slamen mit einbegriffen. — ®ne anbere Simitation lä|t
fid^ nad^ ber äBol^rne^mung auffteHen^ ba^ bei einem
^nne, ioeld^er baS brei^igfte SebenSjai^r überfd^ritten i^at,
nic^t leidet jemanb fid^ getrauen toirb^ t>on 92atureD )u
f^red^en. @oUte maa borauS fd^liejsen bürfen, ba^ eS ftd^
44 ®mnbsü^e.
)um Sl^ataltet t>erl^alte, tme bte 3ugenb jttm äßtet^ mie
bet ^erling )ur reifen Traube? Schlagt nid^t and) ein
ttebergeioid^t fomotifd^et Sefiimntungdgtfinbe über bte 3Ra6)t
ber Sleffesion babel t)or?. Unb V)er^atrt nid^t beim toeib«
liefen ©efd^led^t, mit feiner, ber be« 3«8^ttbalter« &ffn?
lid^er bleibenben, 6^ar<dtergeflaltung , ba^ 9latureQ I&nger
in ©eftung afe beim m&nnKd^en? — S)em einen neibet
man fein l^^eitereiS, „glücMtd^e«", ben anbem emj)fie^tt fein
liebeni^ioarbiged , am britten beHagt man fein toilbe^ 3la^
tureD. Xber ouc^ (Sigenftnn unb ^urd^tfamleit l^ören iDir
aU @ac^e bed SlatureUiS bejeid^nen, Jturj, tt)ie bidl^er
unter ba« 2^emj)erament, fo werben nod^ je|t unter biefen
Segriff bie bid))aratefien 3Hnge gufammengefalt, unb man
mdc^te ftd^ biefe^ 9{amend aU eined ^errenlofen ®utd be^
mft^^igen, um ber SSerlegeni^eit ein 6t^e gu mad^en, toeld^e
uniS fofort entfielt, weil U)ir für bie ®egenfA|e SuoxoXoc
unb suxoXoc (eine vox media beft^en. ätUein fold^er Dc^
cu})attDn ftel^t ber Umfianb entgegen, ba^ babei t)on bem
bod^ n)ol n>efentlid^en Vloment bes Slid^tentmidelten gänj^
Hd^ mägte abgefe^en n)erben. SBir beulen bei Statureff
toitlliä) aUemal an ein 9latürUd^ed im ®egenfa| jum @r^
lünflelten, Äffectirten, angelernten, Sleflectirten unb „(Sr^
tDorbenen^'; unb tDenn aud^ babei ber eti^ifd^e ®el^alt ge^
gen bie ©timmungj^farbe jurüdttritt, fo l^aben toir barin
bo(^ immer erfl eine, nod^ mand^erlei JBerttjifc^ungen ber
ßineamente blo^geftettte, änbeutung beffen, toa« am „rei*
fen" 3Jlenfd^en afe ®^^(oIie ober ©uloUe pd^ beutlid^ an^^ '
Vrftgt.
Sied lft|t ftd^ t)erbeutlid^en burd^ ein entf))re(^enbed
Serl^<ni^ auf mel^r moralifd^em ©ebiet: bie fittlid^e Ein-
lage, bie in i^rer (grfd^einungdtoeife nod^ nid^t burd^ ®r-
fal^rung ober ©elbjlerjie^ung bergejlalt umgeformt ifl, ba^
pe im eminenten ©inne ß^arafter ^ei&en f ßnnte , toirb tool
®emütl^dart genannt, unb gerabeioeil in beiben ^&Sen
ber SBbflftrungj^^roceß nod^ nid^t bottjogen ifl, behalt biefer
»egriff, tok ber bei^ 9laturetti5, ettoa« (E^aotifd^e«^ umfaßt
^pttolxt tttib Cubne. 45
einen (&owpUi loerfd^iebenen lQueIl))un{ten entßammenber^
naä) terfd^iebenen S^d^tungen auSlaufenber äSSefenddu^e^
tunken unb t^ettt mit bem Statuten bog Sod^ fotDol mit
Wetftnalm ber eigentlid^en Xemt)etamente tok mit fold^en,
toeld^e et^ifd^e obet ^ofob^nifd^e Differenzen bejeid^nen (fa
ifl t>on einer ,,fin{lem'' ©emüt^^art bie Siebe), toerbunben
}u toerben,*)
3mmer^in alfo lonnten xm& biefe beiben ben Heber?
gong vermitteln jur nAd^ftfolgenben 93etrad^tung.
3. 2)er ^egenfa^ ht9 &i)cxoXo<; mtb «SxoXoc aU Vta^ ber
Seiben^ftt^igleit.
SBir treten in biefen, afe ^ofob^nif bejeid^neten,
2;^eil ber Gl^^arafterologie ein mit bem Setoufetfein, ba^
tt)ir mand^erlei ©nioänbe ju befftmjjfen l^oben »erben,
ober aud^ mit ber Hoffnung, ba| ber $am)tgebanfe beffelben
leidster auf SBeifatt toerbe red^nen bilrfen, atö ber Befremb^
lid^e 9lame.
Slid^t für biefen, tooffl aber für bie Terminologie be8
®egenfa|eS innerl^alb beffelben bürfen toir ba« SRed^t
in Slnfj)rud^ nehmen, ate ®rben ©d^oj)enl^auer'i8 l^auSs
*) S^rcr anttqutrtcn Ztxmvnote^it entficibct, treffen mit bem
Cbengefagteit fo ixtmüdf bie Seftimmnitgen gufammettf t»tl^t bie
„€>i9noni^mW i»on ^ber^atb, Maa^ anb Ornbo übet „^^nt»nt**
nnb beren Unterfci^ieb i»oit ,, (Sefinnung '' gibt. 2)ie Urtifel „2)enf«
ort" (II, 50), „3)enfuTtg«art" (ebenb., @. 56 fg.) unb „Oefinnung"
(III, 187 fg.) Derbienen me^r al9 biefe anbere biefed tBerfed nadf*
gelefen )u »erben. Uebrigend ffaU id^ ed mir nic^t jur Aufgabe
gemacht, (£ngß (S^efagted bIo9 gu trabtren -- foabern 0eIbßgeba(^te0
bargulegen, meifl nnbefümmert barum, ob anbere {d^on 3bentif(^e9,
9e(n(i($e9 ober SBiberf))re(J^enbed ))orgebra4t ^Stten — est autem
verafD index soi et falsi, nnb toen ba9 anmaglid^ ober unbef^eiben
gef^rod^en bfintt, bem ßt^t e0 ja frei, (tn)U)ufttgen: nee non falsom
stti et veri; bann (at er ia ixol^ aftebem Sludfic^t, ettoo« |a lernen,
toenn audf nur e contrario unb per inversionem.
46 Stunbjüse.
gu^atten, bem e» ate großes SBw^bienft um bte Älatl^eit
Vf^ologifd^er SHnal^fe angered^nct njerben tnufe, baß et
bieg eiement mit fd^arfem ©4nitt ati^gefonbert unb für
ftd^ IffingefteHt ^at, obgleid^ er f elfter e« nod^ bem %empt^
rammt f tibf umirt *) : unter ber SJegibe biefeS $eerfül^rer§
toirb ein einbürgern biefer beiben 9lamen in ben iDijfen*
fd^aftlid^en ©j)rad^geBraucl^ nid^t ausbleiben, mögen an^
bie ^^ilologen bleffeid^t bagegen bie ®inrebe eri^eben Ion-
nen, ber ©imt biefer SBSörter bd ben alten f eiber — inS^
befonbere bü ^ßlato unb SlrifioteleS — fei ein anbe:=
rer, engerer uhb, bei 8ucxoXoc toenigftenS, ein nid^ts lue-
niger ate etl^ifd^ inbifferenter getoefen. **) ®aß bie beut-
fd^en Segriffe Slrübfinn unb grö^ftnn benfelben Snl^alt
faum annftl^ernb toiebergeben, liegt auf ber ^anb, unb
tt)ir muffen uns alfo fd^on bequemen, j[e|t nod^ fo toenig
geläufige Segriffe fotoeit nur möglid^ mit Seid^tigfeit ju
l^anbl^aben.
aSid^tiger ift eS, gleid^ eingangs aud^ berjenigen Sluf^
faffung entgegenzutreten, toeld^e geneigt fein n>irb, mate-
rialiter bie gange Unterfud^ung abjufd^neiben burd^ bie
fategorifd^e SeJ^aujJtung : jebe S)i^Sfolie ift ein franfl^after
3ufianb. S)aS ift freilid^ eine petitio principii, toeld^e ben
©temj)el bornirtefier (Sinfeitigleil beutlid^ genug an ber
©tim trägt — toer nid^t ift it>ie fie f eiber, ben l^^aben
aDejeit biefe „®efunben" par excellence am liebfien als
„£agaret|f' ober Sebkmcanbibaten'^ beifeitegufd^ieben ge-
fud^ , unb fid^ mit ü^nen auf b>iffenf d^ftlic^er älrena i^erum-
*) 2)te {^au^tfitnen MerüBer ftttben fid^ in ,,^ie fBklt al9 mUt unb
»otfleffung", 3. «ufl., 1, 372 fg., unb „^orerga", 1. «ufl., I, 311 fg.,
unb beten 3nf)aU x^ beim goTgenben atterbing« aU betannt i»oran^
flefeftt.
•♦) Ob toir bei nnfcrer ^emenbung berfe(ben auäf mit ben Sin*
gniflen in (Sottifion geratjen t»erbe«, »eig id^ nifbt, ha eine ^cüi,
t»tläft i^re (St^ntotogte in l^etbinbung mit bet bt» latetnifciS^en colere
tn ber Äu^n'fd^en ^citfd^ttft bef^tii^t, mir nid^t an ©efid^t gefom*
mtn ift.
S^fSlolte unb dufolie« 47
)ubal0m, gibt rdmal» ,,m &dtau^iü fttt (Sdtter''.
9Ran Idnnte i^nen alfo einfad^ — (Krobl^t mit Otob^eit
obfd^Iagenb — baiS (Stoet^e^fd^e:
2)en Xtü^ti \pM t>a9 fßUtä^tn nie,
Unb tDcnn er fie Beim StxaQtn \)&ttt,
auf ben Sauftxt^ f^reiben unb fte i^rer dqmm äBeiSl^rit
überlaffen (bellten laffen fte fxä) nun etnntal nid^t: ein
ed^ter: (Sutolod tann ein ganjei^ !|)effinri^fd^eiS Si^fiem fid^
in abstracto angeeignet f^obm, c^ fogar gelegentlid^ fei«
nen ^rebigten eintoetleiben, unb )ule|t bleibt et bod^ bo«
bei: fo lann e^ tpenigflen^ btüben beffer gel^). Slbe?
aiidf in ref^^ectoblem unb minbet fanotifd^en Mp^m fluten
nod^ 9tefte ber Segriffi^onfufiDu, n>eC(^e bie 9leland^olie
ate ^f^d^iotrifd^e (Srfd^einung unb baiS toeilanb fogenannte
melanc^olifd^e ,,2;em^erament^' nid^t au^einonber^u^alten
loetmag^ unb biefen gegenüber ifi immer toieber mit aSem
Slac^brud $u acctpütm, toa^ jebe ^v^logie aoSbrädtlid^
lel^irt ober ftiSfd^n^eigenb onerlennt^ unb toaS aud^ 3o«
Cannes SKttller'd ^arfieOung ber Semt}eramente itaplu
citt: bie tt^eiteflen Slbftänbe ber (tme aSerbtngS erfi ©d^o^
pnäfmtx ertonnt l^at^ am einzelnen ^nbiisHbuum fefl^
^el^enben) aRa|t)erfd^ieben^etten in ber Sapadm för
@<l^mer} unb Suft fönnen nod^ — nad^ bem obigen Sud«
brudt SBunberlid^'« - ,M ber »reite ber 0efttnb|^
belegen fein^'; fonft l^&tte ja fiber^uipt niemals t>im einem
mdand^olifd^en 2:emi|)erament bie Siebe fein Unwn {obf
gleid^ nid^t geleugnet tuerben foO, ba^ beffen »egriff nad^
öbti(^er SefUmmung bem, tood @d^ot}eni^Ktuer unter 5D^d?
lolie toerftanben toiffen toill, nid^t fc^led^t^in congruent ift).
9Ber aber ganj !t>D))uiarer »elege bebürftig, ber mag
^ befmnen, bafe bod^ „wn SRatur" einer „emfter" ift
ate ber anbere, biefer äffe« leidet, jener äffe« „gar ju"
fd^toer nimmt unb ,,fid^ ju ^ergen gelten lft§t"; unb ba§
er fd^on oft toon Seuten igiat fjjred^en l^ören, bie unjtoeifet
^aft sani mentis unb bod^ geneigt feien, aUe^ ,M^^^
48 (Smttb)ü0e.
2u feigen '^; toogegen otibem bie ganje Sßelt tn rofenfarbe«
nem S^te erglftnje, tt)e§|ial6 fie ,,^üxqIo^'' f)mAnt&nieln;
uttb, bamit aud^ l^ierbei bie (Stabtmterfd^iebe Innet^alb
jebeg ®cgenfa|gl{ebe« m<i^t überfeinen toerben, gugleid^
barauf, bafe, toer „tool^lgemutin" (alfo „ßute« aWutl^e«" unb
autoerfid^tlid^ be^ ©elingen^ getoärtig, ober „getro^", b. ff.
im SSertrauen auf einen ertoönfci^ten SuSgang feinet ^ot^
l^oben^, ober „freubig", nÄmlid^ ijom SJetou^tfein eines
guten 3ttJede« getragen) feine (Strafe jie^t, barum nid^t
fd^n ,, luftig" l^ei^en lann, nod^ „frol^", tt)er, t)iettei(^t
inmttten tiefjler aBeJ^mutl^, an irgenbetner Äleinigleit, ettoa
einer feimctiben SBlume n. bgl. „^dnt %ttube l^at", fotoes
nig »ic jeber „nad^benWid^" ©nl^toanbelnbe für mtn
@riej^gram ju l^olten ift. ^eSglei^^en^ unb faft nod|i mel^r,
1^ man fiii^, Segriffe toie „lebenS&iftig" unb ^^l^umos
rijttf d^" über (Einen ßeijlen gu f dalagen- ®er f|)ecieffe X^l
ber Sl^arafterobgie toirb biefe unb nod^ tnand^e anbere
^aarrei^en in einer reid^ ftd^ gttebernben S^non^mil auS^
eittanberjul^alten ^aben — alfo j. 83. foioenig ben Unter?
fc^eb jtoifd^en bem S)^Slolod unb ^^!|)od^onber tok itoi^äfm
bem @u{oloj^ unb Seid^finnigen (e0 gibt fogar ^dd^fl ^,f^$
libe" ©SxoXot — atterliebfte jungen, mit allem juf rieben,
uvb als Slrbeiter ebenfo braud^bar unb juioerläffig, ti^ie
gern gefeiten aU SRitgenie^er beS ^eierabenbs) fd^ulbig
bleiben bürf en — toäl^rettb ber allgemeine X^eil nur feffe
fteUt, to>eldne Elemente überi^a^Dt in äSetrad^t fommen, unb
an SMifd^ungen nur erinnert, um ju jeigen, ba§ l^ier nid^t
blöd t>cn $irngefi)>inflen, fonbem i)on 9tealit&ten bie Stebe
Vjt, bie unier anberm 9lamen aud^ im t&glid^en &cbm be?
fUjrod^en »erben. *)
3eber toei§, toa« gemeint ifl, tt>enn ein Äranfer Kagt:
ber Sd^merj ift nid^t gerobe i^eftig, aber -Anwerft em:pftiib«
*) ^te ^^i^flfer erinnere id^ an bie fd^Iagenbe Analogie, totläft
bie Xi^at\aäft barBietet, bag für t}erf($iebene Stoffe betfd^iebene Sarme*
tna;rima becbad^tet »erben.
^rfihVit itnb 6uIo(ie. 49
Ii<^ — bod^ nid^t jeber bebenft, ba§ fojitfagen ber ©i|
ber „i^eftigw" ©d^merjen bie ©jjontanettat, ber „tm!p^r(t^
lid^en'' bie Sieagibilitöt iß — unb bag bemgem&^ ein i>pis
(oIoiS unb ein S))^!oloS nid^t bUi )U:ieierlei^ fonbem toie^
lerlei fein fann, je nad^bem für bie ©d^ntergen — fei eg
beS Stütpeti ober bed ©emfitl^iS — bie eine ober onbere
ber aufgeffil^rten ^em^eramentöformen bie S^r&gerin ifl.
Ob toir mit fold^er 93erbt)(|9t)elun0 b>irlttd^ fd^on bie ga^I
ber äBinbrofe erreid^en^ ober ob ftd^ nid^t Hebne^ir ntond^e
unmdglid^e äSerbinbungen ergeben toürben^ nm| gleid^faltö
unou^gemad^t bleiben.
S)er in 9lebe fte^enbe ©egenfol an fid^ gel^drt bem
©elbfUnnefein beS b^oQenben 3nbit)ibuum8 im @efäl^l an^
unb jloar bem ©efül^l nod^ feiner ^Relation ju ber @e«
famm^eit ber @reigni^e, mläjt bie 3^^<i^ ^^ Sßünfd^e
bed 3nbit)ibuuntö — n^Qm bieg nun fubjectiioe, mögen eS
bie gange 9Renfd^l^eit angd^enbe fein — enüoeber fdrbem
ober l^emmen.
SBie f el^r ber )>of obl^if d^e Unterf d^ieb ein ux^ptunQi
lidjier, „angeborener", fei, betoeifen bie gälte — fie ftnb
letnegtoegg fo feiten, toie bie meiften annel^men mfid^ten —
100 fd^on in ber „güidlid^en" Jtinbl^eit fid^ SebenSüberbru^
lunbgibt, ol^ne ba^ an eine t)erborgene gerrättung beg
Organismus gu beulen to&re. 3n ber ©d^ule mad^en
einem bie 5u^oXot gu fd^affen atö ängflUd^e, felbfl)oer«
trauenSlofe ©dualer, bie nie toagen )u geigen toaS fie
ioiffen, unb ftets bertten: eS gelingt bod^ nid^t; unb einer
©d^ülerarbeit ifl folgenber ©euf^er entnommen: „S)eraRenfd^
ioirb überall gu ioenig gefragt, ob er mit bem gufrieben,
toa^ mit \ifm loorgenommen toerben foQ; er mirb nid^t
einmal gefragt, ob er gur äBelt lommen U)olle
ober nid^t, unb baS ifi ein großes Uebel, benn man ge^
r&tl^ in groge 93erlegenl^eiten oft blo8, toeil man auf ber
äBelt ift, unb anbere Seute nel^men eS einem nod^ bagu
übel."
älber ba tein d^arafterologifd^eS Clement irgenbtoo in
50 dhnm^üge«
tcimt 3f^iwi9 ffd^ ftetl^Ätigt, fo ifl au4 Bei W^em ciw
SiiiApitfung auf bi^ @efammlf£rl&ung bet übrigen !fKani«
fefiotlonen ^äbfUoet^&nilidf , unb tDU l^aben eiS babet tmäf^
ouiS nid^ blo^ mit ber @eite ber ^offi^it&t )u ti^n; )Hel^
nu!]^ umib bie gtj^e (Srnt^fAnoac^Idt füt get^iffe klaffen
t)<n fönbrüdfm bie gon^ ^blunQ6\t>d^ tniti^eflimmen
(). S3« i^im (S^^cH^tStx, tDenn biefetr jugleid^ S)9^i>li»^ i%
eeteris paribiis eine gebiiffe ^)äi»:pfimg bttrc^ ä^tftd^tig!eit
^ $i^e MnQtn), vok ße onber^feitö nid^t an^ttffalb
aOed Sufcomten^angiS mit bet inteÜectueBeti S^gobimg
fielet; benn eS fa^t offenbar ber ^t^i^UU^ bm gitflanb
)»at unb nad^ beir SvfäQutig feiner äSiinfd^ (ISUHen^^
firebttngen), alfo o^ne ^age ben Utngtv «nbonemben,
ins ^»ge; bec Sutolo^ bcigegen eigentHd^ nur bie £^
fod^e bei$ firfüSttfeiniS, olfo ein mef^Ud^ 3ilf>imnUm&.
Un^ eniUid^ ift beim Uebergang jn ben etl^d^
Oi:unbbiffeten^ ond^ biie^ nod^ jn beniierfen^ ka^ ber
^i^^folo^ ebenfo gut au^ frembem al^ an& rtßmm 2^
ätol^rung fäar feine €igeti|feit jjigSfm jtonn, unb ber Sitfolo^
feine ^eiterteit jut^dlen b0d^ nur mi ben ^id relatiber
@{eid^<tigteit gegen M^ @Ienb ber 9Ritmenfd^en Uitoafftm
mag; o^ bo^ babuni^ fd^mt ber ®a$ ju einem ^itbaren
Mfft): jlener l^^e bor biefem ben SSorjiug gvOj^erer ^iAe^
fiü^eit, ober biefer fei an ^ fd^on egoiftifd^ geocrtet.
4^ ^te iäixVlim fitotiMfeieirjcit
SBa» fttr bie M«l^erige aietrad^tung ^n bur^Midlter
ei^ giift nid^ nur feS unb ^unfel, e^ gifiit mä) %atben
m bin iSuMfi^it U» inbäf>tt)neS[ien iSeben» ^ baiS tritt nrn
^oSeuM )u STage^ itu> bie ^Anpmonobgte bei» SSMOen^
be(^t i|Mdmäye 9tntnrfi>rm«n l^inder fM^ la^t, um ül an
ba^ ^Problem bor jubringen, ob bem fuBftantieHen ©runb^
Witten felSw tixit: ^eterogeneitÄt in ben ^erfd^iebenen Qn-
S)ie etl^if(^eii OhmivM>tfferensen. 5i
bii^uin jnldtmite, eber Db ein mit ft/ff ibetrtlf^e« ttmef^n
irt aQen Sßed^letf^^un^ feine Jgfomdgeneitat b^mi^te.*)
SSir fe^en Hefelbe IDto^ng frei iD^em egoifüfd^ ^etg^»
ling 9bi$il, frei bem ebeln gelben atmffttviMi Sem, frei
betn SBitfeibigeyi^ bev ^ut ^Ife unfftlrid, Stauet, frei bem
groufamen 3)tf#Auet Qk^obenftfube erfegen — alfo nM^
frlo^ {|uanf{t<tt{b, fimbem au^ materieüiter t^etfd^ic^bene
aBfcItengen mif bie gleite Utfad^e etfolgen* — ^ca gifrl
nniS ftatt frIM gt^abueaer Unterfd^iebe f^eciftfd|fe SHffetenjen
— «rtb jtottt Jene, bie „unter bem ©fanb^ninft be« ^^ffeniS"
bie SRotal f^ali^.
2)ennedif ge|ft itnS bafref nid^ ber gofnje ^n^t bet
fiygenomnten S^ngenblefnre an — xttatAii^ n^t berjetiig^^,
meU^et fi^ mit Singen frefd^fttgt, bie Mt frlo^ ViuiMiat^
tugenben, formale, inbfrecte ^filfjmittel ber S^ik^gfeit,
bet vlrtuft ober x^^^'^f Mo^ ©ieiierinttett ber dnjigen
€arbinaltugenb, ber Siebe, ober nneigentli^ Stttgettlben,
nmn^ mft^d^^/ H^eil fte, an mto ffStt fi<| abfa|>^oret SSe^
beutmig, Aenfo fei4^ fr^fen tDie guten ^toe^en fBrberftd^
fein »mien; toie: $lei1^, St^arfamfett, !Reinf kffell *'*), Drb^
*) ilatlftjan tief fSng>p gitm erttetr nral gettudPf Wat, fanh id$
Bei @^o))en^auer ha9 ^efentitnig {totl6^t9 %xaum^bt: „fin9 &(ioptn*
\)autx'9 SRa^lai", &. 897 fg., rnttt^eilt), aud^ feine $^irofo))l^ie \)aU
biee ,f]6^^Dttftt aOei $rcBIeme" ntd^t gelSfl; unb eBen toeil td^ tnid^
ni4^t ßt ben ehtett oHieMBe, bet nad^ iQnt nbiefett fibatvmbjn tt^
aU auf ein Bettgnifi , Ht bte im ,,6efonbe^ 2l^i(e** gegeBeneit <St^
Ihrtevuttgeft eitrf^tagenbet ^tageit mit i^trer fd^etttfi^dt mmerl^Attnig«
mitigeir Xirtpi^id^it «>ofe lofffetifi^itftftd^e eered^ttgmtg fKiben.
**) f&kt IntBffottbcre bet mt 3f Ibd^ett bc]^e(t f9bfi^e Slintt fftt
fiu^te ^anbetfeit bvil^ ditd^ yn einem ^emmnig toerft^Stiger Siebe
mnben tinm, ift Irefflid^ l^t<nrgeffoBen itr einem fftHfef bet ^d^fbv
fd^en Clm^»))ibk inm gftte^at übet SMbd^tjiefnng; 9ott ncd^
mUe« ftljfettbeii SttiftMgetir ^H einen «Mmomanift^en (S^ataftet an^
ntifmtn, nrftb Bei beti ^^d^ataftetoTogifd^en 9(bm)tmit{Kett" bie 9{ebr
fein; l^iet ölet m<(rg f^im einef fbiofi^ratlf^n 9P6fV$ene9 tot allem
@(l^mu3 , ^oHenbe ^ox Ungejtefet, gebadet toerben, i»etml^ge beffen ein
4*
52 Snttx^Sü^e«
nunggfinn, 9Jl&|igfett, Sonfequenj, aRutl^, 3Bft6igung, Iura,
aUe bie @igenfd|faften, toeld^e betn ftttlk^en äßitim an ber
§anb bet Älugl^eit tool ben ©|)iclraum ebnw^ aber nimmer^
ntel^t iffta ben Jlanon auffielen lönnen. ^ie SInlage )u
bieffn allen rui^t tl^^eifö auf ben bereitö genauer beft)rod^e=
nen, tl^eite auf ben auf ©. 2 fg. unb 40 ju öorlftufiger ©r-
toäl^nung gelangten (^aratterologifd^en Elementen ^ unb fie
befonnnen eine eti^ifd^e @eltung erfl burd^ ben @el^att ber
SKottoe, benen fie untertl^an finb — fielen alfo bem eigent^
ttd^ fUtttd^en £e&en laum nä^er al& bie ^^l^^fiologifd^en
gunctionen: offen, S^rinfen, ©d^lafen, 3lt|imen u. bgl., bie
an fid^ aud^ toeber gut nod^ 6öfe finb unb bod^ fotool
SSBerte ber Xugenb toie ber „©ünbe" to erben lönnen;
lefetere« in^befonbere, tt)o bie „(Selüfte" aU „Safter" fic^
Derfeftigen, toeld^e, im Unterfd^iebe öon Biofeen „Untugen^
ben"*), fo gern axS bem 83oben ber 6ott|iitution i^re
9lal^rung jiei^en. •
@eitbem aber mel^r unb mel^r baiS dffentUd^e ©eioiffen
gefäl^rbet toirb burd^ ben SRüdfatt in eine „l^ieibnifc^e"
älnfd^auungStt^eife, b>eld^e bie !t>olitifd^e Qu\>txl&^\iQlüt jum
eigentlichen Äriterium fittlid^en SSert^e^ erl^^eben unb, täg^
lid^ an» 3^tung^))ublilum geti^Sl^nlid^en ©d^tagei^ fid^ abref^
firenb, ober beutfd^e Siteratur in !>)lattefter SKoralifirung
mUbtl^^tiged grauenJ^erj Ux^ttx fld^ entfd^Iiegen to&tU, ba< (efete
eigene $emb toeg^ufd^enlen, atö tva9, an toeld^em ber belannte „9lxmt*
leutegeruii^'' iafUt, aud^ nur mit ben Singerf)>iten aninfaffen,
*) Tlan toirb nSmUd^ tool nid^t irregel^en, toenn man ben
^^d^iff ffUntugenb'' ald bereite bnrd^ ben ^pxadt^ibxanät auf ba9
®egent]^eil einiger t)on ben oben fogenannten ^üif^tngenben etnge*
f darauf t betrad^tet Sediere fagt 3ean $anl in feiner „2tt>ana**,
§. 122, @. 650 (2. ^nß*, 1814), nnter bem i^egriff „fluad^e £ed^'
nif" gnfammen, tool^in er and^ bie (Sarbinaltngenb ber (S^inefen, bie
$BfU(^feit, red^net, unb bagn toürbe ed flimmen, ba| man aud^ fcld^e
unliebfame ^genfd^aften toxt ^i^bringlid^feit unter bie ,,Untngenben"
a&^It (toHdft man im ©inne t)on fd^led^ten SCngetol^l^nungen ia felbfl
^^ieren beUegt).
Sie etl^ifd^en ®¥imbbtffetettsen. 53
^{porifd^ frttifxtettb, virtus mit Xltigenb, burd^ ©ctu^el
leidet beirrte ©d^toäd^e mit fiufeerjler SSertoorfenlifeit ibeirti«
ficiren möd^te, — feitbem ift eS erjl red^t an ber S^t, ber
urti^eitenben Oered^tigfeit ein fid^erere^ gunbament unter*
breiten ju "fyd^m burd^ Slufjeigtmg be3 planm, faubern
SaugrunbeiS, auf toeld^em allein eine toirflid^ ein^eitßd^e
(Sonjlruction ber il^atfad^en be^ jtttlid^en S3elt)u^tfein^ mög*
lid^ erfd^eint
©0 ioißo^ n&mlxä) bie abftufungen ftttlid^en SBertl^e^
jtnb, fo genügt bod^ gu öorläufiger Slbfledung ber ®ren=
Jen iene^ ©runbfd^ema, loeld^e^ ©d^o^^enl^^auer an mel^^s
rem ©teilen V)orgejeid^net l^at; bie SKifd^ungSioer^ältniffe
unb ü^re SRelation ju ben bereite cm&ffntm ©oefjtcienten
loerben nur um fo überfid^tlid^er, loenn tt)ir junftd^ji bie
^nbamentalgegenf Ä^e red^t Har f äffen ; f ogar einige ©reH-
l^eit t)on aSBei^ unb ©d^toarj fann einfttoeilen nid^t fd^aben
— ba^ öerioafd^ene ®rau brftngt fid^ immer nod^ frü^
genug ber SBetrad^tung auf.
3)ie Statur, b. f). ber 3fn^alt, ber für ben gegebenen
3fnbit)ibuald^arafter loirffamen SJlotitoe ifl ber ®int]^eilung«=
grunb bei ber etl^ifd^en ©laffificatiDn ber Qnbiöibuen unb
fann nid^t einfad^er bejeid^net toerben afö burd^: 1) eige=
nes SBol^l, 2) frembe^ SBel^ie, 3) frembe^ SBo^t, 4) eige^
ne^ SBel^e, benen paxaUd ^el^en: 1) ©goi^mu^, 2) 8300:=
^eit, 3) amtreib, 4) «fcefe; toft^renb „®erec^tig!eit" ber
ru^enbe SBagebalfen l^ei^en fann, ber bie 83alance jioifd^en
1) unb 3) »ermittelt. (©d^oj)enl5iauer, „S)ie SOBelt ate SBitte
unb SJorftettung", 3. Slufl., II, 695; coli. „Ueber bie ©runb*
läge ber SRoral", 2. SÄuff., befonberiS §. 16, ©. 209 fg.,
§. 20, ©. 252 fg.)
®ag rein etl^ifd^e ©lement gibt bem Seben^brama fei*
nen 3wl^alt unb ®el^alt — entfj)rid^t ben SCcteur^ felber.
S)ai5 SJem^^erament entfd^eibet über baö %m,pt> il^rer ®efien;
©onfHtution unb Slaturell beftimmen SJla^fe, ßoflüm unb
ajlanieren (alfo ba^ ©oftüm ber ©eele); ben Unterfd^ieb
beS @ufolo« unb Sii^öfolo^ gibt bie ipeffigfeit ober 3)üfter=
54 fihmiAiftfte.
nift ^ ^^tatmsMmäftunQ loieber^ nttb bod bie ^nb^
Iting accon^gmienb^ Ocd^iet ^t bono^ äne ^ur- ober
SSpQ^ Tonart )u Mi)\m, tD&J^enb bie (Snergiegrobe an
be(fm Sovte ober ^(m<> i^ftett 9luSbrud finben^ Me (S^on^
fHtutioii uHb äiatureS ^ugleid^ aud^ an ber Klangfarbe ber
^^ft:f#i^benen dNlt^tn^te«
ütfon^tttv ^l^tii
ober
^u^Wrungetu
Uebergang.
^t „aU^imm ^^üV l^ot biejenigen Kategorien in^
fornmengefteSt, aui^ beten ^ad^^erf bie W^^mQdeUmmU,
vMtn Wibttca6)t il^rer ^rf(|fiebenen (Stcabe^ ju fo reid^en^
nimmermel^t audjuj&i^lenben ^ermutationen )ufammentreten
!önnen. ^ber ei^ ergab fid^ aud^, ba^ eine unangreifbare
Slebeneindnberorbnung be^ !Kä(^ft)ufammengel^örigen fid^
an feinem ^utüU burd^füi^ren laffe, ba fein Clement ^om
anbem abjolut getrennt U)erben barf^ toeil ein^ baS an^
bere altemirenb forbert unb binbet, ^i^^ bunte gülle be^
SRonnid^faltigen mad^t eine überaQ fid^tbare ©tetigfeit be^
gortgong^ gerabqu unmägUd^ unb fd^ä^t un& jogar hti
fc^einbar iDiUfürlid^em iperauSgreifen einzelner Kreuzungen
gegen ben äSortDurf^ bie älufgabe f^ftematifd^er 9iei|^<=
bilbung aus bem ätuge )u \>^xlmm.
%>^ tt)eniger aber fann bie Gi^faraEterologie es über^
nel^men, in bem ©inne ju einem ^,SefHmmen" jeber belie^^
56 Uebergang.
bigcn Sinbtoibualität anjuleiten, tote ettoa eine f^jlematifci^e
SBotanif ober S^ologie bte fämmtlid^en aWerfmale ber U^
fannten ^Pflanjen ober SJi^iere fo üoHftänbig anjugeben f^at,
bafe jebe SSertoed^felung au^gefd^loffen ifi. Q^av fott aud^
unfere SBijfenfd^aft bie i)erjci^tebenen Qptdc^ fenntlid^
mad^en; aber il^re SBefd^reibungen fommen nid^t auS mit
blofeen Sflominalformen, jonbem toerben ebenfo oft ba^
aSerbutn ju ^ülfe nd^men muffen; benn gleid^ bem d^emi^
fd^en Clement ifl bie ^erfönlid^feit i)or allem ju ipräbidren
nad^ ber SBeife, toie fie ,,reagirt". 35eS^alb ift e^ mit
bem ©eciren ober S^tgliebem nid^t get^an ; bielmel^r muffen
tt)ir ein SSerfai^ren einf dalagen, bem analog, toa^ i)on Siebig
— mit fHUfd^toeigenber Slnerfennung be§ SBiHen^loefen^ in
aCem Slealen — i)on ber aßet^obe be^ ß^emifer^ fagt:
,,3ebe^ S)ing l^at feinen ß^arafter; toir fud^en e§ jum
^anbeln ju bringen, um barau^ baS, loa^ i^m eigen ift,
ju erlennen/' ©elbfiberfiänblid^ jebod^ fielet bem ©l^arafc
terologen nod^ toeniger i)oHe eEi)erimentirfrei^eit ju aU
toie b^m ^ßl^^pologen — benn jene§ SSerfud^e Würben leidet
nod^ graufamer au^fatten ate biefe^ SBiüifectionen. Slm
attertt)enigfien aber bürfen toir un^ bie aWenfd^enefemiplare
einfangen, toie ber ©ammler feine Äftfer, um fie bann
aufgef!piefet in feinen ®la8fajlen ju ftedCen. 2llfo fielet ftd^
ber dl^arafterolog meifl auf bie Äunfi be« SBeobad^ten^
angetoiefen, unb fie ifl für xf)n eine um fo fd^toerere, als
©d^lufe unb Urtl^eil l^ier atebalb nod^ grünblid^ef üerfftlfd^t
ioerben, foloie aud^ nur ber geringfügigpte ber mitbeftim=
menben Umfiänbe au^er 2ld^t gelaffen loorben ift. Unb
ioä^renb ioirllid^e 3erf e|ung§!j)roceffe einzuleiten, bem Sl^a-
ralterforfd^er niemals gemattet fein fann, barf er es ^öd^s
fienS mad^en toie ber „Jjrobirenbe" ©olbfd^mieb, unb Hebung
mu§ i^n ba^in bringen, biefem gleid^ fojufagen an^ einer
Biofeen Gontactloirfung bie 5ßrot)ortionen in ber jebeSmal
borliegenben „Segirung" ju ermitteln, ol^ne baS SWifd^ungS^
pxoinct felber ju jerfiören, toie ber anal^fxrenbe ®^emifer
ober ber tergleid^enbe SCnatom*
SSeobad^tungSfotmen unb gfuttbjlätten ber 6l^ata!tcrologie. 57
Slnbererfeitö toerben i^m gctoiffe fefljui^altenbe Slrt
befiimntungen bereite entgegengebrad^t — bon ber im
@t)ra(^reid^tl^um fid^ mit unbetoujster gein^eit funbgebenben
SGBei^^eit ber SSöIfer. 3)ennod^ fann i^m bie ©^non^mil
nur bie SHenfie eine^ SBegttJeifer^ leiften: fie liefert nur
ba^ 9Rateriai ber tJ^atfäd^lid^en Unterfd^iebe — er l^at
ndd^jutt)eifen, in toeld^em innem 3«fflii^tt^^nl^<^ng bie eine
©rfd^einung mit ber anbem fte^t. — S)er ©^non^mifer
j.SB. fagt nn$, tt)ie „erjümt — erbittert — verbittert —
erbofl" nid^t gleid^bebeutenb; aber xf}n ge^t eS nid^t^ an,
ba§ nid^t blo^ bie SWotibe t^erfd^ieben , burd^ toeld^e biefe
©efül^le l^erbeigefül^rt Serben, fonbem aud^ bie d^araftero^
logifd^en SBorau^feiungen für jebe^ berfelben anbere finb»
©enn n?&^renb ber ß^oleriler leidet unb auf |)Iö^lid^en
anlafe in ^oxn gerätl^, fj>eid^ert ba§ fid^ t)erbitternbe @t^
müü) be« StnÄmattferS bie (Srinnerungen auf an aH bie
gfttte, ft)0 fein SRed^t mi^ad^tet njurbe, meil entttjeber feine
SRad^giebigleit ober feine SBel^rlofigfeit jum aWi^braud^ ein-
lub; unb bie fo entfie^enbe ©timmung §ei^t in ber SHd^s^
tung auf il^ren Url^eber ©rbitterung, folange nod^ nid^t
auf irgenbtoeld^e ®egentoirfung ganj üerjid^tet ifl; ob er
aber fold^e* SBerjid^ten ftd^ abgetoinnt, l^ängt jugleid^ bon
bem etl^ifd^en ®l^arafter beS 5BerIe|ten af>. — SBie ber
©t>rad^gebraud^ ben ©d^elm i)om ©d^alf, ben SBid^t bom
Sum^) unterfd^eibet, ba^ le^rt un^ bie ©^non^mif; aber
toie biefe Unterfd^eibung auf tiefer jie^enbe SBurjeln ^in-
ioeifi, ba^ !ann erjl bie ß^arafterologie jeigen* S)ie ©d^ub*
fäd^er für imfere 9Ruflerfammlung emi)fangen loir mit
5Romenclatur t^erfel^en au^ ber $anb ber Bpxa^m — il^ren
3n^alt einjureil^en in bie f^flematifd^e Drbnung unb biefe
®inrei^ung ju red^tfertigen ifl unfere ©ad^e. 3ttfofem ift
ad^tfamejS sinfammeln ber t)om ©^jrad^borratl^ fijirten
SKerfmale unb 2^l^ätigfeit§formen eine ber SBorarbeiten für
ben befonbem S^^eil ber Gi^arafterologie; aber loie ber
SWineralog an bem Slegifler ju einem ^anbbud^ für fein
%a6) nur bie aSoHfiänbigfeit feiner ©ammlung controliren
58 Ufteging*
foim^ f0 ^abm auäf ttnr und an bte ^mb^ätten bet
^Hnge f el6ar ju begeben, um ba» iut^ hk blogen Segnffe
aufmerffoin geimu^te Xuge auf beut Srntcfelb ber Wkdüäf^
toi emfig um^erfc^toeifen tu laffen nod^ ben lebenbigen
Utbilbent jener^ \>on ber Qpxa^t wxS ubecliefertrn, £etcl^
name ber SU^^action* S>a iß lein aSutM bed Sderd fo
unfc^einBar, ba§ er una&gefud^t bleiben burfte. SRand^
tM>n^ bem, tood ber ^iftoriter ignoriren xm^, mögen toir
beim S)id^ter finben; aber eS gibt Snbi^tbuolformen fo
eigenartige ba| faum bie ^arafterifüf eined @]^
f:|>eate i^nen ganj nad^^tdommm Mtnag, unb anbere
t>or^fii]|iren mu^, im ©el^orfom gegen äf^fetif^Sefefte, fdbfi
ber ®i^ter übttffmpt i)ermeiben, toie bie &e\äfiäfU fie
gar nid^t ))erjei^net, tt>eil fie in l^ifiorifd^er ^^ftd^t eo
ipso reine 9lullen finb« 99ei bem ober, tood und einzig
wm täglid^ £eben bargeboten ioirb, bringt bie ©ubjjeo
titntät beS (Sntbederd gro|e Unfid^er^eit in @d^ermtg
lote aSeobad^tung l^inein; meint boc^ ber Anei))te)irtl^ tmt
mm, ber fein ^räl^fUUt unb älbenbbrot lieber yu ^oufe
berjel^rt: ,,ber Jterl taugt m^tö'% unb bergigt obenbrein,
ioad äBal^reil an bem @a|e ifl: .^äBir lernen bie SRenfd^
nid^t lennm^ toenn fie ju und tovmm; tx>it w&^ttx
)u il^nen ge^en^ im )u erfol^ren, te)ie ed mit ü^nen
fte^t"
SÖenn ed und nun aud^ nod^ obl&ge, auger ber aXi*
gemeinen ^inmeifung auf bie d^rolterologifd^en ^ogb^
rebiere bem Sefer aQ bie ßunftgriffe unb ^/^fiffe^' bed d^a:;
ratterologifd^en äßeibmannd aud}u))Iaubeme fo müßten toir
i^m ben 9iatl^ ertJ^eUen^ fid^ indbefonbere neben bie ^rten^
tifd^e auf ben älnftanb ^u begeben. 9Iamentlid^ em^ofiei^lt
ed ftd^ , n)o man SGSeiber ober anämatif d^e S'laturen :||>rüf enb
}u beobad^ten u^änfd^t^ bag man fte )um &pkUn betoege
— unb ed bleibt fid^jiemlid^ gl^d^/ ob ed babei um @elb
ober um bie bloge Gl^re gel^e« 3Bte fte l^ier bie Keinen
BufitSigleiten bed ©d^idfald J^innel^meU; ebenfo toerben fte
fid^ ju ben großen @rlebniffen oerijfalten — unb baneben
Seobad^tungSfomnen unb gunb^en bet Sl^ataltetologie. 69
tetten ob^t: {lernen ^itf^ta an hm %a^ legen — unb
bie äRienen eine mäft %üfLe tmtl^ognomifd^ ©toffed, tef)).
t^e Gonflotirnng gvoget @ell^{ibel^et:rfd^ung barHeten. (93g(.
^ottid^, a. a» SD., &. 282 fg.) — 9(uf bie d^taftetologif^
Säebeutfontf eit t>on Briefen l^t f d^fon B^tfpmf^wt oufm^
fam gemad^ *- unb e£ fei uni nur gefiott^, ^ut ^t&ci^
fknng be? batin gegel^nen äJlalflabeS l^er ein paat aS«
gemeine a9emer{ungen ^in^upfügen« S^nätl^ft: 3eim Snef«
fd^ei6en i{i bet ^etfe^t: m6)t fo üon gab^eit unb eonbe^:
niens etngefd^nätt toie bei mänbli(|fen Unterrebnungen; unb
fiybann: ber geiftoid^te 9Rcmn ift an^ bemfeCBen @tunbe
unfäl^g, einen ed^en, b. 1^. mänblid^en SSecte^ möglid^
erfe^enben, Srief au f^reiben, au» toeld^ hai einf<igfie
^ouenjinrntet im @tanbe fein \»\xh, m^ SRänner babutd^
pi üb^mfd^en, ba^ es fo ]|iAbfd^ in Errief fteEem miS^.
Uni labert bie Sleflesidn am fteien^ unge(iemmten @rgie^en
unf^H Deutens unb gäl^Iene -- ha» 9latürlid^e, ba« &ifs
9e|enla|f^ felbec f^ fommt nni leidet ali etttHü» Shri?
^ioles bor — unb um bem au^^ittoeui^n^ gemtl^m ioit
ins j^od^tiibenb ^ßat^etifd^ ober in 3^an ^ ^outifitenbe
5ß<H«ten — uiÄ f0 ~ felbft bei tiefftem @nn>finben — leid^
in ben ®d^ein, Üo^e Qmömentö t)on und )u gdben^ ioä{
oSe» S^fgefleljte unb g^rcirte ba0 aRtötrauen erregt^ tt^
d^jS i^felt, ob iibed^aupt m foliber Aetn botl^m^en fei«
Umgele]^ Iftnn felbfi ein ftod^ ^öl^en heim äBeibe und
befled^ — miiMm unb berüden — betpmJge be« ^aud^a
ber 9toibet&t, u^ld^er burd^ bie äleu^rungen feineiB innem
SebenS mel^i ^ie reinen (^fd^äftScorref^onbenjen bleiben
Igriet natitrlid^ 4u|er Setrcui^t ^ ober bann l&^t fld^ fagen:
aUintiet t)erf d^den mit ii^irm abriefen meifi ^iÜtan^attiUl
ober gar Sbl^onbiungen ~ uiA finb'd @efül^lj6fad^en^ fo
merben e» ^i^mnen — SRdbd^en- unb ^auenbriefe mut|^
nm an toie Sie^ ol^ne diff\fi^mm ober^ in il^rem i^olben
^d^san ^om aHttiglid^en äiatag, ioiei^^^Ken. — @elbfl
bie bei eritflen S>eii{em f onp; übel angefe^ienen ^.äfti^tifd^en
60 ttebetgang.
2;i^c^" l^aben — jumal bei ber „unftfU^etifci^en" SRatut
be« toetblid^en Oefd^led^t« (f. 3ln^ang I) •— ^teran t^ten
SRcij; benn ®cfj)rä^e über Äunft unb Siteratur getoftl^ren
ben SBorti^eil, in« 3««^^ i^^^ SWenfd^enleben^ tjorjubtingen
unb, unter bem ©d^ein i)5ttiger Unbefangenheit an einem
Dbject ftd^ ergel^enb, bie berborgenflen ©el^eimniffe ber ©üb«
jectibit&t l^erioor juloden unb ju belauf d^en ; man f)Oxi)t vm^
bemerft ben SBeurt^eilenben an^, Inbem man nur bie S^^
tentionen be§ SHd^ter^ ergri|nben ju tootten vorgibt.
®efd^i(!te gntriguanten ntüffen allemal geborene 3n=
tuitib^l^ralterologen fein; fie muffen ja baiS ,,3Bit ©^jed
fängt man SWäufe" jur 2lntt)enbung bringen, inbem jte
jebem G^arafter biejenigen 9Rotibe \>oxf}altm, auf toeld^c
er ju reagiren am bereiteren ifi. ©o Iftfet fid^ ein XeU^
i^eim nur,, fangen", toenn man i^m ©elegenl^eit gibt, feinen
®)elmut^ ju betl^Ätigen, ober feinem (Sl^rbegriff gemä§ ju
i^anbeln. Unb toie iebeS 3Bitb feinen eigenen Ä&ber for^»
bert, fo gibt e8 aud^ in ber 9Renfd^entt)eIt fold^e, bie nur
ein Suber in bie galle lodt, unb anbere, bie fd^on auf
aSogelbeeren jufd^na^)j)en*
Uebrigen^ ftette man [mSj bie ipülfe, toeld^e ber toal^re
©id^ter bem 6^ara!teroIogen entgegenbringt, aud^ nid^t
allju gro§ tor. ^mn jeber Äünftler, iDeld^er nid^t nad^
SBegriffen „bilbet" (alfo blo« ^ßrftbicate ju einem \yoi^an^
benen ©ubject l^injufügt), fonbern nad^ ber 3bee „fd^afft",
fteat bag SBefen, ben G^aralter, bie aBitten^obiectitat fo
l^in tote bie Statur felBer: afö ©in^eit, bie in feine ^e^
fd^reibung aufgebt, unb bie in jeber abflracten Slnali^fe
jerfiört ioirb, toeil bamit gerabe ber lebenbige ®eift toer=
loren ge^t SRur ab jlracte, in SBegriffe faßbare %\)pm,
j. 33. ber ©eij^ate, ber SSlaujlrum^jf, ber SJagebieb u. bgl.
laffen fld^ in anal^tifd^er SSefd^reibung erfd^öj)fen, unb es
finb bie fd^led^teften 35id^ter, toeld^e, ^btn bermöge ber blö3
attegorifd^en SRatur i^rer ©eflaften, hierfür ben meifien
©toff liefern, toÄ^renb bie beften fe^r toenig ober gar
nid^tS bieten, toaS in fold^er SBeife bereits jugerid^tet toärc
Seobad^tungi^formen tinb ^nbftdtten ber Sl^araltetofogie. 61
für bie begttfflid^e gormulirung. S)eÄl^alb fftttnen iüir
aud^ unfere „SSefannten" intuitti) ted^t genau toürbigen,
ober es batf uni nid^t iDunbem, toenn e« uns nid^t ge=
ßngen toiU, anbem öerfiSnblid^ ju machen, toaS toir öon
jenen „burd^S ©efül^l" toiffen- S)a« gelingt felbfi einem
©id^tet nid^t, toeil bo« fd^led^ti^^w Snbiöibuctte unfagbar
bleibt, unb er aud^ in feinen b.id^terifd^en ©l^aralteren
biefen inbibibueSfien Stern, baS punctum saliens ber gan^^
jen 5perf5nlid^feit, nid^t mittete eines ßigenfd^aftStoort« an^^
f})red^en, fonbem immer nur al^nen laffen lann, ate ben
burd^ atte, grofee toie Heine, Sleufeerungen unb SB^atenJ^in^
burd^fd^toebenben gemeinfamen ®etfl.
(5Bom S^roum ote einer üueBe d^arafterologifd^er ©r^
fenntnife toirb nod^ unten am (gingang unferer »etrad^tung
ber ©emätl^Santinomien bie 9%ebe fein.)
!lDte uäd^fien ^ifci^ungen«
1. %18 ^SiftintmifttmtisAt mftttttnit Camtdicotiimen^
@d mu^te @. 23 ))ie 6tfeb%uiig melier fd^PcMkttet
Snftanjen gegen unfere 2;ettii)erament3beftimmung bem be=
fonbem %f)exU jugetoiefen werben; unb rüdgreifenb rid^ten
toir ie|t unfer Slugenmerf junftd^fi auf getolffe ©d^ein-
tettt|)eramente , b. ^. auf fold^e ^ßl^ftttomene, bei benen bog
Sufammenfein mit anberartigen ®lementen ben Srrtl^um
nal^elegt^ n)ir l^&tten ed mit einem anbem al8 bem n^irflid^
t)orl^anbenen SJentperamente ju tl^un.
gür fold^e gftHe muffen toir un^ jutoörberfi ber tid^s
tigen 9leagentien i)eriid^ern, bamit nid^t ettoa ber „ge^aU
tene" ©l^olerifer für einen 5ß^legmati!er genommen, ober
ber „l^eftifd^ reijbare" Slnftmatiler mit feinem SBiberfipiel,
bmt gefunben ©anguinüer, t)ertoed^felt njerbe* Sntonio'g
ablel^nenbe^:
!3)er iD^ägige toirb üfterd tait genannt
^on S^enfd^en, bte fid^ toarnt t)or anbem glauben,
©eil fte bte «»tfee piegenb üBerfäUt —
foH und i\t>ax nid^t t^erleiten, ben befonnenen „9lealiften"
aUiu fel^r auf Un!often feinet „ibealiftifd^en" ©egenjjart^
„^erau^juftreid^en" ober gar einjuftimmen in bie mafelofe
ttel^d^aiung, toclc^e mneMtiQi ton fetten ber ^^gefwnben^
Äritil in ^toaufl 0ebta<i^t ip — f«p mö^te man glauben:
tm ber eigenen ^etjlefigreit einen toeffVidlm 9>tdmat\tA
jttjHlegen — ober aW aUgemeingflItiget 6a| ent^Aft
ti ho^ imtnerl^in tm bel^erjigendioecf^e Sßanmng \>ox
tmfeebfld^em a6utt|ieilen — imb batot un« ju l^ten,
^ben t9ir boi^!t)eIten 9lnla|^ fofetn ei^ ein privüeginm
odioBum ifi getabe ber ^on unS auf ^äftitt unb Stritt
befftmjjften DbetffW^id^feit, bie, ^Jd^neÄ fertig mit bem
»wrt", burd^ ©ttffifance im „Hbf^nre^^ im^iren
mbiftt, )uH)eileii ^l^ne nur eine Sl^nung \>on ber S^IU
iDfIgfett i^ter VMiftlU iu ffabm, gun^eilen freilitj^ au<^ im
SSetou^efoi i^rerttnfid^erl^t nur um [0 lauter aufttum^fenb*
SßaS oier ben S^ralter gum ,^ gehaltenen'' mad^t,
ifl }unA<if^ yimv ein mAd^tige SRoüDe itwfd^fc^iebenber
:Ö[nt0Bed; aSm biefer fonn fldfi ebenfo tt^ol od^ „htxtöf^
nenbet ''^ in ben SHefifi bea ®goiMtuS ^eBen, toie ate ,,t9eife
mo^eWelenbeii" ben 3*«*«^ *^w Äiebe unterorbnm;
unb bie Prüfung l^ot jtd^ bemnod^ )ugle{d| auf bie etl^if^en
S>ifferen)en }u erflredlen«
a«i el^i^ ettt^ielH f^^ imferer Oeobod^tung ba»
m^^mefen ber @t>0ntaneitAt bed einjelnen; benn ge^^
^en f^on Me ^ABe tmter bie 9(iiMNi|!tnen, ttH) fte al^
^,®trebfamfett'' (a(a unld^e me|f bMwt beto^eifü, bemt bie
Hd^e ,,»et»iebfamfett'0 su 2;(ige tritt, fo nad^ rnefr bte»
letiigen/ ttn> fle fic^ sum ,,1tnteme|mimgagei^'^ fieigert.
9nmrl|fatb ber i&ttnim bes ®et9&i^nlid^n aber ifl e& aber?
au9 f^tper, mit einiger Sid^erl^t ju ecfennen, too bie
®|»0ntanettAt auf^ imb bie XeagibilitAt onfäfugt, ober
vM anbem 9Borten: ya entf<^eiben, xo\t Mel ber SSet^ti^
gung erft burd^ bereit» eingetretene SVotli^e angeregt konrbe,
uttb nrie t)iel \ä^n t)0«l^ fejufogen im %vfiiarCt^i ber So«
leti( fd^Inmme^cte; unb bot imfid^ere 6d|ftoan!en im aSer«
fKcl^, eine gegebene IßerfüynUiJ^eit miferer Lobelie eingu^
orbnen/ erllArt fid^ %\xm gri^jsten St^eil eben au# biefer
@d^rigteit. 99ie bie ,,gebunbene'' SSiärme erft me^or
64 2)ie nftd^ften SRifd^iinsen.
ip, m fte jur „freien" getoorben: fo gejiattet meifleti^
au6f etil bo^ ©id^ftöartoerben bet ©ipontaneltÄt in ber
SieagibilitÄt (toie eben bei ber ,,a3etriebjamfeit") einen
aiüdf c^lu§ auf ba^ bief er i)orau^ge[e|te Quantum i)on jener*
S)enn felbfi ber „®ifer", in toeld^em fid^ bod^ bie ©^)om
taneitfit mit am birecteften offenbart, gel^ört nid^t fo rein
nur biefer an, loie etioa bie „Slujgbauer" ©ad^e ber SRea^
gibißt&t ifl; mand^er ioirb erfl eifrig, nad^bem er langfom
„toarm" getoorben ift für irgenbein Sntereffe, unb felbft
ein ^legmatiler b , beffen f d^toad^e @))ontaneität fid^ barin
'oexx&tff, bag er bie S)inge gern ,,an {td^ l^eran!ommen
läfet", lann l^emad^ in feiner SSel^arrßd^feit tüs>a& an ben
^g l^g^n, toa^ bem @ifer toenigfteniS fel^r Ai^nlid^ fielet;
— nod^ weniger aber l^ält langfame 9tece|>tit)ität babon
ab , fid^ red^t eifrig an ber ^urd^fäl^rung irgenbeiner @ad^e
ju betijfeiligen; nur ^&Ü fte fid^ i;>on jeber „Ueberftürjung"
fem. 2)ie flarle @))ontaneität fielet fd^on immer auf b^ta
älnftanb, ob nid^t ein 3Roü\> fld^ einfteQe, unb toiH fd^on
l^anbeln, nod^ el^e bie 9lecet)tit)itAt 3^t gel^obt l^at, boiS
3Rotii) ganj ju erf ennen; fo toartet ber d^olerifd^e ©d^üler
gar nid^t ab, ba^ bie t^age erft t)oEft&nbig audgef))rod^en
ioerbe, unb fein „äberf})rubelnber" ©eifi })la|t begi^lb mei*
fien^ mit einer unüberlegten älnttoort ^M>ox. S)emnad^
offenbart fid^ bie @)>ontaneit&t überl^au^t aud^ in bem,
tüo» man „einen unruljiigen ®eift l^oben" nennt, toobei
man an jene Unfäi^igfeit benft, fid^ ööttiger Äul^e. I^inju-
g^ben, ba^ S)enfen, „S^lan^'' ober güi^len nid^t irgenb*
tt>ie ju befd^ftftigen, fonbern bie innem SBorjleffungareü^en
gan) il^ren eigenen @ang gelten p laffen. äHd f ranf^^a^er
Suflonb artet e^ in jene ©d^Iaflofigteit ou^, bie )[>on„®e«
banlenjagb" Ij^^rrül^rt unb nid^t feiten ein SJorbote beä
SBal^nfinnd ift, toeld^er bann meiften^ atö „xajfpdxQ^ äßef en"
fld^ äußert* S)a^ DoQe @egenbUb }u fold^er überreizten
aSetoeglid^feit beS Sntettect^ bietet ber „SCräumer", ber in
bumj)fem ^inbrüten feinen ©nbrudt felbfttl^ätig verarbeitet,
in beffen Jpirn be^l^alb aud^ ade ©^uren fid^ atöbalb t>er^
@$eintmt>etantente« 65
tDifd^en, tocil pix ©j)ontaneität bie 3m))reffionab{litat fe^It,
tt>&f)vm\> ber „©tüblet" biefe in reid^cm SWafee befi|t
Unb nid^t anberö fielet e^ um bie SBemeffung ber 3tn^
})teffionabilität SGBer gelool^ntift, a priori einSleid^^
getoid^t jtoijd^en biefer unb ber 3lece!t)ti\)itftt anjunel^men,
ber toirb ani) geneigt fein, einer fft^t ungeiprüfter aSor^
nrtl^eile Oe^ör ju geben, unb j- 33. an feiner bermeint-
lid^en „SWenfd^enlenntnife" fofort irre toerben muffen, toenn
er getoal^rt, toie „fritifd^e", ja „faufiifd^e SRaturen" fogar
i)or ganj Vulgären SfKl^rftilden in SBeid^wütl^igfeit jer=
fd^melgen !önnen, toaS bod^ feineiBtoegS eine ©eltenl^eit ifi;
e^ fittb ia a\x6) bie trourigften Suc^oXot, beren ©eläd^ter
toir bei fomifd^en ©cenen am lauteften aui bem 5ßarterre
l^erauffd^aHen öftren*
©ebulb ijl bie ^ugenb ber ©|)ontaneität, Streue
bie ber Sw^^t^^pönabttität — b(tö 3lid^ttt>arten!önnen einer
ber pd^erften ©rabmeffer für bie ©tärle jener, unb nid^t
bon ungeifai^r tam gerobe ein ^ettene ju bem 3lu^f^>rud^:
ouTo Ti TcpayiJL icz ^xiTcovov To 7cpo<;8oxav (Menander
apud Stobaeum). SSJie fd^on baS jiille ©ntgegeni^arren
ol^ne ein SWeberfäm^fen be« t)orö>ärtöbrftngenben innem
©trebenS nid^t möglid^ ifl, fo ertt>arb pd^ bie in Seib unb
Unbill au^l^arrenbe @ebulb t)or)ug^tt)eife ben äSeinamen
ber „d^riftlid^en"; benn fie ift eine SSorfd^uIe ber eigent-
lid^en Slfcef e toie nid^tö anbereS ; befle|ft fie bod^ im le|ten
©runbe in einer fteten ©elbfttoerleugnung be« auf fd^merg^
erleid^tembe Slbtoe^r bebad^ten SBilten^ — ift alfo bie ein=
fad^fte unb natürlid^fle gorm feiner ©elbpt)emeinung, bie
pd^ gegen bie ©^jontaneität unb fomit gegen ben SBiffen
— um einmal ^egel'fd^ ju f^)red^en — in feinem reinen
gfirpd^fein rid^tet. Unb gerabe an ber Slnlage jur ®e=:
bulb jeigt e^ pd^, toie bie ©tarle ber ©|)ontaneität beim
©liolerifer eine anbere ip als beim ©anguintfer, für h>et
d^en biefelbe ja aud^ nid^t ju ben in erper Sinie d^araf^
teriftif(^en aßerhnalen jfi^lt ^e Püc^tige 9leagibiHtät
bes le|tem mad^t ü^n geneigt, pd^ leidet befd^toid^tigen,
Sa^nfen, <£l^avaIteroIogie. I. 5
(S6 S)ie nA#eH Sllifd^uiigen.
b. 1^. butd| irgendein neueä SWotlb \>on im ungebulbig^
©ef^annifrtn auf bett eintritt eine^ erwarteten ©reigniffig
allenfen ju Idffen, ft)äl^tenb ber ©i^olerifer „gahj aufgellt"
in bie Ängelegenl^eit, teeld^e iJ^tt gerabe occHj>irt> älfd, fö^
tanäe er Hid^t mit ®el6jlb^l^errfci^ung fic^ bagegen ftetttml,
ftd^ üngebulbiger jeigt atö jener, ©iefer Unlerf^i^b ifi
änä) gtattid^ ni^t entgangen; benn toa« er (a. a. ©^
@. 355), t)tAt ber gtö^ern „JBtegfamifeit" ber ,,SBüben" im
aSer^ld^ mit beh günglingeh fagt, läuft baraüf l^lnau^,
ba^ ©<)(mtaneität unb 9ieagibilitftt iPäi^renb be« Äna6en^
aüm itt ll^ret ©elbftbeJ^mjtung noc^ berjjertigen Sefiigleit
entbefiren, toeld^e erfl fnit bem Haren ^emagtfeltt um ben
Utttfang ber eigenen Ätaft unb um bte itt eigenen Statut
am meiften entfi)red^enben ^totdc fid^ einfießln fann; fö=
(angeaber biefe^ rtod^ nid^t "oexf^äniin, ift e^ leidster, burd^
mometttöne 3letje einem fid^ funbgebenben SSetlangen ent=
gegenjunjirlen; njer nod^ nid^t rec^t ,,tt)el$ toag er tt)itt">
ijl bei Huger SBel^anblung fei^r balb umjuftimmen. ®e^
l^alb fönnen ÄinbertoÄrterinnen, ft)eld^e fid^ auf bief e Äimft
nid^t ijerlle^en, fd^on bte Säuglinge fo unertrftglid^ ungtc
bülbig mad^en, w&^^penb nad^ jenem ®efe|e öetfal^reAb
etne QttoV^^ äBirtuofität in angemeffenet »efc^äftigungg*
weife fetbfi nod^ <m inttactftbeipen „©d^reti^atö" SBunber^
binge tjertid^tet*
®et ©ebulb ijerhxiftbt ijl bie Streue, ftyfem fie auf
birr pl^flgfeit 6erul^t, benjentgen SUlottben, tt>eld^e einmal
etregtre ©efü^Ie gefä^rben !9mrte«, feine 3Äad^t über bos^
®emftt^ einjuräumert, ^tbat gibt e^ oud^i eine @d^ti»^
treue ber ^igenfinnigen ©elbfibe^uptung; abefc bieiB äfter-
bilb ber rü^tenbftfn ^ugenb füllte feinem beten l^oj^en fitfc=
lid^en Sßetll^ t^erbdd^igen; benn ed^ie Streue ift D^ne Hebung
im ©elbfl6efam:|)fen wnbenfbat unb fallt genau genommen
fc^ön Öberwiegenb unt^rbfe^.öSate t)ierte aufgeftettte etl^tf^e
iStunbform, aud^ b^^alb, t^etl fte feinen aul^trl^alS il^t^r
felbft ttegt^nben ^md t>erfolgt, aOetn in fxS) f eiber il^rt
»efrtebigung fud^t unb pnbet. ®er toa^ri^aift Sirene fd^eut
44
e^intempetamenle« 67
jebe Untreue afö einen SlbfaH bon feinem fcejfem Selbfl,
)9eit fle aQemal ^ugleic^ ein f^eDet an ber äßa^irl^aftiflleit,
biefer J^eilig^firengfien unter ben wenfd^l^eitberbinbenben fflöt«
tinnen, ifi — unb toie bem S)eutfd^en ,,2;reu unb ®lauben
0,3:^rauen") untrennbar ftnb, bem SSriten ,,treu unb too^ir
in einen SSegriff jufammenge^en, fo ermahnt mit fc^dnem
5)oj)!t)eIftnn ^oloniui^ ben fd^eibenben ©ol^n:
This above all: To thine own seif be trae;
And it mnst follow as the aight the day,
Thou canst not then be false to any man.
p^HamleV, I, 3.
Unb bie 3:od^ter ber 2:rette ift bie S)anlbarleit^ bie
be0 @m))fan8enen fUIt gebeult, auc^ tvenn fie boS nid^t
fennttt(^ mad^en, it(^ nic^t ^.erlenntlid^'' betoeifen tonn,
^od^ i^at aud^ fte i^r @egenMIb — baS nad^tr&gerifc^e
©rübeÖT ber 3la^e ifi*8, ba3 nld^t „öergeffen" fonn ba«
erfal^rene Unred^t, bie erlittene ÄrSnfung — ,,banfbar"
unb „lancrsBche" flnb bie Äel^rfeiten einer unb berfelben
Xreue ber gm^jrefftonobiHtät.
%Oi^tofXi, ntad^t bie 9lbfd^A|ung ber 9iecet)tibitftt,
abgefel^en i^on ber oben&eft)ri)(^enen 93en9e<^felung, fafi gar
feine ©(^toierigleit — fie gibt fid^ foaufagen am naitjflen
ju erfennen — bcnn ein in biefer SBejie^ung biffmtuliren-
ber S3rutu9 )t>irb nur unter ganj befonbem UmflAnben jn
^)rftfumiren fein. — Uebrigen« ifl felbjl bie Songfondeit ber
Stece^ti^tät — bied ^omel^mfte oi^alterifHIon beiS gil^Icgi:
matiferS — nid^t ol^ne eine ii^r eigentl^ämlid^e £ugetib : ^
ifl bie Sangmutl^; benn, toie mit jeber 9teaction, berjie^
ber ^l^Iegmatiter aud^ mit ber Strafe unb l&|t bie Sd^ui^
erft btö ju einem geitiiffen 9ta^e fi(^ auffummiren, el^e er
bagegen einfd^reitet ; falU nid^t ettoa ein {torler ^t>ySmsA
i^n anreiht, aldbolb eine ^^ätemebur^^ beS herleiten Sted^tS
ober ber geißörten Orbnung }u fud^en. SKber ^ccMs^wxai
ift ed fd^u>ad^e @!t)i)ntaneitat, toeld^e bie SbiSfibung biefer
3:ugenb erleid^tert; bed^alb ftnb ceteris paribns bie SRfit»
68 3)ie nd^ften SRifii&ungen.
ter Icmgtttät^iflet atö bie SBftter, unb bie ©rofe<ent am
aUerlangntütJ^tgflett — bie lajfen fid^ t)on ben ungezogenen
(Snfeln nur ju oft „auf ber Siafe fi)ielen", unb toer im
gto^ätterlid^en ^aufe grofe genjorben, ^)flegt nod^ ,^\)er=
jogener" unb bei d^olerifd^iem ober fanguinifd^em Xm.'p^^
xammt no6) „unbänbiger" ju fein aU bie @öl&ne ber
aSittoen. 2)er 3©^« be^ „l^i|igen" ©l^oleriferS toaUt fo^
fort auf, too ber Sangmütl^ige nod^ erft abtoartet, too^
.„au§ bem S)tnge toerben toiH", unb ber fanguinifd^e
„a3raufefoj>f" fann eg fd^Ied^terbing^ nid^t begreifen, toie
man „bei fo ettoaö nid^t au^ ber ^ant fahren" foHe, gür
bie Unterfd^iebe ber 9lece^)tit)ität allein ifl bie SSergleid^ung
ganj jutreffenb, ioeld^e man mit SSorliebe für bie %^mpc^
ramente f eiber gebrandet ^at: mit guten unb fd^Ied^ten
SBärmeleitern — langfam „tl^aut auf", toer üon langfamer
3iecet)tibität ift — unb bem „fod^t balb ba« Slut", beffen
3lece^)tibitÄt öon befonberer SRafd^l^eit ift — tjmn man
iDirb ja njieberum nid^t i)ergeffen bürfen, bajs e^ fid^ bü
biefem Segriff ber 9tece:|)tit)itÄt um bie ®ntt)fänglid^leit für
3Rotit)e unb ©emüti^öeinbrüde, nid^t birect um bie 3fiafd^=
l^ett ber intellectueffen Sluffaffung^gabe l^anbelt, i^eld^e toir
jtoar nid^t für abfolut unabl^fingig tion jener l^alten, aber
böd^ auc^ fo fe^r für ein ©ecunbäre^ unb burd^ toeitere
3toifd^englieber SSermittelte^, bafe e^ m^ nid^t fofort ba«
6once!|)t t)erfd^iebt, toenn toir ettoa bei ©dualem t)on faft
a^)at^ifd^ ©leid^gültigfeit be^ 5ßl^legma^ einem aufeer^
gett)öl^nlid|f „ leid^tlernigen " Äoipfe begegnen — fo toenig
toU ba^ (Begentl^eil : auf faffenbe „©d^toerlemigleit" bei gro=
^er SBiHenSirritabilitfit — toir toiffen ja überbie^ fd^on,
*aj3 bie^ nad^ ben berfd^iebenen Sel^robjecten berfd^ieben ju
fein pflegt. — SBenn alfo tauf enberlei äftotibe bie „ t)erl^at
tene" ©tjontaneität genjiff ermaßen gu einer öerl^üllten
mad^en tonnen, genügt ber Siegel nad^ fd^on bie einzige
©itelfeit atö SJriebfeber, bajs einer mit ber 2lrt feiner 9ie^
ce!t)tti)ität nid^t „l^inter bem SSerge l^alte", toäl^renb bie
^^atax ber SReagibilität oft genug „belauert" fein ioiff unb
@(^emtempetamente. 69
jebe 2trt Don Uebetrafd^ung für pc atö ^ptöbirflein fid^
em^fic^ft; benn gerabe im erften Gontact, el^e bte reflec^^
tirte . ßontcnance 3^t gctoinnt , il^rc SWa^Ie bor julegen,
tjetrfttl^ fid^ bie Oegentoirfung in gar ntand^erlei SBeifc.
Sm toenigflen leidet „Verliert bie gaffung" ber 5ßl^Iegma=
Wer — bie aTapalfa brandet er t)om ©toiler nid^t erft
ju lernen. Slber unter bem QtoatiQ t>on 6ont>enieng unb
©itte tjermag un§ fd^on ba§ fanguinifd^e 2Bei6, unterfHi|t
t)on einer angeborenen, rätl^fel^aften, faum irgenbhjeld^er
Uebung bebürftigcn aSirtuofität im 35iffimuliren, einen
Slugenblid ju täufd^en; unb tt)enn fid^ bie d^olerifd^en ^u
plomaUn noi) beffer auf i^ren SSortl^eil t>erftanben, fo
toürben fie ftc^ ben t)otten 33art ftel^en laffen, bejfen ^Ce^^
leologie ©d^ojjeni^auer atten ®rnfte^ barin finbet, bafe
äu^erlid^ erfe^t n^erben foffte, toa^ bem SBeibe t)on .^aufe
au§ innetoo^nt: eine größere ©etoanbtl^eit in Sel^errfd^ung
beS 9Wienenfj)ieI^. SBer feine ©emütJ^Sbetoegungen „Der^
bei^t", t)err&ti^ ja baburd^ fd;on, ba^ er ein ©el^eimnife
l^abe unb bamit, nad^ ^ean ^aul, biefe^ f eiber toenigften^
jur ißälfte. 3ln benen alfo, bie „fid^ geben n)ie p^ finb",
muffen bie 6lementarobfert)ationen angepeilt lüerben. 3Ba^
ben (betroffenen „beflürjt", fann ben SWitfül^lenben „er=
fd^üttern", unb felbft ben relatit) ©leid^gültigen „confter-
niren" unb „betroffen", ober, tomrC^ ein ^^legmatifer ifl,
toenigftenö /rftufeig" mad^en. SBa^ ben rul^igen S^^6)ancx
„in erflaunen fe|en" mag, „t)erbu|t" leidet ben, loeld^er
gteid^ eine Slnttoort barauf bei ber $anb l^aben foHte, unb,
loeil er fie nid^t l^at, mit ftodenber Stimme unb offenem
5Wunbe baftel^t, aU entfül^re biefem bie flumme grage:
„tt>a^ tt)itt ba^ l^ei^en?" ober „toa§ foU id^ baju fagen?"
®ibt bem 3Serbu^tfein eine 3)oft§ Sornirt^eit nod^ ein be«
fonbere^ ©efd^mädd^en, fo })flegen toir an^ „elfte ©ebot"
ju a))j)ettiren — benn Dor un^ fielet ber „SBerblüffte";
ber l^ält erft red^t 3Waulaffen feil, möd^t* er bod^ toiffen,
h)ie er eigentlid^ baju fomme, auf fo cttoa^ g^f^fet fein
unb tool gar nod^ SRebe ftel^en ju fotten. 838o ber fangui^
70 S)ie itAd^fien fBüHilx^tn.
nifci^c ©ttlölo« nur für eine 3^it lang ,M^l^i^^ bleibt
(t^etl fein S)enten ft4 Demirtt)/ ba feigen h)ir ben anft^
matifd^en ®v*foto3 auf bie S)auer „eingcfd^üd^tert".
(gfccnberfelbc toirb, toottenb^ bei „ncrt)ftfer" SReiabarfeit,
leidet „f^^«*)&<ift" ««*> ^öd^ toeit entfernt t)on eigentlid^er
„Slngfl" fein — man brandet nur^ an aBattenjiein ju er-
innern. äRand^er gittert beim unt)ermutl^eten Slnblid einer
3Kau« unb fielet fejl im bid^teflen Äugelregen — aud^ ba«
gehört jur »rt be« Slnämatifer«. SJer ©c^redl^afte „fAl^rt
jufammen" für einen SCugenblidt unb tl^ut einen ©d^ritt
rüdtofirtÄ, aber fann ben ©inbrudf fofort t)ern)inben; ber
geige „bebt'' inmitten ber — t)ietteid^t nur eingebilbeten —
©efal^r, ber älengftlid^c fd^on bor ber blo« möglid^en, bie
il^im iebodji feine ©nbilbung^fraft aU eine mirHid^e unb
nol^e bergegentoärtigt^ ©d^on Su^brüdfe tt)ie: „bie Slngft
befällt, überlommt einen" entl^alten aufeer bem SKo^
ment ber ^affit^ität im SSerl^alten }um angfterregenben
SRotit) ba« aWerfmal beg ^ßWfelid^en unb SWomentanen,
Slffectmft^igen, wogegen gurd^t eine bauernbe ©timmung
bejeid^net- 3n a:Jobe«furd^t lebt jeber, ber ba« ßeben lieb
l^at, fo oft il^m ba« ä3eto)ugtfein tommt, bdg er einmal
jlerben mufe; in S^obe«angfl nur toer eine fofort brol^enbe
®ef al^r für fein 2^bm t>or Slugen fielet ober, ju feigen meint.
2)ie gurdjit fafet anii) ferner ftel^enbe aWöglid^Ieiten in« SKuge
mit bem SBetoufetf^W/ ba§ beren aSertt)ir!lid^ung fobalb
nod^ nid^t ju ertoarten fei, unb nimmt bemgemäg auf
Slittel 3ur S^ettung Sebad^t ober {tel^t fid^ nad^ $ülfe um.
333er Slngft enH)finbet ~ j. 33. bor l^erannal^enber ©i^^olera
— i^egt fein SSertrauen ju benf barer $ülfe, fonbem fud^t
attemal fein $eil in ber glud^t. S)ie Slngft treibt t)on
Rinnen, bie geig^eit bannt auf bem gledEe feft. ®en ^^^
j)od5>onber nennen tt)ir ftngftlid^, tt)eil er ba« fteinjle ©d^merj*
gefül^l auf grote«! ausgemalte Urfad^en jurüdtfül^rt unb
flünblid^ feinen — ioom&glid^ tägli^ getoed^felten •— Slrjt
mit bem SSerlangen beftürmt, i^m SRittel ber Slbioel^r ober
immer „Ijeniblere" aSorfc^riften einer bifttetifd^en ^xop^tf^
Uiß an)uge|^en; obtx einen l^^^od^onbem ®eneralif{tmu$
bet ^^^eit )u }ei|ien, fyabm ti)ir felbft bann nid^t un6e^
fel^ens ein 9fte^t,tt)enn er of)nt ©d^njertjlreid^ bie ^am^
ipetfc©tellunß })reiöflibt — S)ie Seftürjung toirlt momentan
beif geiglieit^ bie ©d^red^aftigleit ber Slngft gleid^. ®en
Seftütäten toerläfet bie Sntfd^loffeni^eit/ unb ber erftarrenbe
^lid f^mboUrirt bie loorüberge^enbe S&l^mung; ba$ tü^=
aufgeriifene äluge bei$ äSerbu^ten m^d^te bie ab^anben ge- ,
b)mmene @eifte^gegentt)art iDieber l^erbei^olen — ben )ur
glud^t gekoanbten ^nteUect am Sd^of^fe ^^aden unb }urüd('
rufen; ber SBerblüffte, fd^on bon 3latur nid^t attju „be=
fonnen"^ bü^t unter bem unerwarteten — ja felbft unter
bem um^er^offten — ©efd^ei^en fein bigd^en SSefinnung,
unb tüa& i^m an flarem I)enlen juti^eil geiDorben t>oKenb^
ein. ®er ©d^reö^afte unb Slengftlid^e fel^ien fid^ unfidfiep
f d^toeifenben Sluge^ nac^ ^ülfe um — ber Slengfilid^ie aud^
in bie §erne^ \oci)in auäfd^liejslid^ fi^ bad @efül^l ber
„33angig!eit" rid^tet (toe^l^alb aud^ bag intperfoneHe „mir
bangt" fo gut mit „nad^" n>ie „um" toerbunben lüirb —
jeneiS befonber^ fübbeutfc^ munbartlid^ im ©inne beä ©ej^^^
nm&, gerobe fo toie ba£ finnberiDanbte „t» tf)ut mir al^nb
nod^ i^m" et^mologifd^ mit „ao^nung", bem ber jeitlic^en
ejetme jugefe^rten ©efüi^le/ unb mit „Sllti^em" unb „a^i^na",
Siv6,\kQi, bem )[)orti)ärtS ftrebenben $aud^e^ jufammenl^ängt).
gür bie Xemj)eramentgerlennung ift bemgemäg bog „Sans
gen" o^ne SBerti^ — unb fönntc un^ hü ber Slu^fd^eibung
\ex uned^ten £em))eramente nur infotoeit angelten ^ als
npd^mate ber ^p^tolic il^r Xem!t)eramentSd^ara{ter ju be^
ftreiten toäre. aSaS nod^ im ©unfel ber Sufunjt »er-
borgen rul^t^ tann aUerbingS a{S SSorfleKungSbUb mit
Dotter aWotitotraft im Qnnern tt)irfen, aber nid^t jur ®in=
ftd^t in bie inbiioibueUe Sieagibilität gegen äußere Stealit&ten
toerl&elfen. %üx biefe ift bie SJ^Sfolie mel^r eine 3Soraug=^
fe|ung als eine gormf eiber, tt^iebie ,,33löbigfeit" beS 2lnÄ=
matilerS biefen baju j)rÄbiS))onirt, leidet „öerlegen", toe^
ni^fienS ,;betreten" ju werben; Worauf wir übrigens nod^
72 3)ic itä*ften SBifd^ungen.
in anberm 3ufamtnenl^ang, be^uf§ bcr ctJ^ifd^en 3Bütbigung
biefet unb beth)anbter ©tgcnfd^aftcn, jurüdlommen toerben.
^paraboja fönncn felbft ben fcdften ©l^olerifer ptvplcic
mad^en — fofern nur ber ^UUtd habet in SBerlegen^cit
gerätl^; Itjeil aber 6l|ioIeri!cr unb ^l^legmatilcr einem ber^*
artigen Oefül^l am liebflen in jeber ®eftalt au2 bem SBege
gelten (ber ©anguinifer möd^f ^ aud^ gern — bod^ fein Xem*
!perament forgt fetter bafür, ba^ er bie Se!anntfd^aft ba*
mit immer tt)ieber erneuere), fo erllärt fid^'ö bieffeid^t fd^on
l^ierauö, ba§ biefe sperren burd^au^ !eine ^eunbe Don ^a=
rabojien ju fein ^Jflegen — ja man bamit tool eigentlid^
am cl^eften bei ber grauentoelt ©lüdE mad^t, too nid^t gar
bei ber ^auentoelt bamit am el^eften fein ©lüdf, ba bereu
3Wel^rjal^l fid^ an§ jmeite unb britte 2^emj)erament t)ertl^eilen
bürfte. Unb mag'§ aud^ felber n)ie ein 5ßarabojon Hingen,
fo ijl'^ bod^ toa^r: in ber ©efettigfeit bienen fd^roff auf=
geflettte ^ßarabogien baju, burd^ momentane 6ntfrembung
bie ©emütl^er nad^l^altig einanber ju näl^ent; benn fie jei*
gen in ber ^eterogenften gorm ba§ tro^bem beftel^enbe
Oemeinfame ber funbamentalen SBeltanfd^auung auf. ®a§
5ßaraboEienfj3ieI l^at ja mit bem SBi^e bieS gemeinfam, ba^
e§ auf bem Sel^agen berul^t, bie Unjulänglid^!eit aller
2lbftractionen inbirect imb ftifffd^meigenb barjutl^un. SUn-
bererfeit^ j)articij)irt e^ an ber SBal^r^eit atter ©iäleftif:
bie ©infeitigfeit ju t)erl^inbem unb felbige ju bd&mp^m
mit bem ©ränd^en SRid^tigfeit, n^eld^e^ aud^ in ber ejtra^
Dagantefien Sei^au^jtung nod^ tjori^anben ifi. 2Cn fid^ aber
l^at e^ fein einfad^fle^ SRed^t unb feinen untpiberftel^Iid^en
9ieij für aUe, bie nid^t gerablinige glad^fö!pfe finb, barin,
baB e^ atter S^ribialitftt birect unb abftd^tlid^ ben Ärieg
erflärt unbju jenem <Stannm l^inüberleitet, tt)eld;e^ aWo-
tit) JU „toeiterm" 3lad^ben!en Itjirb. %üx bermaubte SKa=
turen aber bient e^ afö @rfennung^jeid^en, tvmn man
finbet, ba^ anbere aud^ fd^on unfere flüd^tigen ©infötte
fid^ l^aben burd^ ben Äoj)f gelten laffen.
Stoeifel an ber S^^^lÄfftgteit ber im Obigen entl^afc
6(i^eintem)}etantente. 73
tenen ©onbe für bie Spontanität mßd^ten enblid^ nod^
einem auffieigen, n^eld^er fid^ flberl^auHJt cjeh)unbert, ba^
ber reinen gorm be^ 5ßl^Iegmatifer^ ©tär!e ber Spontan
neität beigelegt Sorben — aber ba^jenige „refolute"
SEBefen, toeld^e^ toir am ed^ten 5ßl[ilegmatifer finben, ift mit
Sangfamfeit ber 5iecej)tibität fel^r n^oi^l vereinbar — benn
biefe fann hjol ba5 ?5affen eineö ®ntfci^lufye§ t)erjögem,
aber bejfen Slu^fül^rung nid^t auf Italien — unb bieSe::
reittoitttgfeit, bo^ nad^ einigem „33ebenfen" 33efd^loffene
aföbalb in^ SEßerf ju fe|en, berbanft ber ^pi^Iegmatifer cbm
ber ©tärle feiner ©Jpontaneität — unb l^at bann bor bem
tjieHeid^t nur rafllofen Sl^olerifer bie Unermübüd^feit i)Dr:=
au^ — tt)ir aber in biefer ©ifferenj ein toeitereö 3KitteI,
ben uned^ten t)om ed^ten ^pi^Iegmatüer ju unterfd^eiben»
Slfö eine ber atterl^äufigften 58errt)ed^felungen ift an-
gefünbtgtermafeen nun nod; bie be^ ®ufoIo^ mit bem ©an-
guiniler in Setrad^t ju nel^men. SBie bie frül^ere ^^emJpe-
rament^lel^re fid^ überl^auJpt nid^t fd^eute, gleid^jeitig i)er=
fd^iebene Gintl^eilung^grünbe nebeneinanber jur 2lntt)enbung
ju bringen, fo tourben t)on il^r ba^ fanguinifd;e unb melan=
d^olifd^e Semj^erament übertoiegenb auf bie ©u^ceJptibilitfit
für ©efül^le geftellt, itJäl^renb ba^ anbere 5paar — d^ole^^
rifd^ unb Jpl^Iegmatifd^ — eine feflftel^enbe ^roJportionalität
jtoifd^en ber ©j)ontaneität unb ber reci^jirten 6intt)ir(ung
au^brüdEen mod^te. ®a l^ie^ eS: ber ©anguinifer Verar-
beitet innerlid^ feinen, ber 3Keland^olifer alle ©inbrüdte —
bal^er l^at biefer fo biet ©inn für aU „bie Keinen ®inge"
an^, benen dn ^can ^avl feine jartefte ^poefie gettjibmet.
— S)en fogenannten SWleland^olifer werben n)ir unten im
Slbfd^nitt t)om „©emütl^^menfd^en" unb afe feine ©d^ranfe
in ^infid^t auf bie Jpraftifd^e „Sraud^barfeit" eben biefe
Eingebung an ba^ Unfd^einbare fennen lernen. 35a^ toix
aber dnm fold^en Slnämatifer c öfter traurig afö l^eiter
finben toerben, liegt am Sauf ber SBelt, afö tpeld^er mei^r
trübe benn frol^e 6inbrüdEe l^erbeifül^rt. ®em entf^^red^enb
ift umgelel^rt bie §eiterfeit be^ ed^ten, nid^t blo^ toegen
^^X^ani^m^t ®ufoli€ Ijafft? ang«fe|»enen, ©anguinifer« m^ffx
mx <?^rtn; eg fin^ nt^t tviiAlid) me^x fröi^Ud^e aU trübe
Stimmungen in il&m — fonbent ber xa\6f^ SBed^fel in f^i?
nen ©wütl^^jiiftänben ift bie cinjige Utfad^fe, toenn Hm
Ztm^x ü&e? iffn bauernb bie ^errf^aft gewinnt
©0 l^ltm S)ir wd^ l^ie^ an bem ©trebenfeft, tortd^ieÄ
ung fd^on oben S. 39 geleitet f)at: „ba^ 2;eniperament wnb
feine ^ariet&ten na^ b^m suum cuique ebenfo fefi ju um^:
jiffen"^ tpic äU biebamitbi^l^er confunbirten®ebiete; unb
)(penn ^^ babei aEerbing^ ol^fne eine tl^eilmeife Umb^utung
i^efgebyod^t^ S^etwinologien nid^t abgel^ien fonnte, ja fo^*
gar bie 3Jßtl^igung i)orl(ig, ber bi^l^erigen 2;em})erament*^
leiste ^/mit ge^tffen ©ebietsti^eilen aud^ einen Flamen ju
entjiejfen'': fo jeigt fidgi gerobe an biefer ©teUe, wie ein
W^eS 35erfa^ren nid^t blo? im 3fntereffe ber leid§item SBer::
ftänbUd^feit eingefd^togen tpurbe, fonbern aud^ in ber %f}^
fid^t, „unä nld^t allju toeit "oon ben burd^ Ueberlieferung
feft geiporbcnen SBorfteffungen ju entfernen"^ Ueberbieg ab^
iiefe fid^ aHein auf biefem 9Bege i&offen^ bie bunten, frau:?
fen Seben^erfd^einungen aud^ nur ber fd^einbar pnn^elftm
3nbit)ibuaKtW ein^eitlid^en QJefid^töpunften ju unterteilen.
SBie bie^ burd^ bod hinüber ^ unb ^erüberf^iel^n ber ani^i
finanber}ul^altenbm (Srfd^einungsmeifen gan^ au§erorbe)tt?
li^ erfd^tDert ta>vä>, bo^ l^at fid^ ja bereitiS mel^r aU ein?
mal fattfam fül^lbar gemad^t- SBir feigen ja j. ©. ben-
jenigm/ tteld^er insgemein ein SJleland^olifer genannt toirb,
mit ganj^r ©eele aud|f in ba« fid^ i)erfenfen^ tt^og il^n im
nerlidp b^glüdft — unb ber ®rab, in toeld^em er l^ierju
neigen mag, ift nid^t unmittelbar burd^ fein Xem^l^e^ment,
fünbem babutd^ beftimmt, ob er b aneben mel^rk^om^u«
Ipipg pbei: i>om ®^iS!oloä in fid^ trögt (®e^l^alb ijfaben
»iJ? obm ©. 29 unii 47 einer fd^led^tjj^inigen Sbentifi^
cirung beg SJ^^folo« mit bem fogenannten aJlelanc|ioIif er t)or=
jubouen gefud^t.)
S)er ^n&matiler ift aber aud^ infofern an ben $la|
be^ ^eland^olifer^ gerügt, als bie äl^atl^ie bie ^ri^ation
@$emtent)}etatnente. 75
üm^ ber il^m grunbitJefentlid^en SKerfmale fcejeid^net^
©elbfl bie Dbcrfläcl^Iid^feit fielet nad^gerabe bcüjon ab, ein
,,inboIente^ SBefen" für bag fid^erfic unb it)id^tigfie Äenn^
jeid^en eines 5ßl|ilegmatilerS ju l^alten — benn bet SRefipect
üor einem — jutoeilen fogar l^öd^ft — energifd^en 5ß](>leg=
matifer ifi ebenfo fel^r im Steigen, toie ber loox einem im
©runbe „fci^IcH)})fd§iiüänjigen" ßl^olerifer im ©inlen be-
griffen — man f}at fid^ eben — unöermerft — fd^on ber
rid^tigem Sluffaffung genäl^ert unb angefangen, bie 2;em=
jjeramentöunterfd^iebe Weniger in ben Oegenfafe toon aBiUenS^
ftärle unb Sl^aralterfd^tPäd^e ^u verlegen, aU banad^ 5u
fragen, ob bie ©^^öntaneität (ref:p. SReagibilität) ftoB- ober
rudtoeife nad^ au^cn bränge, ober ftetig jurüdtoirfe.
®od^ überfe^e man nid^t: felbft im Sereid^ beg Gi^os
lerilerS fann man auf ©rfd^einungen fto^en, it)eld^e für
(Sigenti^ümlic^teiten beS 3ReIand^oIi{erS Pflegen angefel^ien
2U toerben; e§ fann (unb bamit gelten loir nod^ etioaS
^inauS über baS, toa^ ©d^o))enl^auer, „2)ie 2Belt aU SBiUe
unb aSorfteHung ", I, §. 57 im ©^Iufeabfa|, anbeutet)
bie ganje Energie fogufagen nad^ innen f dalagen, unb bie
intenfiöe ©lafticität eine« Ci^olerifer« a — (iumal, bod^
nid^t auSfd^Iiefelid^, toenn biefer jugleid^ ©^StoloS ifl —
beim @u(oloS toirb freilid^ ba« SRotiü ein anbere« fein unb
ber (grfolg leidster im ©inne ber ßeben^bejal^ung auffallen)
fid^ einfeitig ber SBerarbeitung me^ Ungeheuern ©d^merje«
gutoenben, 3n fold^en gÄtten tritt bie 2;i^atfrajt gar nid^t
nad^ au^en, ol^ne ba§ fie beSloegen aufhörte, biefen 3la-
mm ju berbienen — bie blo^e SereittoiHigfeit jum gort=
esiftiren ift bann fd^on aU \i)t grofee« SBerf anjuerfennen
— felbft il^re ©igenl^eit be« ftofenjeifen SBirf en« brandet pe
nx6)t aufjugeben, loo fie fid^ fo in« ©efü^feleben berfd^Iiefet:
benn gegen bie intermittirenb toieberfei^renben Singriffe beö
aufgefrifd^ten SBel^S brandet'« einen iebeSmal t)on neuem
aufgenommenen Ramp^ unb nur ein immer toieber er^^
rungener ©ieg garantirt ben gortbefi| be« einmal ®r=
fSirtpften — aU SJeifJpiel bergegentoärtigc man fid^ ben
76 S)ie tt8(3^ften aMifd^un^en.
^nm 5ßaulu^ gettjorbenen ©aulu^, aber aud^ atte Slfceten
wn urf:(3rängKci^ großer aBitten^beJ^emenj.
®^ ifl un^ ja überl^auj^t nie in ben ©inn gefommen,
in SKbrebe [teilen ju tootten, ba^ gettjiffe S^enHJerament^-
formen !|)räfumirbarerh)eife fid^ leidster mit ®^^fölie, an^^
bere mit ©ufolie jufammenfinben werben — nur ift ju
befreiten, bafe fid^ ein fold^e^ S^f^^^menfein a priori
fidler be^au^^ten lajfe. 9Kag aud^ flad^e Sfm^jreffionabi^
iität gettjiffermafeen jur ©ufoUe, tiefe jur ®^0folie
:>)räbi^:(3oniren, fo barf barau^ bod^ niemanb eine au^nal^m-
lofe Siegel mad^en ober biefe gar auf ba§ ,,metalogifd^e"
@efe| ber Sbentitftt ftü|en Collen. SBa^ ju fold^er irt^
ti^ümlid^en ^nnal^me t)erfü]^ren fann, ift namentlid^ bie
©d^hjierigfeit, toeld^e bamit berbunben ift, em^^irifd^ ge=
gebene ^perfönlid^feiten wn fold^em fd^einbaren Sieben^
einanberbeftel^en ber ©egenfft^e nad^ unferer 5Cem:(3erament^5
tabelle rid^tig ju beftimmen, fofem nämlid^ bie Dberfläd^::
lid^feit allemal geneigt fein toirb, ©rfd^einungen \t>k ben
fanguinifd^en unb anämatifd^en ®ufolo^ miteinanber ju
t)ertt)ed^feln. 2Bir lönnen j, SB. beim (Sl^olerifer c mit
einiger SBal^rfd^einlid^feit ©^^folie unb beim ©anguinifer
d mit nod^ größerer — ©ufolie tjermutl^en; aber fd^on
unfere Seif^^iele ju d^olerifd^ d (ß. 28, Slnm.) festen
©^^tolie Ui flad^er 3»»i^)refftonabilitÄt tjorau^ ; unb inbem
tt)ir fie l^ier bermel^ren um ba§ „leidet :j)iquirte" unb bann
tagelang fd^mottenbe , ober, bei trofeigerer ©inneöart, „mau=
lenbe" grauen jimmer orbinären ©d^lage§, tüiffen toir ju-
gleid^, bafe ber „t)ergrämelte ©auerto:t)f' unb ber ,,nnm^^
fte^lic^e Quengler", \ok ba§ fogenannte „unjufriebene ©e^
müti^" nid^t in biefelbe SRubrif, fonbern unter „anäma^^
tifd^ d" gel^ören. Unb obgleid^ Seid^tfinn afe 3Wanifefiai
tion^tüeifc be^ ©anguiniler^ erlannt tourbe (©. 30, Slnm.),
fo fd^lie^t bod^ ber eble ©ruft eine§ d^olerifd^en ®^§folo^
ba^ Segelten „ leid^tfinniger ©treidle" fotoenig an^, mie
bie ®^^folie eine^ ed^ten Slnämatifer^, ba§ \oxx benfelben
jutoeilen in red^t „aufgeräumter" ©timmung antreffen (n)ie
Temperamente; pofob^nif^er ®egenfa^ unb plaftifd^eS @#em. 77
ein 3tanier „aufgeräumt" l^ei§t, toenn barin nirgenb«
ntel^r etoa^ „im 83Bege fielet")- 33ei ber ®EettH)lification ju
„fanguinifd^ c" l^aben toir ben „ftuj)iben ^ifefo^f" genannt
— unb bamit aud^ l^ier bel^au!>)tet, ba§ SJ^gfolie ijorforn^:
men fann, too jeber a priori „unbefel^enS" gern auf @us
lolie fd^Iie^en njürbe. — ®en gönnen sab 14 unb 16 ber
2;abette jeigte fic^ — nad^ il^ren brei gemeinfamen SKert
malen — eine geft>iife ©tuttH)fl^eit eigen, unb fold^e l&%t
fid^ ol^ne ©influfe auf bie intettectuette ©eite ber Snbibi:
buatttät laum t)orfleIIen, — aber nur, tt)o atö i>ierte^ 3Rerfc
mal flad^e S^t^teffionabilitfit l^injutrat, fallen toix m^ ber
©tum^^fl^eit eine „blöbe" 35um!>)f^eit be^ gül^len« Serben
— unb bafe fold^e ber eufolie SSorfd^ub leijien tann^ ge-
reid^t biefer nid^t gerabe jur @nH)fel^lung.
äBunbt l^at (in @u|(on)'^ „Unterl^altungen am l^ftuslid^en
$erb", 1861) in ba« Signalement be^ ©anguinifer^ unb
ei^oleriferä einen rafd^en, in ba^ be^ 5ßl^legmatifer8 unb
9Reland^oltter^ einen langfamen ^M aufgenommen, unb
toenn toir un^ nid^t bie 33efd^ränfung auferlegt l^fttten, i>on
)>^^ftognomifd^en 93efiätigungen burd^toeg abjufel^en, fo
toürbe l^ier aQerbing^ ein @£cur^ über bie „SlrtiKerie be^
S(ugeS" am ^la|e fein.
2. 2)ie !£em)ieramente in SerBtnbttng mit bem tiofob^-
nif^en (^egenfa$ ttnb beiber lBe}te^nng snm :|ilaftif(l^en ober
re)irobitcttbett ©Aftern (^l^ama @una).
©elegentlid^ (©. 50) fiprad^en toir fd^on babon, ba§ ba«
Jpanbeln be^ ßi^oleriler^ burd^ S)^^lolie eine getoiffe S)äm?
^)fung erfahren fftnne; l^ier bürfen loir J^injufefeen: nur ben
d^olerifd^en (Sulolo^ toirb ein abfolut rafd^e^ abgreifen fenn=
jeid^nen. Umgefel^rt l^aben toir, too fid^ Slnämatie mit
2)^«Iolie burd^loebt, ben ^ßrotot^J) be^ Urängfierlingg ober
beS aßjeit unau^flel^lid^ nörgelnben „Duerfo))feö". da-
gegen fd^eint beim anAmatifd^en (SufoloS an Sllbernl^eit
7Ö S)ie ndd&flcn SDUfd^ungcit.
firelfenbc SufHgfeit be§ fobcn mattre de plaisir inbiclrt ju
fein, toennglelc^ um fold^en ^ßoflen m^ gern ein ©ans
gutnifer, juntal bon ber gotm d, amWten toirb, faD« ifim
nnr bie etforberlid^e eutolte ben ©!>)orn baju anfefet.
(3lftl^ereS l^ierju im folgenben Äa!t)itel)
aber n)ir iootten berfud^en, bie nad^ ben möglid^en
S)o!>)i3ettreujungen am toeiteften au^einanberfiegenben Kip-
po[üa einanber gegenüberaufleDen , um in bemfelben 3«=
fammenl^ang gugleid^ nad^gutragen, n^a^ über bie aSejiel^ung
jttJifd^en ©onfiitution , 2;em})erament unb ^)ofob9nifd^em
®egenfa|, mel^r neben unb außer afö tro| ben aSamungen
\>ox leid^tfertigem Sbentificiren, toie fte frul^er anzubringen
nwren, ipaftbare^ jid^ aufjletten läßt.
©d^led^te SSerbauung ^at leidet SSerftimmtfetn jur golge
— auf biefen ©rfal^rung^fafe beruft fid^ ber meta!>)^^fiHofe
Stanbjjunft lieber ate auf ben ebenfö toal^ren: ©emütl^^^
\)erfiimmung jiefit leidet eine 5Digeftion^ft8rung nad^ pd^ —
benn lefeterer jtel^t beinal^e fd^on fjjiritualiflifd^ an^ unb
it)iberfe|t ftd^ iebenfaH« ber fo bequemen ®ntftellung, mit=
tete toeld^er man erjlern in ein ,,aSerfiimmtfein ifl bie gölge
fd^led^ter SSerbauung" umformen möd^te. ®^ pa^ ben
SBerfed^tern beg „ber SWenfdgi ifl toa« er ißt" nid^t in il^ren
Äram, baß SRameau'« SKeffe („3larciß") nur bie l^albe
SBal^ri^eit fagt. SBie immer bei ber S^lg^tung : Post hoc,
ergo propter hoc, fo toirb auc^ bon jenem, confequent
fein tt)ottenben unb barüber einfeitig loerbenben, 9Roni?mu8
ignorirt, baß in ber ©aufaHette jeber Swpanb jugleid^
SBirfung unb Urfad^e ift, unb baß eö gar nid^t be« SRotl^?
bel^elfi^, eine aHemal jtoeifell^afte SBed^fetoirfimg ju fta-
tuiren, bebarf, um nad^ einanber in^ SBetoußtfeln tretenbe
©rfc^einungen afe nebeneinanber bejie^enbe Sleußerung«=
toeifen eine« unb beffelben ©runbioefen« gelten ju laffen.
— Db ba« bie Sntefiinalf^^ftre, atö „©id^tbarfeit be«
SBiffen« ju effen", „berjlimmenbe" SKotito eine materielle
tteberlabung be§ SJaud^« ober eine Slffection be3 ®emütl^8
ift: ba« änbert nid^t« an ben beiben nebeneinanber ^tv^
0b> \oM einem ,;{tn 3Wagen liegt"> HoffUd^fet öbetr geilttget
9tätvix Vjt, ttägt ntd^tö au« für bi^ ^j^^ftöCogtfcli^^JÄtl^ol^
gifdffm unb bie ^f9^ologif(^^affectii<)en Sßfthmg^tt. X0et
bem e^arafteti^l^gen ifl e« tetne«tt>eg« ebenfo dleid^gäl%
o& et fdei| ober nid^t n^ei^^ toa^ jebe^mal bft« priüs, hui
lüpd^pov Tfi 4)ucj€i fei, unb i|fm liegt nid^t toenig batön,
anetfannt ju feigen, bafe el&ertfd gut „angefcotette'' — toifi
fagen: im inteDigibeln ©l|iaraftet »urjelnbe — ©^Äfotte
eine l^abituette ©c^wädfie be« ^^tepröbuctiben ©Aftern«",
wfee anbauetnbe Dbftructlön bie ÖtfidfFeinungen ber 35^^=
um mit flc^ füllten Wnne, — unb infofern interefjlrt
i^n bet ,,^\iM'' ate ,,äu^etet Xii^bntd ber Sonflitution,
ber fld^ fjd Oft \}Mf&U tok Ux @^:|)tomencont|)l^ jur
Ätanfl^ett'' (SBunberli^; a. a. D.), fo fel^r i^m au6) \m
hwcäf bie @ntf<l^eibung bari^er erfd^in^ert mirb, auf t^eld^et
ber Beiben ©eiten er ba« tttfj^rängltd^e „eaufalitAt^mowent"
^u fttd^*n Igiabe* *) — Jffiotauf tt)ir a&er l^inau^tooHen, ijl
bief^: bie ^^j^olie Iftgt leibarm bleiben unb nid^t gern
ju l}offm Sauren lommen — bei bet Sutotie gibt' B rotl^e
»oÄen unb „i)raHeÄ" 3eH*ngetoebe — furj eine üsfipi^e
^lafKl — 5Dod^ Änber« freiließ ,,je^rt" bie "SitfStoik am
^IflegmoUfer unb ®anguini(et, tibtt bei ^dj^er, ani>erB
imm ei^erUer unb KnäntatSer, ober bei tiefer 3m:)}ref«
Stüein bie t^erfd^ebene äBid^tigteit , n^eld^e bie tner
jufammentretenben Stfd^einungSformen bei$ 9BiEeniS j[e fftr
eitt ^tMperament l^aben, t^erbiefet tm», einfad^ bie ad^t
*) ^ettüu baffefh glft ttatfiradj füt bte ttixtA^itt Hgttttltd^et
^efl|tt0friiftf Reiten, infofern MefelBe el^cnfö »ft t}»tt rrf4»itilUlfi(n''
lbte.i»on „tnkItmICen'' 9(tt0gaHdd:|»H)tftetl an|ü|ebcR Htf ba ito^toet««
l^are <STfranfnngen ber (^l^irnfuBflang elbenfo gut fecuhbäre folgen
Doraufgegangener ©emütl^derfd^üttetungen ober fonßtger ,,9ltetatio<>
nett", tt(l ^timorbiäre Urtatijen erp aKmS^lid^ ju 2^age tretenbtt
„@e'ii^e^f}(rimgen" affer %xt fein fönncn.
80 S)ie näd^ften aRifd^ungen.
^aare l^^^rau^jul^ebett, in toeld^en atte t)iet 3Retfmale con^
träte ©egcnf ä|e bilbcn ; benn bafe bte^ j. S. aud^ bd bem
ßl^olmfer d unb 5ßl^lcgmatifer d (sub 13 unb 15) cin=
trifft, fann l^öd^ftenS einen Leitern Seleg für ba§ extrema
sese tangunt liefern, unb biefer loerliert naä) bem, tt)a^
in ber Slnmerfung jur Tabelle bereits über innere ©om=
jpenfationen gefagt toorben, fogar alles Ueberrafd^enbe.
SBol^l aber gibt eS eingelne ^aare, bie fofort als i>oIle
©egenfft^e inS Sluge f))ringen;.bal^in red^nen n^ir:
d^olerifd^ a (1) unb fahguinifd^ d (14),
fanguinifci^ a (4) unb anämatifd^ c (12),
d^olerifd^ b (2) unb anämatifd^ d (16),
fanguinifd^ b (5) unb !|)l^legmatifd^ c (9),
unb felbft nod^: !t)]^legmatifd^ a (7) unb anämatifd^ b (11),
auf bie ©efal^r ^in, fo the lovely Lady il^rem ^^xtn
©emal^l unmittelbar gegenüberftetten ju muffen; fd^eint
bod^ ein Süd auf beiber „6or^)orifatu)n" baS SRed^t i^ierju
lebiglid^ ju erhärten: il^r fd^mad^tenbeS „2^l^eegefid^t" mbcn
feine robufle ©l^err^i)l^^fiognomie gel^alten — unbfold^er
©egenfafe ift eS j|a, toeld^er unS an biefer ©teile junäd^ft
befd^äftigt, inbem toir un^ ben ©egenfafe ber Xmipcva:^
mente überall burd^ ben ^ofob^nifd^en berfd^ärft i>orflellen,
fobafe ber d^olerifd^e (a) SJ^stoloS bem fanguinifd^en (d)
ßufoloS, ber fanguinifd^e (a) (gulobs bem an&matifd^en
(c) S^SfoloS, unb ber :t)l^legmatifd^e (a) ®ufoloS toieberum
bem anämatifd^en (b) ®^SfoloS, aber aud^ ber d^olerifd^e
(b) ©ufoloS bem anftmatifd^en (d) S)^SfoloS unb ber fan-
guinifd^e (b) ©ufoloS bem |)]^legmatifd^en (c) ©^SfoloS
gegenübertritt.
©al^en tt)ir bon ben nad^ l^ergebrad^ter ©reitl^eilung
als irritables , f enfibleS unb Jplaftifd^eS ©^jlem bejeid^neten
aSitalfunctionen bie beiben erftem beim ^^emJperamentS^
unb :t)ofob^nifd^en Unterfd^iebe genjiffermafeen birect betl^ei=
ligt* fo tt)urbe eS je^t unfere 2lufgabe, aud^ baS britte
©^ftem, ijon ©d^o:penl^auer (an ben ©. 39 angegebenen
©teilen) mit gutem 3^ug nad^ inbifd^er SCerminologie als
Temperamente; ))ofob9nifd^t ®egenfa| unb filoftifd^ed Softem. 81
Xama @nna borgefül^tt, auf feine d^arafterologlfd^e 85e^
beutung angufel^en. S)affeI6e maäft jid^ fofott lenntlid^
als baS^ bie nad^ au^cn gerid^tete SSiillenSbetl^fttigung re«
tatbitenbe, bic nftc^fie Dbjectitftt be§ SnbibibuatotHen«,
ben eigenen Seib, formirenbe, „toegetatibe" ©lement. —
Unb i>on i^m glauben toir ntel^r hcffavüptm ju bürfen, afö
toa^ ftd^ in unbefHntmterer, beinal^e nnx negatitoer, Raffung
oben ©. 40 f>on ber Gonftitution fagen lie§ : ba§ fettige im im
tettigibeln SBefen irgenbtoie i^r dondat f)abm muffe, ©ie
SBerbinbung, in ttjeld^er ba§ reiprobuctiioe ©^flem beim ge^^
gebenen 3nbit>ibuum mit Srritabilitftt unb ©enpbilität
auftritt, toitb lein rein juf&HigeS, beliebige^ unb fd^Ied^t^
^in toanbettareS SSeri^ältnife barftetten, fonbem eS toirb
ju biefer toie ju jener mel^r ober minber fic^tbar in um-
gelehrter ^ßrojjortion — ber golge einer getoiffen antago*
nijlifd^en 9ieci})rocität — fielen. (3n Äl^nlic^em ©inne
fj^rid^tSd^oipen^auer, ,,5ßaraKj)omena", 1. Slufl., II, §.94,
bon einem „Salancement ber brei j)l^^fiologifd^en ©runb^
Irftfte".) S)emgemä§ lönnen ttnr bei ber frftftigen Sni-
tabilitftt unb ©enftbilitÄt beS d^olerifd^en ©V^foloS am
loenigften eine jlarfe ®ntn)i(lelung beffetten erwarten: am
magern ©affiuS ift aud^ bieS bem ©äfar jutoiber, ba§ ber
(©^aff))eare, „3uliu« ©äfar", 1,2) fid^ röl^men barf, ben
»Kbalen einft im 3Bettfam|)f i^rer Äär))erfraft übertounben
ju l^aben, ja, ber ©infenbe nad^ il^m ^iiVit berlangenb
ben Slrm auSfireden mu§te. SSottenbS aber mag ber nad^
%tftanni^ 2;rad^tenbe fold^e SDWfd^ung beöl^att nic^t, toeil
fie begreiflid^erhjeife tt)ie feine anbere jum SReboIutionftr
biS!|)onirt — baneben ober banim j[ebod^ gleid^faDS jum
tragifd^en ^eüm unb jum f^fiematifd^en ^ßefflmifien ä la
83^ron, toie jum blutbeifd^enben 3^töten, ber in äutoS be %6
feinen ®urft nad^ SBeltbemid^tung fül^It, toeil feine jäl^e
aSemunft bei fd^load^em SSerftanbe il^n nid^t auf bie ruhige
ipö^e beg übertoiegenb Iritifd^en, nid^t blo^ energifc^en,
fonbem aud^ Haren, ©eifteS ju erl^eben bermag, bon ber
au^ bie SBelt unb il^r ©lenb überfd^aucnb ein Seo|)arbi
82 Sie nMt^n S^Hfiiftimgnt
noi) bf r bic^tetif d^en @eflaltung f fil^tg bleibt älber it)e^^
3utifKit intttwr ber Stttettcct barreid^en mag: ba ttnc bort
b^egnen toir ftct^ ber gleid^en Sßolarttät; tija^ fold^cii
beuten antijiHXtf^if d^ , ja anti)>obif(^ t{i^ bamit bef duftigen
fie fid^ am bei^atriid^ften: il^re, ^[ntipati^ien finb jugleid^
il^re ißieb^bereiett, al\o fojufagen oud^ tl^re @tfxttpatf}m:
bag i^en SBibetfirebenbe K|elt i^r ©elb|igefül^I unb lenft
fie ob t>ön ber unerquidßd^ öj)^ofitiongU)fen 83etrad|>tung
ber 3lu&ettit)elt -— ©treit ift il^r Sebenöelement, fei e« atö
SRauferei in ber ©orffd^enfe, fei e^ ate 5ßolemif bc* un?
ermübltd^en disputax im ipörfaal ober auf ben Se]^be!^lä|en
ber Siteratur.*)
@l^e man t)on biefer ^egel äluSnal^men gefunben }u
l^aben bel^au^)ten barf , mu§ man im concreten giatte untere
fud^t ^aben, ob nid^ etoa ein Sanguiniler für einen (S,ffo^
*) 3m f(i^(tmmen @inne Bcjeid^net man foId|e ,rltam^ftufl" gern
M ,f^äribnin<f^tf' ~ abev an^ an biefer i|t ein bo:|^:)9e(ter Urf^rung
in unterfd^etben: toer im ^oügefül^I überfd^üfPger ^raft mit jiebem
r^gcrn anBinbct" unb ben 3lnlag gu ©trcit unb ^ant mit natöcm
SWut^toittcn „t)om 3<iWttc Brid^t'S alfo l^eraugforbcrnb auftritt, ifl an*
berd gu beurt^etlen, ald totx für fid^ ni<$t^ n>eniger aU greube am
^ftber l^ot, aber t^ermDge fe^r em|>ftnb(i(^er %eadibiUiät unb tiefer
3m))refflonabiUtät leidet unb oft in bie Sage fcmmt, fiä^ ^f einer ^aut
toel^ren" ober i^m tl^cuere 9lnfd^auungen Vertreten, gel^eittgte $ofl*
tioncn t)ertl^cibtgcn ju muffen : einen folc^cn nennt S5ulgu8 and^ „jlreit*
ffJd^tlg", toieteol er ntcmal« <Strett „fud^t", fonbern nur in bie
@d^ranlen tritt ^ ino ^ftid^t ober ®tW, befonbeiS Pietät, i^n anf«
ruft. %htx für berartigen gel^bel^anbfd^u]^ l^at ber ^l^ilifler fein $er«
flänbnig; i^m i^^^, tüit immer, bequemer, nad^ bem Btogen Infd^ein
gu urtl^eilen, unb er f^rid^t gar öon „fleinlid^em ©ebaren", über ba«
er jld^ erl^aben bünft, totit er 5Bert(> unb ©röge nur natif ©rofd^en
unb @d^effeln ta^irt* 2)ftbei Bleibt hit UnterträgHd^fett ht9 reinen
I ^nSmatilerS in il^rer gangen UnerträgUd^!eit befleißen, unb \oU {ein
©ort gur ^ntfd^ulbigung be« „ ©törefrieb« '' gefagt fein, ber feine
boe^aftc greube baran l^at, unfd^ulbtgc JJ'^euben l^armlofcr Wltn^
fd^en gn trüben, fei e« inbem er :|)Ium^) mit gäuflen breinfd^tfigt,
fei ed inbem er mit toenig ^^ nnb t)iel Sel^agen giftige @;|>ottkuge
nm ftd^ f^ri^t.
lerifet gel^ialten fd, ober tofe tief Me ^J;i^lie ging —
leitete toirb 6ei frid^en D}j:()ofttion^ÄntteTn, bie niemate
ea toeiter aU bii jum linfen Sentrum bringen, nic^t gar
einfd^neibenb fein — »nb enbßd^ gibt e^ auf ber ftu|erflen
Sinfen SWÄmter genug, toeld^e einjig unb aBein i^r fri^
tifd^er @ei^ bal^in föi^^rte, obgleid^ fie \>tn ^au§ au^ jum
®efd^Ied^t ber auggeit^rflgteften eSxoXot gei^dren. ^ie ebenfo
gut« afö ntatt^iet^igen „StttKberalen" i>ereinigen fogar
nid^t feiten ^jl^legmalifd^e »onl^owie mit unioertöftflttiii^er
@u!olie unb treten bedl^alb regelma|ig \>on ber S^ü^ne ab,
fobalb ble @a«i^e anfängt „6mfl ju iüerben".
aSBo bagegen, toie im J)l^legmatifd^n unb anftmatifd^en
S)^?^otoj^, ber ©enfibiKtftt bie SrritoWlitftt nid^t ganj bai3
@leid^eti>id^t |iält, ba ifl eine mittlere @t&i^ be^ ^lofü:^
fd^en ©^ftemi^ inbicirt — unb toit gewinnen bie über^»
rafd^nbfte 33eftÄtigung beffen in .imt Umflanbe, ba^
©^ff^eare n?irflid^ bie JpomletSnatuT mit einigem ©mbom
pcixtl auj^ftattet!
S3Kr fällten bereit«, tt>ie e* gonj in berfelben Sonfes
quenj liegt, bafe bie, in SBhiÄfelfraft unb Änöd^faftigleit
jid^ obj|ectii)irenbe, S^tabilitdt fid^ atn ungel^femmtepten ba
nieberfd^lftgt, too feine a)^8folie fie ftflrt; fo tritt m» in
bem c^olerifd^en 6u!oIoä fofort ber „frifd^e, freie, frol^e,
fromme" (al&eutfd^ gleicht tüd^tige) Säumer bor Slugen,
ben feine gettfüHe am ©jjringen unb Älettern ^finbert —
e« i^ ber %\fpu» berer, bie {td^ gern ber mens sana in
corpore sano rül^men, — ber mutl^ige Ärteger, ber fedEe
unb bod^ bel^rrlid^e D!()^)ofition3mann, ber ei|te ^Reformer,
bem ^ox aUem auc^ ber fonguinifd^e SuGolo« loeräd^tlid^ i%
toeil biefer ben ©Eattirten, ben ©d^iofttmer uiÄ (Bnifyu=
fiaflen — turtum, ben toinbigen ^anjofen mad^t, toeld^e^j
mir un« gar nid^t anber^ afe mit jierlid^em, noeber befow^
ber« mudfulöfem nod^ boUem ^r^erbou üorfieQen ffinnen.
S>ie fanguinifd^ie Sufolie fäl^rt il^re ipelbentfiaten unter bem
?ßrii)ilegium be§ @u})l^emiSmu8 „©d^ölerfd^toänfe" «lÄ
„©tubentenfireid^e" au«, unb il^re Vergeltungen nad^ bem
6*
84 Sie nA#en aRifd^unftetu
Xitulud: ^,9lufle]^nung gegen bie Organe bet öffentlid^en
Dtbnung^' befd^r&nlen ftd^ auf näc^tlid^en @tra|enunfug
ober Äratoaffe, bie „f^nft Leiter leinen S^ed" ^aben unb
Aber (alenntufttalifd^e ^emonflrationen nid^t leidet l^inau^«
geilen. Unb jur toeitem ©r^artung beffen, bafe biefelbe
i^ren toollen Oegenfaft am ^)Wegmatifc^en SJ^gfolo^ l^at, lön*
• nen toir unö nad^ einem bialeftifd^en ®efe|, toeld^e^ nid^t
minber für bie SBittengftrebungen aU für bie logifd^en
S)enIj)roceffe ein pUlßifc^ Umfc^lagen in^ ©egentl^eil er^^
folgen lä^t, auf ben leinegtoegö unerl^örten SBorgang be^
rufen, too jjener SBeg, ben ©d^o:j)enl^auer 8euTepo<; tcXouc
nennt, gerabe fold^e b\§ haifin leichtlebige 3lc(tuxm ber
^Ärteften «fcefe ju^l^rt, für toeld^e bod^ an fid^ bie S)i>«^
lotte bed ^l^legmatiterd bie natürliche ^ebingung ju fein
fd^eint, fofem biefe fid^ bem „OuietiSmu^" juneigt, beffen
egoiftifd^e ©eftalt in politicis ate SReactionär and ©elbft-
fud^t, aU conferbatitoer „ganatifer ber Siul^e", aU boctri«
nftrer Slbfolutift l^inlfinglid^ gelennjeid^net ift; toäl^renb bie
felbfiioerleugnenbe SBeltp^tigfeit mit Äafteiung nur auf
bem »oben moralifd^ entgegengefefeter »efd^affeni^eit; aud
bem ^ingebung^reid^en ©emütl^, ertoäd^ft. ^vbmi tourbe
bereit« oben ©. 75 fg. erloäl^nt, n)ie aud^ bie Äraft, toeld^e
in ber ^ßeriobe ber ©anfara afe d^olerifd^e fid^ betl^fitigte,
in ber aSemeinung forttoirfen fann — man benfe \oor allem
an einen Slbftlarb! SBie bie ißeid^tigfeit be« Slnlaffe« jum
©elbfimorb einen SWa^jlab für bie 5Ciefe ber ®^«folie gibt,
fo aud^ ber ®rab be« Seibert« , toelc^er bei gleid^er mora=
lifd^er Slnlage erforberlid^ ift, um jur SBemeinung be^
SBiUenä, jum CluietiSmu«, ju füi^ren. SSei mmt^mi)^'
nuto ffiellini mit feinen Helen StüdtfaHen in bie ©anfara
erfd^eint ber SBille ate nur be^jrimirt, be^jotenjirt, nid^t
ate aufgel^oben — ate nur fu^^jenbirt in feinen gunctio^
ncn, nid^t aU toirlungSunfäl^ig gemad^t. Ueberl^au))t ifl
ber 3Bille, ebenfo gut toie für acte ber SSejal^ung, px&iid^
ponitt, ipräbeterminirt unb ^räformirt, bei gegebenem Sin-
la§ fid^ ju ijemeinen — ba§ Ouietib toirft mit ber gleid^en
Zem^^etamente; ))ofob9nifd^et ®egenfa^ unb ))Iaftif(i^ed 69flem. 85
Sllotl^tocnbigfeit toie jebe« anbete aRotiö — fo gut tt)ie bet
3[nboIente ftärfere Sncitamente ate "ber ©anguinif er broud^t,
fo gelangt ber ©ulolo^ aud^ nur burd^ fd^toerere Seiben
afe ber 35^öIolo« jur SBemeinung, — felbfl too biefe
nur jeittoeißg Dorlommt. SBD&er bie auf ber Dberflftd^e
liegenbe Orabbifferenj ;ift aud^ l^ier nid^t ba^ ©ntfd^ei^
benbe, fonbem bie im intelligibeln ©l^arafter be^
grünbete SWaPeftimmung be§ inbtioibuett erforberltd^en
®rabe^, toeld^e, für Slcteur toie ^vf\i)autx gleid^fel^r nur
a posteriori pd^er erlennbar, öor il^rem öottenbeten 6in<
tritt nad^ em^)irifd^ Dorliegenben S)aten l^öd^flenÄ mit einiger
SBal^rfd^einlid^feit öorau^bered^net toerben lann.
3Beld^ ein ganj anbere^ 33ilb bagegen taud^t öor un^
ferer Erinnerung auf mit bem !))I^Iegmatifd^en (Sulolo^^ an
ben eigentlid^ baS popul&xe löetoufetfein bei ber »ejeid^-
nw^S „^i^legmatifer" allein benft. 35a i^aben toir (bgl. ba^
StapM bom „guten OefeHfd^after'O iwe „behäbig" freunb-
lid^en alten Ferren botf Slugen, bie in ber Sugenb afö
„coulante"'a5onbii)ant3, fd^on toeil e3 il^re SBequemlid^feit
toürbe geffil^rbet l^aben, niemanb ba« SBaffer trübten, unb
im Älter gar banlbare Slifd^gäfie pnb — borau«gefe|t,
bafe il^rer ©ourmanbife, biefer 3Ranifeftation ber bei il^nen
t)om)iegenben SRe^jrobuctibitftt, bie nötl^ige i^ulbigung nid^t
tjerfagt toerbe. ©tetg ium ©d^lid^ten unb „auftragen"
aller Gonflicte geneigt, betl^ätigen fie eine getoiffe ^ä^oltelt
in ^rät)enti\oma§regeln gegen aHe^, toa^ pren fönnte,
unb il^re Sloleranj flnbet nur an ben „etoigen Ärafeelem"
unb „Ouerulanten" ü^re ©d^ranle; benn Unijertrftglid^feit
gilt i^nen fd^ier für ber Slobfünben aHerfd^limmfie. SBom
eigentlid^en ^artei!am:t)f galten fie fid^ — barin t)om it^i^leg*
matifd^en ©^Slolo« tjerfd^ieben — itoax lieber fem; finb
aber, too bie SRotl^ ruft, bod^ bie geborenen SSunbe^genoffen
berer, bie fid^ in ©taat unb Äird^e auf bie äufeerfie Siedete,
b. f). bie ©eite ber jebeömaligen aJlad^tinl^aber, fe|en, —
nota bene loenn unb fotoeit il^nen bie SJauer biefer 3Bac^t
garantirt fd^eint; fonft Ift^t fie i^r feiner Snjiinct für bie
1
86 3)te tiääffkfx aRtfc^nngeR«
Scbinpngf n bet eigenen Sic^erl^eit im Sager betet hUrbtn,
benen bie Sulunft itffdxt, pimal hai 93el^attung^bettn5gen
i^tmt Xem)>etament ^fel ju tDefentlic^ ifl^ als bag bei
i^nen auf leiii^ten unb l^ftuftgen ^atteitoec^fel ju ted^nen
)t)&te^ ttttb mel^t nod^ ald bei anbetn bleiben bei il^nen bie
etften Sugenbeinbtüdte unb StgieJ^ungSeinfläffe fätS gange
Seben entfd^eib^b. gu ®(^id^aföfc^l&gen betl^alten fie
ft«l^ tote Seut^^ beten igaut leidet ^eüt (ba2 ©egentl^eit
fött ia mäf bet SSoltetegel auf linbetföl^nlici^feit bei8 <St*
mütl^d beuten), }u SSunben — fte t)ettDinben betgleid^en
balb unb boQft&nbig, fobag e£ für fte nur acute @eeCen«
leiben gibt — ein teCatiöeS ®lud^ nämftd^ fofetn bdS
S)taflif(i^e in ganjet 3^tenfitftt nut em)}funben toitb^ too
ed @^toniftl^eS im ©efolge ^at: bie imntet offenen Sßunben
ber Xbmxijt^ bet ©otgen, beä ®tams, bes Äummet« unb bet
fottgefe^ten S&uf(i^ngen. @elbfl ba<$ ©etoiffen fd^eint bei
i^nen an bet ^tibilegittl^eit ju ^attici|)iten: benn toit bied
SJem^öetament gegen foi^toeteS Seiben fid^ett, fo — menig*
flen« bis gu geibiffem ®tabe — aud|> bot fd^ftoetet
@d^ulb — n>e^atb niemanb leid^tet als fo ein (SUidi*
linb )E>etgeffen lann, ba| et übet^aa))t ein @eit)iffen in
fti^ ttägt
93on bm l^iet angegebenen 3ii0^ ^^T^ ^<ut ein gut
2;^eil toiebetfinben, tomn man fid^ umfielet nad^ ben claf^
fifi^en SRejJtäfentanlen, ioeld^e füt biefen Xifpn^ bie eng=
lifd(ie 3lationalitftt lief ett — fei eS, »o ein ^almetflon fei«=
nett un^etflöti^ten jpumot bel^auf^et, tt>äifxttü> bie O^fi^o:^
fltion htti Slurtlt beS ©toots unbermeibHd^ nennt, fei es,
HH) ein einfAdJer ©d^tf[ä6a^3itan fid^ bel^arrltd^ toeigett,
einen ßootfeit an 83orb ju nel^^men, tt>fi|ftettb bet Dtfan
bie naiven @anbb&nle umtoft.
aRit&efUmmung b«6 SitteOectiS. 8T
3. Siefelben (^ovüfltft auf tl|r föed^feltietptiiig gitr iit«
teSectueSett Serfd^iebenl^eit angefe^en.
SBir lommen ie|t jur gmauetrn SSetta^tung eineiS
2;i^eüö öon benjenigen ^ßroMemen, törid^e nad^ ©• 13 fg.
t)on ber ©tfol^tung un^ gcfteHt toerbcn, unb fniH)fen mits
tetö einer SESiebetl^olung bed bort ®efagten an.
@o fd^toff auci^ an ©teilen t)on @d^o!|E)enl^auer ein
9)uaIiSmui^ )toifd^en äBiUe unb ^nteUect betont ioirb, fo
teid^t bod^ ba^ einzige Jta})itel ,ßüm ©enie'^ i^in, um ben
9to})^ort )u confiatiren, meldtet jtoifd^en bem 3nbü[)ibuat
d^after unb ben inbit)tbueQen älnlagen beiS 3nteQect^ nir^
genbd ganj geleugnet toetben lann. 3m ©egentl^eil nimmt
unter ben Slufgaben, toeld^e ber betailßrenbe SluiSbau fei-
net S^flentö mit [x^ bringt^ gerabe bie ^^^age nad^ ber
Slbl^flngigfeit be^ inbibibueKen SnteSectS bom inbit)tbueQen
S^aratter einen fel^r l^ol^en 9iang ein; ia einen um fo
l^d^ern^ cüä erft burd^ i^re grünblid^e Söfung mand^e un^
geredete SKnfiage gegen bie gonje Seigre toirb gum SBerftum-
men gebrati^t toerben lömten. 92od^ immer tt)irb, felbfl
toon befreunbeter ©eite (j. 85. in ber ®U)inner*fd^en Sio-
gro^l^ie), beffcatput, baS @^ftem laffe ba eine em^flnblid^e
Süde^ ft)o ba^ ©emüti^ jur S)arfiteQung ^&tte gelangen
muffen; — unb toirflid^ toirb nur ein ad^tfame« 2luge ben
Drt entbedm, too aud^ biefer ©rfd^einung^form be^ SBifc
lend ü^r dtt6)t juti^eil loirb ; benn fafl fd^eint e^^ al^ l^abe
ber Slrd^itett gefCiffentlid^ bie fünfte berJ^üKt^ too an fei-
nem JBau aud^ l^ierfür bie Slnfftfee gegeben jinb. 3«^^-
fonbere ift eö ber rafd^e Uebergang bon ben Functionen
ber SrrttobilitÄt ju benen ber ©enfibüität (<m toeld^er leg^
tem fofort bie ©rfennen^- unb SJorfleHungöfeite mit gan-
zer SBud^t t)orbringt), iooburd^ bie äuffaffung irregeleitet
toirb; benn l^ier toirb bie S^^ifd^nftufe ber öorftellung^-
lofen @m:))ftnbung unb bed jjeber begrifflid^en Raffung auä^
toeid^ben ®eful^tefaftü6erf:|)rungen, toeilba« fcientififc^e
Sntereffe be« S)ettlerg atebolb ber §rage nod^ bem SSer-
88 3)ie nd^ften SRifdftungen.
5><nife ber anfd^auenben ju ber aftftracten erlenntnifeÄ
toeife jueilt, ol^ne fid^ in bem ®ebiet aufzuhalten, ba3 als
® emeingefül^l ben %\x^anQ^pnntt ber int engflen ©inne
:|)f^(i^ologifci^ Untetfud^ung auMai^m mü^te. — ^\x6)
tt)ir bürfen für unfere näd^ften S^Jede fo toeit nid^t jurildt
gelten (toie toix benn äberl^auj)t in biefen ttnterfud^ungen
auf iebe meta:j)l^^ftfd^e (Srgtünbung t)erjid^ten) ; iDol^l aber
uns umfel^en nad^ benjenigen ßl^arafterf ormen , toeld^e
als niebrigjie ©tufen ein leid^tereS SBerftänbnife getoäl^-
ren, als toiebie ^öl^er enttoidtelten, — unb in biefem ©inne
gefd^iel^t eS, ba^ toir bie toenig erquidElid^e Setrad^tüng
bes reinen SlnämatilerS DoranfieEen. SJenn einen fo Hein-
lid^ organifirten Gl^arafter lönnen toir uns nid^t leidet int
aSerein mit ref:t)ectabeln SnteHectSanlagen DorfteHen: fold^e
tt)ürben fd^on über baS ganj ©ignitfttslofe l^intoegl^eben.
©d^on. ber augenfällige ßontraft jtoifd^en Urfad^e unb SBir:!
fung, SWotit) unb SBiUenSerregung, toeifl bem bomirten
ainämatifer feinen 5ßla| meiftenS unter ben „fomifd^en
^ßerfonen" an, unb unter ben gad^rollen ber ©d^auf})ieler
l^at il^n ioorjugStoeife ber „:t)oltembe Sllte" ju vertreten.
aSJer bie aSergleid^ung beS ßi^olerilerS unb 5pi^legmatiferS
mit guten unb fd^led^ten SBärmeleitem gelten lä^t, tt)irb
in fold^em Stnämatiler, jumal t)on ber gorm b, baS ^jer*
manente ©trol^feuer ber t5ibibuS= ober ©d^toefell^oljnaturen
erlennen, bie immerfort "oon gunlenf:t)rül^en auflobem unb,
jeber leml^aften ©ubftanj entbel^renb, fo loenig bauemb
Sid^t als aBärme tjerbreiten. ©S finb, ioo S)^Slolie ^inju^
tritt, jene aUejeit,, SJerbrie^lid^en", t)on benen SBed^flein'S
Heines ©ebid^t ein fo föpd^ l^umoriflifd^eS, toie brama-
tifd^ belebtes Silbd^en gibt. „Slergerlid^fein" ifi il^re ®runb^
fümmung, „nid^ts ift il^nen red^t", jebe ^iege an ber
SBanb unb ber eigene ©d^atten finb in Ermangelung an-
bem „©orgenfioffs" genügenb, um fie bei fd^led^ter Saune
ju erhalten; benn, loie bem aJlibaS aHeS ju ®olb, fo toirb
bem aSerbrie&lid^en aUeS, toaS il^m unter bie ^änbe lommt,
ju 2lergermaterte, iJoHenbS mnn bie SHaturanlage burd^
anHkfltmmunQ be9 SnteDectS. 89
i^^^o(^0nbtieno(i^franIl^aft^oten}ttti{l; unb^ \oie &6f^pti^
l^ouer ganj tid^tig bemtdt*), niemanb bleibt ed^ter Slefigs
natton imjugänglid^er^ atö biefe engl^etjigen^ nie jufrie::
benen Unlieben^toütbigflen aSet ^l^ilifter; fte ftnb bo^ ob^
flo^enbe 3^^^^^ <^It^^ beffen^ tottö ol^ douce m^lancolie
bte iperjen bezaubert, ^er morosa canities fel^tt aKe
®ro^l^eit^ toie fte bod^ ber austeritas be^ d^olerifd^en ober
bet tristitia be^ pffltQmatifi^fm^pStolo^ eignen (ann; unb
toftl^renb bie ^Ij^tftnen be§ fonguinifd^en ©^islolo^, b. I^»-
be$ )oon unangene^imen Ginbrüden i^eftig^ ober aud^ ebenfo
flüd^tig tt>ie leicht «fficirten, ftet« cüoa^ SRül^renbeg bel^Uen,
erregt ber anftmatifd^e ©^islolo^ mit feinem „f^wertöitjfifd^en"
aSefennur Slntipatl^ie, bie laum ein aWitleib neben fid^ auf^
lommen Wfet. (Äör^)erlid^em Untool^lfein gegenüber ftnb foU^e
Slaturen ba^, toa^ ber ©d^toabe^toel^leibig", ber ?ßlatt-
beutfd^e „l^Abettg" unb „"tJÄtoerig" — i)imj)elig — nennt)
Um toirttid^ gro^eis Scib fümmert er pd^ ja f eiber foum, unb
trftfe il^n ber äSerluft eine^ untoieberbringlid^en ®uM, er
ttrflrbe beifen f eiber nid^t einmal red^t inne, abgqogen burd^
accibentette ttnannel^^mlid^feiten: beim 2;obe nft^fier Singe-
l^örigen f&me toal^rer @d^merj gar nid^t auf in i^m über
bie mit bem 99egräbni^ unb ^raueranjug t)erbunbenen
„unleiblic^en ttmflftnbe" unb „fd^eup^en SluiSgaben".
aSie fd^on biefe Slnbeutungen jeigen, ifl an fold^en aRen^
f d^en eben aOed Ileinlid^ unb toiberlid^ , t)or allem aud^ bie
ftttlid^e Seite; unb boS ä3ilb be^ anämatifd^en (Suloloi^*^
*) W' fMt Seit at9 mmt unb fßoxfttfLnn^", S. %nfl., l, 468 fg.,
mit n^axallpomtna**, 1. %nfi., U, 477, §. 322.
**) Tlan fSnnte frdlid^ fehler gu ber WltxnunQ fommen, tote bit
29elt einmal eingertd^tet, fei ba« etgenttifl^ einUnbing, ha bie „ffet«
nen grenben'' unb ®enfiffe flet«, ber 9^atur ber @ad^e naä/, ta]^
borübergel^enb finb unb ba9 Seben ntd^t banad^ anget^an, nnan9«
gefegt in rafd^er g^lge neuen gfreubenftoffgujuftt^ren; aber bie Sir!«
Itf^feit toiib aviäf (ier gu bem (Sorrectib ber Slbflraction , auf totiäftB
tt)ir 9fter, initlit @. 82 fg., )u ^txtßti\tn l^atten; bie Slb^action \at
90 Sie näi)fttfL SRtf^tultefi*
toärbe taum an^iel^enbet aM^aüm, mit bm ^ü^ A^
enegenbet 92afd^l^afttg{ett bei eimgem 3^^9^f^tna|m^
commis^ioo^ageur^^aften Serliebtfeind unb glatter d^ten:»
reifecrct, j^änrifd^er ^eubc am unel^rcnl^aftm ^töfit<i^
unb fü|en X)ufete ftetet äBeittlaune, gedenl^after (Sitfllett
unb aÖetl^ol^lfler 9lenomntiftetei. Dber tooSm toit jenen
nocl^ iniS teifete SUter begleiten, um il^n ol^ unauiSfiel|f^
lid^en i^udti^rannen an ber Seite feineiS n>eib{i(i^en $en«
bÄnt«, ber feifenben SBantl^^ip^, toieber juflnben ? ober ein
®tan iBerfianb mel^r in bie SDWfd^ung loerfen, um ben
Wa^S^^ „@t)ine^)0litilug" bet S)Änen börau« etfte^en gu
fe^? — 3Ber ncrd^ nod^ genauetet Sefanntfd^ft lüfiern
i^, ber möge bie ©elegeni^eit boju in ber etften ber fd^led^i-
t«ßen unferer entarteten 93Dai))offen auffud^en! ^ie @tl^s
nögttt^l^ie ioeifl bie Sekge bafttr auf in ganzen 9iaffm
unb SSötlem: jene inbolenten SBilben ber @ilbfee unb
Sfrilad, an benen feine @it)ilifatto.n l^aftet, lüeil einzig
ba$ S3ebärfnig be$ älugenblidte il^ren ftum))fen Sinn occu«
'pxxi, gel^ören mit il^rer loäfien Brutalität ebenfo fe^r l^ier^
\)n, xovt jene in bunt^fer ©leid^gültigteit l^infaulenben
S3ett)o^ner gropdbtifd^er $roletariert>ierteI unb bie SRaffe
Iftnblid^er SKmtutljf, ber fettft bie Energie be« SSerbre^en«
abl^anben gelommen ifl. 3fn ber ©d^ule ftnb*^ jene flet«
i)erbroffenen unb toerfd^Ioffenen SDlurrtö^, für toeld^e j[eb«
9lttfgabe nur bie 93ebeutung ^, il^rer S^rägi^eit eine
unbequeme Saft ju fein; toä^renb ber fanguinif<l^ 3^Üng
aud^ IDOI grünblid^ faul fein lann, aber bann bod^ irgenb^^
ettoa^ nad^ feinem penchant vornimmt unb mit ®ifer treibt,
unb nur bie ärbeit^Iafi möglid^fi rafd^ abfd^üttelt, um nid^t
l^lerin aHju lange geflört ju fein (f. baS nftd^jie Äaj)itel).
SJenlen tt)ir un$ ceteris paribus ein ^ttbibibuum tote baS
öorl^er bejefd^nete mit -einer Äleinigleit mel^r ^jerfönlid^en
ttämli^ in biefem $atte bo« 9{a((gittetn ber Suß ftberfe^eit , totXi^H
in grBgeru Proportionen jja eben and^ ben ^^(egmatif(!^en iSnloi»«
SDtiftefliwfitifng be» ^ntellectd. 9t
%9nhi auSgeflattet, fo toitb ftd^ fogleii^ bie ^fifftgtett jur
äSerfd^mi^tl^eit^ öbtx aud^ ber Snätnotiter junt Sanguinilet
gefietgett l^oben, unb ed ifl boS S^^S i^^ Sbenteutct
unb ©d^iDinblet borffanben^ an tDeld^em baS tDefetttli^e
fWcrlmal bet „Oetoanbtl^eit" bie fanguinifd^e SSolubilttdt
:t)O^Iitt* ©bmbaffelbe in« ©^olerifd^e üfenfe^t gibt bie
SntriguantenroBe im ©tile ber ®täfin SJerjl^, toäl^renb
bem fd^Ieid^enben SRänfefd^ntieb mä) bem äßobeil jefuittfd^et
Seid^dter eine fo gto^e S)i)fc« ton ^l^legma mitgegeben
fein mu^, als nötl^ig ifl, \m toenigften« bie äufeenfeite in
glatte "galten ju legen, toaß ol^ne fidlere SBered^nung b«
beabftd^tigten ©inbrud« niemals mögtitl^ fein tDirb. @o
flel^en toit »ieber bor ber gleid^faH« bereit« — ©. 14 — be«
rü^irten ßnf ammengel^örigleit be« p^Iegma« unb be£ Sted^en«
ge^te« ober matl^ematifd^en Talents. (Sd ift ber gebulbige
®leiii^utl^, ber, aSet genialen @£trat)agani abl^olb, ftd^
am tmttigflett binben läfet bon ber unerbittlid^en golgerid^*
tigleit mat^emattfd^er Dit^erationen, unb nic^t minber emfig
rein logifii^en SJifiinctionen nad^gel^t. SDWt toenig ®pim^
taneität unb biet vis inertiae läfet fid^ l^ier fd^on (Srfledt-
ßd^e« leiflen. ©o tüirb e« etflärlid^, ba§ in Q^ioten-
anflalten — alfo bei geiftiger Srnbecittitfit — matl^ema^
tifd^e Hebungen atö SBedEmittel fid^ brgud^bar jeigen, ja
(EretinÄ fid^ jUtt^eilen burd^ <Sebftd^tm^, matl^ematifd^e«,
muftlaKfd^« unb 3^^wttalent auljeid^nen (t)gL „QIIufirirteÄ
gomitienbud^ be« Defterreid^ifd^en Slo^b^ 1859, .i&eft 7,
©. 241 : „5Der Slbenbberg", bon Dr. Slmolb ^irfd^) ; benn
biefe Dier formen :t)f^d^ifd^er 2:i^ätigleit l^aben \a ba« ®e-
meinfame, bie j)afftbe Aneignung unb 3?ad^6ilbuttg bor=
»alten ju taffen. 3n«befonbere bie affat^ematit fe|t nur
bie gäl^igfeit borau«, pd^ ungefiört fortbeioegen ju lönnen
in einer angefangenen Oebanlenreil^e — bie fjjontane 3ni*
tiatibe eine« eigenen ttrt^eitö ip baju gar nid^t, fettfi bei
Sbfung ober Slufflnbung ju jlettenber SKufgaben nur fd^einbar,
erforberli^, unb bie jjraftifd^e unb fonfiige Sornirtl^eit großer
3Watl^ematifer fielet ^ierju aud^ nid^t gerabe in SBiberfi()rud^.
92 2)ie n&ä)^en Wl^i^mitn.
(gjS tfl jener ©letd^mutl^ berjenigc ©inn, bet utiS
©eutfd^en ben Slamen eines aSolfö ioon SKeta^jl^^füem eln^
brod^te; aber S. geuerbad^ a^nte toenigftenS boS SKd^tige,
ate er für ben toa^rl^aft })^iIofo^l^ifc^en Äo^f einen 3ufa|
franjöfifd^en Oeblütö verlangte.*) S)enn nur für bie
,,tro(Ienen" %oxmdn ber Sogil, S)ianoioIogie unb DntO:^
logie reid^t ber Oeifi beS })I^Iegmatifd^en SJenlerS aus —
fd^on baS antitl^etifd^e ®pxd beS ©iaIeftiferS forbert be=
lebtem 5ßuföfd^lag — unb toie fel^r für alle et'^ifd^en
Probleme erft boS pectus est, quod facit philosophum
gilt, bafür mögen, toenngleid^ nur e contrario, fo bod^
instar plurium, bie 3lamm ©})ino§a, ©d^Ieiermad^er, ^er^
bart, j|a felbfl Äant unb aUe Slnl^änger beS lategorifd^en
3m^3eratiDS unb feiner ©efd^toifier jeugen. Unb fo laffen
ftd^ nod^ gar mand^e Siequiflten für bie tjerfd^iebenen Se::
rufsarten in ben l^ier betrad^teten Snbibibualitfttöelementen
aufzeigen. S)ie ed^te virtus philologica (über ioeld^e feiner^
jeit bie „ Un^olitifd^en Sieber" beS 5ßl^iIoIogen ^offmann
t)on fjöttersleben eine fd^arfe Sauge ber ©elbfüronifirung
auSgoffen) fefet eigentlid^ einen Slnämatiler t)orauS, einen
Siebl^aber emfiefien ©treitö über SWifroIogien mit ent^^
f:t)rec^enber „Sttlribie" — bann erfd^eint eS nid^t atö aufftHig,
ba§ ber ©ammelftiri^ eines ©obet ju ben Slrabitionen ge^
rabe ber le^bener Uniüerfität gel^ört: bie 3Weberlänber finb
\a aud^ in ber ftunft ©etailliften ä la SJenner fo gut tüie im
Seben (in ber SluSfd^müdung ü^rer Käufer unb ©arten)
*) 3n: r»®orIfittflge ^r^cfen gut «cformatbti ber «pi^tIofoj)l^ic";
9{uge^^,,9[neIbota'^II, 62fg.: »^iRurba, too tt^ . . . . mit bem fci^otafli«
fd^en ^I^Ugma ber beutfd^en 3ßeta:|>^Vf^I ha9 anttfd^okflifd^e, fanguinifd^e
^rinct)) bed fran^Bflfd^en (Senfuaiiidmud unb STlatertaüdmud t)ereiiitgt,
nur ba tfl Seben unb ^al^r^ett. . . . 5Der toai^re, ber mit bem Seben,
bem iDZenfd^enJbentifd^e $^iIofo:|>l^ rnnfi gallo :» germantfd^en ®eblüt9
fein"; aber ba« Sßettere: SJhttter: granjöfln, SSater: ©entfdjer, unb
beffen ^udfü^^rung fielet im birecten ^tberf:|>rud^ gur (Srbnd^lettst^eorie
@(io:|}enl^auer*d, fo fel^r biefer au^ eine äl^nlid^e ^ifc^ung für« ®t*
nie forbert.
aRitbefßmntimg bed SnteaectS. 93
— unb il^te ©tommbertoanbten in ^lorbfrie^lanb i^ertreiben
fid^ nod^ l^eutjutofle bei il^ren gcfettigen 3«fÄttitti«tföttften
bie Seit mit bem BUUcti unb SJöfen matl^ematifci^er äuf^
goben, l^aben unter i^ren Sonb^leuten fogor angefel^ene
Sutobibaften in ben mät^ematifd^en 35i^i|)ßnen aufju=
toeifen, unb ba^ Sebürfni^ beö SJeid^baue« tl^ut boj^ ©ei*
nige, fold^ ein „Snterejfe" unter il^nen toaä) ju erl^alten.
ebenfo mü^m bie Sänger be8 in ben Sud^flaben, b. f).
bie ätpl^obete ber S)ibifionen unb ©ubbiioifionen, einge-
jtt)ftngten Sled^t^ eine tool^re Siömerru^e bef{|en, toomit
lieber bie englifd^e ®efe|e^j)ebanterei im bejlen ©inHang
fielet. — Ueberl^auj)t ijl \a ben ©eutfd^en ber fidlere 3nftinct
eine« bon sens meift abl^anben gefommen; ftatt nad^ fot
d^em ^anbeln fie immer unb überatt lieber nad^ „®runb=
fft|en", b. i). abflrocten Siegeln, unb anftatt bei ejegetifd^en
unb anbent Sluj^legungen ftd^ an baS ju l^alten, toa^ ioor«
liegt, Ilaubem fie mit üerjtoidten 3nterj)retationgfünfieleien
in ben einfad^ften Sud^ftabenfinn einen angeblid^en „®eift"
l^inein, an toeld^en ber unbefangene Url^eber be« ju com^
mentirenben ©^riftfiüd« nimmermel^r lann gebadet l^aben;
benn „legt^^r nid^t an^, fo legt^l^r bod^ unter", \pf>tUt
la ©oetl^e» ^cb^ wn i^nen trägt ein fertige« ©^ftem
t^eoretifd^er 2lnfd^auungen in feinem Stoppe i^erum — ba-
l^er rül^rt fein SJRangel an SlnfteHigfeit unb Drganifation«'
unterorbnung — „jtoölf S)eutfd^e, breijel^n 3Keinungen"
l^öl^nt ber Slmerilaner. — ^Praltifd^ fid^ jeber SSBillfilr unter«
toerfenb, bleibt ber 5Deutfd^e tl^eoretifc^ auf feine „^Prin*
cij)ien" berfeffen, — toitt fid^ in thesi nie ber SBirflid^feit
fügen, fonbem fie nad^ feinen „Qbeen" mobein, — um
in praxi ba« toiUfftl^rigjie SBerfjeug jeber Unbemunft ju
toerben. 6« fel^len bem ®ro« biefer SRation bie ^avdpU
beflanbtl^eile aller ed^ten ©enialität: bie tieffinnige %n^
fd^auung fammt ber biefe mit ber Slbfiraction bermittelnben
Urtl^eifefraft — be^i^alb bleibt fein ©igentoiHe fo gern, toa8
er bei Äinbern ift: ©igenflnn — §egel toürbe fagen: e«
fel^lt il^m bie S^eil^eit, bie (Sinfid^t in bie SRotl^toenbigfeit ift.
84 Sie nAd^ftm SRif^mtgitc
&t ffot nid^t, \ok bet SnglAnber, bie Xrabitbn ttm>er«
Iirödiflid^fr ®efet|e unb gefepd^n (Sel^ord^ — beil er
fo lange fubiectber äSiiSIür f)at gel^amen mäffen, fo miff
er^ fobalb et {td^ bet |ieiinnenben %^dn entlebigt fü^U/
oud^ bie eigene caprid&fe @ubjectibtt&t jur @kltung bringen,
too immer er tann."*") Unb auf biefe Stationoluntugenb
*) ^9 fd^etnt uti9 mit ber ^otitif fettfotn gegangen gu fein unb
gel^t nn9 wäf tägUd^ f«: bie ttiteflectueHe Aneignung iß unfer an«
geerbte^ $at^o9, nnb biefes Detfiel einmal auf SeTfaffung^gefi^id^te.
Sin ©d^iller fonnte @oIon unb ^i^furg nod^ mit ber obieetiben itil^Ie
Äanttfc^er „3ntere|TeIofigfcit^' bctrod^tcn. ®on ba an botirt bie feit«
f ame i^ertoed^felung , baß bie ^eutfd^en meinten , für bie <Sa(^e felber
Begeiflert gu fein^ n>a^renb nur ba« SDtffcn barum f!e em&rmte.
3^e9l^(b ifl aCed fp gemad^t, fo forcirt, fo gong unb gar nid^t naito
unb originell, toa^ in ^eutfd^Ianb an ^olitifd^en gragen für ®egei«
fierung gelten follttc -- unb ba8 ift ber eigentliche Äcrn beim lieber*
i^anbnel^men bed )7oIitifc^en SDoctrinarismud. Sie gang anber« ber
^rangofel SBir muffen nn9 erfl befinnen, »ir reffectiren erfl barfiber
unb toerben gtt>eifei^aft, toenn bon ougen (er Urt^eUe UxfJt mtHxif
unb fragen und erfl: ifl t9 nun ni^t an vm9, m9 uno ore }u f(^ä«
men, toenn anber« toir und ald im ^efl^ bon ^^ationalgefüftl ge«
riren »oOen? ifl ed j[e^t nic^t an ber S^^^t S" lamentiren, bag und
^Mneinfinn fe^tt? u. bgl. m., toa» immer itieber berrät^, toie biefe
(^efül^Ie vat9 angelernte (sentiax^nts) , auf rein tl^eoretifdj^em )9Skge in
und biticingelommene finb, alfo and^ feine 3^rei6]^attd:|}fKege fenur
t^erbienen. — !^arum el^rlic^ auf $oIitif ^ergid^tet unb ^audbater ge«
f:|)telt unb ©d^ulmeifler bagul — fo erfüllt ber 2)eutfd^e feinen ©e*
mf, nnb ed ifl ja gar lein ®runb, angune^men, baß ed gum ,,an«
pnbigen ^erP' gel^Brt, für $olitif dntereffe gn l^aben ober gn (eu«
d^eln, blöd toeil bie ^Iten ed l^atten — b« 1^. bie (Sried^en unb 9tö«
mer — - unb unfere ^ad)Hxn ed nod^ l^aben 1 2)ie $inbu unb ^erfcr —
unfere alten S^ettern — Ratten ed aud^ nid^t — toarum fottten toir
benn me^r fein tooHen ald bie? Sirllid^r ba l^at man ft(^ ben
©oet^e gu loben, ber aud feiner ec^t bentfd^en ißribatenge nid^t l^er«
audiDoHte mit feinen ^id^tungen unb e^i^ d^nug geßanb: „"^oti*
tifd^ Sieb — ein garfiig ^iebl" n>ä(renb ©d^ilter ein abflracted $a«
tl^od Verfolgte, bon toeld^em ^rt^atim fein ariflolratifd^^fc^tv&bifc^^ar«
ticulariflif($ gearteted ©emüt^ aud^ nid^t aügu k>iel »ugte* Unb ba9
mit 9{ed^t unb ed^t ,, national'' obenbrein, benn bie eingig enbogene
$olitif, bie bem S>eutfd^en in S^eifd^ unb ^lut fledt, (et|tnad^ Sud«
{Attft )ulf|t cmd^ ein guter X^eit ^inan^ ^m f cfaser fil^
fo^ififien Siebl^aberei, feinem Wletteirtifc^ «eto?)^
ciren, feiner SReigung jur ©i^ftemmod^erei; toir finb ein
aSolf i)on „S)enfem" im einfeitigen, fd^Iimmen ©inne: un^
ftre @t&rle in ber 9[bflractiDn bleibt nur }u oft ungejügeft
t)on ber älnfd^auung. @o retrutirt ftd^ t)ornel^mIici^ au^
unfern Sanböleuten — 5pi^iIologen, 3Katl^ematifem, aWeta^
pff^Uxn u* f^ f. — jene Qunft ber SHogene^offen, bie
am fftUm S^age mit einer £ateme bie @onne am $immel
fud^en. X)e^^b gelten aud^ bie tmrtlid^ gro|eit äHutort:
täten unter ben ^l^ilofo^^en bei nn» fo tütnig, mü> ^egel
iQurbe bei ber SRaffe ber S)enIenn)oIlenben (few men think,
bat all irill have opinions) fo beliebt^ t^eil er bie ^ov^
t^etänetftt be^ abfhracten @eban{end )(nroclamirte unb ba>
mit eine Xugenb gerobe bed @d^toabenftamme^ auf bie
@^i|e triebe eine 3^ugenb, ):)ermdge beren 93. ^uetbaäf in
fea&en S^orfgefd^id^ten ol^^ne flagrante ä3erle|ung ber Statur«
UHil^l^eit in bie ^ten ber getfUgen @emanbung, mit ber
er feine StoiermAbd^en undleibete, f^jt^tnogiftifd^e Bp&ne ein«
ftreuen burfte. — 3a, fogar in ber jjüngil notd^ florirenben
3ubilirfu€^t tritt folc^e Unart }u Soge: ba^ beutfd^e Stational«
gefftl^fl {lommert ftd^ cm unb näi^rt fid^ an abflracten Er-
innerungen — gan^e Staaten tanjen einiger auf ber ©eifen«
Wafe il{n:ef Sl^nenruij^m«. — 3)amit aber t)erle|ter ©tolg
biefen ©toj^fcufjer nid^t borfd^nett afö reinei^ hors d'ceuvre
über Säorb toerfe, nel^men toir fd^leunigfl unfern 9tüd^
auf unfern ^l^legmatifd^en SRati^ematilu^ mit ben ^tod
fragen: lann baö funbige Sluge in jenem „gemüt^lid^"
tttttoefen bag ju ©runbe Kegenbe ^pijflegma toerfemten? —
unb n)eift bie ©tatiftit $äQe nad^, tno ein Watl^ematifud
t>f>m reinften SBaffer fein ^au^tbud^ jumad^te unb fid^
}um längften ©d^lafe fc^lafen legte, toeil er bie SebenS^
iDeid aUtx ©efd^id^te: Sa^rung ber SnbtDibualttSt, fon>o( ber
(SingcIBürger tote ber ,, ©tfimme" — alle« anbere t|! angelernter
@(^ti>ittbel.
96 SHe ndd^en SRifd^ungett.
bolonce \>tdotm, hcS S)efidt unb ^Itanco in bet SebeniSs
bUonce etted^net ^attc?
4. Strfolgung ber Mälzet betrail^tetett 9}if$it0gS|irobitcte
in feinere @|iielarten.
Site toit bie ©ufolie unb SJ^^Iolie Befiimmt fd^ieben
t)on bcn rein ^roit)ortionaI= quantitativen S)iff erengen, ge^^
mannen toir bereit« einen großen SJorfiprung öor ber bi^^
l^erigen Sei^anblung ber 3;emlt)eranient«lel^re, burd^ toeld^en
toir fd^on einem guten S^l^eil ber ffionfufion entrüdtt tont^
ben, bie Don ^aQer an bie« jta:^itel ber ^fij^d^ologie be»
l^errfd|>t unb pd^ bafl) in ber ©^arafteriftrung beä einen,
balb be« anbern S^emjjerament«, jumeifi aber beim SWe?
land^öliler unb ^^legmatüer, ger&d^t l^at. 3(Ilein ^ocUßän^
big ioirb biefe SSerioirrung erft befeitigt, tomn toir mn
au6) ebenfo fd^arf ba« äu^einanberl^alten beffen burd^-
ffil^ren/ toa^ gleid^faK« blo« formalen jQuantum«^ ober
©rabunterfc^ieben angel^ört, unb beffen, loa«, qualitatit)
angefel^en, ©ad^e ber materialen 2Bitten«ef[entia f eiber,
ber iDefentlid^en, alfo ijor allem ber etl^ifd^en Dualitfiten
be« äBiKen« ifi.
S)a fragt e« fld^ j. 33. gleid^ nod^mate, toie toeit bem
«ßi^tegma atö fold^em bie 2:rfigl^eit, bie f^auli^eit inl^ärire.
an fid^ i)erträgt Rd^ offenbar bie nad^i^altige unb fiarfe
aSBirfung ber 3Kotit)e fel^r lool^l mit einer regen ©^)onta=
neität be« SBiUen«; unb felbfl loo man fo ioeit ging, bie
2;em^eramente ju bloßen ®eftt]^Ut)erl^Ältniffen l^erab^
jufefeen — ein ©runbirrt^um , toeil ba« ©efül^I nur ber
83eU)u§tfein«s, nid^t ber S)afein«feite be« SBillen« ange^
ffört — ioerl^el^fte man fld^ nid^t, ba§ ba« ^ßi^Iegma ate
„ba« ©leid^geioid^t \oon Spontaneität — im ©irtne einer
felbftti^ätigen aSerarbeitung — unb 9lece:|)tii)itdt -— im
©inne einer jjaffiüen ©rregbarf eit" bem ni^t entgegenjiel^e,
an beiben ©eiten be« aSBageballen« gro§e®ett>id^t«qManta
Seinetc Spielarten/ 97
f(i^tt)ebettb ju benfen, — ein ©ebanfe, tocld^er ja and) bei
un^ fd^on lüieberl^oft feinen Slu^brud fanb (©. 32 fg.
unb 73 fg.)/ wwi> «^^ ^^^ ii^ ^tioa^ anberm ©ehjanbe an&
Soi^. 3WüIIer*^ 5ßl^^fiologie Dorgefü^rt toerben ntag, toobei
tt)ir bie bajioifd^enfiegenben Slu^füi^rungen — befonber^
tpeil fie birect ®tl^ifci^e§ l^ineinjiel^en — nid^t mit vertreten:
„. . . . eö ift l^ier eine getoiffe ®rö§e be3 geiftigen Seben^,
tt)ie in iebem anbern 2^em:t)eramente möglid^ . . ♦ . man
läfet fid^ nid^t leidet ju ^anblungen i^inrei^en, toeld^e man
morgen bereut, man fann fidlerer unb jutjerlftffiger fein,
feine Erfolge fidlerer bered^nen; in ber ©efai^r unb im mU
fd^eibenben SWoment l^at man, tomn e^ auf 9latl^, S3ered^=
nung, ©rtoägung unb nid^t auf eine fd^neU ju entloidfelnbe
©nergie anfommt, feine Ärftfte jufammen, .... @minn
inx6) Saubern unb bel^utfam bered^nenbe Slu^bauer. —
S)er 5pi^Iegmatifer fd^Iie^t nid^t i^äufige greunbfd^aften unb
brid^t fie nid^t. . . . ©eine ^läne erreid^t er toeniger fidler,
toenn e^ auf Äraftentloidfelung in furjer 3^it anlommt, unb
anbere eilen il^m bann t)orau§; toenn e§ feine 6üe l^at
unb fid^ bie ©ad^e abloarten lä^t, fommt er ru^ig jum
3iele, ioenn anbere ^^el^ler über gel^Ier gemad^t unb Wngft
• . . . abloeg^ g^füi^rt finb. ®er ^ßl^legmatifd^e f ennt feine
©renjen unb ioirb nid^t in frembe ©ebiete unb in Eon-
flicte gebrad^t — t)ermeibet ©elbfttäufd^ungen." SGSa^
bann afe „eine fd^on !patl^ologifd^e ©rfd^einung" bejeid^net
loirb: „jene Slrt be^ ^pi^Iegma, toeld^e burd^ S^rägl^eit,
Sl^ati^ie, 5Cl^eilnal^mIofigf eit, Unfd^Iüffigleit, ßangeloeile,
3KangeI an gaffungöfraft, Sangfamfeit ber geiftigen gort=
fd^ritte fid^ au^jeid^net unb ben toenig tief em!|)funbenen
©d^merj ber Slrbeit unb Slnftrengung t)orjiel^t" — ba^ ift
Don unö bereite tl^eilö unter bie SRifd^ung t)on ^l^legma
unb 3)^^foIie, tl^eite unter bie SRebenformen be^ ^^legma
— befonber^ d — tl^eite unter baö anämatifd^e SJem^era-
ment gebogen, loä^renb e^ fic^ \a f}kt gerabe um bie
ftricten ©onberungen l^anbelt, unb aWülIer^^ tjorl^erge^enbe
98 3)ie näd^ften 2Rif(i^unden.
Slngaben am üottfiftnbigften ouf ben 5pi^Iegmatifer a, je^
bod^ jum 2^l^eil aud^ auf ben 5|8^tegmatiler c ipaffen.
3tt>ar liegen bie Seiten glüdlid^ leintet un^, too man
auf ben armen SBöotiern l^eruml^a<fte unb t)on Rätter t)om
Temperamentum Boeoticum rusticum atque quadratum
allerlei auftifd^te unb geber fo freunblid^ toar, quadratum
mit ,,Dierfd^rötig" it)ieberjugeben, — bie gered^tere (Se-
fd^id^t^forfd^ung f)at ingtoifd^en bem ©tamme, toel^em aud^
©ipaminonba^ unb pnbar ongei^örten, eine toürbigere
©tettung angetoiefen, ettoa neben ben ©d^toaben ©eutfd^-
lanb^, bie, mnn fie einmal in flammen gefegt finb, einer
fel^r intenfxt)en ©rregung fid^ fällig jeigen unb ben pf}UQ^
matifd^en SWeland^olifern im gleid^ unten naiver bejeid^^
neten Binne anjurei^en finb. 3nbe§ überl^ebt ung ba^
nid^t ber Öetrad^tung be^ ® egenftanbe^ , ber, toenn aud^
ber Jiame nidbt j)affen mag, in ber ©rfai^rung unleugbar
t)orfommt. ®g gibt bod^ ebm blöbfinnig l^infiarrenbe
SRenfd^en mit langfamftem 5ßutefd^lag, toeld^e nod^ ^eut-
jutage ,,:pl^legmatifd^e SBöotier" genannt toerben (felbft
©d^o:penl^auer ftettt: „Ueber ben SBBitten in ber Statur",
2, älufl., ©. 31 unb 32, nod^ »dotier neben S^ama Ouna);
aber ba^ ift eine gorm ber Steigerung be^ anftmatifd^en
ober !pl^legmatifd^en 2;em:t)erament^ (nnt) jloar beiber md'
ften^ in ber gorm b ober d) burd^ Seimifd^ung t)on l^m-
pf)aü^6)a ©onftitution unb inbeciHem Sntellect auf ber
(Srunblage eine^ ganj fd^laffen SBiUen^.
SlnbererfeitS ioar e^ (©. 33 unb 75) unter bie ©gen^
tl^ümlid^Ieiten be^ d^olerifd^en SCemiperament^ aufjunei^men,
ba§ bü il^m jeittoeife gSaufen beg ©rregtioerben«, a^ati^ifd^e
3nteri)atte, eintreten, nämlid^ allemal, ttymn m i^omogener
gieij ausbleibt. S)a^ dolce far niente be^ d^olerifd^en
Qtaliener^ gibt einen Seleg l^ierfür. älber fogar ber
©anguinifer ift fold^er 3Komente ber fd^laffen 9lu^e fft^ig, unb
eg fommt, ioie toir fd^on ©. 90 fa^en, nur auf bie genauere
»eftimmung ber begriffe an , ob loir bann auc^ toon %x&q^
f)üt ober gaul^ieit fj)red^en iooHen* S)ie ©c^ulerfai^rung
?Jeinete ©^)ielattcn. 99
toufete un§ batjon ju erjäl^letr, ba§ bie fanguinifd^en ©d^ü=
ler, toeld^e il^rer SRatur nad^ allemal aud^ bie flüd^tigen
finb, metften^ Pflletd^ bem ^^abel ber ,,gaull^eit" untere
liegen, fofetn faul ben @egenfa| jum gleife al^ nü|=
li^em »efc^äftifltfein au^brüdt (toie ber „3;räg^e*t" bie
Slrbeit^luft, ber Säffigfeit bie ©mfigfeit entgegengefe|t
ijl). ©fielen, im ©inne bon jtoedlofer ÄraftbetJ^ätigung,
Vjt ba^ Clement fold^er Staturen, bie man alfo nid^t oi^ne
toeitere^ trftge nmnm loirb. gtoar finb jie läffig unb
«nbereit ju jeber Slrbeit, bie i^rer SHeigung n)iberf^)rid^t,
alfo unbequemen Dbliegenl^eiten gegenüber aud^ tool „i)er=
broffen" (mie ber „Slrbeit^fd^eue" bei jeber 3«»iutl^ung,
bie an feine S:i^fttigfeit gefteHt toirb), aber feiten gang
rul^ig ober gar trftumerifd^. 35er ©anguinifer afe fold^er
ift „munter (alacer), auc^ tvmn er nid^t l^eiter unb i)er=
gnügt (laetus) ift (loie ein &e^px&6) bei rafd^em SSed^fel
t)on Siebe unb ©egenrebe einen „muntern" aSerlauf i^at);
ber Slnämatifer leidet f d^läfrig (segnis), aud^ oi^ine „nieber=
gefd^lagen" ju fein — remissus, aber nid^t immer demis-
sus* „Träumerei" tritt atö jeittoeiliger S^ft^nb öfter bei
ben ^l^legmatifd^ gearteten 3nbii)ibuen auf, jebod^ nid^t
ol^ne baj5 aud^ fold^e i^re Siebi^abereien i^aben, meldte mit
fid^tlid^em ©ifer bon il^nen betrieben toerben.
3Son biefen allen finb alfo nod^ bie eigentlid^ ftum^jfen
unb bum^fen, bie immer unb überatt jur Slrbeit unluftigen
SRenfd^en, toon abf olut geringer ©tftrfe ber Spontaneität
unb SReagibilitftt, b. f}, i)on ganj fd^toad^em @nergiegrabe,
öerfd^ieben, beren e^ atterbing^ aud^ gibt — unb, loie loir
in einMang mit bem grül^ergefagten gleid^ l^injufe^en
looHen: in ben SBarietäten aller öier ^lemiperamente toie
fonjiiger d^aralterologifd^er ©lemente gibt, ,,B(i)lapp=
fd^toänje" fommen fo gut im genus cholericum loie anae-
maticum, fo gut atö suxoXot toie atö SucxoXot, fo gut m^
ter ben ®ef (Reiten loie unter ben S)ummfö^)f en , fo gut
binter ber 3Wa^fe ber ®utmütl^ig!eit toie ber ^üde t)or,
unb tt>ir toerben ii^rer ©rfenntnife unb SSBürbigung n&l^er
100 ^ie nä#en aWifd^ungcn.
treten, tt>mn tt)ir baran anfnüifyfen, bafe fid^ aud^ bie ®rabe,
tüeld^e je toon ben 3:^ettt^)eramentg= unb ^jofob^nifd^en SJiffe-
tenjen auögebrüiit tt)erben, untereinanbet in eine gegen=
feitige ^ro^)ortion fe|en laffen unb fo eine ganj neue Sleii^e
t)on 9Rifd^ung§nuancen refultiren ntu^, je nad^bem bei bem
gegebenen 3;nbit)ibuum über^au^)t (um einmal ber Äürje
px Siebe biefe einfad^ern SSejeid^nungen ju gebraud^en,
tt)obei „©enfibilität" jiemlid^ ebenfo bie eint;eit t>on 5Re=
ce|3tit)ität unb 3m^)reffionabiIität au^brüät tt)ie im a3i§=
l^erigen fd^on jutüeilen „QfrritabilitÄt" bie t)on ©Spontaneität
unb Sfteagibilität, ivm S^l^eil aud^ mit (Sinfd^lufe ber @nergie=
grabe) bie BdU beg ©enfibeln ober ^rritabeln, ber „^af=
fibität" ober „3lctit>ität" beutlid^er l^erau^tritt.
S)a tt)erben tt)ir bie d^olerifd^en SucxoXoi jerfaffen
feigen in ben ßi^olerifer aU S)^§foIo§ unb in ben 35^^foto^
ate ßl^olerifer; bie anämatifd^jen suxoXot in ben 2i[näma=
tifer aU ®ufolo§ unb in ben ®ufoIo^ ate Slnämatifer
u. f. f., bi^ bie frül^er gefunbenen ^aare fid^ in bie bo!()=
^3elte Slnja^I n)erben gef^alten l^aben — jum SJ^eil in
Uebereinftimmung mit ber me^r geläufigen aU ftet§ aud^
flar gebadeten ©d^eibung, i)om ®efül^tö= unb ©l^arafter*
menfd^en. SBo ber Slad^brud auf bie 2;emperament§eigen=
fd^aft fällt, tritt ber 3lame für biefe t)oran unb umgefel^rt.
Einige 33eif!piele mögen bie^ fd^on l^ier erläutern —
einige mel^r folgen nod^ weiter unten (© . 112 fg.) ; ganj t)oll=
ftänbige 3luf jäl^lung mürbe jmedlo^ ermüben. — S)er 61^0=
lerifer (meiften^ b) ate ©ufolo^ ^at ftarfe Irritabilität,
gemäßigte ©enftbilität unb fräftige, gefunbe, alfo jebem
®£trem fern bleibenbe 9ie^)robuctit>ität i)on befonber^ gün=
ftiger 9Ru§!elentn)i(felung unb Änod^enl^aftigfeit. Sei bem
d^olerifd^en @u!olo^ (sive ®u!olo^ ate ©^olerifer, mel^r
ber gorm c ober d genäl^ert) ift bie 3in:itabilität ettoa^
fd^iDäd^cr, bie ©enfibilität etlDa^ ftärfer ate bei jenem,
bie 3le!()robuctibität loeniger fräftig, mel^r bem S^Kgetoebe
ate bem Änod^enbau jugeit)enbet — \t>a^ am 5Rorbitaliener,
in^befonbere am Sßenetianer, nid^t auf bie ©eite ^)l^legma=
. gcincre Spielarten. 101
tifd^er 35^§fölie fallt, ift ^ierl^er ju giel^en. — ®er ©an-
guittifcr atö ©ufolo^ unb ber ßufolo^ ate ©anguinifer
toerben fid^ etoa unterfd^eiben toie ber 5ßarifer unb ©a^s
cogner — beibe finb „leibarm" (bgl. Slnl^ang 11). Setoeg=
lid^feit (nid^t (Energie) ber Si^^itabilität toie ber ©enfibi=
lität l^&It l^ier bie ^)laftifd^en Functionen nieber; bie ^raft
toirft i^ier fojufagen mel^r im 93lut atö in beffen SRieber=
fd^Iag, ben SRuMeln, Änod^en unb gett^eilen. — ®er
5p]|ilegmatifer (meiften^, toenn nid^t au^fd^liejsüd^ b) als
(SufoloS l^at fiarfe 9le:t)robuction, f^toad^e ©enfibilität unb
ün SWinimum bon ©^)ontaneität in ber Irritabilität, toaS
aber ebenfo toenig ^jaffibe 3*^i8^^i^ ö?ie gelegentli^ rol^e
Brutalität auSfd^liefet, tüeS^alb toit tun S3ebenfen ju tra-
gen braud^en, bie bierfeligen 2lltbaiern ^ier unterjubringen,
dagegen ber ©ufolo^ atö ^i^Jegmatifer (a ober d, jutoeilen
felbft c) l^at ioeniger ftarfe 3le!()robuctibität, ettt>a^ mel^r
©enfibilität unb felbft ettoaS größere Srritabilit« —
©olbfmitl^'S „Vicar of Wakefield" mit feinem unbertoüft=
lid^en ©leid^mutl^ bei l^erjlid^er ©emüti^ötreue unb gelegent=
lid^er ©ntfd^loffen^eit mag il^n beranfd^aulid^en, beSgleid^en
bie ^ottänber unb biejjenigen ätl^io!|)ifc^en SSölfer, ioeld^e
nid^t aU ©anguinifer (d ober c) auSjufd^eiben finb.
e§ toirb ein d^olerifd^er ©c^la:t)!()fd^toanj tool allemal
ein ®^SloloS atö ßi^oleriler (tneiftenS c) fein unb fid^ ge=
berben ioie jjeber , bem eö f o toenig am !|3l^9fif d^en toie am
moralifd^en SRutl^e ber ©elbftaufo!()ferung gebrid^t, ben aber
Banpd unb S^^if^/ S^^g^n nad^ fittKd^em Siedet unb
fluger SluSfül^rung nid^t baju fommen laffen, fein innere
lid^ entfd^iebeneS SSotten in äußere ^Realität umgufe|en:
toir benfen an einen ©i^arafter, ber ettoa jtoifd^en ^amlet
unb bem 33rutuS in ©^affpeare'^ „Julius 6äfar" bie
3Jlitte hielte; — jener loar ja nämlid^ bem ®^Sfolo§ atö
Slnämatifer (a) beijujä]|ilen, unb biefer jeigt enblid^ bod^
ju biel ©ntfd^loffenl^eit unb ©rabitation beS erften ©d^rttteS,
um nid^t für einen ßi^olerifer (bem a genähert) atö 2)^^-
foloS gelten ju muffen. ®ie in Siebe fte^enbe ©j^arafter^
102 ®ie nA<j^fien aRifd^ungen.
mifd^ung bagegen ^)flcgt nad^ furjem SKufbraufen toieber
in ^offnungglojtgfeit ju erlahmen, (^amlet gibt mit bem
unj'citigctt 3)reinfal^ren gegen 5ßoloniuö toenigflen^ einen
SBeleg au§ i)ettoanbtem ©ebiete-) 3lug ben 3lationaIitäti^=
tifpm Hefern bie italienifd^en unb !()ölnifd^en 9lek)olutionen
nur attju reid^Iid^e SBeif^)iele, tüeld^e freilid^ infofern ganj
reine nid^t ^eij^en fönnen, atö in il^nen bo^ ß&^menbe jum
ai^eil au^ ber Seimifd^ung unlauterer Seibenfd^aften l^ert^or*
ging* — dagegen ermal^nen bie fielen Sfteftauration^::
^erioben in ber beutfd^en ©efd^id^te baju, bie Don ©er^
t)inu§ u. 31. gezogene ^parattele jtoifd^eu ipamlet unb bem
„beutfd^en SDWd^el" nur unter ber angebeuteten (ginfd^rän=
fung ju acce:t)tiren, tt)eil unfere Station in all i^ren Ääm=
p^m unb Kriegen — unter ben ^o^enftaufen loie im SÄe?
formationgjeitalter, im S^reifeigjä^rigen tpie in ben 9laj)o^
leonifd^en t>on 1813 — 15, im ©iebenjäl^rigen tt)ie gegen
bie 5Dänen — gtoar immer d^olerifd^ genug breingefal^ren
ift, banad^ aber in fd^laffe 3)ef^eration tjerfunfen.
35ie ©egenftüde finb an^ ber gai^l ber ^l^legmatifer
(a ober c) bie Sup^oXot afe ^^legmatifer: jene grübelnben,
contem!|3latit)en gelben loie ber ^önig^mörber Srutug,
mand^e Slfceten im graufamen ^Raffinement il^rer Äafteiun-
gen — au^ ben ©anguinifern fold^e ^elben^aft iJor-
bringenben, aber nur bie ©ipanne ber Qugenbjeit an^=
bauemben ©nti^ufiaften toie Sllefanber ber ©rofee (f. oben
©. 36), beren Siegeslauf auf Slugenblidte eine tiefe ®ins
fel^r ins eigene ©elbft jum ©todEen bringt.
5. SBe^felbesie^ung stoifd^ett ben et^ifd^en unb ^ofob^=
ntf^en ©egenfü^en.
SBieber anbere SBarietäten l^elfen nn^ fo it)iberf^)rud^S-
\>oUe 3Wd^tungen erfd^liefeen, it)ie baS £eben eines Jlero
fie genommen ^at. ®a l^aben toir bie ©^Sfolie für baS
bominirenbe Clement ju galten, fo ftarf aud^ baneben ein
3Be(i^feIbe5t^]^ung sn)if<j^en b. ti^i^i), u. t>ofob9mf(i^. ©egenfälen. 103
noä} mel^r fanguinifd^er afe d^oletifd^er Qntenfitätömobu^
fielet. aWit anbern SBortm: bieg ift ber 5ßunft, an toel-
d^em fid^ ber Sufammenl^ang be^ @egenfa|e^ ber ®u= «nb
S)^^foUe mit ben et|fif(^en 6l^araftereigenf(^aften offenbart.
®er aSoH^inftinct leitet aud^ l&ier auf bie rid^tige ©:j)ur:
einen ©ulolo^ jlettt er fld^ gern aU ffaxmlo^, gutmütl^ig,
bor, „^at i^n gern", toeil er i^n nid^t ju fürd^ten brandet
— aber einem ®^^foIo^ toenbet er fid^ enttoeber mit i)oIIem
SJertrauen ju ober meibet mit bem ©efü^I be^ Uni^eims
Hd^en feine SRft^e: bie ©ulolie finbet fid^ nur in ber mitt=
lern S^ne be^ fittlid^en Seben^, tt)0 jene 3Kifd^ung t)on
©goi^mug unb attgemeiner 3Kenfd^enfreunblid^feit, bie loir
©utmüt^igfeit nennen, ju ^aufe iji; toäl^renb red^t^ unb
linfö bie S)^^foUe Quartier bejogen l^at, bort im Sunbe
mit tperftl^ätiger Siebe, l^ier mit ber ©raufamleit jufammen=
^aufenb. SBirHid^ fd^eint m reiner ©ufolo^ fo loenig
irgenbeiner cra§ bo^^aften al^ einer l^eroifc^ oijfermütl^igen
^^at fällig ju fein. 35er Oraufame re;()räfentirt fid^ atte=
mal unferer ©inbilbungöfraft mit „finfterer ©emütl^^art"
— unb ein red^ter ßiebe^i^elb ift toenigfteng ol^ne einen
getoiffen ®mft aud^ nid^t benlbar — fo treten au^ einer
unb berfelben Saft§ bie beiben dufeerften ®Etreme be^ fitt-
lid^en 2ebm^ ^erau^ — unb für bie glad^fd^äbel bleibt
aud^ l^ier tt)a^r: medium tenuere beati, — tomn e^
nid^t ein grebel toäre, bie nur t)on i^rer 2;i^orl^eit SBe^
glüdEten beati ju nennen. ®in 35^^folo^ toirb fo leidet
fein 5Cl)or fein — benn tt)er anber^ l^anbett t^öric^t, al^
toer fid^ um trügerifd^e 3^^^^ — ©d^eingüter — abmüht?
S^^orl^eit — stultitia — berträgt fic^ mit bem äufeerften
®egenfa| jur ©umml^eit (stupiditas), mit ber borfi^tigften
Älug^eit; unb bod^ bleibt eventus magister stultorum;
benn nid^t ben bomirten, in fi^ fd^toad^en, fonbern ben bom
SBitten irregeleiteten, na^ einem ©c^einglüd ^afd^enben,
fein njai^re^ SQBol^l berlennenben Qntettect bejeid^net ba^
aOBort X^orl^eit; e^ ift ©egenfa^ ju SBeiill^eit, nid^t ju
Älugl^eit. (3Ban bergleid^e ©teilen ioie:
104 S)ie nä(i^ften SRifci^uttgen*
(S9 tß uid^t braugen, ba fud^t ed ber £l^orO
©eSi^alb tparttt man bie unbebad^te Sugenb mit SBotten
tt)ie biefe: „SEBer e^ unter eud^ gut mit fid^ felber
meint, ber laffe fid^ nid^t betl^ören t)on ben (SinfCüfte^
rungen beö Seid^tfinn^, nod^ t)on ben Sodungen beö 3lugen=
blid^/' S)er 2^l^or ift t)on einem „SBal^n" befangen, fo=
fern biefer Segriff auf einen Srrtl^um verengert toerben
barf, tt)eld^er ium ©lüdEIid^fein ober -toerben in birecter
»ejie^ung fte^t. (»gl. ©c^iffer^^ „2Borte be§ SBal^n^^' —
baju:
(S8 ijl fehl leerer fd^meid^elnbcr SBal^n,
Srgeugt im ©cJ^irne beS 2^^oren;
unb:
Wt'it betn ©ürtet, mit bcm ©d^Ieier
9lct6t ber fd^önc Söa^n entgtcei;
nämlid^ ber: eS laffe über be^ Seben^ aJJai ^inau^ ba^
füfe tänbeinbe ^pkl fid^ fortfe|en, nid^t jener beftimmtere
einer falfd^en SBal^l, toon bem e§ l^ei^t:
2)er SBal^n ift furg, bie ^tvC iji lang.)
Slber ein ®^^foIo^ begnügt fid^ aud^ nid^t mit ^aU
liati'om: entiueber fe|t er, ebel geartet, atte^ baran, frem=
be^ £eib ju minbern: — ober aber: e^ ift i§m nid^t ge=
nug, für fic^ allein be^ 25afein^ Seiben ju emi)finben: er
toiH, foloeit er e^ irgenb t>ermag, anbere gleid^faH^ in
. biefelbe Stimmung toerfe|en — unb loirffamer al^ burd^
^effimiftifd^e SCrgumente toirb fold^e burd^ il^nen jugefügte
Seiben beigebrad^t.
®a^ fo oft t)entilirte 9fiätl^fel be^ engen 5la))i)ort^
jtt)ifc^en SBoHuft unb Slutburft erfäl^rt an mm, ^niM^
buum, n)ie it)ir un^ Jlero *) i)orftetten, eine ebenfo burd^=
*) 2C(§ an ein ©eitenftücf ju il^m mag aus ffeinerer, aber bafür
gang moberner @^]^ärc an jenen @uIogin8 ©d^neibcr erinnert toer^
ben, bon tctl6)m Äarl ©ßbefe („dl^ ©üd^er bcutfd^er 2)icä^tung'', II, 210)
I
SBcd^felbejic^ung jn)if(i&en b. etl^tfcfe. u, po)obi?nifd&. ©egenfÄ^cn. 105
fid^tige ©eftaltung, mie eg in großen ^ leiten SBerJ^dttniffen
bie Qk^(i)iiS)U ber alten femitifd^en SBölIer burd^jiel^t. ipier
tote bort l^aben tt>ix im ganati^mu^ ber ©d^merjbereituhg
in feiner ganjen Un^eimlid^leit: ba^ eigene ©elbft ift nid^t
iüeit genug atö @ef ftfe ber Sffie^em^jftnbung ; nid^t jufrieben,
fid^ an eigenem, toirflid^em ober fingirtem (t)on 5Rero afe
Xragöben „anem^)funbenem")/ ©d^merje laben ju fönnen,
finnt ber ©raufame auf immer neue ®miixti)^vidunQtn;
fi|elt bie überlabenen 3iertoen am fremben ^cii^wi^^; i^^n^
bie ©raufamfeit tl^eilt mit ber SBottuft ben Äi^el, toie bie
SSoIIuft mit ber ©raufamfeit bie ©d^auer; — unb man
l^at beibe^ pa^mb bem ©ateanifiren t)erglic^en, toeil aud^
bie^ fold^e ®o^)^etoirfung l^ertJorbringt. ®a§ felbft bem
3Ritleib eine äl^nlid^e ^Polarität toefentlid^ ift, l^at gegen
ben aSerfud^, baffelbe jum gunbament ber 3Jloral ju mad^en,
ben lebl^afteften aBiberf!()rud^ l^eraufbefd^tooren, fo leidet e^
aud^ fd^eint bie gälte au^einanberjul^aften, tt)o toir frem=
be^ Seib un^ „aneignen", um e^ ju linbern, unb too eben=
baffelbe ganj im 35ienft «ber b^^folifd^en SBiHen^beial^ung
gefd^iel^t. ©^ ift biefelbe grunbtoefentlid^e ©ifferenj, burd^
toeli^e fid^ ber Slftartecult toon bem, i^m äufeerlid^ &^n=
üd^en, ©d^itoabienftunterfd^eibet; obgleich aWay ©undEer ge-
toife nic^t Unred^t f)at, toenn er („©efd^id^te be^ 3Kter=
tl^um^", 1. 2lufl., II, 91, coli. 286) ben ©c^merjen auf=
fud^enben S3ufeübungen überl^au^jt eine bie SBBillen^fraft
ftärJenbe SBirfung jufd^reibt (aud^ toir fallen ja ba^
fagt: „(Sr burd^jog mit gefd&äftigcr ©uittottne H^ (Stfag» — 2)ie cnt*«
fe(5(id^cn Greuel, ttjctc^e bicfe äÜQt begleiten, iDiberf:|3red^en ber toin*
felnben ©entimentatität 'feiner ©ebid^te !eine§toegö, ba falfd^eö @e*
fö^l unb gügellofe ©raufamfeit meiflenö beieinanberUegen , tt)enn aud^
(entere nid^t immer getoedt toirb. to ©cj^neiber'« ©ebid^ten, öer*
^üö}tn mit feinem Sebenögange, fann mt^x gelernt werben, M bie
Siteraturgefd^id^te barlegen fott"; -- toobei ber 5lu«brud£ „falfd^eö
©efü^t" bie ^a(S}t freilid^ ettraS too'^Ifeil abmad)t, gumal bag ana*
logc ^eif^siel eines Sftobcö^jicrre bie @d^tr>ierig!eit ber ^at^ognofc in
fotd^en gätten nod^ beutUd^er x>ox\)'dit
106 S)ic nä^ften SKif^ungen.
d^olerifd^e 2;cmj)erament in ber äfcefe forttotrfen unb ben
aBitten burd^ ^atttette ©elbftoemeinung geftä^lt loerbcn)
— unb obgleid^ eine Steligion, bie gleid^geitig burd^ ca-
stratio unb coitus i^re ©ötter e^ten Reifet, auf einen tie^
fern gtoief^alt ^intoeifl: bie ©elbfientjtoeiung be« SBitteni^,
toeld^e fid^ mitten burd^ bie ©lieber be^ S)uaßgmu^ felber
— SBejal^ung unb SBemeinung — ^inburd^ förtf efet ju einem,
vermöge t^atfäd^Iid^er ©ialeftif, fd^itternben Sneinanber ber
realjlen ®egenfä|e, bis l^inein in jene Slbgrünbe, too fid^
ber SBitte — jundd^ft freilid^ nur an feiner inbiöibuetten
©rfd^einung — iugleid^ bejaht unb verneint; — verneint
in feiner Sejal^ung, loie bo^ %f)m ben ©enerationSact
oft mit bem Seben bejoi^It; — unb bejaht in feiner SJer-
neinung: bie Slfceten toiffen t)on ©d^auem ber SBottuft ju
erjÄ^Ien — unb mel^r al& einmal tourbe bie Slnbad^t jum
©urrogat ber aSoIIufi, tt)ie SBottuftacte ju religiöfen 5Ber=
jüdungen füi^rten, benen freilid^ tristitia folgt; aber nid^t
anber^, n>ie ben Äafteiungen bie SBonne ber ©fftafe. ®em
omne animal post coitum triste tritt ba^: in moestis-
sima tristitia avetur coitus ergänjenb an bie BtiU, afe
müfete baS ®lenbggefü^l ©rleid^terung fud^en in feiner
„^etj)etuirung", ba^ aBe|f be§ SJugenblid^ geloiffermafeen
bertl^eilenb auf bie unenblid^e ©loigfeit ber Swif^J^ft unb
bie enblofe ©ucceffion ü^rer ©enerationen; unb f|)ecieffer
in biefem ©inne lä^t fid^ ba§ Xenion antoenben t)on ber
„©elegenl^eit", bie a\x^ ben ©entimentalen — „fd^led^te
®ef etten mad^t", — jene^ in ber mobernen Siteratur f o reid^
vertretene ©efd^led^t ber „^jroblematifd^en SRaturen", beren
claffifd^er 5We!|3rftfentant Sftoquairol unb bie übrigen ©eftalten
beffelben ©d^lage^ bei ^^an ^aul finb. ©enn auf ber
^ö^e be^ »eloufetfein^ ff^^i«t fö^ f«^l^^ 3nbii)ibualitäten
ber ©elbftmorb unau^bleiblid^, mag er nun mit mel^r ober
mit toeniger tl^eatralifd^em ®clat in^ SBerf gefe|t toerben.
5Wan fottte fid^ — ba^ ift baffelbe t)on ber anbern
©eite beleud^tet! — be^l^alb aud^ nid^t allju fel^r tounbern
bei ber ®rfa^rung, bafe „muntere", alfo fanguinifd^e.
iJortfe|unfl» Unterfc^tebe na6:i bcm SMa^bcrl^ftftniffc toer Äraft. 107
5Wdbci^en feineiStoeg^ ju ben leidet i)erfül^tbaren ju gel^öten
!j)flegen, tJoHenb^ nid^t, tomn fic jugleid^ suxoXot finb; benn
afe fold^e ftcl^ fic in ienem pd^ern ©Icid^gctoid^te, tüeld^ejg
gtofee Setbenfd^aften nid^t einlädt unb oBenbrein argloiS
mai}t, fobafe felbft bie ©efal^ten be^ Slffectö oft unbemerft
t)orübergel^en.
6« Sortierung. Unterf^iebe naif bem 9){attietl^ältni{fe
bet traft«
Slber tjerlaffen toir bie^ bunHc ®ebiet, ba^ fd^on an
bie „3«ad^tfeiten beg ©emüt^^leben^" ftö^t, um au^ bet
©anfata bunter ^tte nod^ ein paar ©Jjecieö ^erauöju=
greifen !
SBer aU Slnämatifer feinen 5pia| auf ber Slmtens
fünberbanf finbet, tt)eil „ber Äerl geftol^len l^at", ber fann
aU ©l^olerifer bie „SQBelt", — fei e^ im ©inne tjon großen
Sftnbermaffen, fei eg bie „feine" be^ ©alon^ — „erobern"
(ift e§ ein SBBeib, fo äufeert fid^ bie« S^rad^ten nad^ @tei:=
gerung be« ©elbftgefül^te burc^ ©rn^eiterung ber SBirfen§=
f!|3^äre ate l^erjlofe ÄoJetterie, toeld^e ol^ne ©d^Iaul^eit unb
forcirte« ©elbfti)ertrauen niemate auffommen fann unb
be^l^alb mit ed^ter Sefd^eibenl^eit fd^led^t^in unberträglid^
ifl) ; gerabe fo toie bie „Slccurateffe" be« ©anguinifer« unb
ber „Drbnung^finn" be§ ©i^olerüer« beim Slnämatifer jum
„!()enibeln" SBefen toirb; beim ^l^tegmatifer jur Iangn)ei=
ligen ^ebanterie, i)iellei^t burd^ S)^«!oIie unb „Oeioiffen*
l^aftigfeit" im etl^ifd^en ©inne öerebelt ju „Jjeinlid^er ^flid^t*
erfüHung"; ober burd^ bo^l^afte %Mt im 33unbe mit anft=
matifd^er ,^Ieinigfeit«!rämerei" in Suft an ß^icaniren unb
„eujoniren" fid^ umfe|t. — S)a« leidet „^jiquirte" grauen^
jimmer Mn gemeiner Slnämatie mad^t il^rem verleiten ®e^
fül^l in „f^ji^en" 3teben«arten Suft; ber ©anguinif er fd^üfc;
telt bai^ gteid^e aWi^befiagen mit einem „S3ummetoi^" ab;
108 S)ic ndd^ften 2«if*ungcn*
ber ßl^olerifer Ift^t feinem l^eiligen 3orne öieKeic^t in Sitter-
feit unb ©arfa^men freien Sauf; bie langfame SReceiptiöität
be§ ^i^IegmatiferS enblid^ läfet fid^ t)on entf!t>red^enbem Sin-
Ia§ gar nid^t tangiren. — Sei bem Slnftmatifer unb 6l^o-
lerifer mit tiefer ;3m!()reffionabiUtät nimmt ben ©l^arafter
be^ „SCrgtDO^n^" an, tt)a^ bei bem ©anguinifer unb ^l^leg=
matifer mit ffad^er ^fnt^jreffionabilität fid^ in ben ©d^ranfen
bloßen „3Wi^trauen^" i^ält. ©^ ift biefelbe S)^^foUe,
tüeld^e balb nur bie näd^fte Umgebung mit ftetem S8erbad^t:=
fd^ö!|3fen quält, unb balb bie S)enffrei^eit ganjer SSöHer
mit ber Slbgefeimtl^eit aUerborforglid^fter ^polijeicontrole
ober gar mit bem Sd^eiter^aufen ber Qnquifition nieber=
l^dft. ®e^^oten in ^taat unb ^auS unterfd^eiben fid^ nur
ttjie ©tal^I unb toeid^e^ ®ifen. ^mn biefe formen l^aben
fämmtlid^, bei aller fonftigen Ibioeid^ung, ba^ ©emein^
fame, auf ber 33afi^ be^ Unbefriebigtfein^ ju ru^en unb
mit ber „frol^finnigen" 9latur eine^ ®uloIo^ taum vereinbar
ju fein, ba fie ein Uebermiegen be^ fenfibeln @^ftem^ über
ba^ irritable toorau^fe|en.
SQBo bann bie Unjufriebenl;eit unb baS 3Ri^trauen fid^
jugleid^ auf bie eigene Äraft erftredtt, it)ie e^ am leid^teften
beim Slnämatifer ber gall^fein ioirb, ba begegnen tüir
einer bestimmten Slrt bon ©d^üd^ternl^eit, toeld^e ber ober-
fläc^Iid^e 33lidE um fo it)eniger mit Sanftmut!^ bern)ed^fe(n
follte, aU fd^on bon anbern bie ^jaraboje SBa^rnel^mung
gemad^t ift, bafe biefe beiben ©igenfd^aften, moralifd; an-
gefeiten, entgegengefe^ten Urf!|)rungö fein fönnen: bie l^ier
gemeinte ©d^üd^tem^eit inbicirt allemal egoiftifd^e ©d^toftd^e,
Sanftmut)^ bagegen i^ol^e Äraft ber ©elbftberleugnung (bie
freilid^, „jur anbern Statur getoorben", nid^t^ mel^r bon
innern Äämit^fen berrätl^); ba^ „berfc^üd^terte SSJefen"
obenbrein \enm anämatifd^en ^uq, ber fld^ Äleinigfeiten
aü^u fel^r „ju iperjen nimmt", unb ber aud^ bei jener
fd^iüad^en, unberftänbigen gorm ber Slbmefenl^eit eine^
craffen ©goiömu^ fid^ beobad^ten lä^t , toeld^e tpir
al^ „ ©utmüt^igfeit " aEemal nur mit Sld^feljuden be-
gortfctung. Unterfiä&iebc mö^ bcm ÜRa^bctl^ältttiffc ber Äraft. 109
*
trad^ten. *) — Unb biefelbe l^altlofc ©d^ioäd^e, toeld^e fold^e
©d^iid^ternl^eit conftituiren l^ilft, ift e§ aud^ it)ieberum,
tt)eld^e jenem „em!|3finbfamen SBoIfe" eigen ift, auf ba^ it)ir
ben Xenienbid^ter „nie ettoa^ Italien " gefeiten I^a6en, toeü,
,,tt)enn bie ©elegenl^eit fommt, fd^led^te ©efeHen barau^
*) ^oäf miööcrjie^c man miä^ anäf l^icr nicj^t! 2(ffcrbingö fön*
ncn eblc, ja in fid^ fräftige S^Jaturcn eBenfattö ber SSerfd^üd^tcrung
unterliegen. 2Bo :|5]^Iegntatifd^c 2)?enf(^en nur ,,bi(!fcffig'^ c^olerifc^c
tro^ig tt)erbcn, (äffen ft^ bie 2^em:|)eramente ber ^Bäftod^t leidet
„öerfcj^üdjtern", unb gerabc bie feingebeubflc Siebe i|l bem SBcrjagcn
ouögcfe^t, too fie auf ©d^ritt unb Stritt i^r ^emü^cn vereitelt glaubt.
@tetc SJe^reffionen i?erni(^ten inU^t anäf bie fd^önfle ©rajücität; unb
c§ gibt ja keltern unb anbere (Srgie^er, toeld^e il^re Sufl baran l^aben,
jebc Biegung ber @etbfl5nbig!cit uiebergul^atten unb bomit gute^t baö
@elbflbcrtrauen gu fnidCu. @old^c ©rjie^uug mad^t nid^t feig, aber
furt^tfam; bcnn 5eig^>eit fc^t @orge um« eigene SBol^l öorau« unb
toirb gum S5orteurf, »eil ant können, an ber Äraft fein S^^^H^
befielet, — gurd^tfantfeit nur baö ®efpl ber eigenen (Sd^icäd^e ober
baö 9'lid^tglauben an bie eigene Äraft, unb le^tereö ifi nidjt fdfitoer
beizubringen; man braud^t einen bIo8 fortteäl^renb aU hmnm, fd^led^t
u. f. »>♦ gu be^anbeln, unb je lieber er an eine SCutorität :|3iet5t8boff
fid^ anlebnt^ beflo el^er gelingt ba« feelenmörbertfc^e @:|3iel, fallö il^m
nid^t toon außen l^er ein anbertocitigcr $alt bargeboten toirb, unb
aud^ bann erfolgt ber Umfd^lag auf bem ©cbicte bc8 Sntettects. —
(iiXDa9 StelEinlid^eS feigen toir ja öorgel^en, loo einer ,,]^art'', biö jur
„Oefü^Ilofigfeif J ^art toirb, toenn äRenfd^en ober ©d^irffal t^n cnb*
lid^ „mürbe gefriegt" l^aben; ber erlahmten ^^cfiflenjfraft l^ält bann
ber Sntcffect toor, toic eS jule^t auf eine §anb tooH ©d^mergen me^r
ober toeniger nid^t anfomme; toie aud^ anbere einmal in eigener
@(^ulc lernen mBgen, toa« leiben l^eige; toic alle ^flad^giebigfeit nur
miSbraud^t fei, alle ^erfiJ^inlid^feit nur 9lnla§ gu neuen ,,2:ribuli*
rungen" ober (S^icauen gegeben l^abe. 2)abon ^at fd^ou ber alte
©eelenfenner 2:acitu8 gu fagen getoußt, alö er (Ann., I, 20) fd^rieb :
,,eo immitior, quia toleraverat" ; unb e§ ijl nid^t in bie etl^ifd^c @eite
bie gange 3)iffereng gu terlegen, fonbern aud^ auf bie ,,bie @ad^e
toeränbernben Umfiänbe" eS gurüdfgufü^ren , »enn bei anbern bie ^a*
riante gutrifft bon ^laten'ö:
©lüdttic^cn ifl'S ni(^t bcrlicl^en, gu öegteifen frembe« Söel^:
2)ibo'« :
haud ignara mali miseris succurrere disco.
Virg. Aen., I, 630.
110 2)ie nd<j^ften äRifd^ungen.
toerben". Die^ ©iftid^on gel^t in feiner umfaffenber0n
SBal^rl^eit ebm auf aDe fold^e 8u(;xoXoi, bie fd^toad^neröig
unb jugleid^ cgoiftifd^ finb, unb auä) too nid^t ber imöo-
tigen Kapitel angebeutete ©^)ecialfatt vorliegt, vereinigt
' fid^ im fentimentalen ©c^tüäc^Ung (beffen Sieri^ältniB §um
^efftmiften unb. ^umoriften wir übrigen^ f j)äterer Setrad^^^
tung vorbehalten) ßl^arafterlofigfeit in ber einen ober an^
bern il^rer f^)äterl^in nod^ genauer ju fennjeid^nenben gor=
men mit ber Unfäl^igfeit ju refigniren — unb tbm barum
verliert fie — toie e^ bei ©d^o|)en]^auer („®ie SEBelt ate
SBBiae unb aSorftettung ", 3. äufl., I, 469) Reifet, — ,,erbe
unb ^immet jugleid^ ", toäl^renb feine^toeg^ jebe anbauembe
2^rauer at^ fold^e für ©entimentalität ju Italien ifl (it)ofür
ebenfalls bie angebogene Stette bie feften Unterfd^etbung^^
merhnale an bie $anb gibt). SRid^t ba^ trauern felber —
„burd^ 2!rauern toirb ba^ §erj gebeffert", fagt ber Äo^e=
letl^, unb ba^ ©id^tertoort commentirt e^:
2)ic Xxautx tt)trb bur(ä^ trauern ntt^t ^txhtx;
^uxä) 2^raucrn toirb bie SCrauer gum ©cnuß —
fonbern bie ^ntermiffionen be^ ©d^merje^ finb ba§ ®e=
fäl^rlid^e, jene Raufen, in toeld^en neue Sodungen ba^
^erj befd^leid^en möd^ten unb il^m juraunen: S)u l^aft
fd^on viel ertragen, fo fürd^t* aud; biefe^ nid^t! unb: toag
ttJittft bu fo ängftlid^ anbere fd^onen, la§ aud^ bie einmal
Jd^meden, tva^ ba^ 2ebm fei! ^ann l^ebt bie SBerfud^ung
an mit mitleibl^eifd^enben Älagen unb enbet in ber gorbe^^
rung, to^nigfien^ eine 3Rinute ju verfügen — fei e§ aud^
um ben 5ßrei^ von Qal^re^fd^merj unb lebenslanger SReue.
Um ßitate brandet babei nid^t in SSerlegeni^eit ju fein, toer
nid^t anfielet, felbft eines ^laten 5Berfe für fid^ umju^^
beuten unb auSjubeuten:
@d liegt an eines iD?enf(]^en ©d^merg , an eined ID^enf^en ^unbe nid^td.
Slber bennod^: liebet bie ©teine nid^t auf tviber bie Un^
glüdlid^en; ^abt SWitleib aud^ mit benen, bie fid^ an ber
f^ortfe^ung. Unterfii^iete na<i& bem SRa^^etl^<niffe tet Araft 111
^efe berauf d^t, nad^bem ii^nen eine neibifd^c ©d^idfafel^anb
ben Sebcn^bed^er utngeftürjt! — g^^eilic^ trifft nid^t beu
tt)ibetftanb^lo^ ©d^iüad^en, fonbern ben, ber fold^er ©d^ioäd^e
nad^gibt, o|fne fie ju tl^eilen, ber fd^toerere SSortourf ; benn
falfd^eg, untoeife^, fogufagen blo^ inftincttoe^, SKitleib oi^ne
eti^ifd^e^ aWajs für ditd)t unb Unred^t ift ber eigentlid^e
©^)ielbaa be^ 2;eufetö.
®en ,,j)robIematifd^en SRoturen", toie bem toal^ren unb
falfd^en aWitleib finb Weiter unten befonbere SCbfd^nitte ge^
tt)tbmet^ unb aud^ bie ^,2Cntinomien be^ Oemütl^^" werben
un§ auf S)inge jurüdbringen, weld^e ben in biefen Äa=
pitdn bef^jrod^enen tjertoanbt finb; beö^alb fd^Iiej^en wir
^ier biefe Setrad^tung, nad^bem wir jui)or nur nod^ an
jwei ^li^atfad^en erinnert- S)ie erfte ift biefe: bafe bie
©infid^t in bie SRid^tigfeit beg ©afein^ (Wiewol nur bie ab^
jiracte, l^albe, nid^t Wal^rl^aft lebenbel^errfd^enbe ) aud^
SKotii) werben !ann, fid^ Jjraltifd^ bem ^eboniämu^ (puU
gären ®j)ilurÄiMui^) in bie äCrme ju Werfen; fo füi^rt \a
ein ®enö ben Steigen ber blafirten ®enu§fu(^t. — S)ie
jweite entf^jringt au^ nod^ entlegenem SJiefen be^ ßeben^-
Witten^: tomn längfl bie 9leije be^ Seben^ il^re gauber^
fraft t>erloren l^aben, bann fann ben allfeitig (Snttäufd^ten
nod§f ein unWiberftel^lid^e^ SSerlangen ergreifen, au^ bem
©umi)f, in Weld^en feine ©jiftenj l^inabgefunf en , burd^
irgenbeine eji)lofit)e ^anblung fid^ em^)orjuf (^netten.
Unb fold^er 5Def^)erabo::Äi|eI ift ijiettei^t ba^ leftte, tüa^
ben erfterbenben SBitten ijerW^t. S)a ift nid^ts Don ^off::
nung bobei — wa§ treibt, iji einjig ba§ 33ege^ren: um
leben 5prei^ l^erou^ a\x^ biefer Stagnation! S)ie formen,
in weld^e fid^ fold^ Streben f leiben fann, finb gar man-
nid^fad^: SRed^t^llebe, SBa^r^eit^brang, SSBoIIuft, 3ngrimm.
112 3)ie na^ften 3»if*ungcn.
7. @(l^litg. 3loiS) einige gemif^te ^rfd^einitngen m9 bett
bmüf fd^tnanfenbe ©renjen sttieifell^aftert ®thxtttn.
Unter einfd^ränfenbet Sejugnal^me auf früher ®e=
fagteg fte^t, tt>o e^ nid^t auf bie atterfeinften 35iftinctionen
anfommt, fein erl^ebH^er SCnftanb im SBcge, ba^ SBort
„tneland^olifd^" aU bie abjjectiöifc^e gorni ju bcm bon un^
nur fubftantibifd^ gebrausten „©^^folo^" ju bertoenben
unb biefeg felber gelegentlid^ mit „3Kelanc^oIifer" ju t)er=
taufd^en, foba§ j. 33. ber ©^^folo^ aU ^^legmatifer unb
ber ^)I^Iegmatifci^e aJleland^olifer, ber ^i^Iegmatifer afe ©^^^
IoIo§ unb ber meland^oUfd^e 5ßl^Iegmatifer u. f. f. nad^
3Rafegabe obiger ©ubbibifion (©. 100 fg.) ^infort (fofern e§
fid^ nid^t nod^ um Äranfi^eit^formen l^anbeln toirb) aU
SBec^f elbegriffe auftreten mögen, um fo in bie, bti ben
jal^Hofen ^ermutationen fo contplicirte, ^Terminologie bod^
et\oa^ me^r ®infad^l^eit l^ineinjubringen. Unb ba mag eg
baju bienen, bie fo fefigefe|te ©ipred^ioeife ettoa^ geläu^
figer ju mad^en, bafe toir i^ier, ba^ bort Oegebene fort^
fe|enb, einige ber ©d^attirungen bid^t nebeneinanberrüdEen.
S)er d^olerifd^e (meiften^ i)on ber gorm c) SKeland^oIifer
f)at bei cttoa^ ftftrferer ©enfibilität ettoa^ toeniger ftarfe
Irritabilität unb ba^er ettoa^ mel^r !()laftifd^e 5We!|3robuc=
tiöxt&i aU ber meland^olifd^e ©l^olerifer (meiften^ i)on ber
gorm a), ber, bei einanber jiemlid^ gleid^en ©tärfegraben
t)on Irritabilität unb ©enfibilität, namentlid^ in ber SRe-
probuctitjität jenem nad^fte^t — toir toerben alfo ßjed^en
unb ^olen mit bem ©efid^t i)on üppiq aufgeworfenen Si^)-
pm unb aWufif ä la Ogin^f^ („©eJ^nfud^t^toaljer") unb
&)Opin („Jiotturno") d^olerifd^e SUleland^olifer, BpaxAcx
unb '^anhe^ meland^olifc^e ©l^olerifer nennen (toobei toir
jebod^ auf ba§ im SKn^ang II. 93eigebrad^te ju bertoeifen,
nid^t unterlaffen toollen); unb unter ben dia'i^en bie aKon=
golen an biefe, bie aJlalaien an jene na^e l^eranbringen.
S)er meland^olifd^e ^pi^legmatifer (a ober b) l^at ettoa^
mel^r 9iei)robuctibität, bafür fd^toäd^ere Senfibilität unb
6d&[u^. ®emif(i&te Grfd^cinungcn au^ jlücifcl^aftcn ©ebietcn. 113
nod^ loeniger lebl^afte grritabiKtftt atö ber ^l^legntattfd^e
(c) 3DlcIanci^oIifer. S)er „fnod^enlofe" ^inbu unb Subbl^a
— bie^ fd^önfte aJlufterbilb ber reinen ®^^folie — beftä=
tigt un§ bann tt)ieber (ijgl. ©. 28), tt)ie nal^e ber Slnäma*
tifer c ber })I^Iegmatifd^en ®xup'pe [teilen fann: bei ber
fdltoad^en ©|)ontaneität feiner S^ritabüitüt , neben feiner
parfen ©enfibilität unb mäßigen 5Re}jrobuctibität , fid^ert
il^n bie entfd^iebene ;3ntenfität feiner !|)affii)en Äraft — fei=
^^^ //Säi^igfeit" — bat)or, mit einem Slnämatifer d t)er'
toed^felt ju tt)erben. ©ofern gleid^faHö beim l^eutigen
2^ärfen bie Stritabilität eine langfam burd^loärmte gett)or=
ben ju fein fd^eint, liefee ftd^ biefer bem ipinbu gletd^fteffen,
lüäl^renb bie fd^toäd^ere ©enfibilität il^n ettoa^ me^r nadb
ber ©eite be§ meland^olifd^en ^l^legmatüerö (b) ^inüber^
f d^ieben tüürbe , beffen f larer ett^))u§ j|a , tüie tt)ir gefeiten,
bid^t an bie (Srenje beö Slnämatifer^ c rüden mn^, ^n
biefem, tt>mn nid^t ^nm 5ß^legmatiler d ober c, tt)erben toir
enblid^ ben amerifanifd^en ^nbianer ju red^nen ^aben, ob-
gleid^ beffen äu^erfl geringe 5Reiprobuctit)ität il^n, äufeerlid^
angefel^en, bem ©l^olerifer fo äl^nlid^ mad^t, tt)ftl^renb an=
bere il^n gar ju einer fanguinifd^en $Ratur ftemif^eln möd^=
im — nur baj5 alle Serid^te i^m au^geiprägtefte S)^^folie
nad^fagen. ©eine oft bef^jrod^ene fd^einbare gül^llofigfeit
gegen föriperlid^e ©d^merjen toagen toir, o^ne eigene
Seobad^tung , nid^t, ))f^d^ologifd^ ju Kaf fificiren ; biefelbe
fönnte jtt)ar für einen e^remen ' ®rab ber Sangfamfeit
in ber 9iece^)tit)ität gelten unb fo eine ©inreil^ung unter
bie ^l^legmatifer it)efentlid^ unterftü|en; bod^ befd^eibeit
toiv un§, biefem intereffanten antl^roit^ologif^en Sftät^fel
nid^t weiter nad^juf^Jüren, unb begnügen nn^ mit einer S8er=
Reifung aufStl^eobor2Bai|, „3lnt^ro!poIogie ber SRaturbölfer"
(III, 160 fg.).
©ofern bie SRad^l^altigfeit ber 3Rotit)toirfung ein bem
5ß^legmatifer unb ben beiben §au:|)tformen be§ 2lnämatifer§
(a unb c) gemeinfame§ 5fRerftnal ift, fann e^ überl^au^Jt
gu Seiten jn)eif ell^aft fein , ob lt)ir Don einer ©injelbeobac^^
9al^itfen, (Sl^araTterotogie. I. 8
114 S)ic ndd^ften Sfflifdfeungen.
tung auf biefen ober jenen gu fd^liefeen l^aben, unb eine
flteid^e Ungemifel^eit tritt ein, too Sleu^erungen ber heftig-
feit ebenfo gut fanguinifc^em ober d^olerifd^em aU anä^
matifc^em 3:^enH)erament entftammen !önnen. 3^kf)tn t&it
l^ierau^ gunäd^ft bie SEBarnung, niematö nai) 3SBa[;rnel^s
«tung gang toer ein jelter 3üge ein abfd^liefecnbe^ Urtl^ett
faden ju njotten, fo werben fid^ in ben meiften gäEen bei fort-
gelegter 33eobad^tung giemlici^ leidet fidlere Kriterien l^erau§=
fteHen. 6^ njirb j. 35. nid^t lange gefragt derben, innere
l^alb it^eld^e^ Sereid^^ jene fieute unterjubringen , bie, in
ber 2Beife be^ StnÄmatifer^ a unb b ober be^ ^an^nx-
nifer^, bei unbebeutenben Uebelftänben l^eftig auftt)allen
unb l^ernad} bei gewaltigem ©d^merj eine beU)unberung^=
ioürbige Raffung (tjerftel^t fid^: ioo^l ju unterfd^eiben t)on
anämatifc^em ©tumipffinn unter gleid^en a3erl;ältniffen) be-
l;aut)ten? eg finb bie^ ber Siegel nac^ meland^olifd^e SKnä-
matifer toon ber gorm c, ober, ioenn ba§ nid^t, entioeber
d;olerifd^e ober ^)l^legmatifd^e SKetand^olifer (aber tt)eber
ttteland^olifd^e ßl^olerüer nod^ meland^olifd^e 5ßl^legmatifer
— jene^ nid^t, h>eil fie fonft nic^t ru^ig bleiben, biefe^
nid^t, tt)eit fie fonft nid^t ton Äleinigfeiten mürben ftarf
affidrt tüerben). 2Ba^ aber t)on biefen breien? ba§ loirb
im gegebenen gaH atterbing^ befto fd^merer au^jumad^en
fein, je mel^r eine franf^afte Steigerung ber S)t?gfolie jeit=
meilig ben fonft ^l^legmatifd^en bem ßl^olerifd^en ä^nlid^
mad^en fann , unb je mel^r e^ ef ceiptioneEen ©rf d^einungen
beijujÄl^len ift, loenn ber ßj^olerifer aud; in ©elbftbe^
^errfd^ung ejceHirt, ioeil baju immer au6) ein beträc^t^
lic^eö ^ßrätoaliren beg S^teHect^ erforberlid^ ift. ®a^ bie
Don biefem abl^ängige gä^ig!eit be^ Seftimmtmerben^ burd^
abftracte 3Rotit)e nidjt auc^ attemal bei Äleinigfeiten, ioo
e^ bod^ leidster fd^eint, jur 3lctualität ioirb, läfet fic^ fo
erHdren: ber in fid^ ftarfe unb gugleid^ feiner ©tärfe fic^
bemühte ©J^arolter l^ält e^ nid^t aEemal ber 3Rül^e toerti^^
gegen bie „Keinen Seiben" in Sieaction ju treten; — er
Icifet fid^ j. 33. gelten, \t>o er bom SKu^brud^ feiner ipeftig-
Sd^Iu^. ©etntfd^te @tfd^einungen auS jtoeifel^aften ©ebteten. 115
feit feine ©efa^r für anbete fielet, ober gar l^offen tann,
mit einem energifd[^en 3Wacl^tlt)ort unter SKi^ftänben aufgu=
räumen ; lüäl^renb er ju einem 3Wufier ber ©ebulb iperben
tann, \t>o er fid^ etma Äranfen gegenüber beflnbet, ipeld^e
ber ©d^onung bebürfen, — unb ebenfo jic^ „gufammen^
nimmt", feine ganje 2Biberftanb^!raft aufbietet, mo er e§
mit Seiben ju tf)nn f)at, gegen meldte ben Äam^)f aufgu=
nehmen nid^t „unter feiner SBürbe" ift ; bann fann er fid;
mittete feinet 3»nteIIect5 fo iDottftänbig über allen Sammer
erl^eben, bafe er für Mt, gleid(^gültig, ja für leid^tfinnig
gehalten toirb.
©er ^)l^legmatifd^e 3Weland^oItfer — ba^ bebarf nid^t
erft be§ 35eU)eife^ — ift gerabe in fold^en gäHen red^t in
feinem Esse, ioo e^ gilt, gegen ba^ ©d^merfte fid^ aufju^
raffen: er iDoHenb^ lüirb e^ mit einer ©rfolg tjerbürgenben
©id^erl^eit unb Äräftigfeit tl^un — il^n ftem^)elte ja bie
^Jiatur inm „ß^arafter ber ©r^abenl^eit" —
who is
As one, in suffering all, that suffers nothing.
,, Hamlet'', ÜI, 2.
@§ änbert nid^t^ an biefen ©rfd^einungen, menn bie
„©emüt^^rul^e" babei toon frommem ©otttoertrauen getrau
gen fd^eint; benn aiiä) folcl^e;^ läfet fidb nid^t auf jeben
©tamm :t)fro|)fen, unb loo e§ ijorl^anben ift, loirb e^ nadti
ber gegebenen 33afi§ be^ av^po7co(; ^'jyii>i6(; ben lieben
(Sott aud^ nid^t aEemal mit jeber 83agatettfad^e bel^eEigen,
fonbern fold^e mit ben ioeltlid^en SBaffen eine^ gefunben
3orne^ fid^ t)om Seibe l^alten unb bie 3lnrufung l^öl^ern
a3eiftanbe§ für bie loirflid^ grofee S'iotl^ fid^ auff^)aren. SRur
eine anämatifc^e SSetfd^njefter mirb aud^ il^re Sefd^ioerben
über i^ol^e Äaffee^)reife t)or ben ^immetetl^ron bringen, um
„angebrad^ter=" unb t)erbientennafeen mit einem help your-
self — aide-toi et le ciel t'aidera abfd^lägig befd^ieben
ju ioerben.
Sin biefer ©teEe fei benn enblid^ aud^ nod^ eine^ 2lb=
toegg gebaut, auf toeld^en gar leicht jene ©emüt^ser::
8*
116 Sie ndcfeftcn SWifiJfeungcn.
h)ei(^ung gcrätl^, bie fic^ burd^ ein befonber^ ftarfe^ Ver-
langen nad^ „Sebauerttoerben" funbgibt. ©^ ift barin ein
©eitenpüd ju ber obenbejeid^neten 5Berirrung ber ©entt=
ntcntalit&t gegeben, il^r aud^ äl^nlid^ in beut SQBiberftreit
oefferer unb unebler ©trebungen. 3^ ®runbe liegt ein
Siebeöbebürfnife , meld^eS aber in eine falfd^e ©d^lufefette
fid^ ^erjlridt unb fo ©^m!()tom unb ©ad^e bertoed^felt, fic^
felber ein Slmtutl^^geugnife au^jleHenb in ber Unfä^igfeit,
bie im S^tnem nod^ berfd^Ioffene Siebe genjal^r gu toerben.
Sear mit feiner anfänglid^en Ungered^tigfeit gegen 6or=
belia fte^t auf biefer ©tufe, U)o, toenn nid^t SBunber, fo
bod^ 3^1^^^ begehrt werben t>on einem ungläubigen @e=
fd^Iec^t, bag mx boc^ Jeine^megö für ein fc^Ied^tl^tn
egoifttfd^e^ anfe^en bürfen; e§ tt>iU nur bie Siebe, toelc^e
e§ aU aWitleib in fid^ l^egt, aud^ in ber gorm be5 aRit=
leib^, in SBorten unb Sffierfen be^ SKitleib^, gegen fid^
felber bet^ätigt fel;en, unb mo e^ ba^ toermi^t, ftagt e§
über ^erjlofigfeit unb mirb felber graufam — - forbert
unglaublid^ toiel ©ebulb unb übt felber nur iDenig —
spannt bie frembe auf bie golter, inbem e^ beftänbig neue
groben Verlangt — unb jule|t toenbet eg fid^ in feiner
SJerbiffenl^eit fd^ier mit bo^^after Oraufamfeit gerabe gegen
bie bargebrad^te Siebe, mi^braud^t fie nic^t nur burd^
Uebermafe in ben Stnf^jrüd^en, fonbem alö SBaffe felbft
jur aSerUJunbung — ift gleid^mütl^ig ober gar freunblid^
gegen ©leic^gültige, aber lol^nt — h)ie in teuflifd^er Suft
an ber bamit bereiteten Qual ~ martemb ba^ entgegen^
fommenbe Vertrauen unbebingt fid^ ^ingebenber Siebe,
©ine berartige Oraufamfeit ^at il^re ©träfe freiließ birect
in fid^ felber, in immer größerer SSereinfamung unb
biefer folgenber ftummer ©elbftanflage — auc^ in ben
2^äufd^ungen, meldte fie t>om l^eud^lerif d^en Slu^beuten
il^rer ©d^iüäd^e erfäl^rt, menn fie il^r Vertrauen an 3la-
turen U)ie ßorbelia'^ ©d^meftem meggetoorfen. S)ie biefer
©l^arafteräufeerung in^ärirenbe Saunenl^aftigfeit gibt i^r
einen entfc^ieben l^^))od^onbrifd^en änftrid^: pe mad^t ba^
6(i&lu^. ©cmiWte ©rfd^einungen au§ jtücifell^aften ©cbieten. 117
©ingel^en auf i^re ßaipricen jum einjigen SKafeftab frember
Siebe, ftöfet fd^on baburd^ ade felbftänbigen, nid^t jlla^ifd^
gearteten Oemüt^er, U)eld^e jebe galfc^l^eit toerfc^mdl^en,
i)on fid^ jurüdE — affectirt eigene^ Setben, bIo5 um bie
Siebenben ju ipeinigen, unb um, lüenn bieg Sßerfal^ren t)iel=
leidet einmal burd^fc^aut, alfo aud^ gegen lüirÄid^e^ Seiben
ber ©utmütl^igfte mi^trauifc^ gemorben ift, in fd^neibenber
Ungered^tigfeit fid^ über angeblid^en aJiangel an Siebe
bef lagen ju fönnen, ja lt)ol gar, um ben Siebenben ben
©tad^el beg ©etoiffen^ ein jubol^ren : fte l^ätten fid^ aU bie
§au:t)tfd^ulb am Seiben beg untoürbig ©eliebten anjuflagen.
— 2Bir fd^ilbem l^iermit feine^toegg ganj finguläre göHe
(i^re bid^terifd^e ällgemeingültigfeit mag ^can ^jJaul toer^
treten mit feinem ^apitd i)om „©d^mottgeift" in ben
„glegeljal^ren'O/ finb im ©egentl^eil überzeugt, bafe bie
reine, mel^r nur am förj)erlid^en ©d^merj il^rer D^)fer fic^
toeibenbe So^l^eit feltener ba^ gleid^e Slaffinement erreid^t,
alg biefe, beren 2^orturinftrumente geiftige ©d^merjen 'ocx^
urfac^en. S)od^ tl^eilt le^tere mit bem getoöl^nlid^en 2Bü=
t^erid^ ober bem 2^^ierquäler ben Äi|el ber 3Jlitemj)fin=
bung beg anbern bereiteten ©d^merje^. SBer nid^t iüeife,
it>ie bem ju 9Wutl^e ift, tt)elc^en ba^ SSerfanntiDerben fei^:
ner Siebe quält, ber fann gar nid^t auf ben ©infatt Jom=
men, anbern biefe Qual bereiten ju moHen — unb ju=
meilen mag e^ bie eigene ©emiffen^angft fein, ma^ an=
treibt, ^Un folc^e in fremben ©emütl^ern ]^eraufjube=
fd^toören — ja e^ ift benfbar, bafe bie üual be^ 3Wit^
leib^ mit anbern anf^)ornt, auc^ fid^ f eiber jum ©egern
ftanbe fremben aJiitleib^ ju mad^en. ©e^^alb fagten it)ir:
e^ befielet in folc^en Staturen eine 3Wifc^ung t)on bem,
toag bie ©runblage aUe^ ©ittlid^en au^mad^t, mit bem,
mag bem ©ittlid^=®uten am aEertoeiteften entgegengefe^t
ijl — unb biefer S^i^fi^ölt/ i>^n \t>ix anberiDeitig afe eine
ber Urfad^en ber 6l^aralter= unb §altlofigfeit fennen
lernen werben, mac^t auc^ biefe unglüdlic^en SSerblen^
beten jum ©egenftanbe eigener toie frember SSerad^tung.
2)ie SttHJutoHUtätefragc
unb
ba8 3ÄobtftcabtHtät8:probIem»
h SotmuHtung bet fernem Probleme.
aSon ben ©. 1 fg. eingegangenen aSerj)fIicl^tungen I;aben
mir biöl^er faum mel^r aU ber einen genügt, befcrij^tit)
ober conftructit) tjerfal^renb , eine SCnjal^l d^arafterologif c^er
^^änomene gu flafftficiren. @o lüeit burften U)ir bie Db-
jecte linferer Setrad^tung ftiUfd^meigenb aU fe'ftfte^enbe,
conftante be^anbeln. S^fet, nad^bem bereite mel^rfad^ bie
9Äitoirfung ber inteHectueHen Functionen bie bifferengiren-
ben 3JierfmaIe l^ergegeben f)at, [teilen mir an einem fünfte,
mo eine Sieil^e neuer Slufgaben i^re Söfung forbert. SBir
f^rad^ert ja ©. 3 nid^t 6Io5 toom Unterfd^iebe jmifd^en
d^arafterologifd^er unb rein gactifc^e^ au^brüdEenber aSer-
menbung eine§ unb beffelben ^ßräbicat^, mir ermähnten
nic^t blo^ (ebenbafelbft) fd^on be^ 9Robificabilität^^)robIem^ :
mir l^aben aud^ fd^on ©. 50 fg. auf ben meta:p^^fifc^=etl^ifd^en
^intergrunb ^ingemiefen, an beffen ^orijonte bie eigent^
Ud^en „Seben^fragen" aller etl^if c^en ^orfd^ung fid^ erließen ;
benn eine SBiffenfd^aft, meiere fid^ felber aU bie Se^re tjon
ben Orunbelementen ber3fnbit)ibualität eingeführt f)at,
iann bod^ aud^ bie Frage nid^t beifeitelaffen nac^ bem
legten principium individuationis, !ann fid^ nid^t be-
rul^igen bei einem fold^en, meld^e^ blo^ eine auf bianoio^:
logifd^em SBege eruirteS^rm ber ©rfd^einung fein foll;
— irgenbmol^er mufe boc^ jene^ 5piu^ gefommen fein, met
d^e^ ben Snbiöibualc^arafter ^hm inm inbitjibueHen mad^t,
gormulirung ber fernem Probleme. 119
jene^ an fid^ reale ®tn)ai^/ tjermöge beffen ber eine auf
biefeg, ber anbere auf jene^ ©runbmottto reagirt, jene^
bie etnjcine S^btoibualität materialiter, nic^t bto^ forma-
liter ®eterminirenbe, baS ben einzelnen ßl^arafter eben ju
einem beftimmten, gegebenen ntad^t. ®enn ift bie 3nbit)i=
bualität blo^e ®rfci^einung^form, fo fann aud^ bie inbi^
\)ibuelle SBerantoortlid^feit nid^t mel^r fein. — 65 l^ei^t
tool beim 5Ketfter: ,,5Ri^t ba^ ©ein, nur bo^ ©ofein f)at
einen Orunb", fobafe man im bianoiologifc^en ®Ieife lüeiter
laufenb fragen möchte: ifl benn überl^au^)t ber äßitte in
feinem Si)ing=an5fici^-f^^"/ ^^^ ^f* ^^^ ^^^^ blo§e§ „©ein"
nur eine Slelation be3 Objecto gum ©ubject, tt)ie ba^ /,®a-
fein", aU Seben, f eiber nur ate eine ^orm be^ ©id^=Db=
jiectoiren^ be^ SBiffen^ be^anbelt UJirb? („S)ie 3BeIt aU
SBitte unb »orflettung", 2. SKufl., 1, 249; 3. Slufl., ©. 259.)
Unb: gel^ört bie Essentia jum Da fein ober jum©ofein?
ifl fie bIo5 ein S^ftanb ober ifi fie eine ©ubftan^ mit
Siccibentien, b. f). ein ^robuct an^ ber Existentia unb
einem materialen ^Iu5 nebft einigen generibus eine^ for-
malen ^lu§ ? ®a5 d^emifd^e ©tement j. S. ^^articipirt (^la-
tonifd^: [jlstsxsO junäd^ft an ber allgemeinen Existentia,
au^erbem l^at eg ein „ fpecifif c^e^ ", biftinguirenbe^ 3lnfic^
unb fd^liefelid^ tim Siei^e accibenteller ©rfd^etnung^formen.
©0 befielet ber 3[«bit)ibuald^ara!ter au§ einem Existens
fd^led^tl^in , an^ einer emigen, fid^ felbfl gleic^bleibenben
©ubftanj unb an^ accibentellen 5Rebenerfd^einungen: ?la=
tionalität u. bgl. SBie aber fielet e5 um bie ^Realität bie=
fer Jlebenerfd^einungen? — finb fte blo5 ©rfc^einung, rein
ipl^änomenaler S'iatur, alfo faum mel^r aU njie ein blo^e^
^pi^antom ? 3ft ber 3Biffe in feinem reinen ©ing-amfid^^f ein
genau jene Substantia, toie fie ©pinoja im ©ingang gu
feiner ®t^il befinirt ober befc^reibt? ift ber aSitte, ber aU
folc^er eben blo5 mill, ol^ne ba§ biefe^ SBolIen mit be-
ftimmtem ^nl^alt gebadet n)irb, ibentifd^ mit jener Sub-
stantia in il^rer inbifferenten Q^bentität mit fid^ ? — Sft ba0
2lttributum ebenbafelbft ba^ aJlotit), fofern e5 ben an Tid^
120 S)ie SntpittaMat&tdfrage unb baS 3Robtfi€abilttät§^toblem.
Iceren Segriff be^ aSBiffen^ erfüttt, — aber erft ganj all?
gemein mit einem SBa^, — unb entf^jrid^t erft ber be-
ftimmte, concrete, t^atfäc^lid^e SQBillengact bem, toa§ (BpU
noja bort 3Robug nennt? — ober, in fürjere ©onfequeng
jufammengejogen : ift ber inteHigible ßi^arafter ber ©ub=:
ftantia, ber em^)irifd^e bem 2lttributum unb bie einzelne
,§anblung bem 9Kobu^ gleid^jufe^en? Slttein — unb ba§
bürfte au6) ^on anbern ©tanbipunften au^ bereite gegen
ben ©t)inoji§mu^ eingeioenbet fein — : fielet baö ©ein, ate
eh)ige5, aufeer^alb ber ßaufalität^rei^e, fo gelten and) bie
aWotitje, atö eine beftimmte gorm ber ßaufalität, ba^ ©ein
aU folc^e^ gar nid^tö an — fie finb nur aJiittel jur ®r-
fenntnife be^ ©ein§. $aben fie benn aber gar lein ^In-
fid^? finb fie blo^ unb ganj ©eburten be^ ^ntettect^?
aSol^er aber fommt bann jum %nfx6) bie gäl^igfeit l^inju,
nic^t blo^ ju fein, fonbern aud^ ju erfd^einen? 5Wufe nid^t
aud^ bem SJorfteffen ein ©orrelat an fid^ entfprec^en? unb
ift nid^t bann bie SBorftellung , toeld^e in il^rem SSeri^dltnijs
ium SBiUen (im engern ©inn, al^ bem inbibibueH er=
füttten SBitten) 3Kotit) Reifet, felber ein S)afeienbe^, ba^
nac^ ©eiten feinet ©ein^ aud^ aufeerl^alb ber 6aufalit&t^=
rei^e, über^auj^t ebenbürtig in gleid^er ©igenftänbigfeit
ndim bem äBoIIenben im 3nbit)ibuum ftel^en müfete? 3ft
ba§ aSorftellen potentiä — mie etioa ©d^inbler mill in
feinem „3Ragifd^e§ ©eifterleben" — nur bie ^Polarität be^
unbeiou^ten SBiffen^, unb erft bie ©in^eit beiber ein in-
bifferente^ &ne^, ba^ meber 3Biffe no^ ^ntettect ift, fom
bem ba^ fd^led^tl^in inbefinirbare 5)ing an ftd^ — jene
res extensa eademque cogitans? — 9Küffen toir fonad^
au^ bem ®ing an fidti, mittete ^jolarifd^en Slu^einanber^
tretend, ebenfo unmittelbar unb urf^rünglic^ (^rimitit)) bie
aSorftettung, ba^ aWotii), l^erleiten loie ben 2BiIIen unb
nid^t erft, toie ©d^o^jenl^auer, jene aU ©ecunbäre^ au0
biefem, — fonbern beibe jufammenfteHen ate gleid^jeitige
Slctualitäten, nad^ ^jolarifd^em ©egenfa^e entfipringenb ber?
felben einen inbifferenten potentiä? Unb liefee fid^ bafür
Sormulirung ber femern Probleme. 121
nid^t nod^ anfüi^ren, ba§ in beiben ©ebicten ^parallel laufenb
fid^ bie ^aare ber ©tünbe correfj)onbirett: auf feiten be^
Sntellectö : ©ein^grunb unb ©rf enntnifegrunb — auf feiten
be^ SBiHen^: ßaufalität unb SRoti^tion? unb über aHem
baS „abfolute", fo toenig blo^ objectitje, toie blo^ fubjec^
tii)e ©ein? — aber auc^ in ben Siegionen unterl^alb be^
ontologifd^en äetl^er^ gibt ©c^oj)enl^auer 3Cn^alt^j)unfte für
ad homineni argumentirenbe ©iniüürfe — j. 33. mo^er
„bie eigenfinnige äu^toa^l" (SEBd^len ift hoä) ein
3Biaenöact) für bie Sefriebigung be^ Oefd^Iec^t^triebe^ ber
3fnbii)ibuen, toenn biefe in ber Sltt :: ©inl^eit be^ Uriüitten^
ju blojsen ^l^änomenen tjerfd^toänben? ober \omn fie il^re
©Eiftenj nur ju fielen tragen t)on ber ©attung unb be-
reu Sbee bie „unmittelbare" Dbjectitjation be^ äBiUen^
fein foH, mie fönnen bann au^ biefer Äette (— mit ben
au^geftorbenen ©attungen — ) einzelne ©lieber aufgefallen
fein, o^ne ben ganjen 3«fa»itti^nl&alt be^ ©rfd^einenben, fomit
bie aSelt felber, aufjul^eben? SBoIIenb^ aber t)ern)i(lelt bie
5)arftettung be^ fic^ tjemeinenben 2BiIIen^ in tine 9leil^e
fol^er 3Biberf))rüci^e; loenn e^ j. 35. „®ie 3Belt afe aBiffe
unb SSorftettung", 2. äufl., I, 431; 3. Stuf!., ©• 451,
l^eifet: t^ bleibe im Slfceten nod^ dne „Slnlage jumSBollen"
befielen, ba eö beim 5)ing an fid^ boc^ l^eifeen mu§: aut
omne aut nihil — unb biefer 3left tonne nod^ toieber
„aufgeregt" ioerben burd^ 3ilotioe, ja burc^ baö „©ebeil^en
be^ £eibe§ nm belebt" — überl^au^^t empfange ber aSiUe
Sial^rung au^ ber Sefriebigung (ebenbaf., ©. 439; 3. Slufl.,
©. 460). — 25Bie fott überhaupt ber SBitte ate 2Befen
an fid^ burd^ bie ®rfd^einung nod^ ein fd^ioad^e^
©afein l^aben (ebenbaf., ©. 432; 3. 2lufl., ©. 452)? —
ift bod^ bie ©rfd^einung umgefe^rt nur burd^ baS S)ing an
fid^ als baS ©rfd^einenbe. .Kurj: bie ß^arafterologie l^at
an einer allgemeinen ©rörterung beS SSer^ältniffeS gtt)i=
fd^en aOSiffe unb SKotib biejenige SBorauSf e|ung , toeld^e
man ate ^rolegomena gu einer aBiffenfd^aft ju bejeic^nen
122 S)te SmputabUitdtöfrage unb bad aRobiftcaMHt&tSproblem.
©0 befennm toix un^ überi^amjt anl^eifc^ig, unfere ganje
3Wetl^obe einer ©elbftj)rüfung ju unter jie^en ; benn an6) bie
e^arafterologie l^at, toie jebe anbere ip^ilofopl^ifd^e S)iö=
cbplm, bem fritifc^en ©etoiffen ©enüge ju leiften unb fid^
tt)ie anbem Sied^enfc^aft ju geben über ben Orab ber 3"-
ijerläffigfeit i^rer ©rgebniffe. tiefer c^jologetifd^rfritifd^e
Slbfci^nitt aber jerfättt, na6f ben il^n bel^errfd^enben ®e-
fic^tö^junften, tjon felber in itm %f}dk, beren gemeinfamer
Sioed ift, baö ©ffentielle ^om ^phänomenalen, fon)eit
irgenb tl^unlic^, ftar unb befttmmt gu fonbem. ©elbfl-
^erftänblid^ nehmen hierbei bie ^agen nad^ bem rein
etl^ifd^enG^arafterfern ba^ l^öd^fte, n)enngteic^ nid^t bag
au^fd^Ue^Ud^e Sntereffe in 3lnfj)rud^. — Ratten mir oben
t)on ben eckten bie uned^ten J^emiperamente ju fonbern unb
unfere 5Dlet^obe ber Slu^fd^eibung ju red^tfertigen, fo loer-
ben n)ir je^t an ©teilen gelangen, too genuine „^ugenben"
i)or ber Serioed^felung mit i^ren Slfterbilbern ju ftd^ern
finb. Unb bamit un^ bieö gelingen fönne, finb ^bm jmei
SQBege einjuf erlagen: auf ben einen fü^rt nn^ bie ^oppth
frage: toeld^e Sebingungen muffen erfüllt fein, bamit ioir
eine gegebene ^anblung i^rem Url^eber o^ne ©infd^ränfung
anred^nen fönnen, unb : toie ift eine berartige ®infd^ränfung
tjorlommenbenfatt^ in 2lbjug ju bringen, um eine^ fidlem
d^arafterologifd^en gacit^ einigermaßen getoiß ju werben?
auf bem anbem muffen toir bem ^icU entgegengehen, bai
S)auembe tjom SBed^felnben, ba^ fd^led^tl^in ßonftante bom
SBariabeln trennen ju fönnen. — 3Wit anbem SQSorten: bie
©. 3 gegebene S^fage, bem ßriminaliften n)ie bem 5ßä'
bagogen bie 5ßrolegomena il^rer ref^). gac^toiffenfd^aften
JU Uefem, !ann bie ©^arafterologie nur einl&fen, inbem
fie \encm bie ^mpntahilit&U^xaQ^, biefem ba^ 5Ko =
bificabilität^^roblem au^einanberfe^t ^eitid^ ift
feinem \>on beiben einfeitig mit biefem ober jenem gebient:
ber ®rjiel^er mufe ebenfo gut miffen, ob feine „3«ci&t" fid^
auc^ toirflic^ bloö gegen jured^enbare 3lcte rid^tet, \t>k e^
ben ßriminaliften bei geftfieHung be!§ SRafee^ unb bei Slu^s
^omulirung ber fernem Probleme. 123
tocä)l ber gorm ber ©träfe angelet, ob feine ©trafmittel
geeignet finb, mirflid^ blo^ auf mobtficable ^Jactoren im
Sträfling einsutt)irfen; benn anbemfaffj^ finb fie, foiDeit
nid^t babei bie OefeUfc^aft mit ttnfd^ftblid^mac^en il^re
©elbfierl^altung bejlüedt, finnlo^, alfo toenigfien^ unbe^^
red^tigt, n)enn nid^t gar jVüedtlo^ graufam; — ein blojjer
5Rad^eact, ber mit bem Segriff ber „©ü^ne" nur ben ©d^ein
ber ©erec^tigfeit gen)innen fann.*)
Slngeftd^t^ nun eine^ fo toeiten gelbem ber ©i^cuffion,
muB es mir jur befonbern Serul^igung gereid^en, ben lueit:
au§ größten Xi)dl ber 3lrbeit bereite getl^an ju toiffen, ba
ja mit befonberer, fogar monogra^j^if c^er , Sluöfül^tHc^feit
©d^o^jenl^auer felber gerabe biefe S)inge grünbtic^ft erörtert
l^at. 3Benn ic^ mid^ bennoc^ nid^t begnüge , mit dn paat
©taten bie ganje Saft auf bie SHefenfd^uCtern feinet (Sei^
{ie§ ju toäljen, fo laffe id^ mid^ t)on ber ipoffnung leiten,
©riftuterungen jener 2lrt bieten ju fönnen, toeld^e il^ren
5BBertl^ barin l^aben, ba§ Slnfel^en frember ©ebanfen ju
förbern, inbem fie jeigen, n)ie biefe auf bem 5)urd^gange
burc^ einen anbem ate i^re^ Url^eber^ Äo))f an ©ntf^iebem
l^eit nid)t^, eingebüßt l^aben. Unb Weil \t>ix ^ier an ein^
ber ®rat)itationlcentren be^ ganjen ©^ftemö l^erangetreten
finb, fo mag aud^ ^ier dn SBort über ba^ SBerl^ältnife
meiner ju feiner 2lrbeit nod^ nad^trägtid^ feine ©teile fln-
*) (So ijl ein überaus intereffanter Söcleg für bie Slid^tigfeit biefer
unfcrer 3ujamincnflcffung bc8 (Sriminalijlen mit bem ^abttgogen, baß
ncuerbing« gur ^Reform be« @trafrcd^tö ^orfd^lSgc gcmad^t finb, be*
reit ^tgentlj^ümücl^feit barin befielet, bad $rtnci)) ber (Sd^ut^ud^t auf
ba« ©traföerfal&ren gu übertragen , toeld^e« ber (Staat, qua SD^anbatar
ber ®efel][f(i^aft, gu l^anbl^aben l^at. 3luf 2)erartigem berul^en fo ^ut
bie Steuerungen in ©nglanb — zeitweilige @ntlaffung ber @trHflinge
n. bg(. — toie bie 2:^efen eine« SBonnet)iIIe be SWarfangt? (man ögJ.
Sel^mann*« „ 2»agaain für bie Literatur be« ausraube« ", 1865, 9lr. 10),
mel^e ^nwenbung t>on ^erweifen, Verwarnungen, äJüIberung auf
®runb eine« abgelegten ©efläubniffe« forbern unb in«befonbere ba«
^^3räbentit)e am 3^^^ ber ©träfe unb i^rer 3(nbro^ung betonen.
124 3)ie Smputabilitdtöfrage unb baS 9RobififtibUitAtöproblem.
ben. — 6^ toirb baburd^ iH^^^ mott^itt, marum btöl^^cr
toie femerl^in nur bann bic einfd^lagenben ©ft|e au^ feinen
aSBerlen angefül^rt finb, toenn eö enttoeber auf ben 3Bort'
laut anfommt ober bie ©infügung feiner Segriffe in ben
wn mir innegel^altenen Oebanfengang bie 3lad^tt)eifung
beftimmter 3lnfnäj)fung«!|)unfte ju erforbern fd^eint. 9?ur
anlel^nenb unb gru))iptrenb, faum l^in unb lieber ergänz
jenb, fann fid^ in bem d^arafterologifd^en 2^^eil be§ ©^^
ftem^ meine Seiftung ntben bie feine ftellen. 3)enn foll eg
au6) nid^t beftritten lt)erben, baJ5 e^ an bem imj)ofanten
©ebäube feiner Seigre ©eiten gibt, too ein il^n „ju ®nbe
benfenber Slad^fotger" ben „Slu^bau" burd^ ®rrid^tung t)on
glügeln toirb gu befd^affen l^aben, fo ipiH bod^ mein gegen=
n)firtige§ J^l^un nur mit bem ©efc^äft eine§ Slrd^iteften
öerglid^en werben , ber an einem f eflen, ebenf o U)o^Igegrün=
beten ipie tool^lgeglieberten, ftattlic^en unb bielumfaffenben
33au mit reid^gefüHten ©d^a|fammern, l^ier unb ba bie
Slufeenmauem, Sinnentoänbe unb f^ufeböben burd^brid^t,
um mel^r ?5^nfter, 2:^üren unb Xxeppm anzubringen, ba=
mit nid^t nur ba^ Interieur nod^ l^eller, fonbem aud^ ber
birecte S^^gang t)on einem Slaum unb \>on einem ©tocftoerf
in^ anbere nod^ leidster unb bequemer n)erbe. Unb Wenn
man babei nic^t toirb uml^in fönnen, an ©teilen für eine
nmc SJecoration gu forgen, fo toitt id^ mir mit allem
®rnfte ber SBerantmortlid^feit ben)u§t bleiben, meldte t)er=
bietet, ben ®eift beö Orünber^ burc^ @ntfteffungen ober
„SBerfc^limmbefferungen" feinet fo großartigen 5ßlane§ gu
tjerunel^ren.
SJemgemäfe barf id^ mic^ benn fogleid^ bem Slnfinnen
miberfe^en, etioa feine gange Darlegung ber aug ber „Slfei=
tat" be^ SBiEen^ erioad^fenben ©elbfttoerantmortlid^feit re=
pxVtudxcn, too nid^t gar mit ))olemifirenben ^to^äftn-
bemerJungen begleiten gu fotten. SJaö toürbe nur l^ei^en,
bie gange Setrad^tung auf ba^ rein etl^ifc^e ©ebiet ^inüber=
f^ielen. SSielmel^r l^at e^ bie ©l^arafterologie am 3m^)u=
tabilität^^jrobler» nur mit ber ©eite gu tl^un, nad^ ioeld^er
2)te ^[mputabilitdtgfrage t). etl^tfc^. u. (i^araItero(og.6tanbpunft. 125
f)in bie ^age in engerer gaffung fo lautet: toelc^e Btfvxp'
tonte finb für an fld^ ju^erlftfpge, toeCd^e für trüglid^e
©l^arafterjeid^en ju l^alten, unb toie flnb auc^ bie Ie|tern
eth)a noä) d^arafterologifc^ ju berioertl^en? ®3 ift bamit
bie 3m))utabilität§frage jugleid^ in ben innigflen 3«fö^iiwen-
^ang mit ber aWobificabiUtftt^frage gebrad^t — ju biefer
getoiffermofeen atö eine SSorfrage l^inüberleitenb — unb
weil biefe jic^ l^ier iDorbrÄngte, fein toeitereö ^inauj^fd^ieben
geftattenb.
2. Sie 3iit)iittabilttötdfrage bom etl^if^eit nttb nom ^a=
raftetologtf^en @tattb)iitttlt
©etoiffemtafeen i)at ber ©ti^ifer (unb ©trafrid^ter) e^
leidster, über bie 3mj)utabilität einer gerabe tjorliegenben
^anblung ju befinben, aU toie ber G^arafterolog; benn
jener fragt nur nac^ ©d^ulb (ober ©trafbarfeit), nid^t
nad^ bem ju Orunbe üegenben, bielleid^t über jebe ©d^ulb
unb ©trafbarfeit l^inau^gerüdtten SBefen. @S ift aber nid^t
fd^toer, für bie ©d^ulbfrage (in biefent, nid^t in bem ^or
ber 3ur^ t)orfommenben ©inne) einen fidlem Äanon ju
gewinnen; benn alle ©d^ulb l^at il^r Gorrelat an mimi
burd^ fie toerurfad^ten Seiben, unb beibe fe|en Setoujgt^
fein ^orau^. ©o barf ber ®tl^ifer unb ©riminalift un=
bebenf lid^ ben ©a| jur 3Kd^tfd^nur feinet Urt^eite nehmen :
ioer nid^t loeife toa^ er tl^ut, loill aud^ nid^t \oa^ er t^ut
— benn i^n gel^t nur ber felbftbehjüfetgetoorbene
SBßille an. Slnber^ ber ßl^arafterolog ! ber toeife unb barf
nie t)ergeffen, bafe e§ für il^n eine Umfe^rung jene^ ©a|e^
gibt, nftmlid^ biefe: 3Wand^er toill ebm tva^ er nid^t tl^ut,
unb tl^ut voa§ er nid^t miff — ba^ ©elbftbelou^tfein gerabe
ift e^, loelc^e^ einen fold^en in ben ©tanb fe|t, bie malere
9latur feinet aSiffen^ ju verleugnen — unb biefe tritt mit
naiver Slufrid^tigfeit allein in jenen unbevoufeten ober nur
mit l^albem Seloufetfein vottfü^rten ^l^aten ju 5Cage, loeld^e
126 S)ie 3mputabilität§frage unb t>a§ 2RobificabiKtätaproblem.
aU fold^e \>ot bem gorum be:^ et^ifd^eu Seurtl^eiler^ an
3ureci^enbar!eit lüenigften^ eingebüßt l^aben. S)ie2lffect=
l^anblungen (fomie S^l^aten ber Unmünbigen, ,,®eifte^=
f raufen", 33erauf d^ten , ©d^laftrunfenen u. f. f.) alfo finb
e^ t)or allem, bie bem ß^arqfterologen fo grofee ©d^toierig^
feiten bereiten, tt)äl^renb bem ©tl^ifer al^balb einleuchtet,
bafe bei il^nen mit ber „inteHectuetten greil^eit" aud^ bie
3uftänbigfeit berfelben tjor feinem S^ribunal minbeften^
eingefc^ränft, lüenn nid^t toöttig aufgel^oben ift. ?lur ge^^
fteigert, uic^t geminbert, toirb biefe ©(^U)ierigfeit baburd^,
ba§ e^ aud^ für ben ßl^arafterotogen gäHe genug gibt,
tüo er ju unterfd^eiben l^at, ob ein blo^ factifd^er SSorgang
ober ein beabfidjtigte^ SBirfen torliegt; alfo aud^ er feiner-
f eit^ ju fragen l^at , ob ba§ auf ein gegebene^ %^nn birect
ober inbirect erfolgenbe Seiben mit Seiüufetfein gelüollt ift
ober o^ne torl^ergegangene^ SBiffen beffen, hjeld^er e^ ^er^
beifül^rt, fid^ einfteHt — nur unter jener 5Borau^fe|ung
fj)rid^t ba^ etl^ifd^e S3erbict fein ©d^ulbig! — unb nur
unter jener SBebingung erfennt bie ß^arafterologie bem Ur=
^eber foldjen Seiben^, ber al^bann „l^anbelnb" barf ge-
nannt loerben (loie benn aud^ ba^ SBort „^^l^at^anblung"
in biefem ©inne gefaxt nid^t^ njeniger aU eine leere Xan^
tologie ift), bie etl^ifd^e Dualität be^ 3Witleib^ ab, refip.
bie ber ©raufamfeit pu 3Wan fielet j. S. ein Äinb einer
lebenbigen gliege bie Seine unb ^lügel au^juj)fen — unb
ein 3fiigorift loirb fofort bamit bei ber §anb fein, barau^
auf eine ju SBo^l^eit neigenbe ©emütl^^art ju fd^Uefeen —
unb bod^ tarn e^ ein ganj gebanfenlofe^ ©J)iel fein, bei
n^eld^em bem Äinbe nid^t t)on fern bie SSorfteUung auf=
fteigt, iDie e§ bamit einem entpfinbenben SBefen ©d^merj
bereite — e^ ipürbe ebenfo gern eine gemalte fliege jer=
!pftüÄen, benn e^ fud^t nur Srftt)ertreib, unb eg mad^til^m
etma benfelben ©i)aB, toie \omn e^ an ben gäben feinet
^am:|3elmann^ iki)t ©o l^at ja aud^ ein Äinb nod^ feine
ä?orfteHung t>on ber Setrübnife, meldte e^ mit feinem ®igen=
finn unb UngeJ^orfam ben 3leltern bereitet, unb e^ bleibt
S)ie ^ImputabilitdtSfrage t). etl^ifi^. u. d^ara!tetoIo9«@tanbpunft. 127
bie Hoffnung, bafe biefc^ Setüufetfein cinft ju einem ben
©igentoillen übern)inbenben ^JloÜo tt)erbe; (iüieiool e^, ju=
mal in ber Uebergang^^jeriobe beö erft eriüad^enben S9e-
toufetfeinö, fel^r fd^n)er fein fann, ju erfennen, auf meldten
ßl^arafterqualitäten eö bei einem Äinbe beruht, toenn
baffelbe beim aSorl^alten feiner Unarten flcl^ nic^t betrübt
ober befc^ämt, fonbern l^öd^ften^ einen äugenblid berftimmt
ober toerbriefeüd^ jeigt; ob in^befonbere babei fc^on SKit«
leiblofigfeit mit bem ©d^merje, meldten e^ anbern bereitet,
ba^ ©ntfd^eibenbe fei, ober gar fc^on Äeime beffen barin
fid^ funbtl^un, loa^ bie Se^re bom ©elbftgefül^I al^ ©d^am=
lofigfeit fd^limmfter SIrt ju betrad^ten ^aben loirb — ober
ob fold^e ©leid^gültigfeit rein nur auf ba^ UnentioidEelt-
fein be^ ^nteaectö jurüdgefü^rt merben bürfe). &\t)a^
ganj anbere^ ift ba^ abfid^tlid^e ©innen ber So^i^eit bar=
auf, tüie fie einem red^t toe^e t^un, i^m föt()erlic^en ©d^merj
ober Äränfung gufügen Unm, bie 2BoIIuft ber ©rauf am-
feit, bie fidb loeibet am ^ndm eine^ fremben ^erjen^. —
Unb fel^lt e^ etma an Slnalogien ju jenem unbeabfic^tigten
©c^merjbereiten im Seben ber ©rloac^fenen? ®§ tritt jemanb
arglos in ein i^m befannte^ ^an^ unb framt feinen
frifd^eften SSorrati^ bon ©tabtneuigfeiten an^ — fd^neibet
aber mit jebem feiner Sffiorte al^nungSlo^ feinen gw^örern
iu)^ aufgeriffene ^erj: er ioeife nid^t ober benft in biefem
SlugenblidE nid^t baran, bafe feine objectiije ®rjäl^Iung, bie
fic^ tjieHeid^t aU Äunfttoerf rühmen bürfte, ein ^Jleifterftüd
bid^terifd^er Ironie ober „föftlid^ften ipumorö" gu fein, ben
greunben an^ blofegelegte gleifd^ Steift, fei e^ meil ber
ipelb berfelben ein na^er Angehöriger ift, fei eg loeil fid^
in beren eigener gamilie eine ganj äl^nlid^e 2^ragöbie ju-
getragen ^at, bie f d^onfamere 9Jlittl^eiIung be^ neuen ©eiten^^
ftüd^ berlangen bürfte. ®ie geloä^tten 35eifpiele laffen
fid^ notürlid^ unmittelbar aud^ für bie SKobificabilität^frage
bertoertl^en; benn tomn fjjäter ba^ ßinb jur ©infid^t bon
ber 2Birfung feinet ^^un^ gelangt fein unb, ioeil £uft an
2i^ierquälerei nic^t „in feiner 3?atur" liegt, auf fo etloa^
128 S)ie 3mputabUitdt«ftage unb baS a»obificabUität8ptobtem.
nid^t toiebcr betroffen U)irb, fo ift e^ an ftd^ fo toenig
beffet getoorben, afö ber ewä^nte SRebfelige, tomn er,
burc^ eine i^n felber betrübenbe SBal^mel^mung i)on ber
SBirfung feinet %i}nn^ g^^ifeigt, l^infort ju größerer Sorftd^t
gemal^nt bUibt, bafe er fid^ l^üte, ,,im $aufe beö ©e^ängten
t)om ©tride ju reben". ®ö mirb ftd^ aber unfd^lDer bar=
t^un laffen, bafe eine ganje SReil^e angeblid^er Selege für
bie „tjerebelnbe" 2Bir!ung ber Silbung, in specie beö Wlto^
rattfiren^, auf eine bem 2lngefül^rten gteid^artige SBedtung
be^ f,S^xtQß^üf)W ju rebuciren ift. ®Uxä)tt>ol toerben
n)ir an feinem Drte erf ennen, baß auc^ bie anläge jum
fojufagen inftinctit)en Xattt in berfd^iebenen ®raben „an-^
geboren" ift. — SJBer alfo j. SB. gern feiner inteffectueHen
©uj)eriorität über einen anbern in Dledereien fid^ "on-
getoiffert unb babei me^er t^ut, aU er eigentCid^ toitt, ift
bemnad^ ntd^t gänjlid^ jfreijuf^jred^en ; benn loenn nid^t
So^^eit, fo tjerrät^ er ii^enigften^ egoiftifd^e ©elbfigefäffig=
feit, unb ein ganj „unfd^ulbige^ SBergnügen" lüar e^ immer
nid^t, lüa^ er fld^ bamit tjeranftaltete; nur bagegen barf
er fid^ ijertoa^ren, baß ber ®rab feiner ©d^ulb einfeitig
nad^ bem 5Dlafe ber babur^ bereiteten ©d^merjen beftimmt
toerbe — ift bod^ bie^ 3Wafe aud^ abl^ftngig toon ber @m=
^jfänglid^feit beg cüoa t)on il^m ©enedEten, alfo bä gleid^em
Orabe fubjectitjer SBertoerflid^feit ober ©ntfd^ulbbarfeit ob=
jectit) möglid^erioeife ein äußerfi toerfc^iebene^. — §ier alfo
finben fid^ ©tl^üer unb G^arafterolog in t)ölKger tteber^
einftimmung miteinanber.
3. Sortfe^ung. 3)er Sm^itttaliUttiitdftage unb beut äRobu
ftcabUttSt«)iroblem gemeütfame Gebiete.
eg gibt geiüiffe relativ rafc^ t)orübergel^enbe 3Serftn=
berungen in ber gunctionirung^loeife junäc^fi beg Sntettectj^,
toeld^e bei ®rh)ägung ber 3mj)utabilität^frage bon un=
mittelbarem, für ba^ SWobificabilität^^roblem aber ioenigflen^
3ure(i&enbarfett bet Stäume. 129
t)on mittelbarem S^tereffe finb unb infofem einem beiben
fragen gemeinfamen S^ettain angel^fören. Seratt finb ber
Siaufd^, bie 2Bitfungen ffimmtlid^er 5Rarfoti!a, ^aroj^g^
mm aller 9lrt — fei e§ im gett)öl^nlid^en ^eber, fei e§
af^ Sncibenjipunfte bauember ©eijle^ftörungen — femer
bie 2^raumjufiänbe in ben öerfd^iebenften formen, bie fo=
genannten Slffecte unb enblid^, fd^einbar fd^on ganj auf
bie ©eite be^ SEBillen^ faHenb, bie SBirfungen ber foge=
nannten Stimulantia.
®a§ ©iprid^toort fagt: In vino veritas — ba^ l^aben
fd^on anbere t)or un2 in bem Sinn^ ju einem In somnio
veritas umgeformt, bajs fie bel^auipteten: im SJraume öer=
ratl^e fid^ ung unöerfälfd^t ber eigene ©l^arafter, unb e^
l^at \a fogar 2^^rannen gegeben, toeld^e bie SIräume aU
felbft im juriftifd^en ©inne jured^enbare ^anblungen U^
urtl^eitt tt)iffen tooHten. Qn einem — biöl^er bloö burd^
SSorlefung an bie Deffentlid^feit getretenen — D:t)u§culum
„lieber ben SJraum" l^abe id^ mid^ über biefen ^ßunft eins
gel^enber au§gef:t)rod^en ; l^ier mag jur SSottftftnbigfeit nur
ba§ SBefentlid^e barau^, nebft ©rg&njung burd^ einige
testimonia autorum, aufgenommen werben. 3lu^ ©iefe-
bred^t im 1. §eft feiner „®amarig" bel^anbelt biefe grage
- Sean ^aul ^at bafür in feiner „äeft^etif'', §. 57,
2lnm., bag furje ©d^lagtoort: „3m 3Bad^en t^un tt)ir bag,
tt)a§ toir tooHen; im 2:raume motten toir ba§, toa^ mir
tl^un"; griebri^ Hebbel ein ©ifü^on: „®er ^raum afö
^pro^^et":
SSa« bir begegnen loirb, toie fotttc ber Zxanm bir e« fagen?
2Bae bu t^un »irft, bad geigt er fd^on el^er bir an.
auf bie grage: toa§ jeigen un^ bie träume an? ifl,
gerabe vermöge i^rer ttnbejHmmti^eit, jun&d^ft toenigften^
bie 2lntwort unbeftreitbar rid^tig: toa^ „in m^ ifl", unb
ebenfo unleugbar, baJ3 ba^ 3nbiöibuum im 2:raume reiner
auf fid^ unb feinen innern ©ei^alt geftellt ift aU im SBad^en,
infofem alfo ber 2:raumfel^r geeignet, bie ©elbfterlenntnii
»al^nfen, (SJ^araftetologte. I. 9
130 3)ie SmputabiKtÄtöfroge unb bag SWobificabilitÄtgprobIcTn.
auf i^te elementaren ^actoxm jurüdjufül^ren. ©e^toegen
liefert er ani), tote nid^t leidet ettoaS ^nbereö, »elegefür
ein nn^ felbji oft überrafd^enbeö ©i^gleid^gebliebenfein
unfern gel^eimjlen SBoHen^, 3fm SJraunte feigen wir, toeffen
tt)ir unter Umji&nben fä^ig fein Würben. ®a§ »efd^ämenbe,
tt)aö babei für bie aWenfd^ennatur ju 2;age tritt, l|fat frei=
lid^ fd^on frül^f bie ^p^ilofoipl^en (— toenn id^ mid^ red^t
entfinne, aud^ ben $Iato — ) t)eranla^t, fid^ lebhaft gegen bie
ßonfequenjen ju firftuben, toeld^e axi^ einem SJraume für
ben moralifd^en SSßertl^ beö SJrftumenben fid^ fönnten jiel^en
laffen, unb in ber 2;i^at toirb jeber gar fel^r bereit fein,
fid^ für fittlid^ beffer ju l^alten, aU ba^ ©ipiegelbilb, toch
d^e^ il^m fein Xxaum t)orl^äIt. StIIein man ertoäge nur,
bal3 man im SIraume felbft bi^toeilen nod^ Älarl^eit be^
Setoufetfeinö genug ^at, um fid^ an bie ^tt>d^üf}a^iQtdt
feiner 3m:putabilität ju erinnern unb ftd^ bemgemä^ ju
freuen, i)ielleid^t nid^t t>eranttt)ortIid^ ju fein für Unfitt-
lid^e^, baö ju begel^en man träumenb ein ftarfeö ©elüfie
tragen mag; man bebenfe anbererf eitö , bafe im SBad^en
taufenb 9?üdffid^ten fold^e^ ©elüfte im Qanmt ffolUn (fo=
ba§ eg faum einmal atö leifer SBunfd^ in nn^ jtd^ regen
barf), toeld^e^ im SJraume ganj ungel^inberten ©Spielraum
l^at; fotoie ferner, ba§ in ber SBirHid^feit taufenb ®e=
legenl^eiten unb bamit taufenb SKotit)e nid^t eintreten,
toeld^e ber freitoaltenbe %xanm in leidstem ©ipiele i^erbei-
fül^rt: fo toirb ba§ SRefuItat, toeld^e^ t)on j|eber el^rlid^en
unb jugleid^ grünbli^en ©elbftbeobad^tung beftfttigt tt)irb,
fd^on nid^t mel^r fo ganj iparaboE erfd^einen, 3iur l^üte
man fid^ i)or falfd^er gragfteHung unb bat)or, begleitenbe
®rfd^einungen für bie toefentlid^en unb iprimiti^en anin^
feigen. Se|tere^ aber ift um fo fd^ioerer, al^ im 2^raum
ein t)age^ ^^nefein fomatifd^er 3wftättbe unb ®emütl^§:=
affectionen in ber 3Beife fid^ ineinanber reflectiren, bafe
auf bem SQBege ber (gerabe l^ier beutlid^er atö fonfi i)om
aSillengtoefen mitbeftimmten) 3^eenaffociation för^erlid^e
Störungen in ber fjorm berjenigen aSitten^erregungen bem
3ure(i^enbarfeU Ux %x^m^. 131
33ett)ufet|ein fid^ aufbrängen, bon mlä)m fxe im ti>ü6)m
Suftanbe jutoeiten l^erbeigefül^tt werben, bafe alfo g. SB,
franf^afte Functionen bcr Oattenabfonberung fid^ im Xxaum
in 2lerger erjeugenbe SSorftellungen umfefeen. Unb biefe
©d^toierigfeit 'onbop^dt fid^, toeil ba^ detail bieferf^m-
boUfirenben SSorfteHung^bilber nic^t fotool öon bem fous
beränen SBiUen allein, aU jum großem 2;^eil toon 3"=
fdHigfeiten ausgemalt toirb, toelc^ie an faum latent getoors
benen ©inbrüden unb einem getoiffen, jeber SBiUfüc
entzogenen, SKed^ani^muiS ber aSorfteHungöfette ii^re 3lotf)'
toenbigfeit ^aben. SBenn alfo j. S. ein fe^ualer 9leij fid^
mit inceftuöfen ober abulteriöfen ©cenen umHeibet, fo ift
ber SnteHect babei bem SBitten oft fo toenig „ju SBitten",
bafe biefer fi^ im ©runbe mit 6!el bon bem il^m SSor^^
gegaufelten abtoenbet, alfo für beffen Oeftalt nic^t berant*
n)ortli^ gemalt toerben barf, dagegen !ann folgenbe con=
cretere ©i)ecialifirung ber obftracten gragftettung ju feftern
SRormen fül^ren: laffen fi^ nic^t befiimmte Älaffen felbft-
büttbrad^ter, guter ober böfer 2:i^aten, al^ in ben S^räumen
ber einzelnen ^erfonen tDieberfel^renb auffinben? finb bie^
nid^t immer nur fold^e, gu toü^m ber, bem babon träumt,
aud^ im SBad^en bi^lbeilen 2lnreijungen erfal^ren ober toeld^e
er, toenngleid^ nur in ,,nnbma^tm Slugenbliden", aud^
fd^on einmal ganj ober toenigften^ in conatu au^gefüi^rt
^at? finb nid^t eben fo getoife anbere — bafe ic^ fo fage
— geuera bon 5Cl^aten auögefc^loffen, nämlid^ alle bie,
toeld^e bem (S^arafter aud^ im SBad^en böllig fern liegen?
©oUte ibol jemanb , ber mm grünbli^en 2lbf c^ieu bor ber
£üge l^at, ober bem niemals toad^enb m\ ©elüfte auf=
geftiegen ift, frembe^ ©igenti^um mit Sifi ober Oetoalt an
fic^ ju bringen, im S^raume fid^ je eine grobe Söge, 33e-
trug, ©iebfta^l ober dianb ju ©c|iulben fommen laffen?
aSßoi^l mag im %xauxn unfer SBiUe im ©d^led^ten m paax
Schritte toeiter gelten atö im SEBad^en, beffen SSerl^ältniffe
iJ^mobjectibeSc^ranfenentgegeniberfen; aber ©igenfd^aften,
ibelc^e unferm ßi^arafter gÄnjlid^ fremb finb, tberben aud^
132 S)tc Smputabtlttftilfrage unb baS SWobificabiütdtSprobtem.
im S^raume nid^t an nn^ l^ett)orttcten. Dbcr foHtcn toixt^
lx(S) bie %xlivme einc§ rüdfid^t^lofen ©goiften ober eine^
fd^abenfrol^ett, graufamen SBölfetpeimgetg fid^ nid^t mota=
Kfd^ unterfci^ciben t)on ber SftoHe, njcld^e ein tt)al|frl^aft
Iicbet)oIIer SBoi^Itl^äter ber ^Kenfd^l^eit, ober ein op^ex-
mutl^iger, loirHid^ unintereffirter Vertreter be^ SRed^tö nnb
ber SBai^rl^eit in feinen eigenen S^räumen fipielt?
SBie Wn f eiber reil^t fid^ l^ieran bie weitere ^age:
f)at eö öietteid^t aud^ mit einem In delirio veritas feine
9Kd^tigfeit? ^\t>ax i)at ber ©riminalift nad^ obigem ^a-
non bie§ für feinen SJmt^frei^ unbebenKid^ ju t)erneinen
— aber aud^ nur ber ©ti^tfer unb bollenb^ gar ber 6l^a=
rafterolog? ©^loerli^! — SBa^ ber SBiffe fei, gibt er
am nait)ften in feiner 33Iinbl^eit ju ernennen — Natura
non mentitur. — 2lber bennod^ ftettt fid^ bie ^age ^ttoa^
anber^ unb toeniger einfad^ auf ben ©tufen, too öon ab^
foluter Slinbl^eit nid^t mel^r bie Sftebe fein !ann. SBeim
2;i^iere fipred^en wir nid^t gern bon ©d^ulb — ba fällt
alfo aud^ bie 3m))utabilität^frage toeg — aber e^ ift bod^
minbeftenö jnjeifell^aft, ob irgenbtoo im 3Kenfd^enIeben gälle
öorfommen, in benen bie f^)ecififd^e ®ifferenj jloifd^en tl^ie=
rifd^em unb menf^Iid^em ^nteffect — am fürjeften afe
„SSemunft" ju bejeid^nen — total berfd^tounben unb nid^t
einmal in SRubimenten öorl^anben ift.
3!)ie mand^erlei aSerfud^e, biefe ganje ^age burd^
aSeijiel^ung bon 9lnaIogien aufjul^eHen, l^at gu einer grünb-
lid^en Söfung berfelben faum ettoa^ beigetragen. 3Ran
f diente offenbar bie 6onf equenj, loeld^er ©d^oipenl^auer
nid^t d&in ängftlid^ an^ bem SBege gegangen ift, nad^
tt)eld^er in ben ^anblungen ber 5Cobfüd^tigen fid^ ba^
eigentlid^e SQBefen be§ im tiefften ©runbe immer unb über=
aH in unöerföl^nlid^er ©elbfientjtoeiung toiber fid^ felber
toütl^enben SBillen^ nur am el^rlid^ften betl^fttigen loürbe.
@o berglid^ man bie im ^aroj^^mu^, SRaufd^ ober SIraum
au^gefül^rten ^^l^aten mit ben jtoedElofen, rid^tiger: ben
fel^lgreifenben, SBetoegungen im erften ©ftugling^alter, aU
Sempordre Hemmungen ber inteUectuellen gretl^eU. 133
aSerfud^en, Hemmungen lo^ ju toerben, beten lüirflid^er ©{|
unb Urf^)rung nid^t erfannt tjl, Unb atterbingö rettet eine
fold^e Stuffaffung, fotoeit fie ftid^l^altig tft, ben fo %ef)U
tccpp^nbm i)or einer aSerantoortlid^feit für fold^ ein au^
Srrt^um entfipringenbe^ %f)un. ©ie ift aber nur jiid^^altig,
fotoeit unjtoeifell^aft ^affucinationen ober Sttufionen bamit
öerbunben finb ; benn nur unter biefer SBorau^fe^ung Iftjst
ftc^ fagen: e^ finb fjunctionen, toeld^e beut eigentlid^en
SBotten nid^t entfipred^en, ba^ (SetooIIte nid^t barftellen,
nid^t ©id^tbarleit, nid^t bottgültige ©^mi)tome beö inteHi=
gibein ©l^arafterö l^ei^en fönnen.
aSon biefer 2luffaffung njol^I ju unterfd^eiben ift eine
anbere, toeld^e ba^ S^releitenbe mel^ir auf bie Seite ber
3Kotit)e verlegt — alfo in§ Dbject, nid^t mit ganjem ®^
jDid^t in bie Snteffect^befd^affenl^eit be§ l^anbelnben Bub^
jectg* SBer in feinem Streben felber unb in beffen ^id
irrt, ifl immerl^in — toietool ba^ ©rftrebte felber aud^
afe SKotib toirft — nid^t ol^ne toeitere^ bemjenigen gleid^^
juftetten, bei bem — nad^ bem lu^brud ©d^oipenl^auer*^
— bie vernünftigen 3Kotibe, bie ©rgebniffe ber aiePesion,
nur ,,nid^t jum ©d^u^ fommen" Unnm ioor ober paxal\}^
firt finb i)on anfd^aulid^en ober bloßen „3leijen", irie ettoa
bie Stimulantia fie toedEen ober fteigern. ®ie 9leaction
auf biefe geftattet, d^arafterologifd^ angefel^en, einen un^
gleid^ fixerem Sd^lufe aU ba§ ^anbeln unter bem ein=
brud be§ ^)ofitiben SSorgel^altenfein^ bloßer S^ein= ober
SBal^nincitamente, unb e§ finb in^befonbere bie 3lffectl^anb=
lungen, toeld^e unter jenen erftern (Sefid^t^^junft fallen.
dagegen eröffnen bie SBal^nl^anblungen — trenn man
mir Äürje l^alber biefen lu^brucE gejiatten toiH — einer
tiefforfd^enben S)ialeftif m toeite^ Setrad^tung^felb, beffen
borgftngigeg betreten m^ bie SKu^fid^t geiDftl^rt, aud^ für
jeneö anbere, ireld^eg mit toenig lenntlid^en ©renjen baran
ftöfet, minbeften^ einige Streif lid^ter ju erl^afd^en.
134 S)ie SmputabititätSfrage unb baS 3Jlobificabititdt§t)robUm,
4* gfortfe^ung* 2)ie fogenaniiten ©eijiesitanll^eitett unb
i^re OtaxaltmUQ^iift Scbeutung, borjugStocife bon ber
ct^ifi^ctt ©ettc httxaifttt, mit Ucbetaang jum SBefen be«
Effect«.
.... S>cr fd&recfltd^flc bcr ©d^rccfen
2)a8 tfl bcr äRcnfd^ in feinem SBa^nl
SBem träte nid^t biefer Slngftruf auf bie 2ippm beim
Slnbltd betet, in betten „bet ^immetefunfe 3Setnunft et-
lofc^en in fein fd^eint"? 5«i(^t bie ^utc^t füt bie eigene
!i)etfönli^e ©id^etl^eit ift el, tt)a§ un§ nad^ einem „Sefud^
im 3ittenl^aufe" fo lange ^jeinigenb nad^gel^t — aud^ nid^t
BIo§ bie bange ^age: n?o finb bie ©tenjiinien jtoifd^en
©efunbi^eit unb Ätanfi^eit gejogen? — fonbetn ba§ ©tauen,
n)eld^e§ un§ ^jadEt, ftammt an^ bem ^[tteiüetben an
.... allem @ü6en , toaS SWenfdjienbruft burci^bebt ,
an
.... allem ^o^en, toaö 3Renfd^en(ierj erl^ebt.
bittet jtoat finb toeitau^ bie meiften gtüd^te bom Saum
bet ®tfenntni^; ah^t bie in biefem Sab^tintl^ ge^)PüdEten
btol^en, ben eigenen Sinn nn^ ju betgiften. — "SHan l^at
gefagt: „bie 59ienfd^enfennet ex professo finb eo ipso aud^
3Jlif antl^to^)en " — abet liegt, toenn ba^ lüal^t ift, bie
©d^ulb mel^t am beobad^tenben ©ubject aU am beobad^-
teten Dbject? ifl'^ nut bie 3Jlifant^to^ie, lüeld^e ben 33IidE
fc^ätft füt bie „©d^tüäc^en" bet 3mtmenfd^en? obet tü^tt'§
t)ielmel^t ballet, baj5 fid^ nid^t geigen tefen laffen öom
©d^Iel^botn? SBenn faft jebe neue ®tfal^tung im „Umgang
mit 3Jlenfd^en" eine ©nttäufd^ung ^etbeifül^tt — gu einem
Dementi toitb, toeld^e^ bom quisque praesumitur bonus
abbringen möd^te: liegfB bann an bet 2Cu§faat obet an
bem 93oben, auf ben fie gefatten, ba§ batauö ba^ giftigfte
bet©ifte, menfd^enfeinbüd^eg 3Ri^ttauen, auflüud^ett, unb
fo jebe Seteid^etung unfete^ SBiffen^, fiatt ©etoinn, nut
(Seifte^hanf^eiten. 135
ttjcitern SBerlufl m^ Bereitet? 2Rit unerWttltd^flet Strenge
toirb in taufenbfad^em Setrage bie ?lad^gal^lung för ba^
billet d'entree eingetrieben, nac^bem toir bie ©d^toette
i^inter un^ gelaffen, über ml6)t toir ju ben tjerjerrten
aWa^fen ber jerrütteten SKenfd^enfeele gefci^ritten toarcn.
©g toiff ber entfe|lid^e ^mi^d ni^t lieber t)on un§ »ei^
d^en, ber nn^ in ©eftalt ber ^age befd^Iid^en: tt)a§ toar
ba bag ®ci^te unb Urfj)rünglid^e, ttja« ba^ ®ntftettte unb
a3er!ommene? SEßar jene fanfte ©elaffenl^eit, bie einjl alle
^erjen getoann, eitel J^eud^Ierifd^e 3lffectation, unb fiprid^t
au^ biefem Sö^^^'f^^M^^« i^|t ^^^ toal^re 3latur? SBBar
jene ©ianenfeufd^l^eit, bie felbfl ben fred^ften SBüfiling ju
el^rbarer ^ulbigung jtoang, nid^t^ ate eine ßügenlatt)e
für bie entfeffelte ®ier, bie, j|e^t in äußere 93anben ge=
toorfen, bem babongel^enben SBärter nad^ftiert? SBar jene
erbarmungöboffe 9KiIbe, bie im SSol^ltl^un fid^ f eiber nim-*
mer genugtl^fat, nur ba^ ^probuct reflectirenber ©elbft^
bel^errfd^ung, unb l|fat fid^ nun ent!t)u:t):()t jur §ärte abge^
feimter %Me unb »o^^eit? SRät^fel ber SWenf^enbruft,
toer fann eud^ nur auöjäl^len? — toer tooHenbS möd^te fid^
unterfangen, e\x^ ju ergrünben? ©arnit ift*^ nid^t getl^an,
ba§ man fagt: ba^ SBermögen ber reflectirenben Sßernunft
ift lal^m gelegt gleid^ einer unterbunbenen SCber — bie
(Bpxaä)^ ift ja gleid^fattg eine SJod^ter ber SSemunft, unb
aus ben „Srren" rebet jutoeilen felbji m f^rad^f(^ö^)fe^
rifd^er ©eift, ber fold^en ©a^ Sügen jlraft. Ueber^auj)t
bürfte jeber SBal^nfinn in getoiffem ©inne ein jjartieHer ju
nennen fein, fofern immer gett)ijfe ©eifteSrid^tungen in
ifftm, gunctioniren ungeflört bleiben; unb biefe ©infid^t
möd^te beffer jum 2lriabnefaben taugen, aU bie t)ielber'
fud^ten, jum 3:i^eil f^)i|finbigen Älafpfifationen ber ©eifteS^
fran!^eiten. Salb finben toir ba§ ©ebäd^tnijs, balb bie
©rinnerung ( — auS beren jerriffenem gaben ©d^oipenl^auer
bie meiften ber rein ^)f^d^ifd^en Urfad^en entftammenben
©eifteSfranf^eiten glaubt l^erleiten ju fönnen — ), balb baä
Urt^eil, balb bie 5Rec^enfä^igfeit, balb baS ©c^lie^ber^
136 3)ie 3m)>utabilit&töfrage unb bad aRobiftcabilit&tS^rob(em.
mögen, balb atte Mefe 9lid^tungen in »etteff beftintmter
Dbjecte (t)ermutl^I^ je nad^ beten aSerl|f4ltni§ inm SBoHen
beg Ätanfen) in ungefd^mäd^ter SQBirffamfeit, unb ba5 beu=
tet auf ein aSertl^eiltfein ber berfd^iebenen ^nctionen an
üerfd^iebene bejiimmte Organe. ®ann fdnnte aber bie
Ueberreijung be^ einzelnen Organa beffen ©rfranfung gur
ejolge l^aben — unb toie übermäßig [tarier ©d^aH i)or=
übergel^enbe ober bauembe Xaubl^eit, Ueberanjirengung ber
©el^fraft Slinbl^eit nad^ fid^ jie^en fann — |o tDürbe eö
nid^t anberö ju erllfiren fein, mnn ber ©elel^rte ober
©d^aufipieler gerabe leidet fein ®ebäd^tni§ verliert.
©ogar loer bie ©jijienj ber mania sine delirio*)
gänjlid^ in 2lbrebe ftettt, mu^ jugeben, bafe nid^t einmal
in ben ftu^erften ©raben ber ,, 3SerrüdEtl^eit " ber ^ntettect
.t>önig aufgel^ört f)at, bie „fjnrix*^'*] *>^^ SBiUen^" ju fein
— er bient il^m tt)enigften§ noc^ afö SDlu^lelgefüi^I unb ju^
bem aU 5luge, Dl^r unb anbere „©inne^toerfjeuge", bie
il^n l^infül^ren ju ben ©egenflänben feinet S^x^i^xm^, ©elbft
bei'belirirenben ^eberfranfen lieben bte,,©inne^täufd^ungen"
ba^ normale gunctioniren ber Sinnesorgane nid^t böffig
auf — bie SinbrüdEe toerben nur falfd^ gebeutet, unrid^tig
in ßaufalbejiel^ung gur Stufeentoelt gefegt unb mit 2Bal^n:=
toorftellungen berbunien , bie analogen Urf^)rungS finb toie
bie „Uebertreibungen" in ben SJraumbilbem, inbem fie,
biefen gleid^, an^ ^)l|)^fiologifd^en SSeränberungen jufliefeen=
ben ®m^)finbungSftoff nad^ aufeen ^)roiiciren. SInbauembe
©eifteSjiörungen o^ne nad^toeisbare Kör^erfranfl^eit barf
man aber nic^t als bloS länger toäl^renbe gieber^)aroj^S=
men betrad^ten, benn baS l^eifet jene petitio principii ie^
ge^en, meiere baS erfte ©lieb ber 6aufalitäts!ette für
©eifteSftörungen auSnal^mSloS in einer Störung organifd^er
Functionen fud^en toiH. ®aS ift jener falfd^e 9KoniSmuS,
ber baS Jpi^^fif d^ Sichtbare für baS ^riuS f)&Ü , ftatt an ber
*) Tian tergleid^c über bicfc (Sontroöcrfe ^Sc^o^penbaucr, 2)ic
«öert alg mUt unb «orflettung, 3, 3lup., ü, 239 unb 458.
©eifteSfranf^eiten. 137
Sbentität be^ SBitten^ unb Seibe« feftju^alten (f. ©. 78 fg,)-
äßenn anl^altenber ©tarn bie Functionen ber 2lffimtlation
ober ®Ecretion l^emmt, fo toitlt et bamit auf bie Organe
fetter ein — unb jene ^f^d^iatrie, bie aße^ auf ^pl^^fifd^e
©rünbe jurüdfüi^rt, toiberlegt fid^ fetter, fo oftfieinil^re
t^eraipeutifd^e 3Ret]^obe i^f^d^ifci^e 3Romente — fei e5 aud^
nur ba^ einzige ber negatii)en gem^altung bon ®emütl^§=
erregungen — aufnimmt. ®in gieber befämipft man mit
3JliEturen unb anbem „nieberfd^Iagenben" 9Kitteln, ben
äöai^nfinn aber t)or aEem burd^ ßenfungen ber aBillen^^
ftrebungen, burd^ (Sintoirfungen auf ba^ S^iW^^Ö^'&i^t
jlüifd^en SBiffe unb QSnteffect, unter benen immerl^in bie
gange ^au^orbnung ber ^eilanftalt obenanftel^en mag. @o
loirb man ben Dotter eine^ 5ßferbe^, bie ®rel^!ranfl^eit
eineö ©d^afe^, bie S^olll^eit etne§ §unbe^ nid^t bel^anbeln,
toeil man eben nid^t für möglich l^ftlt, ba^ ba aud^ ®e=
mütl^^erlebniffe atö „ßaufalmomente" ju ©runbe lägen.
aBo leine SSemunft t)orl^anben ift, ba !ann aud^ !eine ®r=
!ran!ung beg SSernunftorgan^ eintreten, unb too t^emünf^i
tige SWotibe niematö toirJen, ba !ann aud^ il^re SBirffam^
feit nid^t aufl^ören ober befd^ränft irerben. ®er fojufagen
einfad^ere SnteHect ber 2^l^iere erliegt fojufagen leidster
einer i)ölligen S^i^^öttwng burd^ einfädle Urfad^en — unb
mit l^ierauf möd^ten toir ba^ Oefül^l eine^ unl^eimlid^en
SKi^trauenö jurüdfül^ren, mit ireld^em mand^e ben fanfte^
ften §unb, ba^ „frommfte" ^ferb anfeilen, tt)eil il^nen ba§
innerfte SSBotten be^ 2^l^iereg ju garantielos, ju fel^r um
bered^enbarem SSBed^fel unterworfen fd^eint.
Slffein ebenfo irenig l^altbar toie bie älnnal^me, ba§
jebe tl^eitoeife Störung ber Qnteffectfunctionen fofort eine
totale nad^ fid^ jie^en muffe, ift ol^ne Weitere^ ber ©d^Iufe,
baS innerfte, eigenfte SBefen eines SRafenben muffe allemal
SoSl^eit, b. f). ol^ne ©elbfibejal^ung auf bie SBerneinung
frember ®Eiftenj gerid^teteS SGBoIIen fein — er ioenbet fei^
nen g^^ftötungSbrang ja aud^ ipiber fid^ fetter, nid^t ettoa
bloS tt)iber fein ©igentl^um unb feine Äinber, ijielmel^r aud^
138 Sic 3m^)utabUitätöfrage unb bag SWobificabiatatgproblcm.
tt)iber ben dqmm Seib, ben er öerftümmelt ober jerfiört —
«nb fd^on ein ©ftugling fann im 3iiftfl«i>^ i>^ 9lecottt)a=
lefcenj au8 fd^toerer ^eberfranfi^eit feinen ^ror in ©r^
mangelung anberer ©egenftänbe an fid^ fetter ankläffen,
fei e^, ba§ er ftd^ bie §aare ausrauft ober bie^aut jer-
fra|t. ®a ftänben tt)ir alfo birect öor ber iebem aBitten
toefentlid^en ©elbfientjioeiung, bie auf anberm ©ebiete atte
an fid^ erfal^ren, toelci^e mit ^paulu^ gu fagen ioiffen toon
bem ©Tspo^ v6[ioc SV Toi^ ji^sav avTiorpaTsudfievoc tw
vojjit) Tou voo^ (3löm. 7, 15—23). 2Sie bie Siene ftirbi
an bem ©tid^e, mit loeld^em fie anbere t)erle|t l^at, fo
toütl^iet ber SRafenbe gegen fein eigen ßeben.
©ntge^en toir aber bamit burd^auö ber toa^rl^aft „l^aar^
flräubenben" ßonfequenj, ber Qnteffect biene bem 2Biffen
nur atö eine S^toanQ^adt, bie biefer fid^ f eiber angelegt
l^abe, um nid^t ungel^emmt inö ©nblofenad^ aSertoirflid^ung
feiner egoiftifd^en 2lbfid^ten ftrebenb an ber eigenen aRafe-
loftgfeit gu jerfd^etten? e§ fei nid^t^ aU eine Äuge Sered^r
nung, toeld^e ben Snbibibualloitten bie Soejijienj ber an^
bem blofe barum anerkennen l^eifee, toeil er t)on ben eige-
nen Qtvtden möglid^ft t)iel ju erreid^en trad&te — itjorauf
ja and) affeS S^ifötmmenleben im ©taate berul^e — unb
bie jetoeiligen %n^btüdj^ ber 5Cobfud^t feien nid^t^ aU bie
auf f ummirte SReaction gegen f rül^er erf ai^renen 3tt)ang ? —
S)iefe S^age ift ein @^)eciaI:probIem au§ ber Erörterung
beö ©runbjufammenl^ang^ jtoifd^en SBitte unb Stitettect,
toeld^e toir ^ier nid^t e))ifobifd^ einfd^ieben bürfen — loir
muffen alfo beren — toenn aud^ nur implicite ju gebenbe
— ©rlebigung auf ^p&Ux t)erfd^ieben unb un^ l^ier mel^r
nur an bie "^oppdifcit t)e^ 2Botten^ l^alten, ioel^e in ber
gorm ber etl^ifd^en ßottifionen fo oft jur Oueffe be^ aBal^n=
finnS toirb.
©oipl^ofle^ tt)ie ©l^aff^jeare, (Soet^e loie bie dii mi-
norum gentium unferer S^age — fie atte laffen 2Bal^nfinn
entflel^en, loo ba^ Seloufetfein in aBiberfi)rud^ tritt jum
SBiffen — unb bafe in neuefter 3^t bie ©eifte^ftörungen
®eifteS!ran!^cttcn. 139
f ' ungleid^ l^&uftger gctoorben finb , ba^ f)at man öorjug^^
lüeife ju begreifen au^ ber ffeiptifd^en — an6) auf bag
etl^tfd^e ®ebiet fid^ erftredenben — Äritif, bie naci^ bem
Siedete aller Snftitutionen fragt, feine mel^r „unbefel^enS"
gelten lä^t, toeld^e etnft ate unerfd^ütterlid^ ftatutarifci^e
?Rorm ben SBiHen unb ba§ SBetou^tfein jugletd^ beftimmte.
— 3e untoanfenber einem bie ®efe^e ber SWoral unb be^
JEBeltlauf^ feftfle^en, je felbftlofer er fid^ il^nen gegenüber
jeber eigenen 9Keinung begibt, befto fidlerer ift er öor
einer nid^t offenfunbig aus fomatifd^er 3Seränberung l^er-
t)orgegangenen „©emüti^^franfl^eit" — ben altgl&ubigen
Sfraeliten mit feiner ftarren ^[el^oöal^fd^cu unb ben ed^ten
SWufelman in feinem einfad^en gataliSmuS toirb bergleid^cn
fo leidet nid^t befallen — ba§ lt>irb j» 33. aud^ burd^ affeS
beflätigt, toaS tt)ir t>on ber ©tatiftif beS 2^ürfenreid&g
tt)iffen. Unb e contrario belegen ebenbaffelbe bie fid^ mel^
renbenf^öH^ ^»>n fogenanntem religiöfen SBal^nfinn in nn
fern weniger gebilbeten SBoIfgfreifen ; benn nid^t bie gerab=
iinig fid^ fortbetoegenbe Segeiflerung eines toarmen from^
men ©emütl^S ift eS, tt)aS fid^ gur öerftanb^ unb t)emunft'
jerftörenben „©d^tt)ärmerei" erl^i^t, fonbern bie Äreugung
t)on ©lauben unbS^^ifrf/ ober rid^tiger: öon unbebingtem
©taubenhjollen unb 5Rid^tgIaubenfönnen. 3ltd^t n?er bie
äufeerften ©onfequenjen eines meta^)l^^fi!:: unb religionlofen
(at^eiftifd^en) SKaterialiSmuS fid^ angeeignet l^at, erliegt
noti^hjenbig ber fd^toeren 33ürbe, fonbern toer baneben nid^t
bie SRefte feines kinbl^eitSglaubenS völlig ju tilgen vermag,
verfällt ber ®efal^r> in fold^em 3te>i^^cilt ben innem ©in-
l^eitSgrunb feines eigenen SQBefenS berfien ju feigen, Släg^
lid^ mel^r loerben ber Kanäle, burd^ tt)eld^e bis in bie nn^
terjlen ©d^id^ten felbft fatl^olifd^er Stationen fold^ „jer-
fe|enber" ©toff fd^lftmmt, unb jeber SBerfud^, burd^ ^o=
lijeiöerbote il^n aufjufiauen, l^at bie einjige ^olge, bafe er
mit einer nur beflo energifd^ern ©aipißarattraction burd^
taufenb unbead^tet gebliebene 3ttöl^rd^en ttjeiter fidEert. —
9Bie im ©alon faum nod^ ein ©efiprftd^ für intereffant
140 3)ie ^[mputabiatät^frade unb ba§ 3Rot)ificabUitdt^))rob(etn.
gilt, baö nici^t an biefe^ %\)tma ftreift, fo greift bie 3lÄl^i
tctin jur ©rl^olung auf bc^ SJage^ älrbeit na6) einem
Sloman t)on bet Slrt 6. ©ue'§ ober 21. 2)uma^', unb lange
genug l^at baö „metai)l^^fifci^e SBebürfnife" im ärbeiterfianbe
bie ©iaieftif eineö ^roubl^on berfd^Iungen, 33ei einem
aS^ron ift baö „gerriffene" ®ett)iffen gerabeju bie einjige
aRufe geworben, wn tt)eld^ef ber ©id^ter feine ©ingebungen
em!|)fdngt; unb nid^t mel^r blo^ für ben ^)^iIofo:p^ifd^en
©rübler ift baö 2Bort gef^)rod^en:
^0^1 benen, bie bed Stf[6n@ @ut
Ü)H(i^t mit bctn ^er^en go^ftcn;
unb benen
5^ic ben l^cttcn S^erpanb trübte baö tücfift^e $erg.
©(i^itter, ,,2)er ©eniu«".
Ober too fänbe man nid^t Sünglinge, bie t)om faitifd^en
Silbe jurüdftaumelnb „auf ett)ig il^re^ Seben^ ^eiterfeit"
t)erloren?
Sin jxd^ aber ift ba^ 3lätl^fel ber ipf^d^iatrifd^en ^at^o=
logie ibentifd^ mit ber %taQe: na6)', ber 3Röglid^!eit be^
©rfranfen^ übcxi)anpt — unb unjureid^enb genug bleibt
bie 3lnttoort: jebe Äranfl^eit ift ein äu^brucE ^e^ ©elbft=
er^altung^triebe^ eineö SnbiijibuatoiEen^ im Äamipfe gegen
bie feiner Drganifation feinbüd^en, meift f ogenannten „nie=
bern", Äräfte.
3n jeber ernftern Äranf^eit, l^ei^t e^, jeige ber aWenfd^
ba^ ©egent^eil feinet fonftigen ßl^arafter^; unb toirflid^
feigen tt)ir ben Sangfamen iixm trepidus, ben 9tafd^en be=
bäd^tig, ben ©d^toeigfamen rebfelig, ben ©anftmütl^igen
auffa^renb, ben 2lllertt)elt§quÄler toeid^mütl^ig toerben unb
in geiüiffen formen ipf^d^ifd^er Störungen felbfl ben früi^iern
®^§folog lüie einen @ufolo^ fid^ geberben. £e|tere^ frei=
lid^ lÄlst fid^ erflÄren, too ber aHmäl^lid^e eintritt eigent=
lid^en 33löbfinn^ burd^ einen ©tum^jffinn fid^ anlünbigt,
meld^er ba^ Drgan für frembe^ Seiben jerftört unb in
®eifte«!ranfl^citen. 141
egoiftifd^ a^)atl^ifci^ct ©leid^gültigfctt am eigenen momen=
tanen (negativen) SBol^lfein (ber ©d^merjlofigleit) fein ®e=
nüge finbet. Unb gerabe in berartigen g&Hen toirb eine
(Srfal^rung gemad^t, bie geeignet ifi, un^ ju einet tt)enig=
flenö l^^ipotl^etifci^en Söfung beö ganjen ^ier ftel^anbelten
5ßtoblemg äu berl^elfen, inbem fie fogar auf ba^ SEBefen
ber 2lffectl^anblungen einen Slnalogiefd^Iufe gemattet. ®^
fommt nftmlid^ nid^t feiten bor, ba^ auffaffenbe 3Kagerfeit,
tt)ie pe im ipf^d^ifd^^iijatl^ologif^en ©tabium ber SKeland^olie
fid^ gern einftnbet, in eine getoiffe Äöriperfütte pd^ öet^
toanbelt, tomn bie 3Reland^olie in SBlöbfinn übergegangen
ifl. ®ie^ gactum toerben tt)ir afö einen fra^^anten ©^eciafc
fall anjiel^en bürfen jur ipatl^ologifd^en SBeftStigung für
ba^ oben (©. 81) fojufagen unter bem ))l^^fiologifd^en @e=
fld^töj)unft befiprod^ene ®efe| einer antagoniftifd^en SReci^
^)rocitftt jtt)ifd^en je jtoeien ber brei bitalen ©runbfunctio-
nen, unb e§' ifi Wo§ eine befonbere Slntoenbung eben=
bejfelben, toenn toir bei unferm ®rflärung§t)erfud^ t)on
folgenber gormel au^gel^en: ein Äraftabflu^ ani> ber einen
^nction innerl^alb beffelben ^i^bibibuum^ ifi eo ipso ein
3uf[u^ für bie anbere, SEBenn e^ alfo j. 93. I^ei^t : %xeuh^
„mad^t" t)ern)egen, fo loürbe ba§ genauer au^gebrüdEt
lauten: ^eube ifi gesteigerte^ Äraftgefü^l unb äußert ftd^
ate fold^e^ jugleid^ in gefteigertem aSorbrängen ber Äraft.
Unb bai ber SBiUe in feinen Effecten ben ^ntettect ftört,
an freier SBetl^ätigung l^inbert, l^eifet im ©runbe nid^tö
anbereg aU : hjenn ber SBitte fid^ auf ein — i^m bom ^n«
tettect beleud^tete^ — Qid rid^tet unb bat)on fid^ „auf=
regen" Iftfet, fo entjiel^t er eo ipso bem ^^teffect t)on ber
il^ n)äl|frenb ber ®auer be^ ©leid^getoid^tö ber Gräfte
juftrömenben Äraft, unb bie Temperamente brüdEen nid^t§
anbetet au^ atö bie ^fo^ortion, in tüeld^er, ol^ne ben^in-
gutritt au^erorbentlid^er 3Kotit)eintoirfungen, bie regelmä=
^ige aSertmung ber Äraft unter bie berfd^iebenen formen
i^rer S^l^ätigfeit (atö Qm^reffionabilität, 3leagibilität u. f. f,)
ate eine conftante erfd^eint, fotoie ben ®rab ber Seid^=
142 3)ie 3lmputabUität^frage unb baS aBobiftcabilitätSptoblem,
tigfeit, in toeld^em biefe 5pro:portion geftört werben lann
— fobafe alfo eine abfolute „Äaltblütigfeit" unb ©elb)V
be^errfd^ung, b. I|)- ioöHige Slffectloftgfeit, nic^tö anbetet
to(ire, afe bie eigentl^ümlic^leit eine^ Snbiöibuatoitten^,
feinem SnteHectotgan unter allen Umftänben ftet§
gteid^ ioiel Ätaft gufliefeen ju laffen, ©anad^ toäre bie
fürjefte Definition beg 2lffect^ — cum gi^ano salis ioetftan-
ben — biefe: et ift ein Slbflufe be^ SBiffen^ t)om Snteffect.
3iur fo erflÄtt e^ fic^, ba§ bie emi)fänglic^leit für Effecte
eine conftante ©igentl^ümlici^feit be^ &}axatUx^, ni^t aber
etira eine inbitoibueHe ©c^toäd^e beg QnteHect^ ift, Qm
©egenti^eil: ber ^»t^teEect mufe eine getoiffe S3etoegli(^f eit
unb Sebenbigfeit f)abm, um feinem ^errn bie SReige fo
rafd^ unb frifc^ jujufül^ren — unb umgefel^rt: ba^ ©enie
toirb au^brüdlid^ aU leibenfc^aftüd^ d^arafterifirt. — ^ßa^
t^ologif(^ ^at bie^ abfliegen be^ aBitten^ feinen Slu^brud
im ©toden ober 2luf hatten be^ SBlute^, beren Jpat^ogno-
mifd^e SRefleEe ©rbleid^en (in SButl^ unb ©d^reden) unb
©rröt^en (in ©^am unb S^m) finb. — gür nid^t^ an^
bere^ aber ern^eift fic^ biefe Sluffaffung be^ 2lffect^ aus-
giebiger als für bie 33egreiflic^!eit ber ©inloirfung, toeld^e
geiuiffe ^Ji^^fifd^e Bwft'änbe auf bie ©timmung ausüben —
mit einem 2Borte ber gefteigerten SReijbarf eit unb ber ner^
böfen „©enfibilität" bei Untoo^lf ein atter Slrt: ba^atber
SBiEe fojufagen mit bem Organismus genug ju t^un ; l^at,
bei unerwarteten 2lttafen, nic^t fo 'oid Sfteferben in petto
toie in gefunben 2^agen, ba er bem franlen £eib ejtra-
orbinären ©uccurS getoäl^ren mu^, alfo genötl^igt ift, bie
fonft bem gnteEect jur SSerfügung fte^enben $ülfstrui)i)en
biefem ju gröfeerm ober fleinerm Xl^eile ju entgiel^en, fo=
bafe fi(^ biefer im entfc^eibenben äugenblidf geläl^mt, tt)e=
nigftenS gefc^toäd^t finbet unb nid^t fc^lagfertig baftel^en
fann, ©o jeigt fid^ au^ l^ier toieber, toie ^l^legma beim
l^öc^ften toie beim niebrigften ®nergiegrabe befte^en fann.
S)er fc^it)ad;müt]^ige, „fd^Ia:pi)fc^n)ängige" 5ß^legmatifer
toirb an fic^ toeniger afflcirt als ber ftarf mütl^ige, ber h^tou^t
äBefen beS Slffect^. 143
Äaltblütige. 2Bcil in il^m ba^ Ouantum SBoHen geringer ift
ate in einem ftarfen ©l^arafter, |o ift aud^ baö Ouantum
S3en)egung geringer, in toeld^e^ er überl^au!t)t t)erfe|t toex^
ben fann: ein fürjerer ^enbel befd^reibt in feinen ©c^toin-
gungen Sogen t>on Heinern Ärei^groben aU ein längerer,
toenn biefer aud^ ebenfo langfam fd^toingt tt)ie jener, gn
ber SRegel toirb, toie toir fd^on fallen, ber fd^toad^e ^ßl^leg^
motifer ber ^Jörm b angel^ören, unb c, bermöge ber tiefern
^m^teffionabilitfit, nod) beträd^tlid^erer ©rregung fällig
fein, ate a. 3^ beiben aber t)ertl^eilt fid^ bie ©rregung
vermöge langfamer 9lecej)tibität unb nad^l^altiger 9leagibi=
litÄt , unb ba§ ©leid^getoid^t gtoif d^en 3Jlu§f elirritation unb
©el^imfunction bleibt, toenigften^ im toefenllid^en, unge=
ftört. Sl^re Sfteaction ift ungleid^ energifd^er, afe bie be§
toenig erregbaren, ftum^)fen ©d^toäd^Iingö, imb l^at bor ber
unbel^errfd^ten Seibenfd^aft ben Sßad^brudf ber SBefonnenl^eit,
t),f}. bie feinen SlugenbliÄ im©tid^ laffenben ©ubfibien ber ®e=
l^irnfrftfte borauö, (3n äl^nlid^em ©inne unterfd^eibet ©d^o-
i^enl^auer, „®ie SBelt afe SBitte unb SBorfieOung ", 2. Slufl.,
II, 283; 3. aufl., ©. 320, jlbifc^en abfoluter unb rela^^
über ©tfirf e be^ 3nteffect^0 — ®a^ befannte SSicariren ber
©inne füreinanber ift ebenfalls nid^t^ aU eine (Srfd^einung
biefer 5ßro:()ortionaImobification: bie ©umme bleibt, nur
ber 2;i|feilung^:()unft toirb berlegt in ber ©inl^eit ber Sinie.
— SBa^ bem Cerebral = unb SRerbenf^ftem entzogen tbirb,
fättt ganj bon felbft ben aWu^Ielfräften ober ber enttt)idEe=
lung be^ begetatiben ©^ftem^ ju; unb in ber 9Kanie ent::
jie^t fid^ nid^t ettoa ber SBitte ber Seitung einer bualiftifd^
für fid^ beftel^enben SBernunft, fonbern toirft nur atte Äraft
jeittoeilig auf baö irritable ©Aftern, toobei er ba^ ©e^irn
nur not^bürftig mit bem jur iplaftifd^en Sßutrition erforber^
liefen 3wP«6 berfiel^t (ba^er bie immenfe ©teigerung ber
aWu^felfraft bei 3:obfü^tigen , toomit fic^ bergleid^en Iftfet,
toa^ ©d^o^)en^auer über bie jutoeilen borlommenbe ©iftig^
leit beö Siffe^ aud^ nid^ttoßer §unbe beibringt, „2)ie
aSBelt ate SBiae unb aSorftettung", 2. SKufl., U, 267;
144 ^te 3lmputabtKtätdftade unb bad aRobtftcabtUt&tSpvobtem.
3. Slufl., ©. 300). 2Kfo nid^t ber aBittc ate ba« rneta^
i)^^fifcl^c Äraftfubftrat be^ ganjcn Snbtoibuum^, fonbetn
nur ber SBittc fojufagcn im engem ©tnne, ate ber 2leu=
feerung^com^)(ej feiner i)orüberge^enben ©elüfte, ift eg, tt)a§
unter ber ©intoirfung be§ 3nteffect§ eine anbere ©eftalt
annimmt, mitl^in jener rein afö fid^tbare Äör^eraction fid^
betl^ätigenbe, ganj in bie ®m^irie fallenbe 3Bitte, toeld^er
neben bem ^nteffect atö eine biefem coorbinirte ©rfd^ei-
nungS:: ober Sleufeerungötoeife be§ meta^l^^fif d^en Urtoillenö,
qua „S5ing^ an fid^", bafte^t. 2Hfo nid^t ju biefem lefe-
tem, bem ©orrelat feiner eigenen ^pi^änomenalität, befinbet
fld^ ber 3»ntettect in einer polaren Spannung, fonbern nur
JU berjjenigen SBiffen^form, mit toeld^er er fid^, atö beren
6om^)lement, in bie „Dbjectität" jeneg t^eilt.
3)ieö SBer^ältnijs tritt nnn aber, toie toir gefel^en^
nirgenbö beutlid^er ju 2^ge, atö eben in ben äffect^anb*
lungen.
5* t^ortfe^ung. SBeitere Setra^tuttg ber ^ffectl^aitblungen
unb il^red äSerpItntffed }ur ©efumung.
SBir fagten oben ©. 36, ijorjug^toeife bem ©anguinif er
feien bie 9lffecte eigen, ©ie finb bie^ nid^t fotool t)er=
möge feiner rafd^en Slece^tiöität — fold^e lennjeid^net ja
aud^ ben G^olerifer — aU i)ielme^r vermöge feiner beiben
d^arafteriftifd^en 9Rer!male: bie flad^e ^m^reffionobilität
geftattet ber flüd^tigen SReagibilität einen \yon feiner 6r=
wägung aufgel^altenen ©urd^brud^, unb bie {in ben %ox^
men a unb c) ftarfe Spontaneität gelangt fo ungel^emmt
JU öoder Slctibität. 3!ft ja bod^ jebe aSertiefung ber Sm^
^)reffionabiUtät ibentif d^ mit einer Kräftigung be^ ^ntettectö
t)on bestimmter 9lrt, unb aud^ in biefem ©inne ift ber
^amletfeufjer. toa^r: „Thus conscience (b. f). bie, fei e^ in
ber gorm öon Steftepon, fei e^ in ber i)on (Semütl^ ijor-
brängenbe, Selbftbetoujsti^eit unfern ipanbeln^) does make
3tffectl()anblungcn. 145
cowards of us all"; unb umgefcl^rt: ganj unbeirrt Don
©crupeln unb 3^^ifcltx [türmt ber aSiffe nur t)ortt>ärt«
im Ungeftüm be^ äffect^ — tot§i)alb fo oft in biefen ®^
müti^gjuftanb öerfe|t ju toerben, fold^e gerabeju fid^ bt>
mül^en, bie fic^ nid^t getrauen, bei „nüd^terner Ueberlegung"
jur Slu^fül^ruttg beffen ju gelangen, tooju insgeheim ba«
innerfte 2;riebrab il^re^ SBoHen^ pe l^inbrängt. *)
SBir fönnen nämlid^ unterf^eiben jloifd^en ben 3)to-
tit)en ber ©:jJontaneität unb ber SReagibilität — unb bie
©tjrad^e l^at Idngfi benfelben Unterfd^ieb gemad^t, atö fie
bie 3WögIic^feit barbot, „3Kotib" balb mit „2;riebfeber",
balb mit „83ett)eggrunb" iüieberjugeben, unb in ber ©^^
non^mif ber 5ßrftj)ofitionen fel^r tool^I au^einanberl^ielt, ob
eine ^anblung au^ einer innern ©igenfd^aft l^eröorgel^t
ober lim äußerer 3^^^^ Tillen au^gefül^rt toirb ober
toegen eine^ $emmniffe^ unterbleibt; ja, Slriftoteleg l^at
mt^ fd^on in entf!|)red^enbem ©inne angetoiefen, ben ^upioc
unb bie ^TctSijpLta nid^t ju t)erU)ed^feIn. (SSgL ^aedfer im
„^Programm be^ Äölnif^en 5lealg^mnafium^ ju Serlin",
1863.) S)anad^ aber leud^tet e^ ein, ba§ in ber SJrieb^
feber reiner bie d^arafterologifd^e Sebeutung, im Seloeg^
grunb mel^r nur bie caufale Seite ber einzelnen gegebenen
^anblung l^eröortritt; toie mit „au^^^ ber Urfprung, mit
„toegen" unb „um — loitten" bie Urfad^e angegeben tt)irb.
Unb ber SlfPuj, av^ toeld^em ber Slffect entfielet, gel^t ge^
mijfermafeen t)on ber SReagibilität jur ©:pontaneität, inbem
nämlid^ ein Seioeggrunb fo energifd^ mit einer il^m ju-
*) UeBerl^au^t ifi ed für bie (Stl^i! fett $amlet fein neues ^ara«
bopn ntel^r: um toal^rl^aft moraltfc^ gu l^anbeln, ifl e9 bidtoetten er«
fürberlid^^ bag man ben Wlnt^f l^aBe, fld^ ber ^erfud^ung ju arger
3mmoratttät unb bamtt ber iO^ögtid^feit bed Erliegend au^aufe^en. Bie
brol^enbed Unl^etl üUxHnpt nid^t bon $f!id^terfiillung ahifaltm barf,
fo and^ ntd^t eine flttlid^e ©efal^r; bcnn fonjl fommen toir gu einem
i!am^)flofen£luteti8mu0, ber allem feig au8 bem Segc ge^it unb, in*
bcm er bon birecter @d^ulb ftd^ fretl^äU, eben bamit aud^ jiebeö mög*
Ud^en ^erbienße^ baar bleibt«
Saj^ttfettr S^ataltevologie* I. 10
146 ^ie SmptttatUitötSfrage unb ba« ailobificabUitdt^ptoblem.
^benben Xtiebfcb^r jufommentnfft^ ba^ ba^ @teid^gen>id^t
tnDtnmtan aufgehoben toitb unb baffelbe @efe| jeittpeiltger
©teigetung fid^ t)ettoitfl{ci^t, toeld^cS unter onbetm au^
^ibat tpttb^ i^enn ni^ir nad^ tl^eitoeife butd^it^ad^ter 9lad^t
ober fonfi imjureid^mbem @d^laf e un^ }u geifltger %f)&ti%^
fett befonberä aufgelegt ful^Icn — nid^t obgleid^, fonbem
eben toeil baä @el^im auf feine ^ertobifd^e SRuttition fem
eri^eblid^eS Araftquantum t)ern)enbet f)ät ®ie ©d^Iaflofig-
lelt ifl ia näniH^ einetfcit^ ein <B\}mptom aufgeregtem
aBBiUen^, unb. jlüat fo, baj^ ber aBBiffe bem Sntellect ntd^t
nur leine Slul^e gönnt, fonbern meijienÄ fogar il^m noify
aulerorbentlid^e SSlrbeit aufgibt unb bei^i^alb ü^n aSerbingi
<äi4 tni)mentan tmt augergen^öl^nlid^ ®uccurS unterftä|t
— anbercrfeitS aber l|fat fte, toie fonfl nid^t leidet ettoaa,
aud^ eine größere Sugänglid^leit für ätffecte jur golge.
aßenn toir alfo aud^. nad^ ungetoßi^nlid^ loenig ©d^laf un§'
befonberS biö!()ontrt finben, fd^arf nac^jubenfen, fo toirft
ein berartiger ®jtra^@uccutS nod^ naäf (toiUlirenb nad^ tie^^
fem unb gefunbem ©d^laf ber SDSiUe feinen gefättigten
©öaben oft fxä) felbfi überlädt, unb biefer bo^er läffig
toirb, inbe^ allerlei Sege^ren in atÄcm Äör^ert^eilen auf^^
fleigen barf). älHein fold^e« SRad^toirfen reid^t nur an^^
utn. bem S)ettfen f eiber, fofem ba« iittettectuafe 3W«reffe
ber t)ori^errfd^be gtoedC be§ SBiUen^, beffen augenbM:^
lid^e Function, ifi, gejieigerte ©nergie yu öerlei^en, nid^t
aber bagu, iffn aud^ für feine ^Ifleiftungen im 5E)ienft ber
„du^em Angelegenheiten" ju fr&ftigen; furj er gibt in
fold^en fällen nid^t^ toeniger ate SBefonnenl^eit; öietmel^r
bebarf e^ nur eine^ ganj Ileinen Slnlaffe^ für ben SBillen,
ba§ er ben auferorbentltd^ geU)ä^rten ©uccur^ jurüdfjiel^e;
bann fielet ber Sntellect erft red^t ol^nmäd^tig unb entblößt
ba, toeil eine außergetoöl^nlid^e Slbfd^loäd^ung (SRangel m
Suful^r für ^Regeneration be§ ©el^im^ im ®ä}laf) wvav(^
gegangen toar, (SSgL „3)ie SBelt ate SBiUe unb aSor:^
fieHung", 2. Slufl., II, 217 fg.; 3. Slufl., ©. 241 fg.)
S)ie ganje ^ier gegebene Sluffaffung fümmt aber aud^i
®eflnnung. 147
btitd^auS iapx, bafe Sd^open^auct totebcrl^olt bie Slffect?
^anblungen afö bic $Dtttte j^altenb jtoifd^ert SBünfd^ett ux(b
entfc^Iüffen c^araftertfttt. ®ic SBünfc^e, bie ni^t in §anb^
lungen l^crau§tretenben SSeHeitäten, gel^ören bet irt fid^ ber?
^arrenbm ©^jontancitftl an — i^re etnl^eitlic^c ©efantmt
l^eit ifl ba^jenige, toa§ it)ir ©cfinnung nennen; unb au^
an biefer ifl bie naturalijiifc^e gorm bon einer „ertüotbenen"
ju unterfd^eiben ; jene ijl ber unmittelbare SonH)Iej too^it
ipoDenber ober abgünfliger ©emüt^^bejiel^ungen ju be^
jHmmten Snbibibuen; biefe umfaßt bie ®efammtl^eit bet
auf !j)raftifd^e Seben^gefialtungen gerichteten SWafimen. (9SgI.
^lierju bie oben ©. 45 Slnm. angejogenen Slrtifel au§ ber
„©^non^mi!" oon ©berl^arb, aJlaafe unb ©ruber). 2)od^
3nttjenbt9*) lernt fein Tltn\äf fein SnnctPeö
@r(entien ;
fo bWbt i^m äud^ ber toirflid^e Qnl^alt feiner ©efinnungen
eine terra incognita^ bis ftd^ biefelben in £^aten umgefe^t
— aber eS foHte über ba8 „unb leiber oft ju grofe!"
nic^t l^artnädig baS boraufgel^enbe
er tnigt nadf eignem äßag
@tc^ balb in ((ein
überfe^en toerben — man fann pd^ ja aud^ „felber Un^
red^t t^un" unb finbet, toann bie ©tunbe jum ißanbeln
gefommen, in fid^ felber nid^t feiten biel mel^r Äraft, aud^
jur ©elbflöerleugnung, aU toie man öorl^er fid^ jugetraut.
Snfofern l^aben toir für bie d^arafterologifd^e SSebeutfamfeit
ber affectl^anblungen einen jiemlid^ fiebern 9RaPab an
ber Sntenfität beS nac^folgenben JReuegefü^tö. 5!BaS nid^t
toirflid^ a\x^ unferm felbjleigenen Sefen l^erborquoll, bo*
bettagen toir lool im ipinbßdE auf bie eS begleitenben Übeln
fjolgen — aber eS ift bieS jene JReue, U)etd^e ©c^oipen-
l^auer fo fc^arf fonbert bon bem (Sefül^l ber ©etüiffenS-
angft, aU ioeld^e l^erborgel^t au^ bem kennenlernen un^
^ *) (i9 fei benn Im arranmel
10*
148 S)ie SmputabUitdtöfrage unb bad ÜRobtftcabttitatSpvobtem.
fcrS SBefeng ate cincS cgoiflifd^en ober gar boshaften,
©elbft an (Setjie^franfen getoal^ren toir jutoetlen na6) bem
Slufl^ören ber ^aroj^^tnen einen eigentl^ümUd^en ^rüBfinn ;
ju entfd^eiben, ob berfelbe afö blofee SReue be^ SnteHectö
ober afe ©eiotffen^angfl be^ ^erjenS ju beuten fei, baju
toirb eg uns freilid^ meijlenS an feften Kriterien feilten*
©0 fü^rt uns benn aud6 biefer SluSläufer unferer
Setrad^tung ju einer ffei|)tifci^en iKoi-q; unb inbem toir
barauf ijerjid^ten, bie grage ium 2lbfd^Iug ju bringen,
muffen toir — eine SRepgnation, ju loeld^er ja jjeber S)enler
jutoeilen fld^ gebrängt fielet — unS bamit begnügen, bem
weiter blidenben SRad^folger ben SInfang einer Sid^tung inS
bunHe ^iäi^t gel^auen ju l^aben; benn
inter se mortales mutua vivunt
et quasi cursores vitai lampada tradunt.
„Lucret.", 11, 76 fg«
Unb gu mel^r öett)flid^ten toir nn^ aud^ nic^t mit ben
Slnbeutungen, burd^ toeld^e toir j[e|t ben Uebergang jur
aWobiflcabilitfitSfrage im engem ©inne nel^men.
6. ®ie @ittjelfragen^ in hielte iaS äRobiftcabtlitüt^liroMem
jt^ aerlcflt*
3lod^ in einem toeitern Umfange aU bem biSl^er be^
trad^teten l^aben franf^afte S^^ftä«^^ fö^ ^^^ 6^arafter:=
!pl^änomene eine mobiflcirenbe 2Bir!ung — inSbefonbere
aud^ für bie :j)ofob^nif(^en „Stimmungen", unb auf biefe
toirb fid^ befd^ränf en , toaS toir an eigentlid^ :j)atl^oIogifd^em
5KateriaI no^ ju liefern gebenfen. — SRäd^ft il^nen toirb
rein ^^^fifalifd^er ©inflüffe ©rtoäl^nung ju tl^un fein —
alfo fold^er SSeränberungen, bie toir aU folgen beS 3Bed^=
fetö im Älima, ber Qa^reSjeiten, ber fogenannten $Rarfo=
tifa unb ftimulirenber Slgentien auftreten feigen. 6rfl ju^
le|t lönnen eigentlidji l^f^d^ifd^^ gactoren in SBetradjit ge*
3)ie einjelfragen bcS SMobificabiUtdtSproblcm«. 149
gogen werben, unb jtoat 1) afö ntel^r un6ett)ufet beftint^
menbe, too^in ©etoöJ^nung, ©rieben unb (Srfal^rung ju
gftl^len finb, unb 2) als aBftc^tlid^ jugefül^rte, tporunter
alles befaßt Ifl, toaS bcr 6om:j)etenj beS ^ßäbagogen jufÄfft
^cibd mu§ tnnerl^alb ber ^jf^c^ifd^en eintPirfungS^
toeifen, fotoett fie baS Gt^ifc^e betreffen, mit abermatiger
S)o^):j)elf!|)altung gefonbert werben a) nad^ ber 9Wet^obe:
3ud^t unb @r= b. ff. iperanjte^ung, fammt ben ref^). Rebeln:
®äntj)f5, ober ©traf=, unb SBedmitteln; unb b) nad^ ber
SBirfung : SJemoralif ation unb aSereblung»
7« ^anl^afte Steigerung ber S^Slolie; ^tfpdäfmbxk unb
tienoanbte .@rf Meinungen.
2ln berfelben ©teile, itJo ©c^openl^auer bie ©onfianj
eines bejlinnnten DuantumS t)on „©orgenjioff ' im gegebe=
, nen Snbiöibuum aufjeigt, l^at er nid^t t)erfäumt, ber ©el^n^
barleit ju ertoäl^nen, toelc^er biefe ^apadt&t temporär in
Äranfl^eitSjuflänben unterltJorfen i% 3e mel^r Störungen
öorl^anben finb in berjenigen fomatifd^en ©^)^äre, beren
SSorgänge nur inbirect fül^Ibar ttjerben, bejlo jlärfer er^
toad^t boS aSebürfnife, für baS aUgemeine 3KtS6el^agen
Urfac^en aufjufinben auS bem Äreife t)ön ©aufalitfttsreii^en,
toeld^e bem 83eU)u§tfetn als fold^e f d^on geläufig finb ; unb
bieS S3emül^en tüirb ju einer reid^en Duette geitJiffermafeen
^attucinatorifd^er Srrt^ümer. Stuf ber ©runblage beS t)agen
SnnefeinS bon Hemmungen ber SebenSfunctionen \)txm^^
feit ber bom ßaufalitätSgefe^ raflloS fortgeipeitfd^te ^
tettect ben SSereid^ beS ©emeingefül^ls mit bem ber äußern
Sll^atfftd^lid^feit; ber Äranle „fud^t ©orgen auf unb flnbet
jte", baS „©rittenfangen" ^ebt an, unb altemirenb muffen
bie Vergangenheit unb ©egentoart, als SRetjier beS SBirt
lid^en, unb bie Swiunft, als baS grenjenlofe gelb ber
SWöglid^Ieitcn, baS SWaterial ju unerfd^ö»)flic^er Seängj&
gung l^erleil^en. S)abei ' l^aften angenehme (Sinbrüdfe nidjit
160 S)te 3m))utabiQtdtöfta0e unt) baS aRobiftcaMtität0)}io6(em.
ioeil immer mieber ber senBus vagaa bed ©ebrüdtfeinS
ou^ ber unf^etDugten Snteftinaltoelt aufzeigt/ um i^nm
^Q^^iuaxbdtm. Ermattet bom bergeblic^en ©lui^eu
begibt fid^ enblid^ ber Sntettect jur SRui^e bei irgenbeinem
fo ober fo entfianbene« ©d^ein; unb man mö^fte fagen:
frol^ ber bermeitttUc|en ©ntbedung einer causa sufiiciens
ttammert er fid^ baran feft unb fefter*): bie pje Sbee i^
ba, — jlebem |um unlösbaren SRät^feC ber nid^t jufäffifl ben
ajtoment ber ©rfiarrung belauf d^t f}at, tt)a§ um fo f<i^tt)erer
gelingt, afe ein fo ganj im ^nmt bleibenber SJorgang
toie ba^ SBol^flgefallen an einer burd^ ben ©inn gel^enben
aRetaj)]^er, einer f^mbolifd^=biIblid^en äu^brudfgloeife für
ba^ eben bunfel @mj)funbene, bie ©elegen^eit^urfad^e loer?
ben lann, ba§ fid^ bie SSBa^nijorfiellung eben in biefer unb
leiner anbem gorm ftjirt. 2Bie aud^ gel^eimjie ©eioijfen^s
regungen ^^ierbei mittoirlen fönnen, ift gleid|ifalls. bereit»
topn ©d^ojjen^auer berührt G,?parali^3omfna", 1, Slufl., 11^
477 €oU. „®ie Söelt aU SSBitte unb SBorfielTung", 3. Sluflv
II, 409 ; unb „Ueber bie toierfad^e SBurjel beS ©a|eg bom
jureid^enben ©runbe", h Sluft., ©• 131).
SBon biefer Ärc^^eit^form ift bie hypochojidrla vuIt
garis ein ©jjecialfaH r- au^gejeid^net namentlid^ burd^
einen übertoiegenb egoijiifd^en ß^^araftfr be^ Äranfm —
man möge baju baS S3iÜ) t)er0leid^en, töeld|e§ SBunber?
lic^ in feinem „§anbbud^ ber ^Patl^ologie unb X^eraj)ie"
»pn einem ed^im ^^}?o4^nber entworfen l^at, nebft ©♦
topn geud^ter^lebeu' ^ öeurtl^f^lung biefe» S^flanbe» in fei?
rner „SDiätetif ber ©eele".
S)ie normale ®^^Iolie, toeldjie bie „®efunben" fo gern
in feinet endigen ®ü(tigfeit barfleHt; um fo anfd^aulid^er, old bad
^emütl^ bed unglüdlid^en 3)t(i^teTd barin forttt)ä^renb bie fd^wanfenbe
©rcngc gefnnber unb -franf^after 2)^fifoCic umflattert, fobag man laum
je in einem gegebenen BRoment ||u entf<i^eiben toagt. qI ed bieffeiii^
obev jienfeitd berfed^jen ^to^f^U
[^i^anfiMte eteigecung Ut %rßUÜ6. 161
als ^^i^^^mbrifd^e äBeltanft^atiung'' t>etle|fm «dd^fteiv
Ifot an ftdfi mit ^en t^at^ologifd^en S3oraitöfe|ungen bor
^i^^oc^onbtie gar wäftö ju f(i^affen; es gi6t Männer ge^
nug^ bie Ibtö in^ J^oJffe 3retfenalter ftd^ einer in jjeber Säe-
)iel|fung {r&ftigen S^onfütutian ju erfreuen i^otten unb ben«
n0^ imjtoeifell^aft fiuipeoXoc toaren* Unb untgele^: ge^
tobe bie ebelfien SvpcoXoi feigen toir ben älnttHmblungen
einer „l^^^)od^onbrifci^en Zaune'' faum je auägefe|t — fie
nel^men fid^ gar bie 3«t ^W ^^i^f We SuflSnbe be« eige^^
mn ^ör^er^ in i^ieftönbiger Dbad^t gu l^oUen: barin aber
eben befielt ba^ d^arofteriftifci^e ^ennjeid^en he^ ip^^od^on^
berd. S)ie t)orl^er gefd^Iberte fran!^afte S^SloIte ]uäft hk(
Slnläffe il^rer ^^meland^olifci^en" ®emütl|fStoerfaffung xd^
«töfd^Iie^id^ im eigenen Drgamgmu^ — g^dttt fid^ i)id*
mel^r batin^ bie innerli^ ^oorl^anbenen Urfod^ in bie
Änfeentoelt ju !t)roiiciren — tofil^enb ber ed^e J&^!|Joc^onber
töei|; bafe er Utpnlxi) txant ift, nur xüä)t, tooran (sto-
madiatur fagte ber 9tömer unb lel^e bamit bie fimtOr.
tifd^ ©runblage ^erau§, „®rftmdn" nennen'^ toir S)eutf d^eti
unb lennjeid^nen bamit bad ^einlid^^Untoür^ baran).
Sefagter, ^^gfolo^ bel^nt feine Sorgen aud^ auf onbere
Jäu^ — qu&it fiä) ^um beren öermfintlid^e« UnglfiilBd^feitt
— ber bloj^e ^l^d^onber bagegen benü einzig an fid^
felbft, l^at für frembe klagen fein Df)X, l^ält fid^ für ben
aCein toitllid^ Äranlen unb begegnet be^l^alb ben Uxpex^
lid^en Seiben anberer, befonber^ in feiner tÄgUd^n IXm^
gebung, nid^t feiten mit $&rte unb aiüdfid^tglofigfeit. Unb
fofem bie oÄertteinften Störungen beS fötj>erRd^en SBoJ^C«
befinbenS i^n aföbalb grönblid^fl „t)erpimmen" Iftnnen,
fd^eint mbtn ®goi^mu^ aud^ ba3 anämolifdje Xemt)era=
ment ju ben ^räbiSt>ofitionen für biefe, atte^ SWitgefüJ^
auf etjie fo ^arte ^obe fteHenbe, Äranfi^ett ju gel^ören.
®runbv>erf(§ieben ijon bem oben (©. 140 fg.) ertoäl^nten
fJaHe, itJp im Uebergang t)on SRetan^oIie ju 33Wbfinn
wie ber ©uEoIie ä^nli^ere Stimmung fid^ ^infteKt, ijl b^ie
„SRarrl^eit", bie Äranfl^eit^form ber gefteigerten ©ulolie.
162 S)ie Sm))tttabUUdtgftage unb bad aJlobiftcabilitatSproMem.
SRut toer Don $au§ aus ein @ufolod ifl, toitb iffx \>^s
fatten — ein burd^ SBaJ^nbotfteHungen unnatürßd^ erl^öl^teS
©elbflgefü^l (gumal in ber %otm einer, auf befd^rftnfter
Sntettectanlage rul^enben (SiteHeit) ifl; bdanntlid^ bie ge«
toö^nlid^e 5BorauSfe|ung biefer „glüdlid^en" aSertüdti^eit,
Sie tl^eilt alfo mit ber ^^pod^onbrie bie egoiftifd^e ©runb^
läge, toirb aber fd^toerlid^ oft aufeeri^alb beS fanguinifd^en
ai^emiperamentö ftd^ entoideln»*)
S)erfelbe S^ü^^l nun, toeld^er ber Seftimmung beiJ
toirHid^en etl^ifd^en Äemge^alt^ fid^ anl^ängte (©. 135),
erl^ebt fid^ ^ier loieber in 2lnfe^ung ber urfi)rünglid^en
|)ofob^ntfd^en Seftimmt^eit beS erfranften SnbiöibuutnS*
S)enn in ber SRarr^eit l^at bie angeborene ©ifolie ebenfo
erfl il^r ungel^emmteg ©:j)iel, toie bie ©^Sfolie nur ba ganj
für fid^ heraustritt, too fie fojufagen bie fammtlid^en aru
bern ©eifteSfröfte in il^ren S)ienft genommen l^at, tt)aS il^r
gcrabe bie Derflftrfte 3Jläd^tig!eit berietet, ba bie fogenannte
„(Steigerung" nur nad^ ber ejtenfti)en ©elte bejeid^net,
toaS Don ber intenfiöen angefel^en „Äräftigung" l^fei^en
mn^. SJann loären bie jioifd^en biefe unDerfälfd^ten ®t^
fd^einungen faffenben angeblid^en ©efunbl^eits^jerioben (nur
fel^r uneigentlid^ ate lucida intervalla ju bejeid^nen!) in
SBJal^r^eit eine Si^rübung beS ed^ten ii^ofob^nifd^en SBefenS,
*) @o tcrfBl^neii fxä) aud^ bie Beiben ijcrfc^icbcncn ©ebcutungen^
totiäft in ben äilnnbarten mit bem S8orte ff^axx** berbnnben werben:
tDir 9{orbbeut{(i^en benfen babei gunäd^fl an einen anfgeblafenen nnb
albernen ©eden; ber @d^toabe ba^egen begeid^net mit ,, narret'' nn*
gefSl^r ba8, toa« icir ,,übergefd^naj3!|3t'* nennen» S3eiben ©ebraud^«*
»eifcn ijl aber nidjt nur ber S'Jebenbegriff be« läd^erUd^en ©ebarend
(ber ja in „Hofnarr" gum $au))tbegriff toirb) gemcinfam, fonbem
aud^ (Sl^nli^ )Die in ,,tattnid'' unb ^Jaunifd^'' ber tafd^e ©timmungd^
I totäf\tt)f ha9 berfd^obene, fo^ufagen fd^iefgegogene i^erl^ättnig ber ^cr«
j fiettung gnr SBirf üd^f eit , toeld^eö nod^ brajiifd^er bie iWeta:|)bern „t)er^
I rüdt" nnb „toerfd^roben" auöbrüdfen, SDie SRol^eit ftnbet jebe ^tx^
! rüdPtbeit nSrrifd^ , fofern fie fic^ ouf gef orbert f Ü^It , bamit t^ren <Bpa^
l in treiben.
»tanf^afte Stcigcnmg ber ©ijSlottc. 153
l^etbeigeffl^rt burd^ eine Art t)on Uebertftubung unb ge^^
toaltfamer Slblenfung (S^tflreuung) , toel^e tl^rerfeitö fel^ft
tool^l butd^ ein f^öntaneg ©egenjlteben m^ bem S^tnem
be«^'„Äranfen" ^erau« unterftfi|t toetben lönnte; unb toa^
ate „Rettung" angefel^en ju iDerben ^>f(egt (btefe ,,®es:
müt^gfranfl^eit" foff ja unter aUcn mit bie günfttgfte ^xo^
gnofe barbieten), toäre nid^tö ate fold^e SRüöfe^r jum
„©leid^getoid^t ber :|)f^c^ifd^en ^^uncttonen ", in hjeld^er bie
einfeitigleit burd^ SBieberbelebung ber übrigen Oeijie^Irftfte
(Snfd^auung ber SlufeeniDett unb befonnene^ SBergleid^en)
übertounben tpfirbe — unb baS bem ärjtlid^en, toefentlid^
tjf^ifd^sbifttetifd^en, SSerfal^ren entgegenfontmenbe f^)ontane
3Kittt)irfen biefer entf^)rfid^e genau ber Sll^ätigfeit ber vis
medicatrix naturae in rein fomatifd^en ÄranS^eit^ffiffen.
änbererfeitö mag an rein j)l^^fifalif(!^e ©rfal^rungen
erinnert itjerben, um burd^ Slnalogien gu ijerbeutlid^en, n^ie
gett)agt e^ fein mürbe, jebe ^)l^änomenale Steigerung fo^^
fort aud^ für eine reale ju l^alten, ja, nur ben ®rab ber
conjlanten, mit p^ ibentifd^en ^Realität nad^ il^rer ftftrffien
SSMrIung auf bie SBal^mel^mung ju bemeffen. 3ebe garbe
fd^eint neben il^rer 6omj)lementärfarbe intenptjer ate ol^ne
biefe ^oKe, Kot^ rotier neben ©rfin: fo fd^eint bie 3)^^-
loKe meland^ölifd^er, bießufolie „närrifd^er", too toir jene
•mit bem ©leid^mut^ be^ 5ß^Iegmatifer^, biefe mit ^ ber
Md^teml^eit tüoa eine« d^olerifd^en SJ^^Iolo« unmittelbar
jufammen^atten Wnnen. Unb toie bie SBirlungen be«
DjonS ju beit>eifen fd^einen, brandet e« nid^t aUemal be«
i&injutrittg eine« materialen 5piu«, fonbern nur einer, fonft
nid^t toal^rne^mbaren, SBeränberung in b^namoftatifd^en SBer*
^ältniffen ober in bem ®rregung«juftanb ober in ben
©j)annung«i)er]^Ältniffen eine« unb beffelben ©toffe«,
b. f). eine« unb beffelben Äraftfubfirat«, um j)l^änomenal
bie überrafd^enbjlen aWobiflcationen l^erbeijufü^ren. 3"^=
befonbere fei auf berartige« l^ier ^ingetoiefen, bamit man
nid^t jebe SSerme^rung ber „Sieijbarfeit" fofort auf eine
burd^ ben „©tofftoed^fel" l^erbeigefü^rte SKteration ber
154 S)te :3|m)}utabititat^fi;ade unb baS SRobi^cabUitatöprobtem.
aRifd^^ng«^^ältniffc autfttfftt^re — bie d^tfd^n »fttWel
im ^0l^moxpf)k unb 3fomerie ma'^nm f)m }u bo))))eItet
3urä(£|faltung. 38ie baS Dgon an ba^ rein formale im
ttntftfd^iebe ber ^em)>eramente erinnert^ inbem ed biefem
glei^ ben öaletubinatifd^en ßl^arafter gegebener Sufifinbe
befüntmen l^ilft, fo bie Sfomwe an ijatl^iologifd^ ©onfti*
tutionSöer&nberungen , tfoo biefelben burd^auS feine ^pm
quantitatit)er 9Rif(i^ungiSt)erfinberungen auffinben loffen.
S)ie ©efammtbetl^ätigung eines Sl^arafterS^ incL bai$ etl^if d|^e
Seben, ttmn burd^ ben einzigen Umfianb eine total anbere
©eftatt annel^men, bafe, toie bie Derftnberte Sleijbarfeit
jcigt, bie @i>annung§s>erifältniffe irgenbioie mDbificirt jinb,
offM bß^ bamit etn>a bie ^onfianj beS gegä&enen %w}p^^
ramenW felber m grage g^fteCt toäre. S)e#|gialb föimen
toir — in anle|rn«ng an früher (ß. 36) ©efagtf S — getrofi
b^mpt^: in berSugcnb ift, b, 1^- fd^eint, ber Sangwinif^
am fanguinifd^eften, als ©reis ber ^n&tnattfer am an&^
motifjö^eften, Unb tote toir (ß. 50 unb 51) fjoftöreti tfn^
nen gelernt l^aben, toeld^e an fid^, etl^ifd^ angefel^en, SJbio»
pfif>%a finb unb bod^ aud^ bie etl^^ifd^e ^eti^ätigung, ^m
bereu i>^änomenaler ©eite, mitbebingen, förbem ober
nieberl^alten : fo begreifen toir l^ier, bafe ein ©d^ein ber
aSariabij^itöt ber einzelnen d^arafterologifd^n ©lemcnte au*
ber aSeränberlid^Ieit beS 3Wa6eS entfielen lann, in toetd^em
^on w'&tn f)cx bie @inbrüöe auf bie übrigen Jtmwären
Sttaturformen beS aOBillenS toirlen unb bereu SCj^tigfeit für
jtc^ in 33ef ri^lag neigen *) ; verliert ja bod^ jeber ^&xp^
*) (28 ma^ bicö am (Sl^olcrücr a bcranfd^aulid^t ttjerbcn, ber
^äf in feiner Öugcnb leidet aU püd^tig gibt unb boc^ f^äter bnrd^
feine fletige ^udbauer in (Srfiaunen fe^t 2)er fo entfle^nbe fc^ein«
bare ^iberf^rud^ li^fl ji4 leiid^t tu i^er (fxpy^^mq, ba^ bie 3ugenb«
einbrütfe fid^ i»ormiegenb an bie 9{ece:|>H)»itat abrefrt^en unb bobei bie
^ebl^aftigfett ber SrritabiUtSt heraustritt, toä^renb bie ertebnijfe be8
SWannedafter« bie ^leagibilität ^erauSforbern unb bamit bereu ^a^*
^Itigfett ^elegenl^eit belommt, ft<i^ ju betätigen, na<^bem ber er«
fal^imnggietDitigte 3ute((ect pr l^efouuenl^ett gereift i$*
fio§i;iiifd^e ßmioirfungen in i^ten ^arafterolo^tfd^en Bt^^d^ti. 155
f<l^ein6ar an (glafücitÄt, n)cnn er an einer ober xt^ttn
.©eiten öon re})rimirenben SBiberftanb^fräften eingeltemmt
ift. 5Da§ bte 3Ritbeftimmun'g feiten^ ber JReflejion fftr
dEw^erament unb ^ofob^nifd^e (Sx^padt&t nur bie i^äufigfte
ffirf^^einung^toeife biefe« ®cfe|e^ ift, brandet faum erjl
l^e¥^orgeI;oben }u ti)erben.
8« S0^mtf#e (ginäftrfungi^ in i^eu diaralterologif^n
©eiftreid^e ©pnnbinatipncn, toie fle ein ged^ner in
feinem ,^5pr0feffor ©d^Ieiben unb ber 5IRonb" »wgen burfte,
f«Äen un^ nici^t öerIcMfen, bie ©rmjen fidlerer Sntpirieju
iiberfc^reiten, unb nid^t einmal eigenen ^t^poify^m foll l^ier
ein ^la% eingeräumt beerben, bamit bie SRüd^ternl^eit im^
ferer Sluffafyung in feiger Sßeife gefä^^rbet erfd^etne. ^en^
nod^ bebarf e^ einer ^onftatirung beffen, bafe bie Stlvm^
tpiogie awd^ ^n ©^arafterologen angelet» aJ^it b^nt iebp^§,
tooÄ av^ u\ ^iefer SBejiei^ung ©ar^öin IS)dge|vrad^t Wß
mag jebcr auf feine SBeife juredptä^fommen ijerfud^en:
un^ etitbinl^e^ ppn be? 5ßßid^t, 9äJ^r b^rquf einjug4?»#
bie einfojd^e ©rinneruTig an ia& ^ijic mh ju^ice lis est
dagegen lägt fid^ o^ne jebe^ Sebenfen, aU auf ein fd^Ia-
genbeö Seif^iel, auf ba^ bertoeifen, tt>aB Stbolf S5ouai^ in
,,Sanb unb Seute in ber Union" (Serßn 1864), t)on ben
SSeränberungen berid^tet, h?e|[d^c ber tran^atlantifd^e SBett*
tl^eil auf feine eingeloanberten Setoo^ner unb beren 9lad^:=
fommen im Saufe ber Generationen ausgeübt l^abe; benn
ol^ne bafe man für bie Söal^rl^eit im ©injelnen bie atter^
minbefte SSeranttoortlic^feit ju übernehmen brandet, fann
Xß^n ^mxlmi/^, bog bort (befpnberS ©• 1 — 29) eine
^öJjle überaus „fd^ä|bareu SWateriatö" geliefert ift»
®a| jeber am SKorgen anber^ bi^jjonirt ift ol^ um
SHittag, unb a,m Slad^mittog anber^ ol^ um ajlitternad^t^
i^n^e man freilid^ einfad^ ayf baä SSefriebigt? pijer SKid^t=
156 2)ic 3mputabilttat§fragc unb ba§ aWobtjtcabiüt&tS^roblem.
befriebigtfein be^ ©d^laf- unb SRal^rungSbebürfmffe^ jurüdt
führen trotten; aber fc^on ein ^ufelanb l^at eS nid^t t)er-
fd^mft^t, feine biätetifd^en 9lat^f daläge burd^ Serufung auf
nod^ unbegrtffene lo^mifd^e Ginpffe ju ftu^en. SBie bie
gtfiW^^'^^^t^ft fl^^iff^ SRerbenftanfl^eiten beförbett, toerben
in unferer nertiöfen 3^it oud^ nur noc^ Wenige 83egIfi(Jte
erfl bei ben 9Jlftnnern ber ^ßf^d^iatrie ju erfragen nöt^ig
^aben — unb U)er ben ©ommer „bie 3^it ber £iebe" ge^
nannt l^at, t^eilte babei getoife im fiiffen ebenfalls ben
übrigen Sal^reSjeiten i^re eigent^ümlid^e SKagie ju, U)ie
^can ^ßaul irgenbiüo (id^ glaube im „©iebenfäS") ben
5Roöember mit feinen 3lebettagen für bie 3ii^fl^tne melan^:
d^olif^er Stimmungen ioerantloortlid^ mad^t. dagegen
f^eint bie Äätte ftrenger SSintertage eine getüiffe, jur Äritif
geneigt mad^enbe, ©inneSernüc^terung mit fid^ ju bringen,
toelc^e bie SBiberftanbSfraft ftä^It, unb ba§ baüon ertoeiJte
©efül^l :|3rot)ocirt jur SReaction; ber SBinter „jeitigt" bie
Äriege unb Steöolutionen, tpeld^e mit ben 33IattfnoS^)en
„auSjubred^en" })flegen; bie Unrul^e, bie ©e^nfud^t, toetd^e
im Senj ber SBiebergeburt aUer Hoffnungen entgegenfd^hjeHt,
befd^Ieunigt bie ©ntfaltung jeben ©emütl^Sinl^altS (unb in«-
befonbere toedft baS SBieberfe^ren aHeS beffen, ft)a§ ber
SBinter begrub ober t)ertrieb, bie toe^mütl^ige ©rinnerung:
^wc ber Wlin\^, tpenn bev foctgel^t,
5Der feiert nimmermel^T,
fagt ba§ SBoff^lieb ijom „3RaiIäftP;
Unb bie €reabe f^rid^t:
2)eine Blumen U^xtn mteber;
2)etne Xo^ttx lehret ntd^t),
bis ber ©ommer, jur ©elbftgenugfamfeit einlabenb, bie
Sl:j)atl^ie ber ©d^merjlofigleit ober ber SRefignation m^ toie
einen Delflrom über bie erregten SBeHen beS $erjenS an&^
giefet. ^am bleibt bem fonnigen ^erbft nur übrig, m8
in iene SRul^e ber ©id^erl^eit einjuluffen, bie ium erneuten
9Serf(i^iebene äBirlungen bev 9lar!otifa unb 6timulantia. 157
^onbeln bereit mad^t, ober — - jum ©terben* — SJod^ ge*
nug ber Slnbeutungen, bie in fold^er 2lIIgemeinl^eit faum
ben Sßettl^ eine^ bloßen lusas ingenii i^oben lönnen!
9. 9larIottIa unb @ttmulantta^ jnnii^ft ita$ il^rer tier-
f^iebenett SBirlung auf tierfd^iebene (£on{itttotiotten unb bei
berf^iebenem ^latnxtU.
Unfer Semü^en, bem entgcgenjutoirfen, bafe nid^t im*
tner tpieber SCccibenteHe^ unb ®ffentietteS, SBed^felnbe^ unb
SBefentlid^e^, 9Womentane^ unb ßonflanteS, ©timmung unb
^>ofob^nifd^e ®runbt)erfaffung, jjunctuette ©rregung unb
S;emj)etament, burd^einanbergefd^ättelt Serben, fül^rt un^
jefet ju einer lurjen Sefipred^ung jener 9Wobificationen^
toeld^e unter ber SwfölS^i^w^S getoiffer ©toffe bie ©rfd^ei^
nungen junäd^ji ber' ©onfütution unb be^ $Ratureff^ erleid
ben fönnen, fotoie be^ »er^ältniffe« ber Slb^ängigfeit, in
toeld^em ba^ SIRafe thm biefer 3Jlobificabilität fielet ju 9la^
turell, ©onfütution, Temperament unb j)ofob9nifd^er So^
:>>acität, biefe t)ier einjeln unb in il^rer aSereinigung ge-
e^ tann uns babei nid^t irre mad^en, Xoinn SBunber:^
lid^ (a. a* D., I, 212) bal^in fi^ auSfiprid^t, bafe jtoar
„bie ©timmung unb bie SBeife ber SJ^ätigfeitSäufeerungen
beS ©e^imS, alfo SJentjperament, ©^arafter unb Sntellts
genj, in getoiffem ®rabe, bod^ weniger atö bie Functionen
fafl aller anbem %i)dU, Don ber ©onftitution abl^ängig
finb, ba baS ©el^im mel^r atö irgenbein anbereS Organ
einer unobl^ängigen SluSbilbung fä^ig ift unb in feinen
äeufeerungen ©elbftänbigfeit jeigt"; — benn für \xa^ ifl
ja ber ganje Seib bie Dbiectität beS SBittenS, unb nid^t
ettoa baS ©el^im baS einjige Drgan fogenannter })f9d^ifd^er
Functionen — ja, nad^ ©d^ot>enl^auer fielen iperj unb .
^lut in ungleidgi birecterer SBejie^ung jum Dbj[ect ber
158 3)te ^mptttabiütdt^frage unb baS anobtItcabUitdtöptobfetn.
©^atafterofogie afö tote jene« — u«b nur ber bctmißte
fU&i^ctii)e SRejTeE einer anbet^tüo gefc^^enen öbj[cctit)5nta-
terietten aSeränberung fommt im ®ti}im ju ©tanbe.
©emgemfife gilt j. 83. gleid^ ba^ in vino veritas nic^t
fo uttbefel^en^ in feinem :|)rfifumirbar einfac^jlen ©inne,
^mn iomn ber S)^^fofo^ in ber Sltunfeni^eit unmäßig
foc^t, fö ftellt baS bod^ bte SBal^rl^eit feinet fonftigen ©m-
fle^ fo toenig in ^age, tüie bie S^l^ränen , toelc^e mancher
©ufolo^ im SRaufc^e bergiefet, feinen fonftigen gro^pnn*
aSielmel^r finb foli^e Slnomalien t)on fogenannter ^olarifd^er
®egenfä|li(i^feit md^Un^ ber SSeurt^eitung be§ Jj^^fiolo:?
gifd^en ^at^ologen ju unterfletten, loeil pe nic^t bem
EfKirofterfem , fonbem nur ber j)^änomenaIen 83etl^ätigung
ber fomatifd^en Snbibibualität angel^ören. ®an^ ä^nlid^e
Seobad^tungen ergibt bie SSerfd^iebenartigleit ber SBirfungen
beS D})iumS unb inbifd^en ^anfe^ na^ ber t)erfd^iebenen
®röfee ber ©opg toie nad^ ber SSerfd^lebenl^eit ber 3nbit)i^
buen — regt bod^ fogar ein ^runf falten SBafferö bor
®c^lafengel^en ben einen auf, toft^renb e^ bem anbern ba^
ttnrffamfte soporiferum ift, toa^ pd^ tool nur an^ einer
tmfd^iebenen SBirfung auf ben 5ßufe unb bie S3lutcircula=
tion flberl^auiJt erfWren läßt, ©eilftufig: bie fo jiemlid^
über alle befannten SSölfer fid^ auöbel^nenbe SBer&reitung
be$ ®enuffe§ narfotifd^er ©toffe ifl leidet im ©inne be§
^pefftmi^muS auszubeuten: m^ ber graufamen ®irHtd^feit
fliegt ber SWenfd^ in eine fünfllid^ ^eraufbefd^loorene
^tüunti^dt , bie il^m erlogene SBonnen t)orjaubert, vxn i^n
beflo fd^limmerm „Sfammer" ij^rei^jugeben. 3«3l^i«^ ^^
ftnb toir gemannt, t)or ber Dberfläd^lid^feit "^nl ju lauten,
loeld^e bie folgen fol^er ©enüjfe einfad^ in d^emif^e Sor^
gftnge fe|t. SSielmel^r offenbart ftc^ in il^nen, baß baS
5ßflat^enreic^ ©rfd^einung eines mit unferm aBefenSfem
gleid^artigen SBiffenS ift; unb eS fc^eint m,t unberlennbare
afe^nlid^Ieit objutoalten jimfd^en i^nen unb ben ^^äno-
menen beS fogenannten tl^ierifd^en SRagnetismuS — ber
saHEc fetter erfäl^rt Sä^mung, unioiberflel^Bd^e Senfung
Serfi^tebene aBttbitgen bet 9lat!otttä unb Stimulantia. 159
Uta) in ber 3laäfMxiun^ ebenft usräberminblid^^ (Srfd^laffung
— fclbft Iatalcj3*tifd^c ^ix^&x&e treten l|>ier toie bort dn,
tnxb bie tmedfntt ®t^&lßifMt fe^It babei gleid^faS«
td^t aSantm foKten tt)ir alfo ntäft bie iQ9!|)otl^efe ioag^^
ba| an^ getmffe formen franf^after ®eiftedftörimgen in
anoiogen SJ^^Irafien i^re Urfod^en ^ahm tötmen? ®e0s
^alb entfd^eibet e$ nod^ ni(i^t f&r einen ©runbirrtl^um in
unferm Urtl^eil^ toma tt)tr bie ^rmlofefien Staturen nad^
SBeingenul „ auöfaff enb" ober gar „t^fttUd^ brutal" toer«
ben fe^en; fann bod^ aui^ "ba^ ^eber> ja bie Steconbale^
fcer^ bie niU^temflen 9Serfianbeilmenf<l^en }u !|)l^rafenreid^en
©d^önrebnem ntad^en, offenbar nid^t, ate ob baiS i^re
^)a>afyct SRotur" todre, fonbern nml ber franfl^aft gejiörte
Suftanb fie an ber t>oIIen 9el|ferrfd^ung i^red SBortt)Oi^
roti^d l^nbert unb bie innere %citation öberbied nac^ obit^
quoter äludbruddtoeife tenbirt. @onft ntü^te ja auc^^ tott
nod^ D!t)ium unb ^afd^ifd^ ober anbern 3taxUiXta bie %tbf
tagiägorberobe feiner d^araQ^relemente aui^jie^t, um an^^
bere, i^m „nid^t auf ben Seib getoa^fene ober
gemeffene" anjulegen, atö einSladEter beurt^eilt »er*
ben, ber in unüerfd^Ieierter SBoi^r^eit t)or un« ftftnbe;
toSSfxtüb bie boUe unb nxä^n SS^a^rl^eit bie ifl, ba^ ge$
rabe bie fremben ©toffe, toeld^e bem nert)enregenerirenben
99litte eingeflftgt ftnb, fein ec^ted S^arafterbilb ^erl^üOen
(gerabe fo toie Iranll^afte Slrlefftugigteit ben natürlid^en,
b. ff. mf)xm mid entfiettt), ©abei ifl eÄ felb{it)erftÄnbU(^,
bofe ft)o nid^t« ifi, aud^ nid^ erregt toerben fann — aber
nid^t einmal (ba^ folgen toiv ja bereitiS nad^ anbern älno::
logien, ©♦ 153 fg.) ein 3iüdtfd^lu6 bon bem ®rabe ber lünfl*
lid^ i^erbeigcffil^rten ©rregt^eit auf ba^ SWa§ ber urfj)rflngs
lid^en (Srregbarleit, baiJ Ouantum fojufagen beS erregbaren
©töffe«, ifi ol^ne toeitere« p geflatten — fd^on bedl^olb
nid^t, toeil beim Sfteij ba« einfädle 8Serl^ftltni§ jtöifd^en
llrfad^c unb aSirfung, mläft^ ben rein med^onifd^en ®ffect
d^ardtterifirt, nid^ me^ befle^ (^gL ©d^o!t)enl^auer, „S)ie
aSJeft ate äBitte unb SSorfiettung", 3. äluflv I, 137 fe;;
160 3)ie 3[nt))utabi(üdl3frade unb bad SDlobificabititätöpro6(em.
„®ie beiben ®tunb})roMeme ber ßtl^il", 2. SCufl., @. 29 fg.
coU. 37 fg.; „SBitte in ber Sttatur", 2, Sluft., ©. 22), unb
wUenb^ ni^t, tt>eil ba§ ^iefee alle^ ^)rei^gc6en, toa^ uxt»
fere bi^i^mge SJarIcgung für baä gejii^aften an ber rela^
Itoen ©ettftänbigfeit ber einzelnen d^aralterologifd^en ®Ies
mente mö^te gettjonnen l^oben; eine ©elfijlänbigfeit, ber*
möge toeld^er in^befonbere bie Irritabilität unb 9[m^)refs
fionabiütät ber birect etl^ifd^en 3lbfci^ä|ung entjogen it>urben.
Ueberbie^ barf nid^t öergeffen toerben, toie e^ neben
ben ^j^l^fiologifd^en aud^ })f^d^ifd^e Stimulantia gibt, toie
jeber Effect, jebe Seibenfc^aft, jeber befonbere ©emiltl^ös
juftanb unfere ®m:>>fänglid^teit für geit>iffe Älaffen bon
3Kotiöen alteriren — ba^ j. S. bie S^rauer unter getoiffen
3lnläffen in einem unöerfennbar ^jolarifc^en 9la^)})ort ivm
©eEualfvPem ftel|>t, tourbe bereite ertoä^nt; greube bagegen
i^ält jeittoeilig ben junger unb ©efd^led^tätrieb nieber.
^ier ift aber öornel^mttd^ an Seftüre unb aWufil ate
Umftimmung^mittel ju beuten- S)a^ Sefen eine^ ergreif
fenben 33ud^e^ öerfefet ba^ ganje Sieröenf^ftem in eine
<3(§tt)ingungöfolge, bie — öorbel^altlid^ ber Slu^fül^rbarteit
— e^ tt)Ol|>l bem ßriminaliften jur ^jlid^t mad^en fönnte,
cbenf gut ju fragen : toa^ i^at ber Sncutj^at f ur j t>or ber
3;^at gelefen? ate: tt>a2 unb toietoiel l^at er öorl^er ge=:
trunfen? unb toer fid^ geit>iffer SJanjmelobien entfinnt, toirb
bie e^orberung fo ungereimt nid^t finben, bei Slufnal^me
be^ 3;i^atbeftanbe^ über nad^ einem SaHabenb t)erübte
SSerbred^en ober gret^el au^ bem Ropitd „SJornai^me um
güd^tiger ^anblungen'^, bie Snquifition aud^ auf fold^e Wto^
mente tt>ie : hueld^e SWufifftüdEe finb gef^jielt toorben ? an^u?
bel^nen. Ueberl|>au!|3t ift ja bie 5ßl^antafie al^ ün^ ber tt)i(§=
tigften (Slemente bei ©ntfd^eibung ber ^rage nad^ „intettec*
tueHer grei^eit" niemafö aufeer Sld^t ju laffen. ©ie ft)irb
jum aJel^tfel für eine ganje ©attung bon SBorfteffungen
unb bamit öon SUiotiben, toelc^e ben 5ßl^antafielofen !aum
ie berül^ren. S)ie ©inbilbung^fraft mn^ ben Serftanb
unterjtü^en, h^enn e^ gilt, bie fRüffc möglid^er ober
SSerfd^iebenc SBitfutigen ber Jlcrtfatifa unb ©timulantta. löl
ä>a]^^etnlid|er folgen eiwer ^anWung ju überBIiden.
2Bie überall ber fogenannte Setd^tfinn aufecr im %^mpna-
mmt jugleid^ im SnteHect begtünbet ifi, fo in«befonbete
ba, ft)o einer Unred^t tl^ut, bIo§ toeil er im Slugenblid
fid^ nid^t ijergegentoftrtigt, toie tiefgel^enb fid^ boS mt>mtn^
tan^ Xf}\xn berflid^ mit entlegetiften ©liebem ber ©aufa^^
litfttölette, unb fo mit 3flec^tgberle|ung eingreift in frembe
aSerl^altniffe, — alf o ettoa in pfiffen, too ber Jpanbelnbe unter
bem ®influ§ einer !t)|i^f!ologifd^en aSerfud^ung ju abulte^
yiöfen S^l^aten fielet. Unb toaS bie SWüpf angei§^f, fo i%
toog bie jute|t t^erfiorbene iperjogin bon Orleans il^r nad^^
tül^mt: fie i^abt nie gelogen, — felbjl untoal^r. ©ie toer^:
fe|t öielmel^r leidet in Stimmungen, über beten ioa^ren
Oe^ialt toir unö täufd^en: finnlid^e Erregung fielet hjie Se?
geifterung, öerl^altene SBoKufi toie ibeale ©el^nfud^t au^,
unb man möd^te fagen: e^ ift ebm nur ein äußerer Sleij,
lein 3Kötit>. S)ie3Wufif ertoeid^t nid^t nur, fie hjeid^t
bie (Seele aud^ auf urtb raubt i^r in fold^er äufloderung
fojufagen bie innere ©onfijlenj, ober, toie e§ bei Äant
unb ©dritter l^ei^t : il^re JBirfung ifi mt „f d^meljenbe", S)ie
^ßrfibig^jofttion ju bergleid^en l^aben tt>ir aber f^on früi^
auf bte eonjlitution jurüdgeffil^rt unb fönnen — unter
SBflÄtoeifung auf ©. 43 — ba« l^iier @infd^lagenbe bal^in
refumiren: 9Wand^em tourbe fd^on ate 2;em^)eramentgunart,
ja ate fittlid^er ©i^atafterf eitler im^jutirt, toaS nid^t§ toar
atö ein ©^mpton nertoöfer ©onfiitution ober gar einer
namenlo« gebliebenen „S)9^frafie"- — ®a« SKafe beffen
j. 83., toaö einer „vertragen fann" an ©^)irituofen u. bgL,
bie S3erfd^iebenl^eit, mit ioeld^er jloei gleid^ grofee ©läfer
beffelben SBeing auf jtoei berfd|ieben^ 3nbii>ibuen toirfen,
bietet für bie „(Sonftitution" — man mag fte banad^ fäg=
Ix^ bo« fomatifd^e S^entperament nennen — in Äl^nlid|er
SBeife einen ©inti^eilung^grunb, toie bie 3Jlotit)ation im
engern Binn för 3;em!J)erament unb etl^if<i^en ©l^rafter; —
unb 100 eg gilt, bie nur fid^ felbjt gleid^e 3nbit)ibuatttÄt
abjuconterfeien, barf ba^ (Sine fo toenig toie baj^ 3ltö)ere
Sal^ttfen, (^j^aralterologie. -L 11
162 S)ie SmputabiUtdtöfrade unb baS flobtficabtat&töptobtein.
ou^er 9(d^t bleü&en — eine summa justitia^ bte eiS tt>ir&
I^ ju biefer äbtoägung aller aWomente firäd^te, toäre
leine summa injuria mel^r, benn biefe entfielt nur in ber
abflractcn, b. ff. gerobe ba^ inbibibuell ©oncrete ignoriren:^
ben 3lj)})Kcation be^ summum jus. Unb toeil un^ he^tfoB
ein paar fd^toanfenbe ^Terminologien mel^r nic^t fonberü^
loeiter bringen toürben, fo ijerjid^ten toir lieber ganj bar-
auf, l^ier in betaittirenbe Setrad^tung ber fogenannten ©on^^
fiitutionen (ioie fierile, abbominale, I^mi)l^atifci^e, floribe^
lafcibe) toeiter un^ einjulaffen.
10« Sorlöuftge flef ttfdie @f ifobe.
aSa« „S^ro 3WaieftÄt attergetreuefie Oppom^n'' für
bie ©ntoidelung be^ ©taatöleben^, ba^ ift ia ber el^rlid^e
©fe})tici^tttu^ für jeben gortfd^ritt ber S)enff ^fleme ; benn:
oi^ne StoA^d — feine grage; — ol^ne ^Jrage — fein 3la(S)^
pnnen ; — o^ne SRac^finnen fein getoiffenl^afte^ Slntioorten.
Unb gerabe l^ier biefem S^terlocutor ba^ SBort ju er^
tl^eilen, bagu liegt ber 2lnla§ in.bemUmflanbe, ba§ feine
®inrebe ebenfo fe^r ben ©egenftanb betrifft, öon ioeld^em
loir ^erfommen, loie ben, ju loetd^em überkugelten ioir im
Segriff ftel^em ©o möge er benn f})red^en, auf bie ©e^
fa^r li^in, ba^ au5 feinen 3nter})ettationen SSerlegenl^ieiten
enoa^fen, gro| genug, um bie Slnfd^auung ju ftürjen,
loelii^e bi^^er ^eft unb SRuber in ipänben gel|>abt l^ot; —
amicus Plato, magis amica Yeritast
©eitbem loir e^ ©. 40 fg* juerjl anerfannt, toie fämmt*
lid^e gulefet bef})rod^enen, junäd^fl allerbing^ j)l^änomenalen,
2;^atfaci^en irgenbioie auä) im S)ing an fid^ ii^r ßorrelat
l^aben muffen, toar fd^on öfter ©elegen^eit, biefe Slner^
fennung loieberl^olt au^juf^jr^d^en, unb alle angefteHten
©rtoägungen fönnen un^ fd^lie^li^ nid^t wn ben folgen
fold^er Slnerfennung entbinben. greilid^ befd^ränft un*
ein berartige^ ®ingefiänbnife um fo toeniger ba^ SRed^t,.
IBorlduflge ffe)}tif$e ßpifobe. 163
ben emj)mfci^ gegebenen ;S)ifferenjen Leiter nad^jugel^en,
afö jener SBorbel^alt bie ^He ber Unterfd^iebe eben in ha^
®runbtt>efen felbft öerlegt, i^nen alfo nur bejlo l^öl^ere
Sebeutung gufjjrid^t, unb unferm Unijermögen, bie ^er*
leitwng vorläufig ju erreid^en, toenn über]^mH)t trgenbtDie,
iebenfaH^ nur burd^ gru^)j)irenbe Slnfammlung be^ aJlate:=
riatö fann nad^gel^olfen toerben. — Slffein e^ ifl babei
eine 3nflan§ nid^t ju überfeinen, ba fie gleid^jeitig jtt>ei
gunbamentalfä|e ber ©dno^)eninauer*fdnen &^it in ^age
gu [teilen fd^eint: bie SCfeität unb bie mit biefer gegebene
Uni)eränberii(§feit be§ 6^arafter§, fofern näntlic^ le^tere
au^ jener nur unter ber SSorau^feftung öollerSin^
l^eitlid^feit ju folgen fd^eint ©reifen toir g. 83, an^
ben Kriterien be^ Ei^araltertoertineg ein^ ber entfd^eibenbjlen
l^ierauS: ben Orob ber 33erfül^rbarfeit, fo erfd^eint thm
biefer afe ba^ am meifien Sllterable. — Slffecte, ©timu:=
lantia, Söed^fel be^ ©efunbi^eitSjuftanbe^ toirfen gleid^
jtarf ebm auf il^n ein, unb biei8 alle^ unter ben Segriff
„aSerfälfd^ung ber aJiotii^e" ju bringen, ^ilft nid^t t)iel,
hjeil jebe einzelne SBeife, in toeld^er fold^e SBerfälfd^ung ju
©taTÜ)e fommt, für fi^ f eiber toieber ein eigene^ Problem
i% Unb bie ©d^toierigfeit, gerabe öon ©dnoi)eninauer'«
a5orau«fe|ungen m^ ba^ SBefen ber Äranf^eit befinirenb
ju erflären, in SSerbinbung mit ber Stnerfennung einer ge?
toiffen vita propria ber einzelnen Organe, gefäl^rben bie
aSorfiettung t>on ber ©inl^eitlid^feit be^ organifd^en 2^bm^
nur nod^ um fo mel^r, 3Bag man aud^, mit einer Slrt
t)on Sa^nllang an bie aWonabologie, bie ^ppoa}^^^ i>on einer
im ©enerationSact entftel|>enben Ut^eHe *), toeld^e bie Statur
*) 3n bicfcm @ttinc f^ri^t Slamcatt'« iRcffc (Ooet^c'« 2Bct!e,
m 40 «änbcn, XXIX, 295 fß.) bon einer „Urfafer". ntUx^anpt
iß biefer gange ^Dialog nid^t nur al9 braßifd^e, e9)>rit«' belebte ^rör^
terung ber et^ifd^en <BUp\i9 eine ber bebeutfamjlen Uterartfd^en $l^«l<»
nomene be9 borigen Sal^rl^unbertd, fonbem aud^ für bie gefamntten
^ter bon nn9 bel^anbelten ^l^emata boll ber andgiebigffen Anregungen«
11*
164 Sie SmputabüttAtdfviise unb ba§ SRobiftcabiUtatSproHem.
brr füd^ i^r atifd^tte^enben QeUm old 'ny&fi'OviHoy mttbe?
fiinimt, geften laffen, fo ifl c^ ja eben biefe •^yfipiovte,
tDeld^e oö eine f o leitet &ef d^rfinlte , x^p. gefiörtc erf d^int
3a, bie ©tette, too ©cl^o!j)en§auer jeben Äram|)f , t)or allem
alfo ben Xttwxvß, afe eine 3nfurrection ber ©nget
nect^en gegen bad cerebrale Zentrum befd^reibt, gibt fol^^
(SiiitoÄnben einen nod^ feftcrn ^aü. liefen Äfttl^feln
gegenüber bleibt ber ©a$: „ber Seib unb feine Slctionen
finb bie ©id^tbarlcit be§ ©J^arafterS" jiemüd^ nld^tsfagenb,
toSenb^ tottm oud^ nod^ bie Störungen in Slnfd^Iag ge^
brod^t tt)erben, n^el^e, fd^on toäl^renb be^ ©mbn^onoUeben^,
unleugbar t>on au^en auf bie ®nttt)idklung ber Organe
beä Sttbitoibuumg fo nad^l^altig eintoirfen; ber l^&uftg unter
bem @eburt^cte felber nod^ borfotmnenben ^fa^ulU gau)
iu gefd^tt>eigen. Sßirfiid^ fd^eint eä an^ biefem Dilemma
imm anbem Slu^eg ju geben afe ben ber ^tmafynt
einer 9Rel|»rl^eit "om ab ^ unb suftiegenben, bie @ef anrntts:
l^öt ber 3«*iöibualttdt cDn|Htuirenben ©Icmenten — unb
toenn einmal ba^ @ltnge in 3nbh?ibuen audeinanbergetreten
ißt, fo ift nid^t abjufe^ien, loarum bamit bie Selbftfipattung
fotte aufgeJ^iJrt ffobm; ber Äonon: bie ^rincit)ien feien
nid^t o^ne 3?ot^ ju i)eröielfad^en, ift \a nid^t me^R: ju*
treffenb, too bie ^aifl ber angenommenen $ßrincij)ien pd^
afe unjureid^enb em^iefett @^ tmrb ja aud^ bamit bie
®»iglcit — ober fage man, immerl^in Slfeitftt — ber ©le^
mente, bieS Ur|>oftuIat bei^ ftttli^en ©runbgefül^fe ber
@f Ibjlt>eranttoortiidi>lctt , nod^ gerettet; obgleid^ nid^t ge*
leugnet teerben fann, bafe ioir bamit nal^eju an jene etl^ö*
lof e* äuff dffung ftretfen, hjeld^cr bie Qnbiöibualität mt i)om
SufaH jufammengeloürfelter 6om})lej etoiger Äraftfäben ifl.
SBa^ un^ t>on biefer aber nod^ fd^eibet, ift ein SRefi nn?
i)er!ennbarer C^arafterconjianj, töeld^er tro| unb in aUm
toed^feCtAen 3teu§erungen bel^arrt unb — fid^ vererbt.
©d^rumj)ft alfo aud^ ber Umfang ber Smputabilitftt be=
träd^tlid^ ein, l^ört ber SKenfd^ aud^ auf, „mit ^ant unb
^mt'' für j^e 9iegu»g ^iner 3nbit)ibualiit$t ^eront^ortli^
Sorldufige f!elpttf(fte (Sptfobe. 165
ju fein: fo tretmt bod^ biefen @tanb!))unlt nod^ eine jiem^
Ü^ feße ©d^tante )>on ber obfolnten et^ifd^en ®te)){Ü.
Aut)^ U)ir gett)innen einen ®tanb))unlt^ nad^ U>eld^em e£
fein blo^tt SEBiberfi^mtd^ ifl^ ba^ ber 92enfd^ im gat^en
unb großen jU)at afö „bcn SJ^&ter feiner Xffatm^^ fic^
U)eig, ober baburd^ bod^ nid^ fld^ abffolten l>, in tau^
fenb gaffen mit einem „id^ fann'^ nic^t l^elfen^f id^ mufe
bog t§un" auf eine SRotl^toenbigfett, att entfd^ulbigung fei=
ne^ S^l^un^^ ftd^ beruft^ toeld^e er on^eri^alb bed YJyetxovtxöv^
aui beffen älfeit&t fein @d^ulbbeU)u$tfein flammt, fte^enb
to^ ober toenigflenS glaul^t 9Rit anbern Sßorten: tu)n
ber Unt)er&nberlid^teit bed S^arafterS im toeitefien @inne
lafet fid^ nur f^red^en, fofem bon feiner tlj^atfäd^Hd^en 6nfc
^e^ung abgefel^en unb er atö ein @infad^ed ^ingefleKt
toirb. aber er ifl — ate Seib — ja ^obuct ijieler ein^
jelner 9laturqualitäten. ^e 3^entität biefer mil ftd^ felbfl
— tro| affem SBed^fel il^rer (Srfd^einungen — Ift|t fic^ be^
ffcmptm unb mn^ bel^au|)itet U)erben — bod^ jäycn beSl^alb
mu^ beim Sßed^f el ber @umman^ auc^ bie @umme : eben
\>a& menfd^lid^e ^nbibibuum, ein anbere^ werben, unb ba
fid^ bie <Sr{enntni| aud^ nid|it anberiS, benn afö* eine
äßobificirung ber ba^ @^f)im conftituirenben SRaterie
beulen l&^, fo lie^e fid^ n^eiter fagen: ber äBiffe aU ^
bibibuatd^aralter ift nid^t nur burd|i bie SRifd^ung^^erl^äli:
niffe beiS Stofftoed^feld in beffen grobfinnlid^er Serftnber^
lid^Ieit tHiriabel, fonbem aud^ burd^ bie f leinen SRobifica::
tionen auf bem SBege ber Sereidjerung be« Qnteffectö.
©onn toäre eine moraüfd^e erjie|>ung möglid^ — nid^tf
nur im Sinne @d^o))enl^uer's, toonad^ fle nur neue Wb»^
üüt }ufiU^rt unb beren 9Bir!famIeit möglid^ mad^t, fonbem
oitd^ fo, bag vermöge ber untrennbaren SSerbinbung jtoifd^en
SRaterie unb Snteffect, @e^im unb S)enlen, mit bem ®^
l^im aud^ ber übrige Seib, b. ff. ber SBiffe old ^Anome^
noler, felbfl berAnbert Mirbe. ^od^ bliebe l^iergegen aQer:'
bingi^ bie Sludrebe offen, ba^ SdäfftunQ, übtt^aupt Sin?
^tbxn^ auf ben dnteOect, nur bie gunctionirungdtoeife
166 S)ie StnputabUitatöfcage unb \>a% WloVificabÜxtmxixoblm.
beS ©el^im«, nid^t beffcn ©toff felbjl altcrire, fofem fie
im bloßen 6aufalttÄtöt)erl|>filtnife fojufagm ber SÄffection,
nid^t im SBcge bc^ jlofflid^en ^mjutl^wn^, auf ba^ ©el^im
influire; allein toit fmnen eben bie ^)l^^fiologifd^en SSor^
gänge beim aSorflcffen ju toemg, um ju toiffen, ob babei
aud^ ein materialer (Sonfum ober 2lu^f^eibung^^)roce6 flätt
finbet ober nid^t»
SlBie bie j)^ilofo^)^ifd^e &fyil im SSergleid^ jur tl^eolo-
gifd^en mand^e ^ofltionen aufgeben mu^ (unter anbem aDe
biejenigen, bie auf tl^eifüfd^er ©runblage rul^en), fofd^eue
jie fid^ aud^ nid^t, ber flarren Gonfequenj be^ abftracten
SHgori^mu^ red^tjeitig einJgalt! gu gebieten, toenn fie nid^t
jener abfoluten ©Ie:pfi§ öerfaKen toill. ^mn ju fold^er
fönnen gerobe bie aUerunfd^einbarfien 2;]^atfad^en J^finüber^:
br&ngen. S)ie Unterfd^iebe ber SebenSalter geben fd^on einen
in biefer SWd^tung forttreibenben Slnfiofe. SBo ©d^o^3enl|>auer
0,S)ie SBelt atö SBitte unb »orflettung ", 2. Slufl., H, 470;
3. Slufl., @. 534) bie fenile ©utJ^anafie fd^ilbert, fommt
er aud^ auf ba^ Slbjlerben ber Seibenfd^aften gugleid^ mit
bem be^ Drgani^mu^. Sji aber in bem S^fammenl^ange,
toie t^ bort auftritt, ba^ Sßter loefentlid^ Ärant^feit, fo
mu^ ebenbaffelbe, toa& bon il^m gilt, aud^ \)on anbem
Äranll^eiten unb bamit t)on äffen organifc^en aSeränbe^
rungen gelten: too fid^ bie ©rfd^einung änbert, ba mu§
irgenbioie aud^ ba^ ßrf^einenbe felbft t)on ber SBeränberung
mitbetroffen fein; ba« Slnfid^ biefeg 3nbit)ibuumg ift m
anbereg getoorben. S)ie (Srlenntni^ unb il|>r Drgan pnb
integrirenbe Seftanbtl^eile be« erf^einenben gnbiüibuat
ioiffen^ — mit i^rer @nttoidfelung mu^ aud^ biefer, toe^
nigflen^ in ber 5proj)ortion ber (Functionen feiner Drgone
xmtereinanber, mobificirt loerben^ S)ie „Slugenb" ber Äelifd^*
l^eit l^at für ben ©äugling unb ben abgelebten @rei^ gleid^
toenig ©inn, unb baS (ftatt il^rer?) ben beiben Seben^^
ejtremen, ber Äinb^eit unb bem ©reifenalter, gemeinf ame
„Safter" ber SRafd^l|>aftigf eit i)eränbert mit ber tör^)erlid^en
@bolution fo griinblid^ feine @elä{le, bag toir gerabe barin
fiebenSoer^dltnijTe^ ©eloDl^nunsen unt Srfal^rungen. 167
eine red^t natoe a3eitättgun0 für bie SSerÄnbetltd^feit
ber SBitteniStici^tungen ffahm. ^ anbem fällen toirb
too^I bcr blo^e ©d^ein einer fold^en befeitigt burd^ Serfld*
fid^tigung ber jur einen ober anbem 3^* t)orl^anbenen
intellectuellen Unfreil^eit — babon a&er fann gegenüber
infiinctii) auftretenben SBegel^rungen nid^t bie SRebe fein;
benn bafe bie Slu^fage beö (Sefd^madfinnö über ba§ bem
Drgani^mu^ S^tirftglid^e unfid^er gemad^t toerben lann,
flel^ört einem anbem ©ebiete an — ber ©tömng be^ Qn*
fünctö burd^ toibematürlid^e ©ehDöl^nungm» ®afe jebod^
ber Snftinct nid^t ganj aufgel^obm hjirb, bafür jeugt un-
ter anberm bie S3[j)})etitIoftg!eit ber Äranfm.
IL 2)ie :|i]^Snomenaltter ben ^^ angeborenen^^ (^axafttt
„nmtoanbelnben" gactorcm a) %a9 „geben" nnb bie
Seben^ber^ältniffe aller ^rt^ ^ammt ben bon il^nen onf-
gebrnngenen ©etoö^nnngen^ (Srfa^rnngen nnb „@tnbriitf en".
Unfere Unterfud^wng foH nid^t abmnaU aufgel^alten
ioerben burd^ eine SBorfrage banad^, toeld^e d^aratterolo-
gifd^m ©lemente e^ benn im einzelnen ftnb, bie loir einer
SWobification burd^ ©intoirfungen öon au^en l^er, befrfnber^
^)f^d^ifd^er Slrt, unterliegen fe^en; — bie Slnttoort barauf
mag t)ielme]^r ate ba^ Sftefultat unferer ^Betrachtung bon
felbjl fid^ ergeben; unb toir Inftt)fen lieber l^erjl^aft an bm
Sd^lufefal ber foeben gemad^ten S)igreffton an, inbem
tt)ir an biefem Uebergang^ti^ore ein SBort einfließen lajfm
über „©inflüffe", toeld^e anä} an ber ©d^toelle be§ atl^men-
ben Seben^ ben 9ieugeborencn nur ju oft empfangen: über
bie d^arafterologifd^e SBid^tigfeit ber Slmmenmild^. S^Jar
ffobtn tt)ir e^ gefliffentlid^ gemicben, bie bielbefiprod^me
^age nad^ ber ©rblid^Ieit ber ©Ij^araftereigenfd^aften in
bm Ärei^ unferer (Srörtcrungen gu jie^en, unb geteiffer«
ma^m ijl jene nur ein SHebenau^läufer bon biefer. aber
fofern eg fxä) babei um ben conflanten ^injutritt eine*
168 S^e 3»)wtaMIttAtöfKa06 unb \^^ motiifüamimptMm.
frcsttben (Clements l^ianbelt, liegt un^ biefe @))ectalit&t bo^
ij^er, unb bie übereinftimmenben 93e^au})tungm fo \>xd^x
beobod^tenber SOtfitter in S3erbinbung mit ber ^on aRild^^^
gefd^k^ifterfci^aft rebenben SBoß^äber)eugung l^eifd^ eine
SBeriidfic^tigung, toeld^e einfad^ )u t>erfagen^ gerobe unfenn
met]^oboIj)gt{d^en ^tinci)) am allern)enig{len anflehen U)ätbe.
@el^ört bie unleugbare SSerfd^iebenl^eit itt>if(|fen @efd^tt)i{lent
yd ben g;eti>id^tigften älbmai^nungen ^on jjebem äSerfud^e^
,,geneanomifil^e^^ 2:i^eotien aufgufteHen^ fo tann bod^ eben
biefe eine tl^eilioeife Klärung cax^ ber t)erfd^iebenen @r^
näl^runggtoeife finben, — unb Keine l^erüorfted^enbe, ie
nur einem ^omiliengliebe eigentl^ümlid^e Unarten ober Un^
tugenben })flegen e^ gu fein, auf loeld^e bie 3Wütter i^re
Slu^fagen {Ui|en, mögen biefelben nun mel^r in ber ©e-
tool^nl^eit be^ orgonifd^en Seben« ober in bem „Sinn" — atö
ßigenfinn, SJentperament, SRatureH — fid^ funbgeben- 3m
allgemeinen l&^t fid^ fagen: j[e mel^r baiS älterlid^e ^u
tiibuum bem erzeugten i)on feinem SBefen bei ber S^ugung
unb bem Slugtragen ber fjrud^t abgegeben l^at, befto öott^
fiänbiger n)irb biefe^ jenem ä^nlid^ fein, beflo el^er aber
aud^ ba^ ergeugenbe fterben mäffen. S)a^ leiert un^ am
beutli^en bie ^^dtmodt mit ilj^ren 3Ketamor!j)l^ofen,
©enerationätped^feln, ^ßarti^enogenefien — ba feigen toit
eine fafi l^anbgreiflid^ unmittelbare 3]tetem))f^^ofe, ein
gort^ ober 99Siä)eraufleben ber äleltem in ben ^nbem;
borum concentrirt ftd^ nid^t nur boS l^öd^fte @treben biefer
Ä;i^iere, nein, cigentlid^ all il&r 2;i^un, toie mit einem in^
tuitit)en 93eU)u^tfein ^on jener „meta))^l^fifd^en 3bentit&t'^
in ber @orge um bie SBrut, einer @orge, toeld^e überall
um fo boUft&nbiger ftd^ betl^&tigt, je ^oUfi&nbiger ha»
Äinb bie SBieberle^fr ber Sleltem ifi. 3c länger bagegen
bie äleltem nod^ nad^ ber ©eburt ber Jtinber leben, be^
inei^r entfremben fid^ biefe mit ber S^ ben äleltem — fo
bei ben ©äygetl^ierm, toeld^e balb bie eigenm 3ungen
ni(§t mel^r lennen: e« l^aben biefe neuen 3nbii)ibuen bann
fd^on )u ioiel ^on ber älu^entoelt, )u t>iel il^nen oui^^
2ebendt>ei;]^aitnfffe, Oekodl^nungen unb Srfal^tungen. 169
fd^iegli^l inbisoibueS SS[nge|iötenbed an^ unb aufgetwmmen.
©0 fann felbft bei SWenfd^w bte SleltemKebe erldfd^en, je
nie^r ftd^ bte !Seben2U)eife ber ftinber i>on bet i^feimatttd^ett
entfernt — toogegen ber Säugling nod^ aU J^albtoer?
toad^fen mit bem äVlutterleibe^ ald feinem SBut^elboben,
anjufel^en ift. ^e^^alb ifi Slmmenmild^ mit einem ^fro^f^
reiiS )u t^ergleid^en (tod6)^ freilid^ in ben feltenften (fällen
fär ün berebeInbeS gelten fonn), tpäl^renb anbertoeitige
9lal|>rung — (abgefei^en i)on Äui^milc^ m^ fiet^ bemfelben
tl^ierifd^en Snbiöibuum, too benfi&arertoeife auä) ein d^arol*
terologifd^er ©influ^ ju obfertoiren to&x^, foba| fd^fon
batum bie neuere SSorfd^rift, lieber SWild^ t>on toerfdg^iebenm
Äil§en ju mifd^^en, fic^ eml)fiel5flt) — in il^rer SWannid^fol?
tigleit fid^ neutrolifirt — leinen inbi^ibueU einlfieitlii^en
(S^arafter ffat unb beSl^alb fold^en aud^ nid^t übertragen
lann. S)agegen fidlt Slmmenmild^ nid^t nur bie SBirlung
^er SWuttermild^ fem, fonbem fe|t jugleid^ eine anbere
inbij>ibuett fejigeartete an beren ©tette: fo ifi e^ feineg*
ft>eg0 unglaublid^, bafe öon Slmmen gefdugte Äinber leidster
an i^rer älni^änglid^leit gegen bie Familie @d^aben nel^«
men f ollen aU felbjl fold^e, bie mit ber glafd^e aufgefüfc
tert filnb — eg ift ber homogene, nid^t blo^ d^emifd^ gleid^^s
artige ©toff , fonbem ber bon einem beftimmten Snbiöibuafc
toiHen formirte, ber SWenfd^m i)erbinbet unb öerfil^nlid^t
— fo fann ber ©influ^ — influxus — ber Slmme als ber
flJfttere felbfl bie mütterlid^e SWitgift neutralifirem
S)emnäd^ft folgen ioir einer @inlabung, toeld^e toir
bereits vorläufig accepüttm, als toir oben @. 36 an
Negers äSert^eilung ber einjelnm ^ent|)erammte an bie
Lebensalter erinnertm. ^ äBaS bat)on nid^ bereits
^, 154 abgemad^t tvurbe, ge$idrt ^ierl^er in ©eftalt
ber ^age: kt^ie toeit jeigt ftd^ baS ))ofob^nifd^e Clement
ber 3nbit)ibualität bem SBed^fel ber ^xc untetloorfen?
©iei^t man freilid^, ö>ie toeit SBeifler unb 3ünger (Jftofen^
ifeÄna, „^fl^d^ologie", S. ätuf^., ©. 107 unb 108) an bie=
fem $unlte auseinanbergel^en, fo fönnte man baS Problem
N
170 3)ie Sm)}utabititdtdfrage unb \>a^ aRoDiftcabi(itätg))rob(em.
für eins ber tntölid^erri ju Italien i)crfu(i^t fein; allein
fold^ bellum domesticum in jener ©d^ule fcraud^t unB um
fo hueniger ©orge ju mad^en, afö \a unfere ©runbfd^ei-
bung Hei tiefer gegriffen; unb toir tooHen uns au6) nid^t
fetter auS bem eigenen ÄeHer ®ef})enfler l^eraufBefd^toören
mit ber ^age, 06 ettoa bie ®ulolie unb S)^Stolie nur bie
nai) ber SRid^tung ber 9iece^)tit)ität unb 3w^>tefftonabilität
getoanbte Äel^rfeite beS feftftel^enben QntenfitätSgrabeS ber
qualitativ beftimmten ©j)ontaneitfit barfteüen? ©tatt beffen
toerbe nur an biefe ®rfa^rung ap})ettirt: mag aud^ ju-
toeilen au8 mm. d^olerifd^en ober fanguinifd^en Süngling
ein i)I^Iegmatifd^er ober anämatifd^er OreiS geloorben
ju fein fd^einen, fo tourbe bod^ (t)on oben ertofti^nter
feniier a5IöbfinnSs©ufolie abgefel^en) fd^toerlid^ jjemafö auS
einem jungen SJ^SloIoS ein alter ©uloloS (toobei loir bie
in entgegengefe|ter SKbfic^t ju ertoartenbe tool^Ifeile SBe^
rufung auf baS: senectus ipsa est morbus, um fo toe^
niger einer eingel^enben SBiberlegung ju toürbigen braud^en,
atö eben 3lert)enleiben, ju toeld^en Sfiaterialifien unb Dp^
timiften gern alle S)^SloIie ju ftemjjeln belieben, erfal^^
rungSmäfeig im l^ö^ern SebenSalter gerabe fo abnel^men,
ft)ie bie 2ln^ftnglid^!eit anS Seben junimmt ; — togl. über=
bie« ©. 166 fg.)- 2Bo baS Umgefel^rte anfd^einenb eintritt
unb toir ben, toeld^en toir in frühem 3<^l^ren für einen
©ufoloS l^ielten, als S)^SfoloS toieberfinben, ba lä^t fid^
t)orerft eine einfädle ^ftufd^ung ^^räfumiren; anbererfeitS
bleibt ju bebenfen, ba^ eine SBanbelbarfeit ber Srritabi-
litätSgrabe bie ^jraftif d^e (ioenn aud^ nid^t attemal fid^tbar
na(§ aufeen toirfenbe) SleactionSfäl^igfeit fönne afficirt unb
ju unrid^tigen, auf biefe gebauten, ©d^lufefolgerungen loer^
leitet l^aben. ©d^toere ©rlebniffe toirlen läl|>menb auf bie
SBBillenSenergie, beren ©lafticität mit ber @mj)fänglid^Ieit
für aRotitoe ium hoffen toä^ft unb fd^toinbet — ber über-
all ®nttäufd^te ^offt leidet tt)eniger als t)otl^er, mag er t)on
JßauS aus ®u!oloS ober 5)^Sf bloS fein. S)ie ganje Vale-
tudo — nid^t bloS in ben bereits bef})röd^enen ÄranB^eitS«
Seben§t)et^(tniffe, ®ett)5l^nungen unb ®rfalf|tungen. 171
furtnen — entfd^etbet mit über jene SReactioni^fftl^igfeit, —
unb.bemgemä^ fann fe^r too^l bie angeborene S)^^fölie
im Saufe ber 3^* lenntlid^er ffertjortreten, olj^ne an fid^
im minbeften größer gettJorben ju fein. SBieHeid^t toar fie
öorl^er fojufagen nur nid^t ju SBorte gefommen, inbem
eine gülle burd^ rafd^e SlBltJed^felung occuj)irenber — hjeil
interefjirenber unb intereffanter — ©inbrfidfe ba§ S3eft)u§fc
fein be^ ßeben^fd^merjeS nid^t l^atte ju 3lt^em tommen
laffen- S)a fj^rid^t man bann tool^I, toenn bie^ Setou^t
fein enblid^ ungel^emmt burd^brid^t, bon einer „SBerbitte^
rung" be^ ©emütl^iS, unb gebrandet fo ein SSerbale, toet
d^e^ ein ©etoorbene^, nid^t bloö aHmä^lid^ nur ®rfd^ei'
nenbe^, bejeid^nen möd^te; eine SBitterleit, bie blo^ ^ßro*
buct ber ßrfa^rung unb ber ©rlebniffe fein foH. gn^be^
fonbere finbet man bergleid^en natürlid^ bei Seuten, bie
mit irgenbeiner in bie Slugen fallenben !ött)erttd^en SRiS«
bilbung bel^aftet finb : faji unbefel^en^ i^ält man jeben SBudfe*
ligen für einen ^eimtüdfer. ©d^oj^enl^auer felbft fagt fogar
0,®ie SBBelt ate SBiffe unb aSorfleKung", 2. SCufl., n, 231 ;
3. Slufl., ©♦ 255 fg.) : „@^ mag fein, ba§ mand^e S)umme, au^
bemfelben ®runbe,tt)ie mand^e Sudflid^te, bo^l^aft to erben
(siel), nämlid^ an^ ®rbitterung über bie t)ön ber Slatur erlitt
tene Qnxüä^tijunQ, unb inbem fie gelegentlid^ toa« il^nen an
SBerflanb abgel^t burd^ ^eimtüdte ju erfe^en öermeinen, barin
einen furjen irium^)]^ fud^enb." Slber toie fiimmt ba« jur
Untjerftnberlid^feit aud^ nur beg birect moralifd^en ©l^os
rofter^, beffen ju gefd^toeigen, bafe toir ,,9latur" atö 3«*
fallsfj)iel äußerer 93ilbung8l^emmniffe auflegen muffen,
loenn auf fie eine „erbitterung" möglid^ fein foll, ba fonft
m6) ber Sluffaffung be« ßeibe* afö „Dbjlectität be« 2Bit
leniS^^ bie Natura naturans jur natarata ftd|i ^erl^fftlt ate
}i}x eigene^ au^erjeitlid^ed Esse? Unb tt)eil e^ bod^ aud^
„gutmütl^ige" SBudtelige toie S)umme gibt, fo mu^ erjl
red^t eine gemeinfame Quelle be^ ^)l^9fifd^en, ref!j)* im
teHectueHen, toie be^ morattfd^en ©ebred^en^ aufjufinben
fein. 3ft ba^ äSefen ber »odl^eit ^Bereitung fremben äBel^i^
172 S)te SmiiutabUtt&tdftage unb \>a% aRobificaMtttdti^roUem*
ol^fne egoi^f d^e 3^^^ f f o ^<^Q ^<^^ ^oftgeffi^l bei übnger
®(l^lt)&(^e allerbing^ um fo leidster eine ©enugtl^mmg
barin ftnben^ anbem burd^i j^eimtiide einen ©d^albernad {u
f))ielen^ tt)el|fe )u ti^un; unb toenigflenS t)er)eü^Ii^e ^>:oSi0e
©tcei^e^^ au^^ufäl^ten^ ifl belanntUd^ eine Sieb^obetti oud^
bet gutmätl^igen ä3erU)ad^fenen. 3^ jenem ^Oe ift lebod^
immer fci^on bie ^r&e^i^entieQe SBo^^eit beiS d^axcättti
):>otau^gefe|t^ unb nur bie äludübung mobificirt ftd^ nad^
ben ju ®ebote fie^enben SDtittebt« 3^^^^ ^^^ if^ <^u4
nid^t ju überfe^ien, toie boS ®efü^I einer getmffen SBei^^r^
loftgfeit infolge natärttd^er ©d^to&d^en beiS Seibed ober ber
©eele bag, tt)oI meiften^ auf @rfal^rung fu^enbe^ Wä^
ttmm toaä) er^ält^ ba^ anbere biefe @d^U)äd^en ju ÜRiä-
^anblungen benu|en mdd^ten^ unb fo fletd auf ba^ qui
vive? flettt, toeil überott leidet feinbüd^e Slbfid^tcn ber::
mutzet tDerben^ tviber bie ed gilty mit @d^laul^eit tmb
aggreffiber $r&t)ention^ als tueld^e tt)enigfiend an 3Rutl^
nid^t jtoeifeln läfet, fid^ i)orjufe^en. Ueber^aui)t alf o fj)ielt bei
jeber berartigen ,,3Jerbittcrung" fd^on fid^tbar genug bie
Silbfamfeit bed ^nteOectö mit ^inein^ unb borberl^anb
bleibt iüieber iüal^r: ,^g 3li^t^ toirb SRid^tS", unbefd^abet
ber ^.SBeü^l^eit be^ SBrol^manen^^:
*
2)u ßrebeß Sag für Sag bur(]^ Setnen U)ie butd^ Seigren,
5S>vixäf 2)enten »ie burd^ S^un, ben i^em bed Sd^d }u mehren;
mit bed ©d^iHer'fd^en SßortS:
3m engen ^retd verengert fiäf ber <Sinn,
(S9 toSd^ft ber ST^enfd^ mit feinen grSßern S^tdtn;
bem beizufügen „unb firttt mit feinen 2^^lm^^ nidjit erfl
t^äüftg fd^eint.*) S)enn man brandet ftd^ blod an boS
*) Söte ertoeiterten aWtttet geben ^öl^ere 3iele; burdj |le taffen
fld^ SrSume ber iiBertDrrttid^ung ^nfü^ren, »eld^e fonfi verflogen tx>ä^
vm, mH o^ne jene äRittel bie gange ©treBnng bed ^d^ent ^d^ttnngei
nnt^etl^aft geblieben märe, 3n fleinlid^en i^er^äftniffen, bie aUt
Sebendi^erl^a&niffe, ®e»dl^ungen utib Stfal^tungen. 173
„®Ietci^e» toirb nur wn (Sleld^em genftfitt" )u Ratten, um
jtt toiffen, an toeld^e einfd^rftnlenbc SSebingungcn fold^e
Snbtoibttalitftöberdc^erungen gdtniH^ft ftnb — fte finb ber
Statur ber @ad^e nad^ ein crescere^ mlä}em bedl^aOi aui)
m decrescere }ur @eite gel^t^ tt)ie jeber natus einmal ium
denatas tt)irb. S)ied ä3erl^&Itm| I^rt bei aEen in 9tebe
flefienben ©rfii^einungen toieber : — i^ie in ben rein formalen
^ro:portionen^ toeld^e bad Semt^erament auSbrädt^ nur bie
^Qe ber Existentia ftd^ funbgibt^ fo U)irb mit |enen oud^
^raft für Sttta^^forgen aBforBtren nnb tnteHectuelle ^nregungdtnittel
fern l^alten, „öcrPm^elt'S „DerBaucrt" jebcr, ber ntd^t Bcfonberö rci»
<ä^en @^ontanettStöfonb8 in Pd^ trfigt — ba crfitrbt ba8 Sntcrcffc
am rein ^(^eoretif ^en , »eil ba^ ^raftif^e in au feinen formen bet
StrBeit nnb be« Stec^nend bie bis^onibeln OeißedfrSfte occu))irt —
t>a9 $)äu9li(^e, Sirt^fd^aftU^e, ^mtlid^e rnib im beflen galle ha9 ^00
litifd^e nimmt alled ^rifd^e tortveg, nnb au§ bem ©tiUßanb tvirb aU*
balb ein ©tagniren , S^erfum^fen nnb SJerfauIen — man f^rid^t ja bod^
au(^ nid^t umfonfl bon „geifltöbtenben" ©efd^irftigmigen — nnb guter
<S)eifle9(ungen mng fld^ erfreuen, »ernid^t fd^minbfüd^tig tpirb in bet
©tidfluft be9 f,^m\fktxvam9". Q^gentlid^e !RotB Uf^m, tomn fie
banernb jl(^ einnipet, SWntB unb Äraft — nur bie momentane „Brid^t
<Sifen'S beffen ^ier nid^t gu gebenfen, tote nid^t Blod im eigentitd^en,
fonbern and^ im bo^^elt meta^l^orifii^en @inne ed fd^toerer ifl, in ber
n^n^t'* beS SeBend 9(etn^eit uub @SnBer(i<^rett au Betoal^ren, at9 in
toeiten großen SerB^Itniffen, loo eine nid^t ba9 anbere bringt unb
f triebt; OielmeBr üBt leidet gugfinglid^e ©elegeuBeit gu grBgern ^l^aten
^eBammenbienfle an biefen. iRtd^t mit Unrecht ffat man bad ^igeu"
tBum a\9 ehte @rtoetterung bed 3äf9 Begeiü^net, unb bet ^fi^d^olog
fdvndt fltStt bie SHSen* unb (Snergieloftgfett bed bertommenen Z^t\is
ber irif(^en Station mit befftn (Sigent]^umdIoflgteitin3ufatnmen^ang;
ja man l^at fogar BeBau^tet, ber $au^ertdmud flum^fe bad ^egeBten
felBer fo feBr aB, bag ber Ba^ttuelle junger laum nod^ anberS benn
al9 eine retgtofe ^riDation em^funben toerbe. 2)te ^etrad^tung bed
(^IBflgefüBti »ivb vm9 barauf gurüdfüBren , bag mand^e :))f)^d^ifd^en
iträfte einer Biogen ^Belftaft gleid^en, ber t9 ol^ne {)eBeIarme an
SBirtfamfeit feBIen mug; toerben aber fold^e geioSB^t, fo fd^einen bie
innern Gräfte felBfl ftd^ OermeBrt gu B«^en, unb f^aUn t8 toirflid^,
fofern fle au0 bem Satentfein gur ^eugerltcBteit unb bamit in ben
^eteid^ ber UeBung unb ber oon biefer ergengten, n)enigflen9 ^l^äno«
mataüter c^cnftben, 0t5rhmg Binau^treten.
174 ®ie SmputobUit&töftage unb bad äflobificabitttdtdptobtem*
nur biefc alteritt, nur jte ijl e^, bie einen 3«- ober 316*
flu| erf äi^rt — ober bie Essentia toirb baöon nid^t berührt,
fd^on be^l^alb nid&t, toeil biefe feine Slffimilation bon ettoo^
geftattet, toa^ ii^r nid^t gufagt — gegen fold^e^ öerl^Ält fie
fid^ fd^Ied^t^in gleid^gültig. ©o lann ein bi§ bal^in toillen«:^
lahmer, inbolenter 3Kenfd^ infolge be^ (Senuffe^ fräftiger
Äojl, ber SBeobad^tung berfiänbiger S)iÄt, beS regelmäßigen
SBetreiben^ angemeffener Slumübungen u. bgl. mel^r
©d^tounglraft betl^ätigen ate gubor — bann erfd^eint ber
®rab ber abfiracten ©^)ontaneität aU gefteigert, unb cbm
bamit toirb benn aud& beren concreter Snl^alt — ©goi^::
mu«, aSo^l^eit ober 3DWtleib — ju energifd^erer aRanifefia-
tion gebrad^t* Slber ebenfo gut fann baS Ouantitatiije ber
aSßillen^energie öerminbert toerben unb alle ©Jjannfraft
erfd^laffen — ettoa infolge t)on SKafturbationen ober an^
bauemben Äranfl^eit^juftÄnben* ^ann fann e^ ben Sln^
fd^ein gewinnen, afö fei ba^ d^olerifd^e 3Jent()erament jum
jj^legmatifd^en ober gar anftmatifd^en ^erabgeftimmt, unb
too fold^e lennjoräre S)e^)reffionen burd^ bie S^ugung^fette
|)er|)etuirt toerben, ergibt fid^ bie Degeneration ber ga^
milie, be^ ©efd^led^t^. Stammet, SBolf^ unb jule^t ber
giaffe, |öon beren ©egenftüd bie SJartoin'fd^e Sli^eorie ein
fo anfd^aulid^e« SBilb be^ ganjen SSerlauf^ liefert.
12. gortfe^img. b) a^öglid^e f^olgen ber einfad^en 3it-
teOectiSberetd^entttg^ abgefel^ett t>m babei ettoa mSMUii^
berfolgten ^^eriiel^Iid^ett^^ 3toe(fen.
S)em l^eutjutage beliebten ®emein!t)lafe gegenüber: „je^
ber Unterrid^t fei ein eriiel^lid^er!" l^aben toir jut)örberft
eine ärt ber reinen Sele^rung, toeld^e i)on et^fifd^^JJfibago:?
gifd^en Slbfid^ten gftnjlid^ abftral^irt, auf i^re d^arafterolo:^
gifd^en ^Jolgen anjufel^en,
Slllaugenblidlid^ erweitert mit me^r ober toeniger (Sr^
folg ber Unterrid^t ba^ t^feoretifd^e 3d& — ba2 mad^t jja
(Sinfad^e ^^teUectöbereid^etung* 175
gerobe biefcä ju einem fletö toed^felnben unb bamlt jjeber
®efcri))tion fx6} entjiel^enben (bog ©elbflbetoufetfein l^ier^
\)on ftefft ftd^ ein, tx>mn toir im näd^fien äugenbtid nnä
tounbern, toie toir im jjüngfiöergangenen fo „nait)" fein
tonnten)* Slber toer tonnte öerlennen, toie aud^ an biefem
$ßunfte fid^ bie ertoä^nte Simitotion butd^ baS ©runbtoefen
ber gegebenen 3nbiHbualität geltenb mad^t^e^ aud^ ^ier ^ei^t:
Sa9 i^ m^t tüilt, ta9 lann iäf auäf nid^t tl^un
(©^aff^eare, ,,3«a6 für aWaß", H, 2);
ober, toie e^ in „Sftameau'S Steffen" au^gebrüdEt ifi: „®ie
Statur befttmmte j[eben baju, tooju er ftd^ Snäi^e geben
mag" (in „®oet^e'« SBerfen" in 40a3änben, XXIX,309 fgO?
ein SBort freilid^ be^ Sntertocutor^, ba^ bem ©nfjjrud^
nid^t entgei^t: „S)od^ t)ergreift fie jtc^ oft", fo oft nftmlid^
ate fie ba^ SJalent mit bto^em pruritus begabte, ber fürg
®enie me^r atö SBetteität getoorben toftre. Qeber toirb
nur ba^jenige ®rfenntni^obj[ect toal^rl^aft in succum et
sanguinem öertiren (im Unterfd^iebe bom med^anifd^ ge^
bäd^tni^mft^igen bto^en einlernen), toeld^e^ feiner ur=
f))ränglid^en Essentia irgenbtoie l^omogen ioar* SHud^ i^ier
offenbart fid^, toie fel^r ber ^ntellect bto§ bie mi^^ ^^^
SBitten^ ift; man benle nur j- S* an bie Slrt unb SBeife,
toie (Sefd^fift^leute ftd^ ben ©ebraud^ frember ©!|)rad^en,
toeld^e il^nen unentbe^rlid^ jtnb, ju eigen mad^en.
S)ie^ fül^rt un^ nod^ einmal jurildt auf jene SRetation
jtoifd^en Slentperament unb ^nte\ltct^eiQmti)ixmli6)Uit *), bie
bereite frül^er (©• 14 fg. unb 91 fgO jur <Bpxa6)c tarn unb
un^ an biefer ©teile in i^rem 3wfcimmenl^ang mit ber eti^i*
fd^en SBet^ätigung be§ (S^aralter^ intereffirt.
®8 toirb ein S^olerifer, too toir i^n überaus Ilug unb
bemünftig feigen, bie^ meiji nur in ^^raftifd^er aSe^iel^ung
*) flnäf flc ^at ber alte glattidj mit feiner föfWid^en Unbefangen*
beit in ben^reis feiner )>Sbagcgif(i^en ^Beobad^tnngen gebogen; a. a. D.,
@. 244.
176 3)te 3[m))utabitttAtdfra^e unb bad SDlobificabilttAtöptobletn«
6ete>ecfen; fein enetgifd^er SBiffe toirb an feinem 3nteffett
einen ju feinen S)ienfien allejeit bereiten Untertl^anen
l^oben — afier ia^ ftft^etifd^e Slnfd^auen öne ba8 interejfe«
tofe gorfdffen ober ba^ rein obj|ectit)e ©enlen toitb nur
au^nal^m^toeife feine ©ad^e fein, unb itoax, toma meffv
Intuition (?ß^antafie im oben angegebenen ©inne) unb
SSemunft, afö SBerjianb b^ il^m übertoiegen* ~ ®a^ ehm
d^olerifc^e Sebl^aftigfeit ju ben ©rforbemiffen be^ (Senie^
gel^ött, brandet l^iernur angebeutet ju toerben unb öor^
läufig aud^ nur, ba^ ber SBal^rl^eit^trieb fetter, fo gut
toie ber Sied^t^inn, afö Tua^oi; tt)irffam fein lanm 6«
läfet fld^ alfo fel^r too^l ein S^olerifer benfen, ber gegen
reine SJ^eorie nid^t« Weniger alö „a))at^ifd^" fid^ ioer^ält,
bagegen ettoa für i)ontifd^e^ ^ßarteitoefen fein Sntereffe bc:=
t^ätigt, ^umal fotoeit ed lebiglid^ @Iiquenfieg unb ::nieber^
läge, nne ^eutjutage in äBJ^ig- unb ^^or^ti^um, nid^t eine 93er-
tretung flar formuKrter ^rindl)tenfragen gilt. Umgefel^rt:
n>eil bei bem %n&matiler unb einjdnen formen beS ^^leg^
matUerS bie äBiUen^manifeftation weniger intenftt) auftritt,
toiffen bicfc ben Qntettect nid^t red^ in „nu^bringcnben"
©ienfi ju nehmen, i^n fid^ für ii^re 3tt>ede gel^orfam ju
mad^en: fte bleiben „ un})raftif d^ ", unb loo fie fld^ tl^eore«
tifc^en äSefd^äftigungen 3utt)enben, feigen n>ir \mm }um
©ammelgde^rten (älntiquit&ten-, G^uriofltäten^ u. bgl. Sieb^
l^aber, fotoie jum befd^reibenben SRoturlunbigen), biefen jum
SRot^atifer, gebulbig ef^erimentirenben ^l^^filer unb
Si^emiFer u. bgL ))rftbi^)>onirt, aber fo tomxQ pim ^i^ter
ttJie jum ©uerriffaföl^rer, toenn aud^ jutoeilen jum^Stra*
tegen, ber burd^ Äaltblütigfeit Ttegt. (Sin SBIidt in bie ®e=
fd^id^te befl&tigt bieS: ^ottänber unb griefen ejcettirenate
SWotlj^ematifer unb ©eel^elben — ®nglanb l^at neben feinen
MfonS, @lit)ed unb äBarren ipafting^ feine 9{eb)tond unb
fjaroba^^. S)ie berül^mteften ©d^ad^fpieler öerratl^en ü^re
norbifd^e Slbftammung jutoeilen burd^ baS ^^atron^mifd^e
-fen (2lnberfen, ^ßaulf en) — unb toie fd^on ©♦ 93 er«^
toftl^nt tourbe, bie Siorbfriefen unterhalten fid^ bei il^em
dinfodK Sttteaectdbemdftettttig. 177
%ffetpnn^äf , inbem fte auf mitgebta^ten @^iefettafeln in
bie Sßette fd^toietige ^üeäfmtjc^mpd löfen. Unb um aud^
bie^ burd^ ein Schlaglicht t)om ßontrafl l^er fd^ärfer )u
matKten: ber celtifd^e glatterfinn mad^t ben granjofen
^jum Chevalier d'industrie tt)ie jum ))olitifd^cn Sieuerer,
benn bie fotaftifd^e fie^rfeite aSer ^^antaflerei ift aSejeit
bic ^roicctenmad^erei; — lüol^et n&l^tne au^ tool ein^V^^
tolo^ ben 9)>hit^, ein ^l^legntatiter bie Siegfamfeit^ um
auf immer neuen SBegen „fein ©lud ju probiren?"
SBie aber ber SSanbit mit abgefd^offeiien Slrmen nur
be^l^alb nic^t me^r« morbet^ tt^eil il^m bie bagu nöt^igen
Organe fehlen, fo unterläßt fo mand^er nur be^l^alb greu^:
lid^e @d^anbtl^aten^ loeil eS i^m an ©d^laul^eit ba3u ge^
brid^t, ober toeil fein Sugenbleben i^m öietteid^t bieSRittel
öorentl^ielt, ate S^lfd^er unb ©d^toinbler ©arriere ju
mad^en. 2Ber je|t in feinem S)orfe atö t)erfd^mi|ter Slauf^
bolb bem ^olijeigerid^t ^^erfäSt, ^ätte, mit bem nötl^igen
Unterrid^t öerfe^en, bieffeid^t atö militärifd^e^ Oenie ge«
gl&n;t. @o l^ängt loielfad^ bon @t&r!e unb älu^bilbung
beg SnteHectS bie äußere firäftigleit ber ^anblungen, nie=
mate aber beren et^ifc^er ©el^alt ab. S)iefem bleibt —
ttne ©d^open^aucr in ber ,,6tl^if" fo untüiberleglid^ barge-
t^an — ba^ Sölafe b^ ©rfüffung be^ Sntettect^ fietö ein
äufecrlid^ Swffittigeg — fo gut toie ber Jlal^rungöge^alt
ber t)on i^m confumirten ßcbenömittel unb ber Umftanb,
ob er feine gefunben (Sliebmagen eingebüßt ober behalten
^at dagegen baS Quäle beffen, \oaä einer in @emä|l^eit ber
eigenl^eit feinet Qntellect^ in biefen auf june^men unb mit
ii^m ju verarbeiten mel^r ober minber fid^ bereit jeigt , ge=
flattet bereite einen StüÄfd^lufe auf bie Sefd^affenl^eit fei=
ne^ e^arafterlemd felber, ber pd^ bieg beftimmte SBert
jeug gefd^affen, ,,tt)ie ber Süffeltoille feine ipömer", unb
barin alfo einen feiner unmittelbaren SBillenj^acte flc^tbar
mac^t
Stemmen ton nun aud^ ^ierfär bie S^^tfac^en ber ®e^
I9öl^nung unb Uebung ^inju^ fo führen unS biefe gleid^faUd'
»al^nfen, C^atoneiologie. I. 12
178 S)te 3mputaM(itdtöfrade unb bad fDlobiftcabUitat^problem.
barauf, bte aRögttd^feit einer quantitativen SBereid^erung
beS 3lnbiüibuumg anjuerfennen. SSie — hjaS namentUd^
\>on aimmon ben SWüttern fo bringenb an^ iperj legt —
fd^on in ben erften Seben§tt)od^en unöerftänbige aSillfäi^rigs
feit ber SBfttterinnen beim Säugling ben ©igenfinn ,,f^|ie=
matifd^ gtofegie^t", fo fann üb^f^aupt ^^ftbagogifd^ um)or=
fid^tige erjiel^ung^toeife burd^ immer neu jugefül^rten ©toff
bie Existentia einer ß^araftereigentl^timlici^feit beg 3*9==
ling^ ^)otenjiren; e^ fann j. S3* eine egoiftifd^ geartete
Siatur burd^ toillfürlid^e, ober in il^ren 3Kotit)en t)on il^r
toenigften^ nid^t berftanbene, Hemmungen jum 2lro|loi)f,
bie bo^^afte gum tüäifd^en Städter l^erangebilbet toerben.
(3lnnäl|iernb ein SBeif^iel beffen gibt bie ©efd^id^te üom
©d^it)ur beS Änaben ^annibal.)
SBenn aber im SBi^^erigen borjug^toeife erft biejenigen
Don ber Qnteffectualbilbung gelieferten S^it^Ät^« betrad^tet
tourben, toeld^e i^ren rein quantitativen ©l^arafter fo fe^r
bel^ielten, ba^ fie unter bie ©egenfft^e: SSertiefung unb
aSerflad^ung fönnten gebrad^t it)erben, fo forbert jule|t
nod^ bieg unfere Slufmerlfamfeit, bafe mit bem Äennen^
lernen neuer SWotibe bem ßl^arafter dne ganj neue SBelt
fid^ gu erfd^liefeen fd^einen fann, unb fo erft ©trebungen
bei i^m gu S^age treten, n^eld^e i^m f eiber bi^^er völlig
fremb, b. f). unbefannt, geblieben toaren. S)ann erft red^t
meint bie Dberfläd^lid^Jeit bered^tigt ju fein, von vorgegan--
genen gunbamentalftnberungen gu fpred^en; benn fie
fie^t ja früher ivirffame SWotive je^t ^^aral^firt ober to^
nigfteng fd^to&d^er geworben — überfielet aber, bafe bi^
bal^in feine inteffectuette ^ei^eit Vorlauben toar, alfo ber
analoge gaff vorliegt, loie bei ^anblungen, hjel^e im
Stffect, Staufd^, in ©d^laftrunfen^eit ober ©eelenfranf^
l^eiten au^gefü^rt toerben. ®ieö ift ba§ 9Ka§, in toeld^em
eg eine SSereblung ober SSerfd^led^terung be^. em|)irifdeen,
aber nimmermel^r be^ inteffigibeln, ©l^arafterg geben fann.
S)amit finb toir abermals an einem 5punfte angelangt,
h)o toir ung einerfeit» nid^t getrauen bürfen, mit ©d^ojjen-
Ueberfd^äfrung ^dbagogifd^er SintDirfungen. 179
l^auer'^ ©lafficität in ber SBel^anblung biefer %xaQm gu
Wetteifern (man lefe nur j. 33. feine Stbfd^nitte über bie
9leue nad^), anbererfeitö jebod^ burd^ bie 2öiberf^)rüd^e,
tt>eld^e gerabe gegen biefe ©onfequenjen Dom ©tanb^)unft
eine^, fei e^ naiven, fei e^ f^ftematifd^ fein lüottenben,
„Snbetermini^mu^" fort unb fort mit alter ^artnädigfeit
erhoben toerben, un^ gebrftngt fe^en, ber mit obigen S3e-
l^au^)tungen ^)rot>ocirten S)i^cuffion nid^t an^ bem SBege
ju gelten, ©aö möge e^ benn aud^ red^tfertigen, wenn
n)ir ^ier mm eigenen ätbfd^nitt einfd^ieben über:
13. ^ie Uelierf^ii^ung ber im engern @tune |iäbago=
gifd^en (Sinioirfitngen; nebft ^arabafen aber mami^erlei
SBerlel^rtiieiten htS ©^ulmetftertl^iim^^ btbaftifii^e^ met^obo^
logifii^e nnb anbere Abirrungen.
©leid^toeit i)on Äleinmutl^ toie toon Ueber^ebung ge^:
benfe id^ ben ^la% aufjufud^en, toeld^er nad^ bem Btaatö^^
lalenber beö Dhfttip^ in beffen SRangorbnung ber Seöana
julommt. ©eit ben ^agen be^ 9Kentor i^at ^aUa^ SCtl^ene
e§ fid^ nid^t nel^men laffen, ba^ SBerf jener it)eiter ju ful^ren,
unb ate ber Siömer 3Rar^ ben Slre^ ber ©^^artiaten ab-
löfte, gefd^al^i e^ nid^t jum legten male, ba^ ber Ärieg^^
gott fein SReffort überfd^reitenb ber 3Rmx\>a in^ ^anbmerf
^fufd^te. SSielerorten fd^lüebt nod^ ^eute biefer alte Gom-
^jetenjconflict, unb man lebte fid^ i:>orlÄufig ein in ba^ be=
Ilagen^toertl^e 6om^)romi^, nad^ lüeld^em ber ©^mnaftifer
be§ (Seiftet toom ©riffmeifter beg ®jercir^)la^e^ menigften^
bie 9Retl^obe acce^Jtiren mufete, ate foHte un^ eit)ig ber
glud^ be^ Siameng ludi magister anl^aften bleiben. Dber
toar bie Seüana, toie i^re unterften ^em^)elbienerinnen auf
(Srben, felbft nid^tS ioeiter aU eine Äinb^magb unb lie^
fie fid^ barum fo bereitioiHig afe ancilla ecclesiae enga^
giren unb bem nouveau regime einrangiren? Qebenfaff^
^at man nid^t aufgel^ört, i^r t)on einer gang anbern
12*
180 3)ie 3nu>utabUttdtSftoge utib M» 3Robtfi€abt(ttdtö|)troblfm.
S^ribüne au^, als toorauf i<^ ^iet fle^, tDteber unb immer
mieber 5)emut^ ju i)rebigm, fobafe eS befrembli^ f feinen
lönnte, tocnn ic|t einer i^rer eigenen ^riefter fi(^ anfd^idt,
i^r ^iebeftal ju emiebrigen. aber ,,ber Wiener ift nid^t
über bem ^erm^ unb bie ^el^re ®0ttin SaSa^r^eit fte^t
l^ö^er benn alle i^re berufenen unb unberufenen Jperolbe.
©0 ift eS nid^tö toeniger ate ein öom antilen KaihoLyoy6<;
ererbtes @!lak)engefu^l, looS auS unS f^rid^t unb felbfl
^arabo^rien nid^t fd^eut^ um ein, gerabe in ber äBiberlage
gegen mand^erlei ^rudt auf gefd^neSteS, StanbeSgefü^l nid^t
fotool gu reprimiren aU ju einemtoa^ren ©elbftbeiüujjts
fein JU ergeben.
^a ftnb tt)ir benn fogteid^ au^er Staube, @l^oruS }u
mad^en mit benjenigen unferer SerufSgenoffen, bie Der^
meinen, fic^ größere äCd^tung erjkpingen )u fönnen, inbem
fie ftatiftif^e angaben ins gelb filieren, toeld^e betoeifen
f ollen , tt)ie ©d^ulbefud^ unb SJerbred^erja^l in umgele^rter
^roi)ortion ftänben. SBir fennen eine „©iöilifotion", bie
bem aSerbred^en btoS fc^&rfere äBaffen fd^miebet, raffinir*
tere ®ifte — aud^ in unfömbolifd^er Sebeutung — braut,
als ipottentotte unb Sotocube fie ol^ne Qnbuftrie unb g^e^
miemifd^en lönnen. ®od^ babon abgefe^en, — es fc^eint unS
baS ganje angeblid^e SetoeiSöerfa^ren auf einem Slrug^
fd^lug }u berul^en: eS ift ein boreiligeS juxta hoc, ei^o
propter hoc, nad^ toeld^em aKju gern eine übertriebene
äBertl^fd^ä^ung ber ergiel^enben ©eite beS Unterrid^tS ge^
folgert toirb. ©rdfeere SSerbrec^erga^l unb geringer ©d^ut
befud^ finb eben )n>ei nebeneinanber ünb gunäd^ft unab?
^&ngig ))oneinanber befte^enbe ©9m))tome beffelben, ener:^
gifd^er S^d^I^^ng entbel^renben 9laturftanbeS; unb ftnb bie
(@elegen^eits=) Urfad^en beS einen befeitigt, fo toerben eS
bamit aud^ meiftenS bie beS anbern fein ; baS SSerbred^en \>tt^
feinert fid^ nur unb tritt toeniger an bie Oberfl&d^e; tt>o
©d^ulen, ba gibt eS ja aud^ ©id^erJ^eitS^oolisei, bie ben
grebler )ur Sorftd^t ndti^igt, feine S3erf(^mi|tl^eit in Xfft^
tigteit fe|t. ähigerbem ^at, ioer ©d^ulunterrid^t genoffen^
UebeTfd^A|ttti0 pdbagogifdbet Sitirmtlungen. 181
mel^r aRtttel, fic^ fein ®eU) auf e^rlid^e aSBcife ju ber=
bienen — unb oft genug et! läten Vettern xf}u D^fettoüKg^
Zeit, il[fr Selten an ben Unterti^t i^ter Jtinber ju menben,
mit bem ©afe ber SSoHÄtoei^^eit: ber jtd^erfie Slufbetoal^s
rung^ort füt§ ©rWapital ijl bod^ ber Stopl Db aber
jene Argumentation nod^ anbem Sinfd^ränlungen unter-
liegt, ober ob tro| allebem fonft nod^ SBal^re^ an il^r bleibt,
fle^t an me^r atö einer ©teile d^arafterologifd^er 33etroc^=
tung, toenigfteni^ Jtoifd^en ben 3^1^«/ J" I^f«^- S3on einer
ber unleugbaren ©efa^ren, it)etd^e fid^ mit ber fortfd^rei=
tenben „Sluffl&rung" öerbinben, ju reben, baju fül^rte
fd^on ©. 138— 140 ba^ Sl^ema gelegentlid^en Slnla^ ^erbei;
i^rem nähern 3^f ^^^^n^ang mit ber t)iel bellagten 3^-
nol^me ber S)emoralifation ift l^ernad^ ein eigener 2lbfd^nitt
)u toibmen. 9lber fo toenig ans @ine toie and älnbere
badete, glaube id^, im äugenblidt jene SWutter, bie il^rem
Unmut^ über bie fi^fiematifd^e Strenge beim ^auSle^rer
i^rer aSubenSuft mad^te mit benSBorten: „(gg finb tt)eit
mel^r Ainber burd) ju Hei aU burd^ gu toenig @r}ie^ung
ju ®runbe gerid^tet/' 2)er mod^te \)ielme^r borfd^toeben,
A)ie es äber^au^t als eine Unnatur angefe^en loerben tann,
ba^ au|er ber Familie t)or fi^ gel^t, toaS auSfc^lie^lid^
htx SIrabition innerhalb biefer angel^ören fottte — unb eS
ifi iool @ad^e ber i^ofob^nifd^en @igentl^ttmlid^teit, ob einer
leichter ober fd^ioerer mit ettoaS feinen ^eben mac^t, loaS
fi^ als ein „not^toenbigeS Uebel" introbucirt. 3)er ©u^
loloS berul||igt fid^ balb bei bem „notl^toenbig", toä^renb
baS Auge bes Si^SloloS auf bem „Uebel'^ toie gebannt
bleibt S>anad^ toirb i. 93. auc^ baS Urt^eil über bie fo^
genannten Äinbergftrten — biefe ^jifantefie unter ben ab^
fonberlid^en 6rfinbungen ber mobemen ^JJäbagogif — auS^
faOen. — Unb toenn einer gar gerabe in fritifd^er Saune
ifi, toirb er toietteid^t, ol|ine jemals Slouffeau'S „fimile" in
^änben gehabt )u ^aben, unb nod^ loeniger n>iSenS, auf
bie Seite }u treten, bon toel^er ber 9tuf nac^ „Umtei^r
ber äBiffenfd^aff' erfd^oUen unb aOeS toaS bem anl^&ngt
182 3)ic Sittputabiütdt^fragc unb ba3 3RobificabiKtftt§problcm.
an „SReguIatteen" u. bgl. ausgegangen ifl, t)ielmel^r burd^*
an^ fern öon. iebem ^parteieifer in tjöllig obiectiijer S3eob=
ad^tung allerlei el^rlid^e Sebenfen er^ebenb, objrtJar bon
etrtJaS fingulärem ©tanb^unft, fid^ folgenbermafeen öer=
nehmen laffen: „6§ l^at an fid^ fd^on immer etoaS Un=
natürlid^eS , baS SBiffen (3?eba), 6rf enntnife, ©ele^rfamfeit
jur S5afi§ eineS eigenen ©tanbeS ju mad^en: eS ift baS
toie ein ©traud^ ol;ne redete SSlätter ober 3lefte, bloS mit
SSlütl^en — unb fold^e bleiben benn aud^ meift taub. Sluf
reid^ ijeräftetem, blättertJoHem Saume mit fräftigem ©tamme
ift baS SBiffen eine fd^öne Slumenfrone — benn bie 85e=
fd^äftigung mit ber SBa^r^eit ift i^rem SBefen nad^ eine
ars liberalis, ©flauen fßnnen bamit niemals betraut tvex^
ben — nur baS freie Sluge, ber freie Äo^jf lönnen forfd^en
unb benfen. — ©o finbet man baS reinfte rt)iffenfd^aftlid^e
Sntereffe bei ^jraftifd^en ©efd^äftsleuten, lüeld^e in^iileU
tauten» finb in irgenblueld^em ^ad^e. @S fel^It bem Seben
ber §alt gebenbe 9Wittel^)unft, wo nid^t ein bestimmter
Seruf t)on ^jraftifd^er ©eltung geübt rt)irb — baS ift,
tva^ ©oet^e {2em^, a Sehen Ooet^e'S», l.SlufC., überfe|t
toon ^efe — 2. 3lufl., V, 495) meinte, ate er feinem
©d^ü|ling fd^rieb: (.(®lanben ©ie mir, ber 3Wenfd^ mufe
ein ^anblüerl l^aben, baS i^n näl^re.» -©al^er rül^rt
aud^ bie Unjufriebenl^eit unb aWorofität ber g^ad^gelel^rten,
unb im tiefem (Srunbe ift bieS ein SSeleg mel^r für ©d^o^)en=
f)anex'^ Se^re tjom 5ßrimat be§ SBiffenS. S5er 3Renfd; ifl
t)on ^aufe auS ein ^jraftifd^eS SBefen. S)ie S^^eorie,
bie Selel^rung felber ate nal^rungfd^affenbeS ipaubn^erBgeug
misbraud^en, fe^t bie S^i^eorie unb ben SKenfd^en beibe
gleid^ fe^r ^erab, unb an nid^tö ifi bieS beutlid^er als an
bem not^njenbig tjerfd^robenen 3Befen ber ©^ulmeifter ex
professo. S)ie ^^eilung ber 3lrbeit l^at nirgenbS baS !3n=
bitjibuum njeiter tjon ber 3'iatur abgeführt, als ba in ber
^Äbagogif — in specie aWet^obif — eine S^^eorie über
bie aWitt^eilung ber 2^l^eorie nöt^ig tt)arb — baS ifl 5lb=
ftraction ber 2lbflraction. Sie ©rjie^ung, naturgemäß nur
S)aS ©dfeuImeiftcrtlS^um. 183
ba^ ©efd^&ft ber Sleltern, gu einem §anbtt)erf mad^en, ift
bog traurigfte D^)fer, tDel^e^ im ©ienft ber 6it>ilifation
lonnte gebrad^t toerben ; — e^ öoHenbete bie ©^jaltung ber
in fid^ nnm SJlenf d^ennatur ; e^ zertrümmerte bie fd^öne
©anj^eit, unb e^ ift dn tiefer ©inn barin, bafe bei ben
antifen, ben «ganjeno, SUlenfd^en bieS nur bem (BtiMm^
b- f). itoax einem ©Hebe ber Familia, aber bod^ an^ eimm
jufiel, an bem fein SRed^t ber 3[nbit)ibualität , feine ©elb=
ftänbigfeit be^ 3nbit>ibuald^arafter^ anerfannt tt)arb, ber
blo^ atö SRittel für bie homines liberales SBert^ unb ©et
tung ^atte. S)emgemäfe fönnte man e^ aU eine 9tad^e
ber Slatur felber an biefer il^rer SBerfei^rung anfe^en, bafe
öielfad^e ©rfal^rung bie SBal^rnel^mung befiätigt, tDeld^e
ein lanbläufige^ SBort au^f^jrid^t: Äinber bon Seigrem
jj^egen am lüenigften gut erlogen ju fein. — ®^ gibt ja
mand^erlei SBeifen be^ Sßerjiel^enö — unb man foHte nid^t
immer blo^ an bie be^ Sßerjärteln^ unb SSertDöl^nen^ benfen,
bie fid^ mit SJlangel an Gonfequenj ju ijerbinben ^jflegt —
eine abftract ftarre ©onfequenj, bie immer unb überall
nad^ ((©runbfälen» unb «^J^eoremen» toerfäl^rt unb fo bie
natürlid^e 3fnbit)ibualität mi^^anbelt, inbem fie f eibige in
ein ^profrufte^bett jtoingen möd^te, ift nid^t minber t)om
Uebet — gerabe bie 3iait>etät ber 3Wütter, bie fid^ nid^t
auf§ grüblerifd^e Seobad^ten üerlegen unb nid^t «bem eige=
nen ©d^arffinn a^j^Iaubiren, toenn biefer fid^ bi^ in^ ein=
jetne bie 5Wotit)e be^ Äinbe^tl^un^ jured^tgelegt l^at — bi^
er JU feiner Sefd^ämung inne it)irb, bafe fold^e eigentlid^
gar nid^t toor^anben tDaren anber^ atö in fetner boctrinären
©onftruction » — gerabe biefe 3lait)etftt fann ben Äinbern
jum tDal^ren Segen werben — tjoffenb^ it)o ber Sßater i)on
2lmt^ n)egen jur ©^ftematif neigt, ©e^i^alb, meine id^,
foffte man am atterlüenigften jene SBa^mel^mung an^ ber
geringen Silbung mancher Sel^rerfrauen l^erleiten toollen.
SSielme^r ift e^ baS Äinbe^toefen felber, tDeld^e^ burc^ fein
©trduben gegen ein toibernatürlid;e^ unau^gefefete^ Ueber=
toa^en jebe^ feiner ©d^ritte unb Senfen biefer nad^ fc^a-
184 S)if 3mputaMUtAt«frade unb baft SRobificaMUtAtSproblein«
Monen^aften 9legeln bie (Srfolge fold^en beginnend Ver-
eitelt ; ffil^It eiS bod^ einen berartigen ^toanQ teid^lid^ f^on
burc^ bie tftglid^e ©d^uljeit an ft^ ausgeübt. Slugerbem
toirlt l^ier jjene^ tt>eiter gteifenbe ®efe| mit, naä) toelc^em
fici^ mit aUiVi Karem, « reftectirtem » S3etou|tfein um bog
eigene 2;i^un unb Saffen aud^ fiit ben erjie^enben Seigrer
eine @d^n)äd^ung ber ftttUd^en @nergie einjufiellen pflegt:
bagegen bleibt baö nait)e ipanbeln fräftig — «bon beiJ
®ebanfen^ äSläffe angetr&nfelt» toitb anä) i)iex bo^ fixere
gortfd^reiten gelähmt — gerabe n)ie bog t^l^i^fifci^e ®el^en,
h)o jeber ©d^titt jum bered^neten «?ßo«» toirb, unb tote
ber feile $alt ber inftinctiben ©ittüd^feit überall verloren
ge^t, too bie fritifd^e 3ievifton i^re« gunbament^ auf=
fommt. ®e§^alb,finbet baö natürlid^e ©efü^l ba^ 9Kd&=
tige, tomn e^ fid^ freut, am 3ö9Ött0 ©^)uren eine^ fi^em
©elbfigefül^tö, eine« getoiffen ©toljeg, ju bemerf en — ober
fie^rer unb attju reflectirte Sleltem pflegen biefen Äeim
lieber augjurotten atö ju pflegen. S)a« fiinb foH «budten»
lernen, um lenf famer ju toerben — e^rlid^er au^gebrfidt:
um fic^ bequemer leiten gu laffen — toorin abermafö eine
arge Slftufc^ung fiedtt: benn rid^tig enttoitfelteö ©elbjlgefäl^l
ifi bie allerbequemfte §anb^abe für bie fü^renbe SBei«^
l^eit be« (Srjie^er«. ©o läfet bie berblenbete S^^eorie om
3ögling bie ftd^ere SD^inung bon ben ftttlid^en ®nmbfor=
berungen nid^t feiten fo ganj unbead^tet, ba^ fte f eiber
bo« gunbament untergraben l^ilft, auf toeld^em fünftig am
felbfigetoiffejlen ber fittlid^ frftftige ©i^arafter fid^ erbauen
toürbe.
„9lnbererfeitj^ ift'g ebenfo toal^r, ba^ reine 2;^eorie ba^
^öd^fte ift, tooju ber SRenfd^ fi^ ergeben fann — be§
f offen toir uni freuen afö ber «Sßürbe» be« Sei^rflanbe« !
©e^r too^l! aber man bergeffe nid^t, ba§ fo ettoa« nur
©onntagi^finbem ungetrübt gegönnt bleibt. — SBirb 2;i^eorie
in iffxtx Steinzeit burd^ SBittenöintereffen befubelt, fo toirb
fie baS ©(^mu)igfte, toa« e« gibt; fte erniebrigt, toa« le^ter
3toed fein foS, }um bloßen äRittel, toie ber ®ei} boS
S)ag Sd^ulnteiftertl^uin« 185
Wttd ivm 2^^d ergebt. @o foSten benn nur ona^os
tetifd^e Slfceten ober forgcnfrcie Jla:j)italtjlcn Seigrer fein;
ton te|tem aber toftre ju verlangen, ba^ fie bor^er wd^
attö ber äBeidl^eitöqueSe reid^er Slnfd^auung unb @rfal^rung^
nid^t blo» an^ ben trüben Sflotl^brunnen unb faulen Sifter^^
nen ber »üc^ertoetö^eit gefd^ö^)ft unb gefd^lürft Ratten/'
Unb toeil benn einmal eine $ßarabafe jugelaffen i%
fo bittet aud^ gleid^ eine jttjeite um bie SSergünftigung, bafe
i^r ein Wpptnbvjc eingeräumt toerbe über allerlei c^arafte^
rologifd^e ©gen^eiten, toeld^e gerabe burd^ ba^ ^)rofeffio=
nette. Setreiben ber erjte^ung geförbert tt>erben — im
SKeifler felber fo gut toic im Sögling. @« ift feine üble
öemerfung, bafe niemanb pebantifd^er fei ate ®out>er=
nanten unb (tooi^lerjogene?) Äinber*) — unb ba^ /,fd^ut
*) Sie eine 2tü6ftt, meldte geeignet ift, nid^t nur eine toeite
©trede ber ©trage, bie IJier ju Betreten toir im ©egriff * ftel^en , gu
erl^ellenr fonbern au^ f)>äter nod^ in mandft9 ©eitengägd^en , hae
ttir werben gu burd^manbern l^aben, i^ren ©d^ein gu werfen, möd^te
id^ l^ier einige ©ä(e aud Safob ©rimm'd )^or(efung „Ueber ha» $e«
bantifd^e in ber beutfd^en ®pxa6)t** („kleinere ©t^riften", I, 328 fg.)
l^erflellen: ,,2)ad ^ebantifdj^e , glaube id^, menn t9 frül^er nod^ gar
nid^t t>or^anben getoefen märe, mürben bie ^eutfd^en guerfl erfunben
ffühm* Ttan iDetfe^e fld^ in einen Stxtx9 iDon ^i^Iontaten, benen t9
obliegt in iDerkoidtelter Sage bie ©efd^idfe ber iBänber ^u mägen, unb
forfd^e, ton metd^er ©eite au» in ^(einigfetten ^unbert ^nflänbe unb
©d^mierigfeiten erl^oben merben , in ber 9au:|)tfad^e ber )^er]^anb(ungen
teiiii^tefled 9{ad^geben unb ^blaffen eintrete; ed fann feine anbere aU
bie ber beutfd^en ®efanbten fein. . . . (Sben ba6 ifl ^ebanterei, im
Geringfügigen etgenfinnig ^u miberflreben unb niäft gu gema^ren, bag
und baneben ein groger (S^eminn entf(^Iii|>ft ((qoresomptueux et opti-
niastre comme nn pedant» — Scarron). « . • 5Der $ebant ^at für
ha» iReue leinen (Sntl^ufiadmud , nur Krittelei ; für ba8 ^ergdfommene
taube ^efd^önigungen , ol^ne aUenSrieb i^m auf ben Grunb gu fe^en.
— 3n ber ©^rad^e aber l^eigt ^ebantifd^, fid^ mie ein ©d^ul«
metfler auf bie geleierte, mie ein ©d^ulfnabe auf bie ge«
lernte 9tege( alles einbitben unb iDor lauter Räumen ben Salb
nid^t fe^en; entmeber an ber OberfKäd^e jener 9{ege( Heben unb ton
ben fie lebenbig einfd^ränfenben ^udna^men nid^t« miffen, ober bie
hinter borgebrungenen 9u«nal^men flitt bitdtenbe 9{ege( gar ntd^t
186 S)te Simputabiat&tdftage unb ba§ aRobiftcabilitdtiSprobtem.
meifterlic^e" air fte^t Iftngft im ©erud^ ber SBo^toeigl^eit;
ha tüitV^ tool toaffx fein: „ba^ ©efd^äft btingfg f)aü fo
mit fid^/' aSer einen großen ^^eil feiner ^üt nur mit
Unmünbigen Derfel^rt, toirb gar gu leidet fid^ getoö^nen,
aud^ ju (Srtoad^fenen ftetS im 3)ocirton ju reben, unb fo
in ein Oefü^l ber ©u^jeriorität ftd^ l^ineinleben, toeld^e« ^
xf)n überatt ben SWa^ab ber ©d^ule anlegen ^ei§t —
meinte bod^ jener ®raf, ber 9leij, bei fd^maler Äofl fid^
bem Sel^ramt ju mibmen , muffe auf ba^ 33eit)ufetf ein gurüdf^^
geführt tDerben, in ber ©d^uljlube ber unbefd^ränfte @e=
bieter \yon f o unb f o öiel „©eelen" ju fein. Slber : „ SBie
bie Sitten f ungen , f o jtüitf d^ern bie jungen" ! — ober ttjer
I^Ätte nid^t fd^on einen nafettjeifen Stangen aufjubeln ^ören,
toenn biefer feinen §errn '^apa auf einem SDonatfd^ni|er
erta^j^jte? — ober loer toeife nid^t, mie e^ für eine ebenfo
nafetoeife loie moberne „^ö^ere 2;od^ter" fein gröfeere^
©aubium gibt, atö tomn fie fid^ gar l^od^ erl^aben bünft
über bie e^rfame Jlad^barin, toeil au^ beren 9Kunbe ein
itoax rid^tig gebraud^teS, bod^ nid^t nad^ neuefter gacon
au^gef^jrod^ene^ ^embtoort gegangen? *) Dber mad^en eS
al^nen • . . . 3)tc ^ebantifd^c 3Cnftc^t ber ©rammatif fc^aut über bie
(Bäfvanh bct flc Befangenben ©egentoart »eber gurüd, nod^ ^inan«,
mit gtetd^ terflodtcr ©el^arrtid^fcit (e^nt flc flc^ auf toiber alle« in
ber @^radje SJeraltenbe, ba« fte ntd^t länger faßt, unb toiber bie
Äetme einer fünftigen Entfaltung, bie fie in i^rer feid^ten ®e*
teol^nl^eit fliJren."
*) 3)ag 9Wäbd^en gu fold^en UeBcrl^cBungen nodj ungleid^ mel^r
geneigt finb ai9 ÄnaBen , Beruht auf einer ber ©efd^leci^tgeigeutl^ilmlid^*
teiten be« ^eiBed , berfelBen , toe((^e fiäf im ^ebantidmu« ber Unter«
rid^t«metl^obe ber meifien i^el^rerinnen funbgiBt» 2)iefe fprcd^en gern
öiel bon gn öermeibenber „OBerpd^Iid^feit" — aBer an tt>aö fte baBei
bcnfen, ift Unftd^erl^eit im ©ehalten bc« 9}Jemorirten unb beffen Sott*
flänbigfeit. ®en ©d^üterinncn im^onirt am 2ejrer in erper Sinie
bie aj^affe feine« SBiffen« an eingetnen 9?otijen — fte ftaunen ba«
an aU tcrmeintUd^e ^oU^l^iflorie unb ein entbetfter ©ermiß }}izxm
flettt für fte bie gefammte 2:üd^tig!eit be« ?e]^rer« in grage — toeil
i^nen bie UniöerfalitSt be« @tanb^unft3 aBgcl^t — unb fo öerfaffcn
Pe, ijermöge ber Sleugerlii^feit i^re« tenen«, gerabe berjenigen OBcr*
S)a§ ©c^ulmeiftert^um. 187
bie mciften meiner igerren Slmtöbrüber t>on ed^t ^)^iIolo=
gif d^em Xk anbete , mnn fie bie ganje Silbung eine^ bie=
nenben S3ruber^ toon ber nid^tgelel^rten ^nn^, vulgo ©emi-
nariften, bejrtjeifeln ju bürfen t)ermeinen, fobalb fie biefen
einen botanifd^en Flamen ober bergleid^en mit falfd^er Quan-
. tität ober gar falfd^em &mn^ l^aben au^f^jred^en ^ören?
©efd^ie^t e^ „biefem ©efd^Ied^t, ba§ in SSocabeln, loie
ber Dd^f im 3od^e jiel^t", nid^t ganj red^t, it)enn bie ^n^
genb e^ il^nen l^eimgibt unb einem too^lgefd^ulten 9lttfd^s
lianer jeitleben^ ba^ einft entfd^Iü^jfte Assentitus sum nad^i-
trägt, unb jtoar nad^trägt mit einem getoiffen 33elt)u§tfein,
berechtigte aSergeltung ju übm'i — S5eftn einem ßel^rer,
ber feine ©d^üler nod^ nad^ anbem fingen ate nad^ ber
©id^erl^ieit in fold^en ©ebÄd^tni^cid^en tajirt, ^jaffirt ber:=
gleid^en nid^t — ein fold^er tüirb felber t)om ^»nftinct ber
päd^Ud^feit, iDcIc^cr flc entfliegen mi5d^ten. 3)age9en al^nt ber f nabc
Balb, ba§ in ber f^flematifcSen ©inljieit ber 3(nfd^auungen bie @u^)e*
riorttät bcö 2tf)xtx9 htxu^t , »cfc^er ein Srrt^unt in ©ebäd^tnigfad^cn
feinen ttjefentlid^en %hhxnäf t^un fann. Unb loie toenig bie SBeiber,
in i^rer „geifiigen Wl^fopit" (©d^o^cnl^auer , ,,$araü^omena", 1. Stufl.,
II, 497) fä^ig fmb, bie »a^re Uniberfatität red^t ju »ürbigen, ber*
rätl^ fld^ namentftd^ barin, bag e« il^nen nid^t nur langtoeiüg, fon*
bem fogar aU tribiale SWotiotonic erfd^eint, in einer Sfeil^c bon @r*
fd^einungen immer toieber auf baffetBe ®efe^, bcnfelben ©efid^tö^unft
jurüdEjufommen — flc berflel^en bieö Siif^ntmenfaffen, bieö in ein
Zentrum gurüdCteitenbe Slnfdjauen beS @J?flematifcr§ gar nid^t — fie
l^iJren . nur immer toieber biefelben 5Borte — fafl mBd^te man fagen :
föörter — avL9 feiner 0febe f)zxau9, ol^ne bie gäben Verfölgen gu
fbnnen , toeld^e bon ben berfd^iebenflen fünften ber ^eri^l^erie bal^in*
fül^ren. @o fdjeint i^nen ca^riciB^ einfeitig au fein, toa9 eben gu
uniberfal ifl, aU baß fie eö mit i^rem Keinen 3)enfen umfjpannen
fönnten — unb Jeneg gerfal^rene ©in unb §er ber feid^tcn (öc^iJnrebner
ol^ne (Sinl^ett gilt t^nen für bog eigenttid^ UniberfalgeniaKfd^c — be«*
l^alb ifl il^nen g» 35. ein Berber mit feiner berfd^hjommenen ©efü^Iö*
reffe^on ber redete 3)enfer — ber umf^innt bie SSal^rl^eit mit fdj^il*
fernben garben r— unb gerabe unter ben SBeibern gibfö biele 9la*
turen, bie bem ibaffecflaren 3)iamanteH bunte Steine borgiel^en — fic
njoÄen unb fud^cn aud^ ha9 @d^te unb 2Bal^re, aber gefärbt — unb
bo« l^eißt immer aud^: getrübt.
188 3)te Sm^utabilitfttöfrage unb baS 3Robificabi(itdtdproblent.
3ugenb *) ganj anbete beurt^eilt; toenn er nur in feiner
^erf8nli(^feit über^au^Jt ,,taftfefl" ift, fo l^eifefg bei i^m
gar nid^t, er l^abe ftd^ ,,eine Slö^e gegeben", fattö einmal
bie ©d^iller entbeden foQten, ba^ aud^ er ftd^ in S)etaiU
juloeilen irren fönne — baö ift benn balb öergeffen unb
toirb nid^t toeiter bead^tet — foffte barum aud^ öon bem
Seigrer felbft mit angemeffener Segeret^, toie ein fleinei^
unfd^äblid^e^ 5Wall^eur, l^ingenommen toerben. ©tatt beffen
finben tmr, befonber^ unter ben ©lementarlel^rern , treue,
aber unter l^arter ®eringfd^ä|ung öecjagte ©emüt^er, bie
fid^ nod^ tt>od^enlang mit ©cru^jeln barüber abmartern
unb, um für bie 3w?unft nid^t Sle^nlid^em ausgefegt gu fein,
mit ängftUd^fter Sorgfalt fid) iprft^jariren — toa^ fie boc^
leiber öor ber SBal^rl^eit be^ ,,allgu fd^arf mad^t fd^artig"
nid^t immer fd^üften fann. aber ber (Srunb ju fold^er
äengfllid^feit liegt freilid^ im — S^ügeift. S)enn finb toir
nid^t an ©tetten fd^on fo toeit, bafe für mand^en ^piato
unb ®opf)otU^ bto^ bagu fd^einen gefd^rieben gu l^aben,
bamit e§ eine 2lccentle^re — biefe fterilfte aller ©c^ut
marotten — gäbe? ©d^reit aber nid^t bie babei fd^mä^lic^
*) Snbererfettd tootten totr und nt(^t loerblenben bagegen, tote
ttüglid^ unb ungut>erläf{tg in fotd^en SDtngtn guioeUen ber ä^^affen«
tnflinct fid^ geigt. @o ))erbanlen getoiffe i^e^rer i^re fogenannte 8e'
liebtl^ett bem emsigen Umflanbe, bag jte fletd borfid^ttgUdjf ernflem
(Eonfitcten mit ©d^ülent aud bem S93ege gu ge^en tt>tf[en; anbete b(o6
ber geißretd^ anregenben ^raft i^reS Unterrid^td, mobei bie ©d^filer
ft(^ gar nic^t barum befämmern, ob biefe ©eiflreid^b^it [^^ ettoa aud^
mit ,r®snialitcit" im fc^Ummen <Sinne ))erbinbe — mir miffen 3. 8.
iDon einem ^aUt, too eine $rima ed i^rem Siebling^Iel^rer gar nid^t
übelnahm, bag bieferben^oetbe, tt>el(^en fie il^m gefd^enlt batte, in
feiner b<^bituellen ©elbtoerlegenbeit aldbalb gum Probier brad^te; aber
mir fannten freiUd^ aud^ eine (£om:)^agnte ^olbaten, tx>ti6ft einen
^au^tmann, ber bemad^, ni(^t Uo9 megen (S^e(bf(^mtnbe(d ^ fonbern
anäf propter ignaviam, infam cafflrt tt)urbe, M feinem SBieber«
eintritt in« Bataillon mit Scciamatton begrügte, Uo9 mei( fie ®t*
fallen fanb an feinem ^^^ummelmif , obgleid^ fie i^u ,,tm geuer''
®d^n^ batte fud^en feben binter einem — ^adfofen.
^a^ 6d^ttlmeiftertl^uin. 189
t)ctgeubete 3^tt ivm ^immel umSiad^c? — ©od^ e^toirb
ioieber i^ci^en, bafe id^ fibcrttcibe unb in§ ©reffe male.
SBol^l, fo greife jjeber Seigrer in ben eigenen S3ufen unb
frage fid^ §anb auf^ §erj, ob er nod^ niemate ein lieben^^
toürbige^ flnabengemüt^ t)erf annt J^abe, blo^ \t>dl feine
eigene unerbittlid^e Strenge beim abfragen ^tüa gramma=
tilaßfd^er formen ben nun einmal für berlei nid^t @e=
fd^affenen *) ju Sug unb S^rug getrieben, t)ieffeid^t baburd^
getrieben, bafe nad^ öorgefd^riebenem Älaffen^enfum bie
ganje 3Renge ber SSerben felber foffte „betoftltigt" toerben,
ftatt an einer fleinen ^affl bie D^)erationen rafd^er ©ub=
f umtion unter ein ^arabigma jur ©eläufigf eit gu bringen.
Unb e^ ift nur eine 9lnU)enbung berfelben 9Retl^obe,
h)enn l^ernad^ ber gange fittliclie ©l^arafter eine^ 9Renfd^en
nad^ ©d^ülertugenben abgefd^ä^t tüirb. S)a foff „Se^
fd^eibenl^eit" aud^ nod^ ben 3Kann jieren, bon bem über-
l^u^t biefelbe felbftlof e Unterorbnung unter eine 3lutoritÄt
öer langt toirb, tt)eld^e ettüa einem 3l5a5'6:=©d^ü|en ttyo^l
anfielt — ba mu^ ba^ empörte SluftDaffen eine^ ebeln
©elbftgefül^fe e^ ftd^ gefaffen laffen, ber finbifd^en ©mi^finb^
lid^feit — ba§ fefie, geioiffenl^afte ipanbeln nad^ ®runb=
fftien, bem fnabenl^aften 3:;ro|e — bie ioürbeboffe gurüdf-
Haltung bon toürbelofen ©offiftonen, bem 9Jiaulen tine^
Keinen 3Dläbd^en§ gleicligefleHt ju werben. 2Ber felber
feine ^princij^ien gu vertreten l^at, nennt e§ gern 3led^t=
l^aberei, tomn einer öon tool^lge^rüften Ueberjeugungen
nid^t oi^ne ©egengrünbe abgelten toiff. S)ie ed^ten „©c^ul-
*) (58 l^eigt bod^ eitel @^ott treiben mit bem ^öncn «cgriff
,,^armoni{c^e SuSbilbung aller ^^fte'S tomn man bie Kugen bagegen
toBttlg öcrfd^Iiegt, hai Stngelnen getoiffe ^tnfagen — g. ©. für 3etd^=^
nen, Wlufilf SQl^at^emattl — gSngü^ feilten. <@te bennod^ mit einem
Unterrtd^t barin gu quälen ifi tt)a]^rlid^ um ntd^ts njeniger graufam,
ai9 ttenn ein unt)erßänbiger Surnmeifler einen ^rül^^el an ben ^tu
nen bagu gtDtngen n>oQte, ft($ etma im ©^ringen gu üben, ti^ogegen
eS inbicirt toäre, bie gefunben, tüd^tigen ^lieber gum erforberlt(^en
«tcariren für bie !ran!en beflo mebr gu fräftigen.
190 S)ie 3lnn)utabiHtdtöfrage unb baS 2»otoificabUitätS^roblcm.
nteifter" bulben ol^nel^in feinen 3Biberf:j)ruci^ — i^nen fd^iüebt
au^ il^ter ^raji^ immer ba§ bt^jjotif^e „©c^lüeig!" auf
ben ßi^jjjen — unb einer t>on il^nen ^aV^ ju tierantttjorten,
bafe jene grau i^rem 3Ranne bie Sriefe entoanbte, tt)elci^e
fie i^m tofti^renb be^ Srautfianbeö gef einrieben, um f eibige
ju ijerbrennen, ttjeil fie nad^träglid^ geiler gegen Qnter::
!|)unftion unb Drt^ogra^l^ie barin gefunben — e^ toax H)x
ju ^p&t gefagt, bafe ber artige Qncorrecti^eit nid^t blo^
ju ben Privilegien, fonbern felbft ju ben 3fleijen ber 6orre=
fi)onbenj wn grauenl^anb gehört. ®enn in gett)iffem ©inne
beeintrÄd^tigt aUe^ correcte, b. f). mit SBetoufetfein nad^
,,9iegeln" fid^ rid^tenbe, SBefen bie ed^te SBeibli^feit — unb
bafür l^at niclit blo^ ©dritter ©inn gehabt, aud^ einem
Safob ©rimm ^at berfelbe nid^t gefei^lt, al^ er bie @r?
fal^rung ju (Klaren brad^te, bafe „3Räbcl|en unb grauen,
bie in ber ©d^ule iveniger ge^)lagt iperben, il^re
SBorte reinlid^er gu reben, jierlid^er ju fe|en unb natür^
lid^er ju toäl^len Verftel^en, tüeil fie fid^ mel^r nad^ bem
fommenben innern Sebürfnife bilben". Unb tocx tro|bem
am jarien ®uft einer SKäbd^enfeele mit :j)lum^em ^utoppen
fid^ berfünbigt, fottte in fd^tt)erern gäHen regelmäßig ge^^
ftraft lüerben mit — einem 33lauftrum:j)f, in leid^term tt)e?
nigftenö mit einer — „ge^)rüften Sel^rerin" au^ einer fub=
ijentionirten ©ou^emantenanftalt ; benn in feinem ^f)X ift
fruclitlo^ bie SBarnung öerflungen:
Unb baß bie alte
©Ätoiegermutter SBei^l^cit
2)a« garte ©ccld^en
3a nic^t bereib'gel
©olange aber in 2lbiturientenjeugniffe ein au^brüdflid^er
aSermerf über bie „ Sefanntf d^aft mit ben ^oragianifd^en
SRetren" aufgenommen ttjerben foH, fanctionirt ba^ ®efe|
biefen Qrrtl^um, ber einen lapsus memorise atö einen
defectus ingenii et eruditionis bel^anbelt unb gerabe fo
jene ^albbilbung an fid& f eiber bocumentirt, bie er an
anbern befftm^fen ju ttjoHen borgibt. 3)a^ blo^ gebäd^tnife^
3)a§ Sd^ulmeiftettl^um. 191
tnäfeige aneignen Don Semmaterial ift ipie ba§ Slngefüttt?
toerben eine^ bid^ten ©ade^ ober ©d^laud^e^, in ben fein
Sid^t bringt. S)ie fogenannte formale Silbung toill ixt)-
ftaffinifd^ ba^ ©efäfe burd^fid^tig mad^en, bamit ber Se^
fifeer toiffe unb benu|en fönne, toa^ er „einge!j)ad£t" l^at,
unb bamit ba^ l^ineinfallenbe ßi^t ben ©toff lebenbig
mad^e; unb toie ein Xxop^m ©^eibelüajfer mel^r lüirft
atö ©imer Don Siegen, fo jur ioal^ren „Slufflftrung" ein
Mar beigebrad^ter ©ebanfe mel^r ate Slaufenbe Don Siotijen.
Die Ueberfütterung mit ©toff mu^ ioirflid^ in ^tioa^ nm^
fd^lagen, ioaS einer „ttmfel^r ber SBijfenf^aft" nid^t fo ganj
un&l^nlid^ fielet. 3)ie ju l^od^ gefd^robenen ^rüfung^mafe-
ftftbe in ben Derfd^iebenften gäd^em feieren aud^ ba^ aSer=
i<nife Don 3Kittel unb 3toerf um. SBie ber 3Renfd^ nid^t
mel^r ©taat^bürger fein foll, um aRenfd^ fein ju fönnen,
fonbern fein 3Wenfd^entl^um aufgeben mn^, um ben gor?
berungen an fein ©taat^bürgertl^um genügen ju fönnen;
toie baö summum jus summa injuria ben mobemen ßen?
tralifation^ftaat bem Untergänge jufübrt;^ lüie SRüdfid^t^*
nal^me unb ßontrole auf allen ©eiten unter legalen gor=
men Diel größere Op^ex forbert, atö ein rüdffid^t^lofe^
abfolutiflifd^e^ ©ebieten; ioie ber ^taatöappaxat fo f oftbar
geioorben, bafe nid^t einmal ber ©taat — f eiber nur ein
blofees SJUttel — jum 3tt)edE toirb, fonbern bie 3Rittel für
biefeS aJlittel: nad^ innen baS aUe Äräfte abforbirenbe
bureaufratifd^e Släbertoerf, nad^ an^m baö ^eer, bie
aSel^r^aftigfeit aU le^ter ©elbftjioedE betrad^tet (— too e^
nid^t gar blo^ „jum ©taat", ftatt „für ben ©taat" ge?
I^alten tt)irb — ), fobafe man, um fid^ Dertl^eibigen ju fön-
nen, es fid^ unmöglich mad^t, im Slugenblid ber 9iotl^ fid^
toirflid^ ju Dertl^eibigen (ganj toie ber ©eijige „fein Seben
lang barbt, um nx6)t fünftig barben ju muffen"), unb loie
nirgenb^ ettoa^ anbere^ abjufel^en ift, al^ ein aUfeitige^
©id^überf dalagen, ber ju l^od^ gefi)annten Slnftrengungen;
toie man ium ^ebenöftanb jurüdHel^ren mu^, ioenn enb^
lid^ einmal bie gegenfeitige ©teigerung im ^Raffinement beS
192 ^te ^[m^utabiKt&töftage unb bad 3Robt{icabtat&tö^tob(em.
erfinbenä t>on S^tx^tnnQ^^ unb Släufd^ungätnitteln fld^f
toirb crf(i^ö!|)ft ^abert, unb tote bann ba^ conttolelofe SSet^
txaum jum ultimum refugium tt)erbcn mufe: — fo farni
e^ aud^ nid^t etoig bauem, bafe burc^ ba^ %aminirm
baö eigentliche ©tubiren unmöglid^ gemad^t toirb; ober je^
ner norbamerifanifd^e ©efd^id()tö^)l^iIofo})l^ bel^&It red^t, ber
bem „alten ®uxopa'' eine d[)ineftfd^e @rftarrung borau^^
gefagt f)at B6)on toerben bie Äöi)fe ganj aU Xbpft
bel^anbelt'— unb ba§ Slefultat finb: Xx&p^t — ber
©toff tritt in ©elbftgeltung, ftatt nur ben ©tofe baran
fortju^^anjen, ber in bie geiftige 33ett)egung fommen foll.
©ebäd^tnifeftärfung toirb lefete^ 3iel, ftatt SJUttel jur gei^
fiigen 93el^errfd^ung be^ SRaterialg. ^ni)a>i\6)m ge^t bie
3?atur il^ren ®ang — ba^ finblid^e ©ei^irn entnjidEelt fid^
tro| affebem nad^ feinen ®efe|en — aber bie 3)ibaftil
fommt if)m nid^t mel^r förbemb entgegen, fonbern greift
i^emmenb ein bi^ jur Slufftauung , „fi^JOttet il^rer f elbft unb
lüeife nid^t it)ie" — bie gried^ifd^e Slccentuation tt)irb eim
gei)auft — aber bie ©ilbenquantität fomntt babei ju !urg
— alfo ba^ unterfd^eibenbe 9RerImal antifer unb mobemer
Sll^l^ti^mif , unb ber Sarbar t)errät^ pd^ am felbftgettJäl^lten
©dribbelet : er er jäl^lt t)on Slrd^ibamu^ unb Sletolern. S3a
I^Ätte man alfo boi)^elt ®runb, e^' gelten ju laffen, toenn
einer , ber fic^ etioa in ber ^rof obie nid^t ganj fidler loeife,
ju feiner (Sntfd^ulbigung bon fid^ fagen fann: ,,3<^ l^abe
bie ©ilben immer lieber gett)ogen, aU gemeffen ober gejäJ^lt"
— unb baS l^ätten aud^ getoiffe Slecenfenten ju bel^er§igen,
bie ben Bpa^m gleid^ am liebften bie fleinen @rrata auf=
ftöbem unb aufjjidEen, um fie trium})l^irenb auf i^r lite*
rarifd^e^ Seid^enfelb ju ftreuen — fie ftellen fid^ bamit
nur unter ba^ ^ibicule be^ fd^ulmeifterlid^en ^anbloerf^*
Unb ba^ Äajjitel t)on biefem ift fd^toer ju erfd^öjjfen —
e^ brängt fid^ immer neuer unb neuer ©toff l^eran
jum Setrad^tettoerben. SBie rtel ber* täglid^en ©d^ut
erfal^rung verfällt nid^t allein fd^on ber einzigen gormel:
„attju oft toirb bie blofee ©d^ulorbnung über bie loal&ren
S)ad Sd^ulnteiftett^um. 193
©d^uljiDcde flcftefft!" aRufe bod^ fclbft ber fd^öne »egtiff
,,6oHegiaßtät" in fd^mäJ^lid^em aRi^braud^ atö 6m)l^emig=
mug für bie toon aßen ^)ebantifd^en SJirigenten blinbling^
erftrcbte ,,Umf ormttät' bienen ! ®a verlangt man ein ,,eins
l^eitUd^e^ 3wffl«twientoirfen", ,aU ob e§ nid^t ber befte ©e^
gen für bie ©d^üler einer gröfeem ßel^ranftalt tt)äre, red^t
t)ielen ijerfd^iebenen Sel^rerinbibibuaUtäten gleid^jeitig unb
nad^einanber burd^ bie §änbe ju gelten — benn hjaö fann
babei l^erauSlommen, tt)enn berfelbe Seigrer feine Älaffe
bi§ jum ®i^)fel l^inauf leitet, als im Befien galle eine ©in?
feitigfeit allerbebenfUd^fter Slrt unb im fd^Iimmern ein
aSerfümmem all ber armen ©eelen, bie an if)m feine ^omo*
gene SRal^rung finben fonnten?*) — bagegen eine Slnftalt,
,,bie SBiele^ bringt, lüirb Sitten etn)a§ bringen". — SSäer
aber gar bie 3nftitute unferer :j)äbagogifd^en Driglnalgenieö
unb @f^)erimenteur^ en gros an^ eigener Slnfd^auung fcn^^
nen lernte, bem mod^te e contrario leidet bie Erinnerung
aufzeigen an ben Stu^fjjrud^: „(£§ ift unglaublid^, mittüie
toenig SBei^l^eit fid^ bie SBelt regieren läfet" — benn toenn
bei all biefen einfd^nürungen unb SSerrenlungen einer feine
*) SBic @:|>ottftcbcr römif(^cr @oIbatcn hinter bcm 2:riunn>^ator
l^er tBnt'd einem ia gumeUen entgegen and ber $ita ber Abiturienten
— ein Slttffd^rci ber gertrctcnen Snbiöibualitat; unb al« ein @(ürf xfV9
3U greifen, bag eS nod^ (in unb ti^ieber einen gibt, ber {td^ nid^t gutn
^tüäfUx iat bemoraliftren Uffen unb, aufgeforbert, feinen ,,)@ilbungd«
gang" gu bcfd^reiben , fraul unb frei befennt, unter be« einen gül^*
rerd $anb [i^ nur gebrüdtt unb gehemmt gefüllt gu (»aben. SBol^l
tl^m, n>enn er gteid^geitig einen gu nennen l^at, ber i(n trug unb
fbrberte unb fomit an^ ermut^igte, feinem ^tx^m iSnft gu maäftn,
^reubiger nodji mirb freiUd() bie @e(bßgen>ipett bed reinen Autobi'
baften fein: ber fle^t ja gang auf eigenen gügen, bat fld^nid^t felbf!«
(06 etttad einkaufen laffen, l^at für fid^, nid^t für anbere gelernt,
^ann ed eine beffere @d^u(e für ben (£(ara!ter geben? flnb nid^t
@ef!nnungd(oftgfeit unb Uebergeugung@(oftgfeit (Sind? toie aber foll
einer gu felbfterarSeiteten Uebergeugungen (unb nur fold^e flnb ia bie
ed()ten) gelangen, ber am ©paUer groggegogen ifl unb nun frei unb
P^elod bafle^en foQ? ben mirft ia ber leifefle SBinbftog um.
Sal^nfen, (Sl|araIterologte. I. 13
194 S)te SntptttabUttat^ftade unt bad aRobiftcabiatdtdptoblem«
gefunben ©eifte^glieber bel^ftlt, fo mn^ er fd^on öon rec^t
robuftcr 9iatur fein, *) Um ben fogenannten ©in^eitögeift
einer ©d^ule ift e^ julefet bod^ nur eitel Sibflraction —
fon^eit bie an il^r jufannnentoirfenben 3nbi^ibuen lebenbig
finb, finb fie au6) öoneinanber öerfd^ieben, bloä fid^ felbft
gleid^ — alfo l^dd^ften^ ein ©d^ein DöHiger ©nerleil^eit
Idfet fid^ ergtoingen. Unb um toeld^en 5ßrei^? — enttoeber
finb bie ©efetten bie ganj felbftlofen 3iad^beter unb 9lad^^
treter be^ aWeifter^, ober fie er^eud^eln blo§ eine unbe^
bingte Unterorbnung unb mad^en'jS im ftitten bod^ , toie eg
if^nm felber am befien bünft. 3Ran ttnnt \a o^ne Slamens
nennung getoiffe SBeuerer, bie l^dtten fid^, tomn'^ nur am
ginge ^ auf bie "oon il^nen erfunbenen gang abfonberlic^en
9Ret^oben am liebften gleid^ ein patent ertl^eilen laffen —
je^t öeri)flid^ten fie toenigften^ jeben, bcr afö älrbeiter in
i^re ftinberfeelenfabrif eintritt, auf beren f einerlei „3lug$
fd^reitungen" bulbenbe ^au^orbnung. S3on fotd^en ßntre^
Jjreneur^ reitet jjeber fein eigen Hobby-horse: ber Sine
l^af^ abgefei^en auf „:t)^ilantl^ro!|)ifd^e" Sernerleid^terungen,
ein SInberer auf ,, ©^arafterbilbung be^ fünftigen ©taat^-
bürgert ", ein dritter auf „ 3Serh)irf lid^ung be^ d^rifllid^en
^rinci^)^", ein SBierter auf ,, nationale ©rjie^ung", ein
*) Ueber^au^t beibtent 8et^ergigung , toaß (Sarflend (Sangbein'«
\äfts $5bagogtfd^ed ^rd^tb, 1864) bargelegt: bit fogenannte 3)?e«
tbobe fei nur für jitttigere €>dfüUx mid^tig. (Sin ^d^ulmefen a(fo,
mtldft9 anä^ auf feinen b^^^tn (Btufen aQe6 $eil toon ber ^^etbobe
ertDaxtet, bteibt bentnad^ auf bem ©tanb^unlt bed (Slementarunterrici^t«
jlef^en, unb bie Srfal^rung beflätigt bad an ben grüd^ten bem ent^
f^red^enber (Einrid^tungen. (S9 ifl lebiglid^ bie ^e^rfeite beffelben (B^^
ban!en9 gn fagen: bie ^orbemng ber SnbibibualüSt^bilbung \)at nur
bei bt^bcnt ^ilbungdjieUn einen @inn. ^ie ^(erneute, über tätigt
bie nieberfien i^olt^fc^uten ed nid^t ij^inaudbringen , finb aden gemein«
fam unb laffen fein fßlinvL9 bed ^urd^fc^nittd bei @ingelnen gu, fo
t)erfd{^iebene ^inge andf in bereu berfd^iebenen klaffen unter „2t\mf
. ®d()reiben unb Sted^nen'' gu toerfle^en finb. ^ier a(fo , »o ed mir!«
lid^ nur auf ein fe^e6 (Stnüben anfommt, i^at in ber ^ifat bie ,,ft)rber«
famfle^' iV^etl^obe ein 9tcd^t für bie befte gu gelten.
S)ag ©d^ulmetftertl^mn. 195
fünfter auf 3*ouffeau'fd^e „Stücffel^r jur 3iatur" ober ,,un^
gel^emmte SRaturtoüd^figfeit", ein ©ed^Ster auf „©emüti^^^
bübung" — unb afie muffen — fammt bem näd^ften unb
übernäd^ften ^albbufeenb — jule^t „e^ gelten laffen, toie'^
©Ott gefäat", Slud^ ate SBiffenfc^aft gibt ja bie 5ßftba^
gogif toie alle et^ifd^en 3)i^ci:j)Iinen me^t tl^eotetifd^e Slu^s
beute für bie ^f^d^ologie ate ^)raftifdiie für bie Slntoen^^
bung. ©0 toenig man au^ einem SBud^e lernen !ann, toie
man für einen beftimmten gufe ein $aar ©tiefet ju mad^en
l^abe, ebenfo toenig lernt man anS> einem !|)äbagogifd(^en
Softem, toie man ein gegebene^ Snbitoibuum ergiel^en muffe;
benn atteö in ber 3Selt iji ein SicaS elptipi^vov, unb tbm
barum erfd^ö:j)ft niematö ber Segriff bie Slnfd^auung ; aber
nur biefe ift lebenbig unb belebenb, jener ber Sud^ftabe,
toeld^er tobtet. ®arum l^ätte man fid^ lieber red^tjeitig be^^
finnen foHen auf bie ©d^ranfen affer ©d^ulerfolge. SBenn
ba^ 33efie, toa^ bie ©efd^id^te nn^ gibt, nad^ ©oetl^e ber
(Snti^ufia^mu^ ift, ben fie ertoedEt, fo l^at bie ©d^ulc il^ren
SögUngen ba^ ^öd^fte, beffen fie fällig ift, bargeboten,
tomn fie anregt unb immer lieber anregt *) (wobei e^ fid^
öon felbft t)erftel^t, bafe f eiber toadj fein mu§, toer anbere
toedEen toiff ober toedEen foff) — me^r fann jule^t aud^ bie
mtttelr bem ^d^Mtv bie milroffo^ifc^ erleud^tenbe dritte auffetzen, benn
,,anregen'' ^etgt aufforbern, immer genau ^tngufelj^en , toa^ bad i?or«
gelegte (concrete ober abßracte) Ohytct tDtrfüc^ entl^Slt, unb bem gu
^ü(fe gu fommen, iiibem man ed ^^unter immer neue ©eftd^td^unfte
rü(ft". 2)a« fü^irt aud& jur »a^iren ©rünblid^feit; benn biefe be*
fie^t Beim Iritifc^en 2)enfen toefentlid^ in einer allfeitigen ^erücfflc^«
tigung unb aufrichtigen Sfirbigung ber gegen einen @a^ mBglid^en
(Sinmenbungen. ^Dagegen bie oerfe^rte iin.etlj^obe lägt ftc^ t>erfUl^ren
burd^ eine fdfd^e iRorm: flatt ba$ Ouantum bed ju lOel^renben natS^
ber gS^^igfeit be« Jernenben ^u Bemcffen, fott ein angeMidJeö —unb
tool gar regulatibtfd^ fi^irte« — SBiffenöbebürfnifi befriebigt werben —
freilid^ ein gerabe für ben ©emiffen^aften erfi xtäft terfül^rerifd^er
aWi«griff, »enn fd^toer ifl'«, beibem gu genügen: — für jene ein ^iä^u
|ut>iel, für btefe« ein 9^d^tguh)entg gu ftnben.
13*
196 S)ie Smputabilitatdfrage unb ba$ 3RobtftcabiUtftt3pto6Iem.
Unteerptät ntd^t — nur toer biefen SDBcg nid^t f eiber jurüd -
gelegt l^at, fann ipä^nen, in ber ©c^ule toerbe burd^^
®ebiet ber SBiffenfd^aften bie Steife fetter gemad^t — fie
liefert nur ^fabtoeifer unb ein Sleifel^anbbud^ — bamit
vm^ fid^ ber Semenbe felber auf bie SBanberfd^aft begeben.
Slber freilid^, toie in unferer 3^it auf ädm Sanbftrafeen
^ouriften ju finben finb, bie il^re ^üt bamit l^inbringen,
ba^ ©efei^ene immer nur ju ^erglei^en mit bem in il^rem
SBäbefer SBefd^riebenen, alfo niemals mit eigenen Slugen
feigen: fo ift bie getodl^nlid^e fogenannte Silbung ein blo-
^e8 aSergleid^en beg (Srlemten mit bem ©efei^enen, ober
fie begnügt fid^ gar bamit, blo^ baö SReife^anbbud^ ju ftu-
biren. ©o gel^t eg namentlid^ mit jenem ^Betreiben ber
Siteraturgef d^ic^te , toeld^eS nid^t jum fiefen ber barin be=
f^rod^enen SBerfe felber fommen läfet. SBa^ tounber benn,
toenn foijiel Seute nie bie ©d^ule t)erlaffen unb be^l^alb
immer fd^iilerl^aft bleiben, tt)eil fie nod^ forttoftl^renb einei^
5!Ranubucenten bebürfen, ber pe unterrid^te — pe lernen
nie, geiftig auf eigenen ^ü^en ju ftel^en, gefd^h)eige, attein
gu ge^en, trauen nid^t il^ren eigenen älugen, um t>on be=
nen fid^ leiten ju laffen — fie finb eg, bie baS ^ßublifum
au^mad^en in ben neuerbing^ fo beliebten dffentlid^en SSor-
lefungen „für Ferren unb ©amen". — Slber h)er anber^
trägt hieran bie ©d^ulb, al^ eine ©c^ule, meiere bie ^Pflid^t
Derfftumte, bem 3lrjte gleid^, pd^ felber überPüfpg ju
mad^en — ©ängelbänber ju leil|>en, aber nid^t ben erftar^
lenben ©d^ultern unablö^bar pe einjuflemmen? gür pe ip
bag aSort:
SBenn bu ni^t irrfl, fommfi bu ntd^t ju ^erflanb;
Sillß bu entfielen, etttf^e^ auf eigne $anbl
ganj ebenfo umfonP gefjjrod^en toie bag anbere:
Sad bu ererbt bou betnen Tätern l^afl,
C^rmtrb ed, utn t9 ^u befi^en!
ju ioeld^em bie alte gabel ben nod^ filtern Gommentar
Sag ®d&u(tneiftert^um. 197
liefert. ®enn bie in ber „dafftfd^en Siteratur" nieber?
gelegten ©d^ä|e be^ SKtertJ^untö finb, an ber Oueffe ge=
fd^ö^jft^ bem ©d^afe in jenem SBeinberg gleid^, nad^ toet
d^em ber fierbenbe aSater bie ©dl^ne graten ]^ie§: ber befie
il^eil il^re^ äßert^e^ befleißt in ber ttmtoül^Iung be^ ©eifie«
burd^ bie Slrbeit fetter, unb toa^ gehoben toirb, ifi allem
anbern unbergleid^lid^ an (Sinfad^^eit unb ©inbringlid^feit,
tüeil ®urd^fid^tig!eit. ©elbflgefunbene SSal^rl^eiten, toeld^e
uns in taufenbjläl^rigen ©d^riften bei ben entlegenften 5Böt
fern toieber begegnen, betoäl^ren ftd^ nn^ baburd^ afö über
momentane ©o^ricen l^inauggeftellt — fie l^aben bie ®as
rarjtie ber äffgemeingültigfeit, unb fettft \>m biefem ©in^
brud btifeen fie fel^r tiiel ein burd^ tteberfe^ungen, toeil fie
eben bamit bod^ toieber in einem mobemen ©etoanbe aufs
treten, ba^ il^nen einen SBeigefd^madE gibt, ate toenn pe
trofe attebem erft bon l^eute ioären. ©o al^nen — um
gleid^ für ba^ l^ier in 3iebe ©tel^enbe ein 33eif:j)iel l^erau^=
jugreifen — tool bie toenigfien, h)elc^e l^eutjutage eine
Sanje für 3nbiJ)ibualität^enth)i<felung einlegen, ba§ aud^
bie§ Äa^)itel fd^on bei ben SKten feine 33el^anbiung gefun=
ben ^at. aber man f daläge Quintilian*^ „Snftitutionen"
auf unb ftaune, toie ber 33ud^ II, Rap. 8, fd^on ®inge ge^
le^rt l^at, ^on meldten je^t gerabe bie sperren ßateiner oft
am toenigften ettoa^ toiffen it)oIIen: notare discrimina in-
geniorum — nee pauciores animorum paene quam cor-
porum formae.
©tatt bie ©infeitigfeiten au^jugleid^^en, inbem man
aud) in ber ©rjiel^ung ba^ @efe| ber Polarität toalten
lÄfet unb erg&njenb ber ;3nbiJ)ibuaUtät iufül^rt, toomit fie
t)on ber SlUmutter fftrglid^er bebad^t lüurbe, alfo an ber
„:j)oetifd^en 5Ratur" ben SSerftanb, an ber jjrofaif d^en ©e^
mütl^ unb ^i^antafie anregt — tooju aud^i Qean ^aul*^
„Set)ana" fo beider jigen^ioerti^e Slntoeifung gibt — flatt
beffen tjerl^&rtete mand^er Orten bie ©d^ule lieber barin —
l^e^te ben gelangtoeilten Äojjf atl^emloö njeiter in immer
gleid^er giid^tung — rül^mte fid^, il^m enblid^ „©d^lag-
198 2)ie Sm^utabiUtdtöfrage unb baS aRobiftcabiCitdtSproblem.
ferttgfeit" bcigebrad^t ju i^abcn, unb bcrgafe, J)a§ biefe
iiöd^fien^ eine militärifd^c ober bii)lomattf(l^e, nid^t eine
allgemein menfd^Iid^e Slugenb fei; unb bafe bie, burc^ ©er-
tiren unb ©jtem^oralien angetoöl^nte „Äunft bod^ nid^t
ftanbl^alte wt aSellen unb t)or ©türmen" unb bem beut=
fd^en 3ünglinge im redeten Slugenblid bod^ nid^t bie Sc=
fc^Ämungen erf^are, benen fein „blöber" esprit d'escalier
il^n immer bon neuem auöfe^en tt)irb. @ine ©etoanbtl^eit,
bie nid^tö ifi ate SRoutine, mad^t noc^ lange nid^t jum
SBeltmann — im (Segentl^eil: niemanb f}at mel^r „JRou?
tine" aU ber gabrifarbeiter, ber nad^ mobemer 3lrbeitg=:
tl^eilung nur auf einen einzigen ^onbgriff einejercirt jmb
babei im übrigen ein tooffenbeter „%älpeV' geblieben ift.
SBKe bagegen ber „änfteHige" überall jured^tfommt, man
mag ü^n berh)enben toobei man toiff, fo mufe bie toa^re
Säilbung^reife bem Oeifie aHe^ Steifleinene au^gejogen
i^aben. ®od^ ba^ gel^t eben nid^t fo fd^neff, bafe nid^t ber
blo^e Sftouttnier lange ^dt einen toeiten SBorf^rung be-
Italien müfete bor bemjenigen, lüeld^er fid^ reblid^ bemül^t,
mit SBetou^tfein in feine 3Iuf gaben fid^ l^ineinjuleben; —
aber bafür erntet ber eine aud^ nur ^age^erfolge, to&^^
renb ber anbere fid^ ber ©olibität feinet innerli^ gefräf-
tigten SBefenö unb SBirfenö erfreuen barf — freilid^ nid^t
leidet ungefränft t)on jenem, benn an^ ben blofeen ^anb^
grijflern :|)flegt fic^ aud^ ba§ §eer ber oberftäc^lid^en
©d^ablonirer im SWenf^enfortiment ju refrutiren, benen
il^re ©elbftgefäHigfeit dn unleiblid^ abf:j)red^erifc^es SBefen
mitgibt, jumal mit il^nen leidet dn red^ter ©tiernad üor
einem fte^t. Qene ©erablinigen finb aU 5ß&bagogen bor-
trefflid^ geeignet jur ©reff ur ber 3llltag^menf d^en ; an jeber
frifd^en urf^^rünglid^en 5Hatur toirb il^re — unbetou^te unb
gar un^)ebantifd^ fid^ au^nel^menbe unb gerirenbe — 5|8e=
banterie ju ©d^anben, unb aU firenge 3iici^tmeifter Jjreffen
fie bie unjerflörbare ©^)annfraft nur nieber, o^ne bafe biefe
bauemb atö geber einem gröjsern $!Red^anigmu^ fid^ ein-
orbne; bielmel^r fd^nellt fie, bom S)rudfe befreit, um fo
S)a§ @d&ulmeiftettl^um. 199
energifd^er unb gcf&l^rlid^er ipicber auf. — ©old^c ©etab^
linigfeit bleibt Incommenfurabel mit icbcr ©urtje im ftem==
ben SBcfen: immer toieber unb lieber mifet fie, meint im^
mer ba^ SWa^ gefunben ju l^aben: aber fobalb e^ foff au^:!
gef^jrod^en werben, jetgt fid^, bafe alle^ im beften galle
a^j^jrojimati^ bleibt: bie Ouabratur be^ ©irfefö i{l eben
aud^ auf ^)f^d^oIogifd^em ©ebiet nod^ nid^t Doffjogen.
®rum toerbe aud^ bd biefer ©elegenl^eit eine SBar^^
nung erl^oben, ba§ ba§ t)on urn^ ©.11 fg. ju einer ©runb^
eintl^eilung ber Stiteffectualanfogen berioenbete S^tuitib-
vermögen nid^t berlped^felt toerbe mit bem banaufifd^en
©inn für matter of fact, auf ben fid^ ßnglänber unb
©nglÄnbergenoffen fo gern übermäßig biel einbilben unb
auf bejfen SluiSbilbung getoiffe 3ieaI^äbagogen ber „Qe^t^
jeit" mit affer 3Blad^t l^inarbeiten möd^ten, afe fdnnten
9JläbeI unb SBuben nid^t frül^ genug bem ^arabieS ber
jtoedloö lernenben Äinb^eit entriffen tt)erben. Umgefel^rt:
man trage ©orge, bafe ber trotfenen, nüd^ternen 3iatur
ber nteiften fiel^rfloffe ein !|)l^antafiebelebenbe§ ©egengetoid^t
gegeben toerbe — nur nid^t fo lüie mand^er SReuIing in
ber ©c^ule e^ mad^t, ber felbfi ben banfbarften affer ©toffe
— bie gried^ifd^c Jpelbenfage — abl^ören unb et)entueff mit
3it)ang§mitteln babei borge^en ju muffen bermeint, bamit
felbft bie gaulften „bod^ toenigften^ etnja^", nämlid^ bie
nadten 5Ramen, behalten, unb fold^ Serfa^ren iool gar
noc^ entfc^ulbigt bamit: bie „©d^ulorbnung" butbe e§
nid^t, bafe einige ©d^üler irgenbeinen ©egenjlonb ganj
öernad^läffigten — n>a§, beiläufig bemerft, gar nid^t ju
SJage treten toürbe, toenn man ba^ ungel^örige ©jaminiren
barin unterließe — e§ mag ein aSorred^t weniger bleiben,
ba^ toom Seigrer SBorgetragene im 3wf<iwiw^^«'^<^«9 tt)ieber=
juerjäl^len — bann l^ftlt man Seigrer unb ©d^üler glcid^
toeit babon ab, am Slütenbuft ber l^errlid^ften ©id^tung
ein ©acrileg ju begel^en. — 8Ber ßaricaturen liebt, ftnbet
im Slnfang "oon SBoj' „Hard Times" tint föftlid^e ©atire
auf fotc^en ftrieg gegen affe^, toaö „fancy" l^eifet. 55ie
200 S)ie Smptttabiat&töfrage unb baS aRobificabUitdtgproblem.
fetten 'oon ber Qun^t ber eonfequenjennmd^erei (bencn
©d^ojjenl^aucr fo aUertiebft in feinen Fragmenten ju einer
©riftif i^eimgeleucl^tet f)at) iperben l^ier tiietteid^t auff d^reien :
bann toittft bu beine „jarten Äinberfcelen" tool aud^ nid^t
ntit bem ©ini)rägenlaffen ^on Qal^re^jai^len abpla^m^ —
unb fo toiH id^ il^nen mit einer änttoort entgegenfommen,
obgleid^ fte eigentlid^ !eine berbient l^aben: ba§ d^ronolo*
gifd^e ®mpp^ ift für ben Ueberblidf über ben :j)ragmatifd^en
3ufammenliiang unerla^Hd^, alfo aud^ fottjeit toie ©inftd^t
in biefen 2^^d be^ ©efd^id^t^unterrid^t^ ift — b, i), in
SKäbd^enfd^uIen faji gar ni^t unb für Änaben in einem
fel^r ju befd^ränfenben aJiafee. 2lm aUertoenigften aber
foli fic^ ein blofeer eini)au!er bon ©efd^id^t^tabeHen J^erau^^
nel^men, einem ©d^üler ben l^iftorifd^en ©inn abpf:j)red^en,
toenn beffen ©ebäd^tnife fd^toäd^er ifi aU feine (Erinnerung
— unb faH^ berfelbe infolge beffen einmal ein factum in
bd^ unred^te Qa^rl^unbert berlegt, loeil er fid^ auf ben Su-
fammenl^ang erft befinnen mufe unb nid^t loie ber gebanfen=
lofe SKemorirer bie S>^1)lm bon feiner tabula capiti in-
scripta bloS ablieft, fo ift ba^ genau ebenfo gu beur=
tl^eilen toie bie oben ©. 16 in ©d^ufe genommenen SSer^
ftöfee gegen grammatifalifd^e ßorrecti^eit in ©EtemJporancn.
Unb glüdflid^ertoeife ftel^t nn^ aud^ l^ierbei it)ieber ün
Sunbe^genoffe jur ©eite, beffen Slutorität bie ^pi^ilologen
f eiber niä)t tt^agen tt^erben anjutaften: Qafob ©rimm, an
©innigfeit unb ^umor (man lefe nur j. 33. ben ©d^lufe
bon ,,Ueber ba^ ©ebet" nad^!) bie Qncarnation be^
beutfd^en ©emütl^^ in feiner i^öd^ften ^otenj unb reinften
Sauterfeit. ®er l^at in ber ©ebäd^tniferebe auf Sad^-
mann ioie in „Ueber ©d^ule Uniberfität Slfabemie" ben
bünfell^aften ©i)rad^gelel^rten mand^ bittere SSa^rl^eit ge^
fagt; unb fud^t man nad^ einem ©rflärungögrunbe für
ba^ aSerfeffenfein gerabe biefer &mU auf il^r gad^, fo meine
i^, ber n&6)\te laffe fid^ barin flnben, bafe bei i^eutiger
©d^uleinrid^tung gerabe bie bornirteften reinen ®Etem:()orale=
föj)fe gu ber ©inbilbung gelangen muffen, fie feien jum
3)a^ Sd^ulmeiftett^um« 201
©^mnafioUel^reramt terufen, toeil fic unter iffxen 3RiU
f dualem ben ,,erfien 5ßla|" einncl^men* 6tn ©taub aber,
ber fid^ au^ fold^en Xixonm refrutirt, f}at feine unt)er=
fd^ämteften äbfenfer auf ben Soben ber „^iftorifd^en Äritif"
geijjftanjt, foba§ e^ einen freilid^ ntd^t iDunbeme^men fann,
ioenn fold^e Seute um bie Sel^auJptung 'oon ein paar boc=
trinären ^pi^rafen bie (eben^toarme ©egenioart tjerfaufen
wollen an bie S^imäre ber nebulofen S^lunft, H)ie fie ftd^
biefelbe nun einmal au^gebad^t l^aben, S^t engem S3ereid^
ber ©d^ule aber follte fid^ boc^ niematö bered^tigt j^aften,
einjuftimmen in ben trivialen ^pott über ben Slürnberger
2!rid^ter, toem ein fold^er im ®runbe eine i^öd^ft tüiHfoms
mene (Srfinbung fein toürbe. Ober l^at ün ßel^ren unb
Sernen l^öi^ern SBert^, toeld^eg nur ben Q^ed verfolgt,
ba^ fid^ ettoaS toorfinbe, toa^ abgeja^)ft toerben fönne,
tomn in einem ©jamen — gleid^toiel toelc^er Slrt — bie
©!|)unblöd^er geöffnet unb tool^Igeaid^te ©efäfee untergefteHt
tt)erben, in benen e^ fid^ auffangen unb meffen laffe ? Äann
irgenbtoie abfragbarer Sernjloff aud^ nur für oberfläd^lid^e
aSeurti^eilung ber toirflid^ t)orl^anbenen 33ilbung einen
Slnl^aft geben? ober lä^ ftd^ \)idmef}x fold^ in ben ©d^ü=
ler ^ineinge:t)um})te§ 3^«9 nid^t blo^ ,,abfd^ä|en" ober
„tajiren" toie ein ©runbftüd nad^ feinem ®rtrage an —
leerem ©troi^? (Sin auf bergleic^en abgielenber ttnterrid^t
bünft mid^ fo craffer ^ol^n auf aHe^ tt)a^ tt^ai^rl^aft ©r^
jiel^ung fid^ nennen barf , ba^ man nur gioeifeln fann, ob
babei bem Seigrer ober bem ©^üler bie fläglid^ere 9lolle
jugetl^eilt fei* Unb toeil jenem felber babei jeber jutjer:!
lÄffige aWa^fiab für ed^ten ®rfolg feinet SBirfen^ abl^anben
fommt, fo fiel^en ioit l^iermit toieber an einer ganjen
Älaffe t)on Qrrt^ümem, benen gerabe ber Seigrer ate fold^er
Dorjug^ioeife au^gefe|t ift, unb reil^en be^l^alb l^ier nod^
eine Semerf ung an , bie aUerbing^ aud^ auf ioeiterm aSe^
trad^tungiSfelbe einen $la| toerbiente — fo mag fie benn
5u einem fold^en nn^ jurüdEleiten. @jS gibt eine ganj be::
ftimmte 2lrt toon ©d^einmobificabilität, bei loeld^er n>ir
202 3)te 3m)3utabt(tt&t$fra9e unb bad aRobtftca6Uitat3prob(ent.
glauben, ein 3Dlenf(i^ l^abe fid^ toeränbert, toäl^renb in
SBal^rl^eit nur unfer SScr^ättnife gu i^m ober feinet ju un§
ein anbereö geworben ift. Unb berartigeö tritt befonbcrö
leidet unb l^äufig jloifcl^en Seigrer unb ©d^üler ein, — fei
es, inbem ein frül^er entjianbeneS 3DliStrauen befeitigt
tt>urbe ober ein früher nid^t üorl^anben getoefeneS fid^ eim
jleHte — fei eS, inbem baö ^jerfönlic^e SBerl^altniB jioifd^en
il^m unb uns biSl^er baS ber relatiben Oleid^gültigfeit ge^
toefen toar unb jefet irgenbein ©reignife, ettoa baS S^fö^wien^
treffen auf einer SReife, bie 2;i^eilnal^me für bem einen toon uns
beiben toiberfa^reneS UnglüdE u, bgl. uns nft^er jufanmtem
fül^rte: bann fonnte gegenfeitige S^netgung auffommen
unb ju einem — tietteic^t gar mit SBed^fetoirfung fid^ be^
t^ätigenben — SKotib ju gröfeerm @ifer toerben. @inb
es bod^ gerabe berartige SBorgänge, in toeld^en eine än-
ttäl^erung jtoifd^en „©d^ule unb ipauS", b- 1^., baS ßon^
crete an bie ©teile ber 3lbftraction gefe|t: jtoifd^en biefem
beftimmten Seigrer unb biefen beftimmten Sleltem überaus
toid^tig loerben, ja „SBunberbinge loirfen" !ann.
14. Sie äRobtftcaMHtätsfrage bon ber mttttp^ft^if^ttlfb
f^en @eite.
Seugung unb 2;ob flnb nid^t bloS bie ©nbjjunfte,
jtoifd^en benen fid^ äffe SSorgftnge beS 3nbibibuallebenS
bewegen, fie finb aud^ bie beiben ©runbrfttl^fel, auf toeld^e
toir affemal jurüdf gelten muffen, fo oft wir bis an bie
äu^erflen (Srenjen beS ®rfennbaren unb SBegreiflid^en bor*
bringen tooffen. Sei i^rer a3ef:j)red^ung toirb beSl^alb aud)
©d^o^oeni^auer ju 6onceffionen genötl^igt, toeld^e er l^art=
nftdig verweigert, folaitge eS fid^ um Dinge beS SebenS
l^onbelt; in il^nen berül^ren fld^ eben ,/3^t" wnb „®tt)ig=
feit"; fie finb eS, loeld^e gu bem ©eftänbni^l brängen: wir
wiffennid^t, „wie tief, imSJefen an ftd^ ber 3Belt, bieSBur=
jeln ber 3nbit)ibualität gelten" (i)gl. u. a. „Sie SBelt als
S)ie aRobiflcabißtdt^ftage »on bet metap^^fif^^et^ifien ©cite. 203
SBitte unb SBorfieaung", 2, Stuft., II, 635; 3. Stuft., II, 734) ;
fie auc^ füllten bajiu (ebenbaf., ©.>505,573), „iebem" eine
„Essentia" jujuerfennen, tt)a§ toenig i^ercinbar fc^eint mit
bcm SBBiffen at^ bem StU-Sinen ; fic mitbern enblid^ and) bie
©d^roff^eit bei Scugnung jeber ^erfectibilität unb berm
ftel^rfeite,bcr ®ci)rababitttät. ©otd^e SBorberfä|e nun ^eifd^cn
bie ©onfequenj, bem !3nbii)ibueIIen aU fold^em mit ber Es-
sentia anä) bie ©toigfeit ber Existentia ju t)inbiciren.
35ann aber mufe aud^ jenes ^tu3 eiüig, toeit iDefentlid^,
fein, toeld^eS bie ^nbibibuatität t)om %\)pn^ ber ®attung
unterfd^eibet, eS mü^te aud^ il^r „baS SJafein eiüig gemife
fein", unb eS iDäre fofort bamit aU unl^altbar bargetl^an,
bem ®ing an fid^ a:|)obiftifd^ atte SBiell^eit abjuf^jrec^en.
©off ber aSiffe burd^ bie Suflcibe beS 3»ttteffect§ fo funba^
mentat umgeftimmt ttjerben (dnnen, bafe er beim 3^obe aU
ein anberer austreten fönnte, aU toie er bei ber (Seburt
eintrat (togt. a. a. D*, ©. 506, 574), fo erfd^eint eS als reine
aSifffür, fotd^e Slenberung äff er ©tetigfeit, äff er ftufem
mäßigen äffmä^Iic^feit ju entfteiben unb felbige für einen
fd^ted^tl^in momentanen, ber ßaufatitätsf ette entrüdften
SBunberact auSjugeben; unb lt>ir fönnen l^ierin nur bie
©ajjrice eines bie Folgerungen auS rid^tigen 5ßrämiffen
überf:j)annenben gbealiSmuS erfennen, tooran bie btanoio=
logifc^e ®runbtegung beS ©^jlemS unb beffen äfll^etifc^er
X^eil i)iel fd^timmer franfen, ats baS jtoeite unb vierte
33uc^. 9lur fo l&%t fid^ ber äffe biefe ^^ragen bei ©c^o^en-
Iraner burc^jie^enbe craffe Dualismus toenigftenS ab-
fd^toÄd^en, t)ieffeic^t gar ganj befeitigen*
f^teilid^ ift ber fieib — bies ^robuct ber S^it9w«g tinb
biefer SRaub beS 5CobeS! — bie ßinl^eit \>on Oe^irn unb
©liebem, unb fold^e ©in^eit mufe aud^ im inbiüibueffen
SBiffen Dorl^anben fein; — aber tooffte man — aud^ nur
!pl^ftnomenoIogifd^ — bie buatiflifd^e ©onberung bon SBiffe
unb SSorfieffung fd^arf burd^fül^ren, fo müfete man fotgern,
bafe bie mittets ber 6oncei)tton jufammengefd^toei^ten gac-
toren im ^obe ttjieber tooffft&nbig auSeinanbertrftten. ®ieS
204 3)ie 3lmputabilitftt§frage unb ba3 2RobiftcabUitdtg))robIent.
ift nun abn infofem toieber nid^t benlbar, ate ber Qn-
tettcct tDcfentlid^ ba^ fecunbäte 5ßtobuct beiS SBiffen^ fein,
alfo in i^m and) ein Sngrebieng be^ müttctUd^en SBillcn^
ijeterfcen foll. ®ann aber ergebt fid^ ber neue, toon ©(^o=
!()en^auer felber nic^t ignorirte, SBtberf^tjrud^ : tote fann ein,
burc^ bie ijäterlid^e 9Mitgift inbiöibueff ;t)räformirter, SBiUe
fid^ einem, feinem SBefen fremben, Qntellect üermä^Ien? —
biefer to&re ja nid^t fein eigen 3Berf, fonbern ettoa^,
gleic^toiel ob ein i^m Slufgebrungene^ ober ©elbfigetofti^Ite^,
ba^ toor ber ^Bereinigung mit i^m feine ©^fteng für fid^
gehabt l^ätte. QebenfaU^ aber ift anbererfeit^ ber SBBitte
mit bem SnteHect ju feft üerfc^motjen, afö bafe er (a. a. D.)
toie eine blofee „gorm" bürfte betrad^tet toerben, bie ftd^
beliebig um- unb abhängen üefee gleid^ einem 3RanteL
©off ber Snbiüibuald^arafter ein fold^e^ Slbbition^facit
jtoeier organifd^er 9Konaben — be^ sperma unb ovum —
fein, fo ift ber f Rötere emäl^rung^jjroce^ erft rec^t mel^r
ate ein blo^e^ Slnalogon, er ift, n>ie ©d^o^tjeni^auer felbft
irgenbioo fagt, bie gortfe|ung ber3^wgwng; unb toa^ ber
erfien ©Ovulation in biefer an golgenmöglic^feit juge-
flanben toirb, tann ben f Jätern ©rneuerungen nid^t be-
ftritten loerben, unb biefelbe Suntl^eit, bie in ber B^ws^^^S
entftel^t, gamiliengeifter unb ^Rationalitäten gru^j^jjirt, toürbe
ebenfo gut bei Sebjeiten burd^ Älima, Slal^rung u. f. lo.
nod^ ijermaniud^f altigt. ©o ergibt fic^ aud^ auf biefem
Setrac^tung^ioege ate ba^ ßonfequentere, ben 3nbii)ibuat
toillen an^ ber gocalein^eit vieler Äraftfäben refultiren ju
laffen (©. 164 fg.), unb toa^ in ber ^Palingenefe toieber ium
aSorfd^ein fäme, toären bie einzelnen eiemente in ganj
neuer aWifc^ung ; nur ein lounberbarer 3wfatt lönnte einen
fc^on einmal bageioefenen Gom^lej in tootter Integrität
toieber an^ Sid^t führen, tooju i^m bie enblofe S^t affer-
bing^ ^pielxaum genug barböte.
3)abei fann übrigen^ — ber ©rfa^rung gemä§ —
jugegeben toerben, bafe bie bai^ 83ett)ufetfein conftituirenben
gäben mel^r au^ bem ovum, bie bie etl^ifd^en 3)ifferengen
^te SDlobificabUitfttdfrage )7on ber ineta))]^9ftfd^setl^if(i^en Seite. 205
l^erbcifül^renben mel^r au^ bem sperma fid^ entfalten mö=
gen. ®amit toftte aber bie in§ Esse jurüdgefc^obene
„f^^ei^^t" DoIIenbö ^reiiSgegeben ; eg toftte fd^on „^tJtftbe-
ftinirt", iote toeit ber SBiffe „gebeffert" in bie SnbitibuaU
epftenj einträte — e§ toftre aUe^ 5Ratur^)robuct. SBol^in
aber toürbe bie ©onfequenj angeblid^ fortfd^reitenber „3Ser=
tooIHommnung" be^ 3Renfci^engefci^lec^t§, bie fic^ bereite
l^iftorifd^ bocumentirt l^aben müfete, — nur bafe atterbing^
aud^ eine abfteigenbe Älimaj, ein SSermäl^Ien mit fd^led^:;
term Sntellect, möglid^ bliebe — l^inauSlaufen? — auf
Stealifation beg biabolifd^en ^ßrinci^^, bem bie Slfceten ba^
gelb geräumt l^ätten — bann ft)äre bie golge biefe^ natux^
gefefettd^en, alfo rein not^loenbigen, SBerlauf^ ber ©efd^id^te:
öoHftänbige ^errfc^aft be§ ©goiSmug unb ber So^l^eit, ba
ja bie Jpeiügen auf bie anbere ®dte ber $öl^e l^inab-
geftiegen wären. Unb felbft fold^e „33efferung" in ber
,,©ucceffion ber ßeben^träume" l^ätte nod^ eine il^r parallel
innerl^alb ber einzelnen Seben^träume fid^ tooUjiel^enbe §ur
SSorau^felung, fd^on infofern, afe aud^ jene erft attmäl^-
Ii(^ mit ©ntfaltung be§ inbit)ibueHen Setoufetfein^ ftd^ be=
tl^ätigen fönnte. — SBic nun aber fielet e» um bie SRög-
lid^leit einer fold^en? SBon an^m l^ineingebrad^t fann fie
nid^t ft)erben — ba^ toürbe fie toert^Io^ mad)m, ben ^e^
griff eine§ ft)al^r^aft etl^ifd^en 5ßroceffe5 aufl^eben — fie
müfete alfo 5ßrobuct ber ©elbfterjiel^ung fein — unb
ioie lä^t fid^ eine fold^e toorftellen? 9Kit anbem SBorten:
tt)ie fann ber ertoorbene ßl^arafter an^ fid^ felbft l^er=
au^ pi einer äenberung gelangen, bie bem gleid^fommt,
toa^ in ber ©^rad^e ber Slttegorie aU SBiebergeburt
bejeid^net toirb? 3)ie blofee ©elbftjud^t, man möd^te f agen :
©elbftbreffur, fann bal^in nid^t fül^ren — benn m^ biefer
gel^t nur jene ©elbftcontrole ^erbor, toeld^e barüber toac^t,
ba^ ba^ blinbe SBotten nic^t fojufagen einen ,,bummen
©treid^ begel^e", ben l^ernad^ bie finge, bie eigenen 2^cde
rid^tiger beurt^eilenbe, Sefonnen^eit be^atoouiren müfete —
unb fie betoeifi nic^tiS atö eine getoiffe ©m^jfänglic^feit für
206 2)ie dmputaHat&tdfrage unb baS aRobificabilitdt^ptoblem.
bic aBirtfamfeit abfiracter SKottec, eine gftl^igfeit, toeld^c
afe fold^e ja ebenfo gut ber rafftnirteften ©c^laul^ett unb
§eud^etei toie ber ©elbftoerleugnung bienen fann — unb
bafe toa^ 33efferung genannt toirb, gemeiniglid^ nur öon
biefer Slrt ift, mad^t eine unantaftbare aSoi^rl^eit in ber
©d^oiijenl^auer'fci^en 5DarfteIIung auö — unb l^ier l^anbelt
e^ fid^ barum, ob nid^t neben fold^er ©d^einbefferung noc^
eine tpirflic^e benfbar fei. Unb ben ©tü|punft für dne
fold^e l^aben loir tool bereite gefunben in ber ^oJppdf^üt
ber in un^ nebeneinanberbefte^enben ©trebungen. ®3
fäme alfo nur barauf an, einen 2lct au^flnbig ju mad^en,
mittete beffen e^ gelänge, ba^ jtoifd^en beiben ®egenfÄ|en
ioorl^anbene ©leid^getoid^t aufgul^eben unb bem „beffem
©elbft" jum Uebergetoid^t ju ijerl^elfen. 3n ber 5C^at
fd^eint bie fittlic^e SWad^t be^ ©J^riftentJ^umö auf biefem
©el^eimnife gu berufen.
^k nämlid^ ©ofrate^ feine 2BeiSl^eit barein fe^te,
bafe er toiffe, toie er nid^tS toiffe, fo fefet ber !t)aulinifd^c
ober auguftinif(^e ßj^rift feinen 3Sorjug toor ber übrigen
fünbigen SWenfd^l^eit barein, ba§ er loeife, ein ©ünber gu
fein, unb nad^ ^eiligleit begel^rt, loie ©ofrate^ na^ ©r^
fenntni^. ®ie fogenannte 33efferung, ober genauer: bie
„beffernbe" ©rjiel^ung aber toerl^< fid^ jur Heiligung, loie
bie 33elel^rung jur ©rfenntnife — tt>ie ba§ äufeerlid^ Siar^
gereichte (unb angeeignete) ju bem innerlich ©rtoad^fehen.
Sßie jebe 2Ba^rl^eit mufe erfal^ren, gefd^aut n>erben, um
toirflid^ ein Seftanbtl^eil unferer ©rfenntnife ju toerben,
toie bie Selel^rung nur bie gorm, bie ^ülfe ber SBa^rl^eit,
alfo bie ©elegeni^eit geben !ann, biefe f eiber ju ertoerben:
fo muß jebe Heiligung in einem f^ontanen 3(ct t)on innen
l^erau^ entftet;en. Sie blo^e „Sänbigung" ift ja bod^ fo
toenig f d^on SBeff erung , ioie bie blo^e „SSerf einerung" ober
„Politur"; unb e^ ift babei ganj gleid^gültig, toeld^er 3lrt
bie angetoenbeten SBftnbigung^mittel ftnb: , ob ^anbfeffeln,
Stoangj^jadf en , ber ©tod für ben „ungejogenen" ^vbm
ober ijeränberte Segriffe t)on ®l;re unb beffere ©infid^t in
2)ie äRobificabilttdtöfrage )?on ber meta4>l^9ftf<j^«etl^if(i^en Seite. 207
t>m aOBett^ il^rer Setoal^rung für^ ipraftifd^e gortfommen
— ob bie allgemeine ©l^re be^ „guten 3tuf^" ober eine
befonbere ©tanbe^el^rc (toeld^ leitete ja j. 83. beim tüof)U
gefd^ulten ©olbaten aSBunbetbinge, eingeftanbenermafeen
feli&ft in ©ad^en be^ SRutJ^e^ erreichen lann, fobafe man
jagen fonnte, bie S^furgifd^e SBetfaffung l^abe eg burc^^
gefegt, bafe in ©patta ber größte 9Rut^ baju gehört l^abe
m geigling ju fein, b. f), aü fold^en fid^ burd^
gal^nenflüd^tigfeit ju erf ennen ju geben), älfo mu§ e^
um bie loal^re Heiligung aud^ ein „SK^fietium" fein,
ioie man e^ t>on bet greil^eit gef agt l^at. *) — Sßic eine
unvernünftige, unfittlid^e ©efe^gebung, ja fd^on bie blo|e
UeberfüHe unmögli^ in jebem gaffe ju beobac^tenber ©es
fe|e — plurimae leges, pessima respublica — ben S3ürger
nfttl^iflt, jum ^euc^ler ju ioerben, fo bemoralifirt aud^ ba^
ju viele ©e:= unb SSerbieten in ber ©rjiel^ung affein fd^on
burd^ ben 3leig be^ Ungel^orfamö — ober nid^t genug
baran (benn biefe BüU gel^ört eigentlich fc^on in einen an^
bern Sufammenl^ang, unb l^ier gel^t un^ nur golgenbe^
an): eg greift aud^ affaugenblidlid^ ftörenb ein in ben
ettoa beginnenben ^ßrocefe ed^ter ©elbfierjiel^ung — benn
t& lenft bie Slufmerffantfeit von bem innern Äern be^ etl^i-
fd^n ©el^altö ob auf blo|e äleu^erlid^feiten unb l^inbert
fp gerabeju bie, fittlid^ minbeften^ jtoeibeutige, Segalitfit
baran, fid^ in etl^ifc^ affein geltenbe 3Koralit&t umjutoam
*) ©otoenig — abgefe(^en t)on ber momentanen, gleid^fam auf
(Slafiicität berul^enben ^en?egung bed @)>ringend — ein iD'^enfd^ ftd^
\tlbtx au9 freier $anb (ettoa an ben paaren ä la iD'^ünt^l^aufen) em*
^or^eBen nnb fo feine eigene ®($tt)ere )>erni(]^ten !ann : eBenfo menig
isermag jemanb, fld^ auf fi(^ felber ju legen, um fic^ gu brüden,
b« ^. feine eigene ©(i^mere §u t)ert)ie(fa($en — unb bennod^ fie^t ed
tDie ein fold^es ^unflflücf aud, menn mir in ^cten ber @e(Bf}be«
l^errfd^ung bem aufquellen unferd ganzen Sillend burc^ ben Siden
felBer (Stn^alt tl^un. SDad ifl bod^ nur mi)gli($ , totti ein Tlotir> bem
anbem entgegenfiejt, »ie ©tarrl^eit ober iWu«feIfraft — etma Beim
$eBen an einer ^anb^aBe — ber ©d^mertraft.
208 .3)ie 3lm))utaMUt&töftage unb ba§ a)tobt{tcabtHtätg))roblem.
bellt. SQBcr ftetö nur barauf Sld^t geben mufe, ba^ et fein
®efe| übertrete, gelangt barüber niematö ju ftitter 6in=
fei^r. in fid^ felber, biefer erften unb unerlafelid^en SSorbe-
bingung atter Heiligung. Sie ftete SRüdfic^tnal^ttie auf
eine !t)ofitit)e ^eteronomie nimmt nid^t nur ^dt unb Äraft,
fie raubt aud^ ben SKutl^, eg ju berjenigen Slutonomie ju
bringen, ol^ne toeld^e jebe ©elbfterjiel^ung ein Unbing bleibt.
SRic^t barauf, ft)a§ SBelt unb ©rjiel^er, fonbern barauf, ft)aö
toir felber au§ nn^ unb unferm „5RatureIl" gemad^t l^aben
ober nid^t gemad^t l^aben, fommt e§ an bei ber §rage nac^
toirflid^ funbamentalen ßi^arafterftnberungen. Slennen toir
SRatureff l^ier bie ©onftitution al^ etl^ifd^e 5ßrÄbi^j)ofition —
alfo ettoa al^ Steigung jur SBottuft, — fo liegt eö nid^t
gar ju toeit ab, baffelbe bem ^jaulinifd^en 83egriff ber
aap^ analog §u ftetten, unb unfere ^age Iftfet fid^ bann
formuliren al^ bie nad& bem realen SBerl^ältnife jtoifd^en
aap^ unb Tcvsufjia — nur ba^ ung nid^t ba^ 7cvs5|jia für
eine aufeer bem jur Heiligung fd^reitenben 3nbit)ibuum,
gefd^toeige au^er ber „ bieff eitigen " 2Belt, itjirfenbe SJlad^t
gelten fann.
®ie bloßen „®runbfä|e" aU „SReferöoir" öon Sebenö^
regeln mad^en*^ an6) nod^ lange nid^t, nod^ loeniger bie
„guten SBorfä^e". ^ ©egentl^eil: bie Unmittelbarfeit be^
Slugenblid^ mufe ben ^ßunft l^ergeben, auf ben ber $ebel
attein fid^ ftüfeen fann, mittefö beffen ba§ fittlid^e SBoffen
feine Äräfte toertoielfad^t, fid^ felber em^orl^ebt; toer feinen
83oben unter fid^ l^at, loiber ben er fid^ ftemmen fann, ber
toirb nie unb nimmer au^ bem bloßen 3^^^^^^^ i^eraug*
fommen. ®er ganj abftracte — „ioie au^ bem Slermel
gefd^üttelte" — SBiffe: id^ ioitt mid^ aufraffen, fann gar
nid^t entfielen an^ bem 5Rid^t^ be^ liberum arbitrium in-
differentise : töo ein fold^eg Streben fid^ tl^fttig jeigt, ba
ift eg eben nur ber Sluöbrudf eine^ allejeit im Qnbitoibuum
öor^anben getoefenen ®runbn>oIleng. Um bie fogenannten
®runbfä|e mand^er 3Renfd^en rid^tig ju loürbigen, mü^te
man eben il^r ßeben, b. f). if)xm SGBanbel unb il^r ©rieben
^ie äRobiftcairiKt&töfvage t>on ber metop^i^ftf^^et^ifd^en @eite* 209
genau fennen; bann ti)ärbe mand^eS, toa^ mit bem 9(n^
^ptu^ auftritt, me „aWaEimc" ju fein, fid^ au^toeifen aU
aSerfud^ einer nad^trÄgüd^en 3l))ologie für irgenbeine gang
bejlimmte ^anblungStoeife — unb jum Xl^eil l^ieraug ift
bie SBBanbelbarfeit beffen ^erjuleiten, toaö^geioiffe ßeute il^re
„5ßrinci^)ien" nennen ; — auc^ fie finb „fid^ f eiber m ®e=
fe|" — aber bie§ ®efe^ ftammt fo toenig „aui^ bem ®eift''
(Tcveufta) tt)ie „auä ber aSal^rl^eit", — unb bie „5ßflajier=
fteine auf ber ©trafee jur ^öUe" toerben anberi^too ge-
fd^lagen ate an^ bem %tU ber fittli(^en ©nergie. — 6rft
rm^ man gelernt l^aben, unbeirrt, bie Slugen nic^t red^t^,
nid^t linfe toerfenb, einen geraben feften Sßeg ju gelten,
e^e man an^an^m tann, „an fid^i f eiber ju arbeiten".
aSer fic^ atte SKorgen öon neuem ettoa^ „ijornimmt", ber
gleid^t einem, toelc^er om ®raben immer toieber ju aber^
maligem Slnlaufe iimfel^rt. D^ne fletigeö gortf (freiten
ift lebe ßoncentrirung ber etl^ifd^en Äräfte unmöglid^ —
unb baju angul^alten, barin jur Uebung unb ®ett)ol^nl^eit
eg ju bringen, ba^ ift ber ©egen ber regelmäßigen 21 r=
beit. (»gl. „ ©filier. Qim ®ebäc^tniBrebe wn Dr.
Suliug Sa^nfen" [Slnllam 1859], ©. 13.) 3m %xb^m
lernen toir jun&d^ft, anbereS ju unterlaffen unb fo un^
felber abjujiei^en öon ben ®efal^ren, toeld^e je nad^ unferer
3nbü)ibualttftt für un8 bie bebenllid^ften ftnb. SRic^t an-^
ber^ ate via privationis laffen bie erfien ©d^ritte jur$ei=
ligung fid^ gurüdlegen. 3Son ber Ur- unb ®runbfünbe,
ber ftet^ auf ber Äauer liegenben aSerfud^ung be^ „SBitteng
ium Heben'' in feinem m&d^tigften S)range, toußten bieig
fd^on bie alten Äird^enlel^rer , aU fie ben Äanon auffteHten:
„aBiber alle ©ünbe mag man fed^ten, aber bie Unfeufc^^
^cit muß man fliegen", unb ber l^eilige granj Don Iffift
^anbelte banad^, aU er niemals bie älugen auffd^lug,
toenn er mit einem SBeibe ^pxaä). @S ifi fo ti)enig nic^t
um fold^ ein „ber ©ünbe auä bem SBege gelten" — unb
toer eintoenben möd^te: toenn bie Suft im bergen ift unb
nur ber ®elegen^eit ^arrt, fo — bem antworten tt>ir: fo
9tt^n\tn, S^avolterotogte. i. 14
210 2)ie 3m))utabiIitAt$fta9e unb bad aRobiftcaMlit&ti^proUem.
mad^t eg einen großen Unterfd^ieb, ob man fid^ bet ®e=
legenl^eit fem l^ält ober nid^t. Unb baffelbe bejeugt jebem
fein eigene^ ©etoiffen, fattö eS nid^t ettoa fd^on an
ipeautontimorumenie Iranft. ^mn bie t^atfftd^Iic^e aSer-
Übung einer ipanblung toirft eine ungleid^ tiefere Sfteue,
otö bie blofee ^orftettung, in toeld^er toix un^ einer fold^en
%ffat glauben fällig l^alten ju muffen. ^ gleichem ©inne
f^red^en bie 23^eoIogen öon einer SBed^fetoirfung jtoifd^en
ber einjelnen ©ünbe unb ber affgemeinen ©ünb^aftigf eit.
Unb jur (Srlebigung be^ bamit aufgetoorfenen metaj)l^^flfd^5
^)f^d^ologifd^en ^roblemg genügt eö nid^t, ba§ aSefen ber
Oetool^n^eit ber !t)l^^fifalifd^en vis inertiae gleid^jufteffen,
no^ bie ^age abjufd^neiben burd^ ba^ S)ecret: bie pi^
fftffige 3ci^l ber einzelnen ©ünben gel^öre bem em^irifd^en,
blos !t)l^ftnomenalen ß^arafter unb feinem SSer^ältnife ju
nod^ jufÄffigern Umftänben an unb fei für bag inteffigible
SBefen — bie eigentlid^e ©ünbl^aftigfeit — irrelevant. 3m
©egentl^eil: fo einfad^ ift ba^ aSerl^ältni^ i)on ®ing an
fid^ unb ©rfd^einung benn bod^ nid^t, mag aud^ abftracte
ßonfequenj beibe ju gdnjlic^ bi^^araten ©ingen gemad^t
^aben; üielleid^t blo^ in ber mel^r ober toeniger flar be^
toufeten Sttbfid^t, ber afferbing^ fd^toefften affer ))f^(^olo^
gifd^en Silufgaben fid^ überl^oben Italien ju bürfen: an je^
bem ^punfte unb im fleinften detail bie Sejiel^ung jtDifd^en
©injelerfd^einung unb ©runbtoefen nac^jutoeifen. S)enn
freilid^ iji e^ leidster, fid^ bei bem @a|e ju berul^igen:
ba^ gel^ört nur bem em!t)irifc^en ©i^arafter an — tt)ogegen
immer ft)ieber ^erbart unb ©oetl^e (in ber „Statürlid^en
^^od^ter") red^t bel^alten: too toa^ erfc^eint, bamufe bo^
aud^ toaS fein — unb in biefem ©inne ioagen toix e^,
im langfamen 2iem^o be^ angetretenen 3Rarfd^eg unfere
änal^fe ber ©elbfterjiel^ung fortjufe^en — um bie ®ebulb
beg Sefer^ bittenb bei immer iDieber fic^ quertoorlegenben,
aber nid^t ju überfj)ringenben, nur ju umfd^reitenben 9*^
tarbationen. SBir fe^en nn^ nftmlid^ l^ier gleid^ jurüdt^
getoorfen auf bie ^i^age: toie ift ©elbftbel^errf(^ung
SDlögli^fcit ber Sclbftbeldcrrfci^ung unb ©elbftetjicIEiutig, 211
naä) bettt, tva^ oben ©, 141 fg. unb 145 fg. über bag 8Be=
fen ber Effecte gefagt ift^ überl^au^jt öorftellbar ju ntad^en?
15« ($ortfe$ung. ^te WHlxitfttit ber fogenannten ©elbft:^
be^errfti^ung^ ®elbfter}ie]^ung^ Selbfttiereblung unh ber
„Sefferung" äberl^au^it
•
©afe bei ber Ueberminbung eine^ Slffect^ ©emol^n^eit
unb Uebung gemeiniglid^ ba^ meifte tl^un, ift leichter be=
^au^tet unb anerfannt, al^ begriffen, b. f). nad; feinem
2Bie? eingefe^en. Qebe^ „Uebung mac^t ben SReifter" be^
tu^t auf bem „Sel^arrung^^ermögen", b. 1^. auf bem 39e:=
^arren in einmal eingeleiteten 3wftänben unb Functionen,
bi^ eine neu eintretenbe Urfad;e bie^ Se^arren aufgebt —
unb ©d^o^)enl^auer l^at fd^on in ber erften aufläge feinet
„©a|eö bom jureid^enben ®runbe" ba§ re^)robucirenbe
©ebäd^tnife ate Uebung im 9le:probuciren ben galten öer-
glid^en, in tt)eld^e ein Xu6), ba^ längere ^nt jufammen^
gelegt getoefen, t)on felbft tt)ieber jurüdf dalägt ober t)on
loeld^en e§ toenigften^ bie ©^uren behält. Unb in ber 2^l^at
l^at ba§ ©ebäd^tnife, genauer: bie (Erinnerung, an bem
9lieberl^alten eine« Sttffect« feinen geringen SSntl^eil. SBir
iooffen babei nid^t eingeben auf bie grage, toie 'oid l^ier^
bei abl^ange t)on ber organifd^en Xejtur beiS ©ei^irn«
u. bgl., obgleid^ un^ bieg bem (Srunbjufammenl^ang jioifd^en
SBiffe unb SRotib, jenem ©el^eimnife, tt)onac^ „ber ®eift eö
Ift, ber fid^ ben Äörjjer baut", nä^er filieren fönnte; e«
fann genügen, furj an einige Slnaloga au« bem ®ebiet
ber ^jatl^ologifd^en ^l^^fiologie ju erinnern, ©o ift ber
aSorgang, nad^ toeld^em man ft^ ba« SRaud^en erft „am
genjö^nt", gleid^ ein B^wß^^ife/ ^^^ ^^^ Drgani«mu« aH^
mäl^lld^ fid^ ©intoirfungen fügt , benen er anfang« mit aller
SKad^t loiberflanben. ^ein Stcclimatifirungg^jrocefe, jebe
Slbftum^fung gegen 9?erbenrei je, im D^iumgenu^, 2:abadf«=
f(^nu^)fen, SBeintrinfen (toa« man befanntlid^ auc^ „lernen"
14*
212 S)ie 3lm))utabUitfttöfrage unb bad SRobiftcabUitAtdptoblem.
fann), jebe Uefcertoinbung beiS SBibctiDttten^ gegen getoiffe
©^)eifen beft)eifen gleid^faff^, bafe fold^e S)inge nid^t blo^
fubjectit), für ba^ Setoufetfein, fonbem anä) objectit) Don
il^ter SBtrfung toenigflen^ ettoa^ einbüßen (e^ erfolgt tefp.
lein ©rbred^cn, ©rfranfen, betäuben, Jliefen, SRaufc^,
6fel mel^r). 5Rur ijermöge eine^ analogen ®efe|e^ lernt
ba§ Äinb ®e^en, ber mufifalifd^e äöfl^^Ö '^^^ „©♦>telen
t)om Statt toeg", jeber ©lementarfd^üler baö geläufige
ßefen unb „med^anifd^e" ©d^teiben, ber ©d^auf^ieler bie
mimifd^e Seioeglid^feit, unb — ®rnft SKa^ner, jur aBei^=
nad^tSjeit jtotfd^en ben ©^fd^offen be^ 'Süftin l^inburd^=
jufc^tDtmmen, aber aud^ ber öon igaufe au^ aSeid^müt^ige
fein ®entüt^ üerl^Ärten O/ß'&^^Ärten") gegen eigene Slrübfal
unb fremben Jammer — loarum alfo nid^t auc^ ber
,^i|ige", ober toenigften^ //^^ftige", ba^ Sejtoingen feiner
auf Gattungen? 3lu(^ ber SBiffe tann „fid^ getoöl^nen",
bem Sntettect ben nöt^igen ^n^u^ nid^t üorjuent^alten,
bejie^ung^n>eife ju laffen unb nic^t ju entjiel^en, unb ber
Sntettect felber fann feinerfeit^ il^m l^ierbei — jumal aU
©rinnerung unb burd^ berid^tigteS Urt^eil — f el^r tt>of)l be=
l^ülflid^ fein. Unb bie^ jujugefte^en l^eifet in feiner SBeife
bem ©eterminiämuS !t)räj|ubijiren, fonbem nur einer ab=
flract beterminiftifd^en ©onfequenjenmad^erei ba^ $anbtt>erf
legen. ®enn attein eine fold^e fönnte nn^ mit fold^en
©emein^läfeen bareinreben, toie: ift ber ß^arafter unt)er=
änberlid^, fo mufe eö aud^ ba^ 2^em^erament fein; ober:
toenn l^ierin SBeränberungen Dorjufommen fc^einen, fo
muffen fold^e lebiglic^ auf pf)^[i^ä) - organifd^e 3)Wfd^ung^=
mobificationen jurüdfgefül^rt toerben — toeld^ le^tere^ eben
bie S^rad^e be^ meta^^^fiftofen aRaterialiÄmu^ ift, bem
toir l^ier mit Analogien (x\x^ feinem eigenen ©ebiete be=
gegnen fönnen. SBBie, fd^on bel^ufö räumlid^er »erü^rung,
minbeften^ ännäl^erung, eine med^anifd^e 93ett>egung t)or=
angeben mu^^ bamit in ber 6ontacttt)irfung ber S^^emii^'
muS t^&tig toerben fönne, unb toie ©erud^^-, @efd^madfö-
unb S^aftneröen ein Setoegtioerben, enttoeber beg ;u |)erci-
i
aRdgIi<J^!eit ber Selbftbe^etrfc^ung unb Selbftetsiel^ung. 213
^)irenben Dbjlectö ober bei^ ^)ercij)irenben Organa, f orbern:
fo bebarf ba^ ©ei^im, toenn e^ nic^t in ©tum^jffinn er=
fd^Iaffen fott, einer fortioäl^renben 3[ufrüttelung burd^
®enf tl^ätigf eit , um lebl^after ju functioniren unb für 3luf=
noi^me reid^ern ©toffeg, toie ju größerer SSerfatilitftt b^
f&^igt gu fein, refj). ju bleiben ober ju toerben. Unb ioer
bie (Selegenl^eit Derfäumt, auf fold^em SBege geloiffemia^en
ben SEBiUen gu jtoingen, ba^ er bem ^ntellect fein gel^örige^
Äraftquantum ju jeber ©tunbe belaffe — ober toer eS
unterl&fet, bie (S^adi&t be^ ©el^irn^ für folc^en 3wflw6
ju erweitern — ber mad^t fid^ in bemfelben aWafee bafür
t)erantft)ortüd^, \omn i^n bann bie Effecte überioältigen,
toie e^ bem SJrunfenboIb imputirt toirb, bafe er fid^ burd^
frin 2:^rinfen ber ©efal^r au^gefe^t l^at, in ber ^runfen^
l^eit etioag ju begel^en, ft)a§ er ^ernad^ nid^t getl^an l^aben
möd^te.
®ie immerhin eine 3Sereblung beiS ß^arafter^ auf bem
SBege be^ ^ttUed^ ju nennenbe Slenberung be^ SBoHen^?
inl^altö mad^en toir un^ nft^er in folgenber SBeife i)or=
ftettig: ber aBiffe loirb vermittels beS Snteffectg ber 2leu=
feerungen feinet eigenen Snl^altö mit äbfc^eu gett)a^r; bann
fann bie in biefem 3lbfd^eu fid^ lunbgebenbe 5Reigung gum
©Uten, fei fie aud^ für ben SKugenblidf nod^ fo fd^toad^,
bod^ fo t)iel toirfen, bafe ber SEBitte ben i^ntettect beorbert,
nad^ formen fid^ umjufel^en, in toeld^en feine 3^^^^ ciuf
weniger „anftöfeige", auf eine fittlid^ minbeftenS nid^t fo
rol^e SBeife fic^ erreichen liefen, unb gioar bieS nid^t bloS
um ber 5Weinung anberer toillen, fonbern an^ innerer,
fittlic^er SWiSbilligung ber SluSbrüd^e ber eigenen ©elbfi^
fud^t ober »oS^eit. ©elbftberfiänblid^ müfete atterbing«
aud^ biefer ®rab ber Siebe gum ®nUn im SBiffen fd^on
urf^rünglid^ ^)rÄbiSponirenb gelegen l^aben unb betoiefe
bemnad^ an fid^ nichts Weniger als baS liberum arbitrium
inditferentiae. ©ofern aber fold^er S^ribut an baS Seffere
nur burd^ gewollte SluSbilbung be§ 3nteIIectg gu garan=
tiren fiänbe — unb fofem fold^e Sluj^bilbung weniger Äraft
214 ^^ie :3mt)utabt(itätgfra9e unb ba§ äRobificabilität^ptobCem.
erf orbert — ober biclmel^r nid^t f o unmöglid^ ift, aU ba^
rabicale J)l5^ttci^e Stuf geben ber Qtoeäc f eiber, fo im^licirt
ein berartiger SSorgang bereite einen 3lct eigentlid^er ©elbft=
erjiel^ung, moralifd^er Sefferung, an toeld^em ba^ SBirt
fame fojufagen ba^ auf inteffectuettset^ifd^e^ ©ebiet über=
tragene ^rinci^ ber §ebel!raft toäre — ober ioitt man bo^
nid^t aU ein Sbentifd^e^, fonbern nur ate ein 3lnaloge^
gelten laffen, fo liegt ba^ tertium comparationis barin,
ba§ ein fleinerer Slufiüanb \)on Äraft ganj toie beim §ebel
eine multij^le 3Birfung l^erborbringen fönnte — ber 3n-
teffect, f:pecieffer: bie burd^ biefen t)ermittelte 3lbf(^euerre=
gung bor bem eigenen SBiUen, it)äre ba^ u7üo|ji6x)^tov , ber
SBiHe ftänbe am längern Hebelarm, bie Saft tüftre ba^
au^ jufül^renbe ®ute bon einer ©c^tüere, toie fie big bal^in
nid^t ju übertüältigen getoefen toÄre. äßir l^ätten in fot
d^em gaHe eine 33efferung im äußern Seben^iDanbel, toetd^e
auf anbern ate ben blo^ egoiftifd^en SWotiben ber Älugl^eit
unb 2lccommobation an bie ®efefee ber ©oeEiftenjmöglid^-
feit berul^te, Db fie ju ©tanbe !äme, bliebe freilid^ info=
fern t)on „sufäEigen Umftänben" abhängig, al^ biefe mit.
entfd^eiben, ob bie feiten^ ber inteffectueffen ^raft gelei^
fteten ^)otenjieIIen Sebingungen jur ätctualität gelangten
mittele ^n'\üf)xen^ ber äußern Silbungg mittel, ol^ne iüeld^e
jene fittli^e Unterfdjeibung^gabe ber nötl^igen 3Serfeinerung
unt^eill^aftig bliebe, — ®g ift an fid^ flar, bafe berganje
SBorgang ftd^ afe beftimmte gorm bem fubfumirt, toa^ \oix
bie Slu^bilbung be^ „ertüorbenen ß^arafter^" nennen, unb
aud^ biefer ©Jjecialfall berfelben feinen ©d^toerj)unft in ben
Sntellectfunctionen behält; aber barum bleibt bod^ nid^t
bie SSerbienftlid^feit fold^er ©elbfterjie^ung gänjlid^ au§er=
l^alb beg SEBiEen^ f eiber befielen ; f d^on be^^alb nid^t, ix)eil
ber StiteEect al^ reinem „tüiHenlofeg" ©ubject überall feine
praftifd^e Sebeutung ^at. Unb ba^ ®igentl;ümlid^e liegt
eben barin, bajs aud^ ber confequente ©etermini^mu^ einen
33ereid^ bel^ält, toorin ba^ moralifd^e ©ollen öon il;m
nid^t gänjli(^ braud;t iper^orrefcirt ju iüerben. 3luf ben
SR&giüiftfeit ber Selbftbel^errfd^ung unb Selbfter^iel^ung. 215
Sntcffect lÄfet fid^, i>crmöge feiner SSilbungi^fäi^igfeit, tt)ir-
fett, — bt^ffalb öetlattgt ttiait Don il^m, bafe er eine 33e^
reitft)iffig!eit, fid^ bilben, gu laffen, entgegenbringe — fo
l^ei^t e^: „nid^tö toiffen ift Uim ©d^anbe, ober eine um \o
größere, nid^tö lernen toollen"; benn e^ bebarf, um ju
fold^em 58orfa| ju gelangen, nur eine^ relatit) fo leidsten
©ntfd^luffe^, nur eine^ fo geringen Sluftoanbe^ toon SBitteng-
energie, ba§ bie gäl^igfeit ^ierju bei iebeni fid^ boraui^=
f efeen läfet. 2llfo aud^ t)on biefer ©eite befi&tigt fid^ ,. bafe
bie erjiel^enbe ©eite jebe§ Unterrid^t^ im „3lnregen".be=
fte^t, fofern fie, um jenen SBiffenSact üor juber eiten, Qn-
lereffe erioeift am 2exnm unb ©rfennen, „(Sefd^madE baran
beibringt", — toielleid^t, inbem fie ben ©c^toimmfd^üler
unt)erfe^en^ in^ äßaffer toirft, gemä^ bem:
Söenn bu nid^t irrfl, fommft bu nxäft ju ^erflanb;
SBtßft bu cittpc^u, entließ' auf eigne §anb.
©ie fteHt fein unauSfüi^rbare^ ^poftulat auf, fagt nid^t:
tt)ftlje jenen gel^bloc! au§ freier gauji toeiter, fonbern nur:
lerne bie ^ebelfraft gebraud^en, mittele beren bu ba^ fonft
ju ©d^toere bewältigen, ba^ fonfi Unauöfül^rbare betoerf-
fteHigen fannft, 2)amit fttmmt — - um mi^ and) einmal
auf eine fogenannte ^l^atfad^e beö Setouj^tfeinä gu berufen
— jener moralifd^e Snftinct überein, toeld^er nid^t^ t)er-
öd^tlic^er finbet, aU ein ©id^gel^enlaffen auS blofeer 2:^räg*
i^eit, voeil an fic^ ber SBitte in jebem ftarf genug ift, um
baö jur ©elbfterl^^ltung 5Röt^ige ju tootten, aber ber ^^
tettect eö ju fein ipflegt, ber in fauler §Bequemlt(^feit fid^
nid^t anftrengen mag, um bem SBilten bie 3}iittel baju
aufjiifud^en, unb eö öorjiel^t, in nie aufgehobener Un=
münbigfeit anbcre für fid^ forgen ju laffen. ®en aSeräc^=
tern be§ SBiffen^ fel^lt e^ gemeinl^in gar nid^t an intettec=
tueHen Einlagen — im ©ienfte be^ ®goi^mu^ ift ber ©flatoe
i^re^ SBiUenS ^Pfiffig genug — aber er öerfc^mä^t e^, auf
eine ©taffei ju treten, too er über fid^ felbft ^inau^blidEen
unb fo einen inbirectnnoralif d^en ©etoinn. für feinen $errn.
216 3)ie :3mputaMltt&tgftage unb bad aRobificabilit&tö^Toblem.
ben aBitten, erf^äi^ett unb nu^bar tnad^en fönnte. Äurg:
ba^ ultra posse nemo obligatur fann ein bie ©elbft^
erjiel^ung t)etnad^läffigenber Stitettect faum jemate für fid^
geltenb mad^en. — Unb mit einer ganj Meinen Seiten^
njenbung [teilt fid^ nn^ f}m fogat ein 33eif:t)iel beffen bar,
toag bie SKoralf^fieme ate „5ßflid^ten gegen un« felbft"
aufjufül^ren i)flegen. 3n ba^ SSer^ältni^ jtoifd^en SBiffe
unb SRotito brftngt fid^ — unb gloar nid^t blo§ bei äffect
^anblungen, fonbern bti jeber „Unbefonnenl^eit" — leidet
ein Srrti^um ein, nad^ toeld^em toir ung f eiber ju nü|en
t)enneinen, too unfere ^anblungötoeife in SBal^ri^eit nn^
fd^obet. Um nun t)or fold^er ©efai^r möglid^ft gefid^ert
ju bleiben, mu§ ber 2Bitte ben ^ntettect nötl^igen, jebe fid^
barbietenbe (Selegenl^eit gu benu^en, nm über ba^ eigene
toaf)xc Sntereffe fid^ ju unterri^ten; unb toenn ber SBitte
biefe 5Rötl^igung unterläßt, begebt er ein Unred^t gegen
fid^ f eiber, tüo^on freigef^)rod^en ju ioerben aud^ eine Se:=
rufung auf ba^ volenti non fit injuria nid^t l^elfen fönnte
— benn in feiner Unbefonnen^eit tl^ut er ja eben, toa^
er im ©runbe nid^t it)itt ober toenigfteng nid^t attemat
toa^ er — tüirflid^ — tüitt. SKit anbern SBorten: toeil
' bie ©infid^t in ba§ SSerl^Ältnife eine^ SKotiöö ju unferm
eigentlid^en 3Boffen fid^ Änbern !ann, fo „barf" (— . über
bie Slntinomie biefer SSerbot^formel folgt toeiter unten eine
au^fül^rli(^e ©rörterung — ) nämlid^ ebm im eigenen ;3m
tereffe — ber 2Beg nic^t öerf^jjerrt loerben, ft)el(^er ju
fold^er Slenberung ber ®infid^t l^infül^ren, fann. — (Bbm-
faffs fönnen loir un^ ja irren in ipinfid^t auf ba§ aWaji
beö aSortl^eite, loeld^en ft)ir einem anbern burd^ D^fer
unfererfeit^ jutoenben — fte^t biefeg aufeer attem aSerl^ält=
ni^ ju jenem (fefeen ioir j. 33. bei einer flrinen ©efättig^^
feit, beim aSifffai^ren einer bloßen 6a^)rice gegenüber, unfer
2tbm auf^ ©^iel, tt)ie ©d^itter*^ ^aud^er unb 9Ktter ©e^
lorgeg), fo liefee fid^ t)on einer 5ßflid^t ber ©elbfterl^altung
(bottenb^ beim concurrirenben Sfntereffe anberer an unferer
gortepfteng) fpred^en. S)enn fo toenig toie ba^ ©etoiffen
9RdgIi(j^!eit bet 6elbftbel^ettf(j^ung unb Selbfterjiebung. 217
e^ ungeal^nbet läfet, ft)cnn feine Gräfte nu^lo^ bergeubet,
to^t ,,ju großen fingen berufen tfl", fo tt)enig toirb e§
baju fd^toeigen, toenn einer fic^ aufreibt in fd^toerer, nie=
briger 3[rbeit, bie niebere Äräfte ebenfo gut, ja beffer
t)errid^ten fönnen (^pegafu^ im Qod^e) — ober tomn man
an^ abftractem 5ßffi(^tgefäl^l auf einem verlorenen ^Poften
au^l^arrt, beffen ^effanptm niemanb in entf^jred^enbem
5Waie frommt.
6in in ber angegebenen SBeife gejiftrfter ^ntellect ft)irb
allmäl^lid^ mel^r unb mel^r ©etoanbti^eit befommen in ber
Uebung, bem SEBiffen, el^e biefer in 2lffect gerätl^, ba^
rid^tige SBerl^Ältnife ju ben SKotitoen üorjulegen, fobafe ber
SBiHe — namentli^ aud^ nad^ frül^em ©rfa^rungen —
bereite, red^tjeitig atoertirt, ft)ei^, e^ fei nid^t ber SDWii^e
toertl^, fid^ ju ereifern. 9Wan beule j. 33. an einen er=
giel^enben, toeld^em Heine Ungel^örigfeiten bei ben 3ögKngen
mit ber ^dt gleid^güttig werben, bie il^n anfänglid^ fel^r
jiarf inbignirten, toeil er no^ fein rid^tige^ Urtl^eil barüber
l^atte, intt)iett)eit fie tt)irflid^ ©^m^)tom bebenflid^er 6l^a=
raftereigenfd^aften toaren ober nid^t. Sßie mancher Seigrer
^at bloS baburd^ für feine ganje Zebm^eit feine SlutoritÄt
eingebüßt, toeil er l^armlofe Äinbereien für auf feine 5ßer=
fon gemünjte SBoS^eiten l^ielt unb fold^em SBal^n ent-
f^)red^enb fie beftrafte; toeil er fid^ baS erfte mal „auf=
bringen" liefe, too ein arglofe^ SDKtlad^en baö einjig @e=
fd^eite getoefen toftre, toie e^ ber mad^te, bem toor bem
Slufbraufen ber SnteHect ben loa^ren SEBertl^ ber S^l^atfad^en
öorgel^alten.
Unb mittetö einer 3Seraffgemfinerung eineg berartigen
©^)eäalfatt§ lönnen ioir jurüdlenfen jur Setrad^tung ber
tieifftge^enben 5ßroceffe innerl^alb beffen, toa^ ber Segriff
©elbfierjiel^ung umfafet.
®ie erl^altung unb in nod^ l^öl^erm SWafee bie Äräf=
tigung be§ ©elbfii)ertrauen^ finb bie 3^uberfläbe, an
benen felbft m in tiefet fittlic^e^ ®lenb SSerfunlener fid^
enH)orranfen fann: tx)er baö verlorene ©elbftvertrauen
218 ^ie ^UnputabUitAtSftage unb bad aRobtficabUitAtd))tob(ein.
toiebcrfinbet , lann ftd^ felber retten. ®a^ ©elbftoertrouen
aber erftarft nur in ber fittlic^en %ffat unb aBirffamfeit
f eiber — niemate im Stngefid^te. ber ftrengen SRiene be^
unerbittUd^en ®efe^e^; nur in ber unmittelbaren SSertüirf-
lid^ung feiner nä^fien concreten aufgaben. 3)ie bloj^e
6ontem^)lation, ba^ blofee Setoufetfein i>on ber ^ßffic^t, baig
aSergegentoärtigen il^re^ abftracten Qn^alt^ bagegen i)er=
tieft fid^ in ben bobenlofen Slbgrunb beö gnabelofen
©otten^ ; in bief en ftür jt unauf ^altf am loie in eine unauS^
fällbare Seere l^inab, toem e§ nid^t gelingt im fd^njinbeln-
ben fallen untertoegg mit feinem %u^e auf einen Jpalt-
punft ju treten, ber i^m gum tcou az& feiner fittlic^en
^Praji^ toerben lönne. SJli^lingt bie^, fo jerfd^efft nntm
bie fittlid^e Äraft — unb ba^ 6nbe ijft äßai^nfinn ober
©elbftijemid^tung. — Qebe^ ©offen atö fold^e^ loirb, fo-
batb eö in bie SReflejion beö Seioufetfein^ aufgenommen
ift (ein Setou^ttoerben, toeld^eS eben ber SSerluft beg 5ßara=
biefeiS, berUnfd^ulb, ift) jur Unfeliglcit — unb baö nid^t
ettoa blo^^ fofern e^ bie grei^eit l^emmen n>iff, fonbem
toeil eg atö uni)erbrüd^lic^e ,,9legel", afe iffufion^lofer
©^)iegel — loie ^pauluiS in ben erften Äa^)iteln be^ 3t5mer=
brief^ mit fo großartigem Slide auöfüi^rt — al^ gorbe«
rung eine^ @ef e^eiS ein Slffgemeine^ l^inftefft, bem i)on fei*
nem boffeö ©enüge fann geleiftet toerben, fobafe in beffen
Slnfd^auen ber SWutl^ finfen, bie Äraft erlahmen muß,
toÄ^renb e^ öiel leidster ift, bie 5ßflic^t bei^ Slugenblid^ ju
erfüffen, ol^ne i^rer ate eineö ^oftulat^ fid^ berufet gu
toerben — unb in biefer unbetoußten ©rfüffung rüöt bie
blog negatiöe Sßerbammlid^leit beö tiefften SBefenfem^ unö
jeitloeilig au^ ben Slugen, toäl^renb bie quietiftifd^e Eon*
tenttjlation fid^ immer tiefer einloül^lt in bie S^roftlofigfeit
ber Sefd^affen^eit be§ intelligibeln ßl^arafter^ unb barüber
bie ©elegeni^eit gu berjenigen fittlid^en SJi^ätigfeit öer^afet,
für n>el(^e bie ^arafterologifd^en SBebingungen fonft noc^
öorl^anben fein ioürben. 3n jenem Snneirerben ber eige*
nen Äraft ftärft fid^ aber aud^ ber ©laube, nid^t gang
andglid^fett ber Selbftbel^evtfd&und mCü 6elb{ter§iel^ung. 219
iDerloren p fein, nod^ einen SReft i)on fittlid^em „gonb^"
in fid^ gu tragen, ber ju einem 5ßla|e innetl^alb ber fitt-
lid^en (Semeinfd^aft beted^tigt, — unb tt)Ot)on einer fo „er==
löft" tt>irb, ba^ ift tbm bie moralifd^e aWutl^loftgfeit, unb
ber ®laube an bie „SSergebung ber ©ünben" befagt bann
bieS: e^ tt)irb ber öannflud^ gebrod^en unb gerriffen, nad^
toeld^em loergangene Sd^ulb „fortgeugenb neue mufe ge-
bären". ®^ fann atebann ein 2Beg eingefd^lagen loerben,
ber, in entgegengefe|ter 3Kd^tung laufenb, abführt t)on ben
©ünben ber 3Sergangenl^eit — biefe jloar nid^t tilgt (— ba^
fann aud^ feine göttliche ©nabe unb Slllmad^t: ba^ Oe-
fd^el^ene ungefd^e^en mad^en!) — aud^ ba^ rein intettigible
SBefen nid^t änbert, \t>o\)l aber bie 3Bittenärid^tungen bere(^=
tigter 2lrt in Slction fe^t, loeld^e biö bal^in über fünblid^e
nid^t jur ©eltung famen. *) — ©o U)irb jtoar bie ^otem
jiftte ©d^ulb nid^t toerminbert, nod^ ba^ potentielle S8er=
*) 2Cu8 einer Stnfc^auung, totläft ber l^tcr bargetegten »enig*
flend nafft bertoanbt ifl, flnben toir bie ^orte entf|)rungen, bie $amlet
gctoijfcrmagcn »ie einen abflringirenben Salfam auf bie SBunben fei*
ner Stebebotd^c träufelt (III, 4):
fiepent what'a past; avoid tohat is to come ;
And do not sprectd the compoat on the weeds,
To make them ranker —
unb bagu ber locus classicus, ber tttoaß tDeniger trocfen ai9 bie
$erBart'fc^e medjanifd^e @eclcn(latif ba« SBcfen ber flttUc^en ©ctrjiJI^^
nnng barlegt — alfo and) ju bem ju gießen ijl, toa9 oben öon biefer,
il^ren Hebelarmen unb il^rcm ©tüg^unfte , gefagt tturbe (ebenbafelbfl) :
go not to my uncle's bed;
Assume a virtue, if you have it not.
That monster, custom, who all senee doeff eat
Of habit'e devil, is angel yet in this ,
That to the uae of actions fair and good
He likewise gives a frook, or livery,
That aptly is put on: Befrain to-night;
And that shall lend a kind of easiness
To the next abstinence: the next more easy :
For Ute almost can change the stamp of nature,
And either curb the devil, or throvo htm out
With wondrous potency.
«•
220 ^ie giinputabUitAtdfrage unb \>ai aHobiftcabUitAti^^toblem.
btcnft erl^öl^t — aber eö getoäl^rt bod^ 33efriebiguttg, b. I&.
relattbe ©id^erung be^ innern gricben^, toenn bic actueHe
©d^ulb ftd^ f ojufagcn ein Slequtoalent actuctten 33crbienfle^
jur ©om^enfation gegenübcrgeftefft finbet. Unb fold^er
Siegen ber Slrbeit tft etma^ gang anbetet al^ bto^e S3e^
täubung be^ ©c^ulbbett)u§tfetn§ in raji- unb beftnnung^::
lofer ©efd^äftigfett aufjufud^en. aSol^l aber Iä§t er jtd^
iDergleid^en mit bem SBergeffen för^jerlid^er Äranfl^eit über
geifiige ^^^ätigfeit — toie ©c^Ieiermac^er gern fagte: ,,xä)
^abe feine '^dt, hanl ju fein" — glüdlid^ ioem bei
^ronifd^en Uebeln feine 3Wu§e bleibt, über feinen SwfiÄnb
na(^jubenfen — ber n^irb bann aud^ bie acuten ©injet
f^mergen fd^on \)iel leidster ertragen.
6l^e nun ber Qnl^alt ber ben Snnjutabilitätö = unb
aWobificabilität^iproblemen bi^^er getoibmeten SBetrad^tungen
in einem eigenen Äai^jitel bel^ufg leichterer Ueberfid^t über
bie geloonnenen Slefultate fann refumirt lt>erben, ift nod^
ate gang sui generis jene gunbamentalumftimmung beS
SBoHen^ gu ertoäl^nen, für ioeld^e fid^ ©d^o^enl^auer ber
Segeid^nung be§ SeuTspoc v:\o\)^ gur ©elbftöerneinung be=
bient. ©iefer ift, tt>a^ ©d^o^)enl^auer fe^r anfed^tbarer=
toeife bon jebem SSorgang fittlid^er ©elbftenteuerung be^
IfanpUt, toirflid^ it)ef entließ einiplö^lid^er 3[Jorgang: ba
bergel^t einem auf einmal aller 2li)^)etit am ® afein, lt>eil
einem bag grofee „§aar", bon bem jeber fein X^eil be^
fommt, in ben SKunb gefahren. — SlHein ber eine ift fei:
ner organifirt unb barum auc^ mel^r bem rabicalen 6fel
au^gefe^t aU ber anbere, 6g gibt fold^e „gefunbe" SWa^
turen, bie fid^t fo ein „§aar" weiter nid^t an — ftc
f ^)U(f en 'nmal au^ , bamit ifl'g abgemad^t, unb fie effen il^re
©ui)^e rul^ig weiter, big ber Keffer leer ift — S)er grünb=
lid^ Slngeefelte läfet fie fielen, unb fortan fd^toeigen für il^n
alle SKotiöe — eg fei benn, bafe aud^ er ftd^*g toürgenb
„^ineinquält", iDeil er bor 3lbenb nod^ ttDag gu tl^un ^at,
toobei er bor junger nid^t fd^lt>ad^ tt)erben barf — ober
tt)er ben fo loeiter fipeifen fielet, ber merft^g il^m balb an:
9le€at>itu(ation, nebft ^tmuHrung meitetet @onfeauen|en. 221
,,er mag ntd^t mel^r" — unb bie anbem J^ifd^flenoffen an
ber SebenSmal^Ijeit nennen ben ftummen ®a% bem nid^tö
me^t fd^metf en toltt — einen Slefignitten.
16* VtttüpibüaÜBn, tteift gomtnlintttg heiterer (S4^ttfe=
qnettsen.
S)ie ©fej)ftö jeigte nid^t übel Suft ju i)aroblren unb
ju l^öl^nen: ja tool^t: ,,bte greil^ett liegt im Esse — über=
fe|et e^ nur rid^tig — nämlid^: im 6ffen! — unb toenn
bet SWenfd^ aud^ nid^t gleid^ ifi, toa^ er i§t, fo toirb er
bod^ tt>a^ er i§t — unb be^toegen iffö aud^ lange nid^t
gleid^gültig, ob einer einen Sier^^ ober SOBeinraufd^ f)at —
ben einen mad^t jener „unangenel^m" (nad^ eigenem @e=
jiänbni^) unb biefer „lieben^toürbig" — loäl^renb ein an=
berer nur bei Äol^lenfäure in 3Jlünd^ener, nid^t in 3ll^eimfer
SJerbinbung „gemütl^lid^" fein lann. SQBo^er anber^ fäme
bag alleg, toenn nid^t bal^er, bafe eine^ jeben Seit ate
„objecti^oirter SSSille" ein ©oncrement ai^ toielen ©lementar-
toitten barftellt unb biefe ate 3lal^rung^ftoffe in il^n ein=
gegangen finb unb ben ie|t toor xm^ ftel^enben 3nbit)ibuafc
d^arafter conftituiren? unb toarum ft)rid^t man alfo nid^t
ebenfo gut t)on einem anemäl^rten, fojufagen angetoad^«
fenen, loie bon einem angeborenen Snbiöibuald^arafter?
Unb toer toxW^ jule|t aud^ einem ffei)tifd^en entjjirifer
ioerbenfen, toenn er fid^ nid^t mag abfi)eifen laffen mit ber
(gntgegnung: jebe Jial^rung toirfe bem SBitten gegenüber
nur ate 9ieij — ba loei^ benn bod^ bie aSolfönait)etät
ju tool^l, ba§ fie baneben aud^ ,;8eib unb ©eele jufammen-
i§fält" — ober, loie'^ geleierter ftd^ anl^ört: conditio sine
qua non ber gortfüi^rung jeber Snbitoibualefifienj ift.
©ie Joirb benn bod^ „affimilirt" unb loirb gum integri=
renben 2;|ieil be« lebenbigen Drgani^mu^ — ifl felbfl il^rem
Äem unb SBefen an fid^ nad^ ja aud^ eitel SBille — unb
felbft Joer nid^t^ bat)on toiffen toitt, ba§ Slationalgerid^te
222 3He Sm^utabtHtAtöfta^e unb bad aRobiftcabtUtAtö^tobtem.
in einigem Swfammenl^ang mit ben 3tatxt>nal6)axottexm
fielen, toer e^ in Setreff ber motatifd^en ©genfd^aften
eineg SBolfe für ganj einerlei l^ält, ob eö bon t)egetabi'
lifd^en ober animalifd^en ©toffen fid^ näl^rt, toirb jule^t
boc^ einräumen muffen, ba§ ärritabilitftt unb SWu^felfraft
banad^ pd^ mobificiren, unb toenn ba^ aEeö aud(^ feine
„qualitotiiDe" SBefen^bifferenj be^ SBiUen^ ^erbeifül^ren
fann, fo toenig tt>k bie t)om Älima abl^ängige ßrregbar-
feit ober Qnbolenj ber 93eU)0^ner getoiffer (Srbftrid^e, fo
bleibt bod^ fo \>xd befielen, ba§ bauembe, l^abituette ajer=
Anbetungen ber ganjen ,,Sciblid^feit" (— • um ganj in ber,
bie atterabftractefien SBortbilbungen am liebffen üertoen^:
benben, S^jrad^e ber fpiritualiffif ^en ©^fieme ju fj)red(^en — )
banad^ eintreten, ft)a§ ol^ne eine SWobificabilität beiS 6r-
fd^einenben i. e. beö SSBiffeng bo(^ ni^t Woffl gebenfbar
fd^eint. Jturj: biefe argumentatio ad hominem d^icanirt
ettoa^ mit bem ©a|e: ifi ber Seib ber SBiffe felbff qua
erf^einenber, fo mu§ fld^ an6) ber SBitte ftnbem, luenn
fic^ ber Seib ftnbert, unb jtoar ftnbert nid^t bloö in feiner
©igenfd^aft ate „unmittelbare^ Dbject", fonbem aud^ atö
„Dbjectitftt be^ SSBitten^", — Unb gu gang analoger 6on=
fequenj fül^rt bie Setrad^tung ber Äranfi^ieitgjjroceffe: toenn
nid^t Äranl^eiten mit bem Stbxptt ben Qnbiijibuatoülen
f eiber beeinträd^tigten, alterirten, fo mü^te aud^ ein ab^
ftracteiS eigene^ aSoHen im ©tanbe fein, gefunb ju mad^en,
unb eg bebürfte nid^t ber SKagie eineiS fremben SBillen^
(in f^mj)atl^etifd^en ©uren u. bgl.). *) — Slber genau ebenfo,
wie bie flofflid^en SItome gur ©efammtl^eit beö 5lörj)erg,
*) ©erabc ein SSerfu^, bie SKebicin anf ©^o^enl^auer'f^e ^l^i*
lofo^dte lu grünbeit, l^aif tt>xt idf na^tc&^Xiäf fe^e (au9 einem ^t*
xiiSft beö Siterarifi^en (Sentralblatt über 9^eumann, ®r)tnb)üge
einer bergleid^enben Xf^txcOpkf Berlin 1863), gum B'iidmfi bienen
muffen, bag l^ier ein rebifiondbebürftiger $un!t be« ^t^fitmi befrie«
bigenberer ^e^anblnng no^ X^axxt, wtit t$ nid^t »eiter bringt, aUt9
auf ein „©nnber" gurürfgnffi^ren.
SRecapitutotton , nebft e^otmulitung roexUxex Sonf equen jen« 223
ioerl^aften fid^ bte einjelnen %f)atm jur ©in^eit be§ 6l^a=
talter^ — unb c^ ift nur eine anbete 2li)i)Hcation beffelben
ffe})tifd^en Tp67co<;, toenn man entoeber alleg ober ntc^tö
au^ ber entt^irifd^en Xf)at, lt>ie fie gerabe t)orliegt, folgern
toiü, 3laä) ben ßonfequenjen einer ganj abflracten ^^&^
nomenologie mu§ ba^ ©injelne al2 /,blofee ©rfd^einung"
für etioaj^ an fid^ fittlid^ burd^au^ 3rrelet)ante§ gelten —
unb anbererfeitö befigen lt>ir boc^ fein anberc^ SWaterial
ju Slüdfd^lüffen auf ba^ intelligible SBefen al^ eben bie
Steige ber SJ^aten. ©in banale^: „bie aSa^rl^eit \oxxb
tt>ol in ber aKitte liegen", ^ilft un§ nid^t t)ortt)ärt^ —
unb bei ber ^Jrage, toie ber Äern an^ feinen Ralfen fid^
f dualen laff e , mufe fid^ enblic^ unfer 3^tlegungiB^)rinci^) ate
frud^tbar erit>eifen; benn biefe^ ergibt bie einfädle SWegel:
lafet eud^ niemals irremad^en burd^ ba^ SBie? ber ein^
jelnen ^anblung, fonbem bringet mit euerer ?ßräfung fo-
fort t)or jum einjig rein qualitatit)en 3Ba^? bann mufe
jtd^ attemal ein^ ber iDier etl^ifd^en ®runbmotit)e ate ba^
®urd^fd^lagenbe ermitteln laffen — unb bejfen Qbentität
mit pd^ toirb fo leidet nid^t jtoeifell^aft bl^m — nid^t
einer ^eute ate niebrig eigenfüd^tig unb morgen ate er^:
^aben i^oc^l^erjig fiji^ geben, ^ biefem ©inne hjamten
toir ttDieber^olt öor SSertoe^felung ber d^arafterologifd^en
mit ber blo^ factifd^en 5Berit)enbung eineg 3lttribut^. SÄber
eben l^ierjwifd^en rid^tig ju unterfd^eiben, erforbert bie S3e=
rüdEfid^tigung gar mand^er SRittelglieber be^ Urtl^eite —
unb hjeil getoöl^nlic^ aud^ babei ein 3left bkibt, ben bie
betoufete Stnal^fe ni^t in abftracte Segriffe umjufe^en \>ex^
mag, fonbem bie Intuition, ba^ „(Sefü^l" entfd^eiben
mu^: fo gilt felbft t)on bem criminaliftifd^en Verbiet, fo
gut be^ fad^gelel^rten SKd^terj^ loie be^ nad^ feinem com-
mon sense auf ©d^ulbig ober SWid^tfd^ulbig erlennenben
@efd^ti>orenen, ba^ e^ 3ule|t unmöglid^ fein ft>irb, ein ab^
gegebenei^ Urt^eil erfd^0))fenb ju motit)iren, aUe^ in
^Sorten ju fifiren unb mitjutl^eilen, ade^ }u begrünben
unb ju betoeifen, worauf ia^ ©d^lufeurt^eil fi^ ftü|t.
224 Sie SrnputabiCUfttöfcage unb bai» aRobi{tcabUitdtj»pto&(em.
SSBarutti? toeil ieber SWid^tenbe feine eigene ^ßfij^d^ologic mit
^in jubringt, feine fefijlel^enben, nie gei)tüften, nur irgenb^
toie in il^n l^ineingefommenen SWeinungen unb änfid^ten
über j)f^d^if(l^e SBorgänge, geit)iffe ®laubengfä|e über J)f^-
(l^ologifd^ aSaJ^rfd^einlid^eg, SWöglid^e^ unb Unmöglid^e^,
getüiffe 9Ketl^oben ber ©d^lugfolgerung au^ beftimmten
j)l^^fiognomifci^en, i)atl^ognonttfd^en unb äl^nlid^en Qnbicien
— unb man f)at bei ber cause celebre be^ %tani SWütter
mit SRed^t barauf l^ingelt>iefen, ba§ ein ©nglänber fd^on
ba^ ganje ä3enel^men eine^ älngeflagten beutfd^er ^erlunft
t)ür ©erid^t nid^t rid^tig ju beuten t>erfte^e — baffelbe
nad^ fid^ unb feinen ßanbe^getool^nl^eiten auflegen lt>erbe
— unb fd^on an^ biefem ©runbe bie Seflimmung be^
englifd^en SJerfal^ren^ fid^ red^tfertige, einem foreigner ju
gejlotten, ba§ er bie Si^ji^^wng wn ßanb^leuten in bie
^aijil ber ©efd^toorenen beantrage. — 3Ran fel^e aud^ nur
bie SReil^e ber „3« (Srtoägung, bafe" bei ben äu^fertigungen
einmal barauf an unb man toirb neben benjenigen 5ßunften,
bie rein Xl^atfäd^lid^e^ l^ertoorfei^ren, unb anbern, bie ftreng
logifd^e ©onclufionen mad^en, allemal ben einen ober an^^
bem 5ßaffu^ finben, ber fold^eS)inge birgt, bei benenber
3iic^tenbe auf feine 3lnf^auungen recurrirt unb an bie
ebenfo intuitiije g^fttw^w^g be^ Sefer^ a^)j)ellirt — unb
biefe SBeftanbtl^eile jebe^ Urti^eil^ fann man ben fogenannten
@Stractii[)ftoffen t)ergleid^en, auf bie gulefet ber ©ijiemifer
flöftt unb bie jeber totiUvn Slnal^firung tro|en. SBie im?
mer, fo finb eö auc^ hierbei bie ©renggebiete, meiere ber=
gleid^en SSerlegenl^eiten bereiten. S)a ift j. 33. gleid^ ba^
äjiom (fo nennen wir e^, toeil eine metaj)l^i;>fifd^e ®ebuc:=
tion bafür tDol nod^ nid^t geliefert ifl unb fid^ aud^ tool
nur au^ bem naivem 3wf<ittitt^^nl^ang ber finnlid^en Sin-
fd^auung, mittete ber fenfitii^en 3lert)en, unb ber finnlic^en
Segel^rungen nebft il^rer 33efriebigung, mittefö ber moto^
rifd^en, loürbe geben laffen — toenigfieng l^obe id^ in bem,
toaS aug ©d^oi)enl5iauer'^ „Sla^lafe", ©. 392—394, l^ierfttr
nod^ beigebrad^t iji, nid^tö ate ben S3eroei^ entnommen.
S^ecapituCation, nebft ^ormutttung toeiterer (Eonfequenjen* 225
ba§ ber SWeifter ftd^ in biefem ©tüde felbcr nie genug ge=
tl^an f)aht — ), bafe anfc^auHd^e SRottee ftärtcr, b. ^. nn^
mittettarer ioirffam unb fd^toerer ju befeitigen finb unb
infofem mäd^tiger toirfen atö abftracte, unb bemgcmftfe in^=
befonbere bie ©traftoürbigfeit einer gegebenen ^anblung
ju bemejfen fei. Slber aud} bie^ ipieber comi)licirt fid^ gar
mannid^f altig ; e^ fönnen ja j. 33. abftracte SSorftettungen
f eiber lieber (innerlid^e 5Kert)enO 5Reije nad^ fid^ jiel^en
unb fo \)on innen l^erau^ bie Äraft eine^ urfijjrüngli^ t)on
aufeen gefommenen Slntrieb^ fteigern; unb in tt>k toenig
gällen läjät fid^ flar unb beflimmt entfd^eiben, too bie
S3irffam!eit eine^ anfd^aulid^en 9Rotit)^ aufhörte unb bie
eine^ abftracten anfing; nid^t einmal ber Unterfd^ieb t)on
3?eij unb 5IRotib ift ja ein abfolut feftftel^enber (@d^Di)en=
Iraner felbfi fül^rt l^ierfür bie jloeifell^afte 5Watur ber 6rec=
tion an). S)enn hjenn j. S. einer fid^ burd^ ben junger
feiner kinber beftimmen lä§t, ein SBrot ju ftel^len, ober
ein ©d^üler burc^ ben Slnblid ber jur Söd^tigung bereite
em^jorge^obenen §anb baju, eine UniDal^ri^eit gu fagen:
fo muffen bie angefd^auten ®inge bod^ aud^ bereite in bie
abftracte SBorftellung eingegangen fein, el^e fie al^ SWotit)
toirfen fönnen, ttjeil l^ierju nod^ t)erfd^iebene 3ö)ifd^englieber
unb ©d^lufefolgerungen nötl^ig finb. Unb bennoc^ befinnt
fid^ niemanb einen Slugenblidt, bem Qm^ute ju folgen, ber
il^n l^ei^t einen Oauner, tt)eld^er be^uf^ feinet eigenen
aOBol^lleben^ unb beffen feiner gamilie anbere befd^ttDinbelt,
l^ärter ju beftrafen afe jenen 83rotbieb, ober e§ ftrenger
ju al^nben, loenn bal^eim ein Sube in aller Stulpe fd^rift=
lic^ ein galfum begel^t, toeil i^m ganj in abstracto eine
bro^enbe ©efa^r ioorfd^ioebte. 2Baö angefid^t^ eine^ gegen^^
toärtigen 2)rol^niffe^ i)eccirt . it)irb , unterliegt auc^ fd^on
be^i^alb einer gelinbem Slnred^nung, iüeil e^ unter bie
Kategorie ber Slffectl^anblungen fällt — unb ein gut 3;i^cil
ioon bem, loa^ ba^ ©trafred^t aU SWilberungö- unb 9Kin=
beruttgögrünbe anerfennt, berul^t auf einer ganj analogen
Slbfd^ä|ung3metl^obe, bie betoufet ober unbetoufet bie er=
Sa^nfen, Sl^araTtetologie. I. 15
226 S)ie ^[inputabtntatlfra^e ur(t ba§ aRobiftcabilitdtöptobtem.
hjägung jur SRid^tfd^nur nimmt: hjer auf ganj ober tl^ett
ttDeife anfd^aulid^e SWottt^e f)in ober unter ber SJlad^t eine^
3lffect§ (in toetd^en niemals ein Qani abfiracte§ 9Wotit>
t)erfe|en lt>irb, fobafe fd^on um be^iDiUen e§ erlaubt fein
mufe , beibe gätte atö gleid^artige ju bel^anbeln) fofort jur
^anblung fd^reitet, \üxU ttDenigftenö nur einen X^l^eil bon
bem, ttDaS er tl^ut — nämlid^ nid^t aud^ atte bie golgen,
bie fid^ birect ober inbirect baran fniH^fen fönnen. ®r
tt)in ioieffeid^t nur fid^ retten ober feinen SSortl^eil ttDol^ren,
nid^t aber gugleid; anbere beriefen ober beren SBortl^eil
fd^äbigen — unb fie^t erft ^interl^er, bafe er mel^r unb
anbere^ in^ SBerf gefe|t ate er gettDoIIt. ©o ttDill baä
eigenfinnige Äinb junäc^ft nur feine Slbfi^t burd^fe^en,
fid^ eineg unbequemen 3^ange^ entlebigen — unb erfl
f^)fiter toirb fid^ geigen, ob e^ an^ bo^^aft ift unb abfid^t^
lid^ unb betonet ben ®rjiel^ern 93etrübni6 ober bod^ Slerger
bereitet, aber man meine nid^t etlt>a, foI(^eg gelte aBein
toon SKotiben be^ ®goi^mu^. Sluc^ ba§ 3JlitIeib !ann ja
in gorm einer Slffectregung auftreten unb SRajimen an:^
bern Qi^^^altö ju ©Rauben mad^en; j. 99. fann jemanb fid^
ben ©runbfa^ angeeignet l^aben, feiner 9Rilbtl^ätig!eit nur
in „Slnleitung jur ©elbftl^ülfe" genug ju tl^un — aber
ber Qammeranblidf eine^ ©arbenben ifl mäd^tiger afe fold^e
Ätugl^eit ber SReflepon — unb e^ bebarf bietteid^t nur
eine§ gefd^idten ©imuliren^, nm un§ bon ber felbft auf^
erlegten Siegel ju einer SSu^nal^me gerabe ba gu berleiten,
tt)0 fie am allertoenigften angebrad^t ft)äre, hjeil fie ben
33efd(^enften nur in feiner trägen SBerfommenl^eit ber^arren
läfet. (Sin anberer beftnnt fid^, toenn feine SRül^rung toer^
flogen: er l^ötte ben Weggegebenen 2;i^aler bod^ fe^r too^l
f eiber braud^en fönnen ju etloaö, ba§ er nnn entbehren
toerbe. Unb auf fold^e nid^t gettDollte folgen gel^t ja bie
SReue, toie ©d^o^)enl^auer fie d^arafterifirt im Unterfd^ieb
t)on ber ©eloiffen^angfl. 9lur an bie g'erfen ber toirflid^
tjollftil^rten X\)at aber l^eften fid^ bie f^olgen — nur an fie
alfo aud^ ber ©d^merj über Seiben, bie loir anbern burd^
Sortfe^ung. Meue unb »eichte, 227
unfer 2!^un bereitet — unb infofern liegt in bem ,,gül^re
unö nic^t in SBerfud^ung!" nid^t blo§ ba§ ,,öafe un« nid^t
feigen, toie fc^led^t rtnt finb!" (bagu bebarf e^ nid^t immer
erft ber 2^^at!) fonbern aud^: „unb beipal^re nn^ öor bem
Unglüd, anbern ein Seiben ju bereiten, ba§ Wix i^nen
nid^t jufügen motten."
17* gortfe^utiQ« "Sitnt, ©eioiffen^ ®e)oi{fett^attgft^ @e^
toiffeHl^aftigfeif, ^anbeln tta^ ®ntttbfä$en nnb 3^bealett* y
®amit finb benn jugleid^ bie ©retijen ber toerföl^nenben
Äraft ber 9leue feftgeftettt. S)en Born be^ S8erle|ten fann
fie abfc^ioäc^en — tt)arb er iDerle^t in feinem Siedete, fo
ifl ber ©inn ber 9leue: e^ toar fo böö nid^t gemeint, bu
l^aft olfo aud^ \>m mir fo lei^t nid^t ber SEBieberl^oIung
einer äl^nlid^en ipanblungShjeife bic^ ju t)erfel^en — nnb
auf bem t^eiftifd^en ©tanb!t)un!t fagt bie 3teue gegenüber
ber öerle|ten göttlid^en 3Waj[eftät: id^ ertenne eö ja an,
an bir l^abe id^ gefünbigt, unb biefe änerfcnnung t)erbürgt
unb im^licirt bie SBereitioittigfeit jur SBieberunterttDerfung.
Slnber^ ftel^t e^ um^ eigene ®eit)iffen,— bem brängt fid^ au^
an ber äffect^anblung ber ßl^arafter i^rer unentrinnbaren
5ßot^rt)enbigfeit („Jleceffitation") auf, unb biefeS Icifet fid^
nur befd^toid^tigen burd^ restitutio in integrum, unb, too
biefe ni^t me^r im bud^ftdblid^en ©inne auöfü^rbar ift,
burd^ einen ®rab toon ©elbftberneinung, ber abäquat ift
bem ©rabe be^ Ueberma^e^ t^on ©elbftbeja^ung, in \t>cU
d^em baö begangene Unred^t beftanben — unb fofern bie
SBeid^te ein 3lct folc^er ©elbftberleugnung ift, fonnte fd^on
ber SBubb^i^mu^ berfelben äne entfül^nenbe, reinigenbe
Äraft beilegen, ungleid^ toirf famer aU ba^ t)iel Heinere
©elbftilbertoinbung l^eifd^enbe ©ül^no^)fer — unb ber etl^ifc^e
aSertl^ "ber SBeid^te ift loefentlid^ aud^ nad^ bem aSerl^ftltni^
ju bem ju bemeffen, toel(^em fie abgelegt ft)irb. ®em
fremben , fern fte^enben ^riefter ju beid^ten ift Hei leidster
15*
228 2)ie ^Im^uta&iat&töfra^e unb ba^ aRobiftcabtat&tgptob(em.
ate toic einem Släl^erftel^enben, an beffen Siebe unb Std^-
tung un^ am allermeifien gelegen iji — ba^ fd^ienen bie
^ertnl^uter ju ertragen, afe fie gegenfeitige^ »eid^ten unb
abfotoiten juliefeen. S)agegen nad^ Uo^ äufeerlid^em Su§=
toerl, blü^ au^ ,,bem 2lmt ber ©d^Iüffel" l^ergeleiteter
äbfolution bleibt ba^ ©d^ulbgefül^l unb bie gurien l^eulen
tDeiter i^r entf e|li(^e§ :
Scrfö^ncn fann unö feine 9lcu\
SBol^l aber fann bie ©etoiffen^angft felber an^ einem
Srrtl^um entf^jrungen fein, nämlic^ einem 3rrtl^um über
ben eigentlid^en Snl^alt unfern SBollen^ — toir fönnen
un§ fold^er j)inge auflagen, hjeld^e toir im ©runbe gar
nid^t getooHt l^aben — ber ©ebanfe an bie eingetretenen
golgen quält un§ fo fe^r, ba§ iüir un§ einbilben, biefe
golgen felber l^ätten im SBerei^ be^ iDon un^ 83eabfid^tigten
gelegen — unb erft ba^ berul^igte ®emüt^ fe^rt gu ber
©inftd^t jurüd, bafe n)ir nur jur 9ieue ®runb ffobm; fo fön=
neu Sleue unb ®ert)ijfen^angft f aum unterf d^eibbar ineinanber
übergel^en. Silber umgefel^rt läfet pd^ ba§ ©etoijfen aud^
einlutten: man rebet fid^ ein, man l^abe bie folgen nid^t
gelDollt, um nac^ fold^en SJorfipiegelungen nur bie leid^tere
unb leidster ju befeitigenbe ^ein ber bloßen SReue ju er=
tragen ju l^aben — bod^ ba^ gelingt nur fo lange, bi^
eine äl^nlic^e ©elegeni^eit un^ ioerrätl^, toie U)ir tro| ber
un^ nid^t mel^r unbefannten folgen (fobaft fold^e Unfennt^^
ni§ nn^ nid^t me^r jur ©ntfd^ulbigung gereid^t) bereit finb,
nod^malg unter gang gleid^enUmftdnben gang biefelbe ^anb=
lung gu begel^en — barauf berul^t gum S^^eil bie ©d^ärfung
beg ©etoijfeng im „SKidEfatt" — barauf aud^ baö Siedet,
fold^en mit fd^tuererer ©frafe gu belegen.
3lber Sleue unb ®ett)iffen^angft felber finb -— je nad^-
bem fie übexffanpt borl^anben finb ober gänglid^ fel^len —
ein Kriterium be^ et^ifAen ©i^arafter^ -- ber Su^brudC
eine^ im 3nbi\)ibuald^arafter felber beftel^enben bualifüfc^en
3U)ief^alt§ — jeneg „bo^pelten ©efefeeö", auf ttDeld^e^
^ortfetung. Setoiffengangft atö (E()ara!teTt>mptom. 229
©. 205 unb 213 fß. bie 3RöflUc^fett ber ftttli(^en @eI6ftför=
berung, ber ©elbfterjtel^ung gebaut lt>urbe. S)er Rannibalc
terge^rt ol^n' äße ©cru^el ba^ ^leifd^ beö erlegten ntenfd^-
liefen aBiIb!t)ret^ — unb aud^ unter fogenannten cteilifirten
SSölfem gibt e^ ja SWörber genug, bie ol^ne bie leifefle
®ert)iffen^regung auf bem ©d^affot fterben — fid^ mit
i^rer Untl^at afö einem ^elbenftüäe brüflen — nid^t blo^
au^ renommifiifd^em Slro^, fonbern toeil il^nen eine abfo^
lute ©inl^eit beS aSoffen^ innmoffnt, ober eine et^ifd^e
©ifferenj ber ^anblungen für fie überaß nid^t epftirt. ©o
rül^men fid^ bie „©efunben" aud^ gern, nie etlt>a^ bereut
ju f)abm^ unb nennen „ SReue " (foff bei il^nen baff elbe be=
fagen ttDie „©etoiffen^angft") ba^ „albernfte (Sefü^I \)on
ber aSelt". ©old^e fieute finb mit fid^ felber burd^auö
jufrieben, tooHen burd^au^ nid^t^ anbere^ al^ ttDag fie ge=
t^an f)abm — fei bie^ gut ober böfe. SBenn biefeö SBoIIen
in feiner ©inl^eit fid^ auc^ auf frembe^ aSol^l rid^tet, fo
nennt man eö nid^t gerabe „getoijfenlo^" — fonbern ^pviä)t
t)on einer „in fid^ ungebro^enen 5Ratur" — unb „geioiffen^
Io§" ift burd^ ben @^)rad^gebraud^ auf \mm ©goi^mu^
befd^ränft ioorben, ber nad^ frembem SBol^l unb SBei^e,
nad^ JRed^t unb Unred^t, nid^t fragt, ttDenn er nur feine
3toedEe erreid^t. — 6^ liegt jebod^ auf ber §anb, bafe jene
©efunben unb biefe ®ett)if[enIofen einer fittlid^en ©elbft=
jud^t in gleid^er SBBeife fd^led^t^in unjugänglid^ finb — benn
ba^ ÜTcopioxXtov für jebe^ berartige ®mj)orftreben tann iod)
einjig in ber Unjufrieben^eit mit fid^ felber liegen. 3ebe
Unjufriebenl^eit mit fid^ ift ja fd^on ein Slid^ttooIIen be§
eigenen SBoffen^ — alfo eine „ä^emeinung" be^ SBiUen^
burd^ ben SBillen, loeld^e aber jum „realen SBiberfj)rud^"
lt>irb, folange beibe SBolIen^toeifen nebeneinanber fort=
befielen, ©olc^e aSemeinung ift alfo nod^ lange feine
2luf^ebung ber einen SBBiffen^ftrebung burd^ bie anbere
— unb bäg ®efefe be§ „®eifte§", be^ 3ntellect^, ber »er^
neinung ijl e§, t)on bem e^ Reifet, il^m fel^le bie aSottenbung,
„aSotten l^abe ic^ tool^l, aber ijoBbringen ba§®ute, finbe
230 S)ie 3mputabi(itdtöftage unb tad SDtottftcabttitdtöptoblem.
id^ nid^t" (SRömer 7, is). — ©o ift jeber ©eipijfcn^bife
eine tl^eoretifd^e SBerneinung be^ SBittenö, n)eil fie ber
lin 3nteaect abgefpiegelte SBiberftreit be^ SBiUen^ mit fid^
fetter ift.
Slber eben barum garantirt aud; bie „®ett)iffenl^aftig=
feit" eine^ ,,ppid^tmäfeigen" .ganbeln^ mel^r etl^ifd^en SBert^,
aU if)x naii) ber bloö ^jl^änomenologifd^en 2luffaffung ju=
geftanben merben fönnte. SBer fid^ j. 33. nac^ Äantifd^er
ajorfc^rift eine antiegoiftifd^e aWajime jur SRic^tfd^nur für
fein ^anbeln toäfflt unb fein §anbeln toirflid^ iana^ ein^
rid^tet: ber gel^t ^bm bamit einen Äam^pf ein tt)iber alle
entgegenftel^enben ©elüfte be§ Slugenblidt^ — unb fein ®e=
hjiffen n)irb tt)ie eine Sarometerfcala bie ©iege unb 3lieber::
lagen in biefem Äam^jfe \)erjeid^nen nad^ ben ©raben feiner
3ufriebenl^eit ober Unjufriebenl^eit mit fid^ f eiber. Unb •—
iDol^l 5U merfen bie 2lblt)efenl^eit jeber eubftmoniftifd^en ar-
riere-pensee t)orau^gef e|t ! — e^ inbicirt affemal fd^on
einen beftimmten ®rab fittlid^en 3Bertl^e^, tomn ber 6l^a=
rafter fid^ ber ®inn)irfung eine^ ^flid^tbegrip (mag biefer
f eiber aud^ nod^ fo abftract fein) ni^t ganj unjugänglid^
jeigt — unb e^ bleibt bafür fogar gleichgültig, ob folc^e
^Ra^nme eine enttel^nte, angelernte, irgenbeinem religiöfen
ober et^ifd^en Softem auf ^^reu unb „©lauben" entnom:=
mene ift, lt>enn nur nid^t irgenbtüie bod^ toieber eubämo=
niftifd^e, alfo inbirect egoiftifd^e, 5ßerf^ectit)en burd^blidfen,
voa^ fid^ t)ieffeid^t erft funbgibt, toenn.über !urj ober lang
eine „egoiftifd^e SReue" nad^folgt. §iernad^ ift benn aud^
ju ^räcifiren, tt>a^ ©d^o^en^auer über t^eologif^e S)og-
men als „SBa^nmotibe" fagt; benn toer fold^en einen 6in=
ftufe auf fein %f}un unb Saffen einräumt, ift bod^ immer
nod^ anber^ ju beurt^eilen Wie berjenige, toeld;er einen
ebenfo ftarfen ©lauben an i^re SBal^rl^eit l^at unb
fxä) bod^ ni(^t an i^re ®e= unb SSerbote fe^rt. 2Ber über-
l^au^^t einen „er)t)orbenen" El^arafter auftoeifen fann, ift,
aud& et^ifd^ angefe^en, bod^, felbft ceteris paribus, eine
ganj anbere 5ßerfönli(^feit, aU rt)er jebem 3mt)ul^ be^
§ortfe|ung. gt^i|*er mttti) bcr ®etDiffen^aftig!eit. 231
SWoment^ lamtjflo^ nad^gibt. Qtoax ift eS ein ungenauer,
bud^ftäblid^ flcfö^t fogar ein fid^ felbft auf^ebenber %np^
brud , menn ©d^üi)enl^uer („S)ie SBelt atö SEBiUe unb Sßor=
fteaung", 2. 2lup., I, 343; 3. Slufl., I, 359) fagt: einer
lönne, el^e er jur ri^tigen ©elbftbeurt^eilung gelangt fei,
feinem „ß^arafter im einzelnen ®malt antl^un"; aber
cum grano salis toerftanben brüdt e§ bod^ ebm nur bie
aRöglid^leit au^, eine mit befonber^ ftarfem ©treben fid^
toorbrängenbe §auj)tric^tung be^ aOBoUenä fönne öon mo=
mentan i)rat)onberirenben SRebenrid^tungen „bemeiftert"
toerben — jeboc^ l^üte man fid^, t^orfd^neU barüber abju-
f!t)red^en, ob nid^t in fold^en t^ermeintUd^en 3flebenrid^tungen
nur bie eigentliche unb rt)irHid^e ©runbrid^tung \)erfd^Ieiert
il^ren ©ieg feiere. Seif^piele ^ier^u liefern t)ietteid^t am
l^äufigften jene rätl^fell^aften unb auf feinem anbern SSege
ju begreifenben ©a^ricen be^ ©igenfinnigen, bie im ©tanbe
finb, att fein „beffere^ SBoUen" über ben Raufen ju toer^
fen — lebiglid^ toeil fie au fond e^ finb, bie au^ bem
Tcaü^Q^ TQYspiovtxov ftammen, SBirft bod^ man^em bie
©timme ber eigenen Älugl^eit ®igenfinn t)or, toeil er nid^t
toeid^en lüill t)on lebenslang bel^au^)teten Ueberjeugungen,
bie .i^m nod^ niemals SBort^eil eingebrad^t: ba fann eS
benn einen f eiber bebünfen, er bleibe fojufagen „toiber
SBiUen" fid^ felbft getreu. ©S fann alfo j. 83. jemanbeS
©runbipat^oS ber SBiffen^trieb fein — aber baneben eine
„§aui)tri^tung" bie SBoUuft — unb biefer ge^t er, als
feiner toermeintlid^en — iüie er felber glaubt — ®runb=
triebfeber nad^, bi^ irgenbein ßoIlifionSfatt i^n belehrt,
bafe er bie fleinfte Sereid^erung feines SBiffenS einer Se-
friebigung beS ®ef d^led^tStriebeS t)orjiel^t. Dber umgefe^rt :
jahrelang fann fic^ eiiter gebrüftet l^aben mit ber ©elbft^
täufd^ung: meine Sraut, meine Siebe ift bie SSal^r^eitl
— bis enblid^ „bie Siedete fommt" unb nun alles gorfd;en
i^intangefefet toirb bem S^rad^ten nad^ bem SBefi| biefer
einjigen. — ©inen fd^lt)ungl^aftern 2lnflric^ als baS „^am
beln nad^ ©runbfä^en" ^at baS „SBirfen nad^ einem ^i^al^
\
232 2)ie SmputabifitdtSfrage uitb bad aRobiftcabilitätSproblem.
einem SRupetbilbe", tüel^e^ ftd^ baiS 3tel fe|t, eine „3bee in
bie SBirttid^f eit einzuführen" — fei eö t)on einer ©d^ule, einem
©taate ober f onft einer (Senoffenf ^aft. S)a ^ei^t e^ : ba§
Seben geftalte fic^ jum Äunftoerf. — Slber d^arafterologifd^
betraci^tet, läuft eg mit jenem fo jiemlid^ auf ein^ l^inau^
— mag ate „reine greube be^ filnftlerifd^en Sd^affen^"
babei j^injulommen foff, ifl faum mel^r al^ ein t)ornel^^
merer Stu^brud für ba^ Suftgefü^l be^ Äraftbeloufetfein«,
beffelben, todäjt^ a\x6) Änaben jubelnb toben unb ba^
Sämmd^en auf ber SBeibe f!t)ringen mad^t — unb ba§ e^
bamit nic^t aföbalb ein ®nbe nel^me, tt>mn ber brühige
5JRarmor fipröbe bem 3JleifeeI be§ 93ilbner§ loiberfirebt unb
biefen fo an^ feinen 3>ffwfionen reifet — baju mufe eine
3Witgift bon ©ulolie ba^ gute »efte tl^un.
18* t!rortfe$un0« ^te ^nftanjen htS tüt\\ittn ^attdiimnS^
«
2Bie nun aber — um aud^ biefer grage ni^t fd^eu
auöjutoeid^en — ftetten fld^ ©efinnung unb ©elbftjud^t ju
bem, toa^ man am einfad^ften afe et^ifd^en gatali^mu^
bezeichnet, jur legten ßonfequenj ber beterminiftifd^en 9?e=
ceffitation?
aBir fe^en ©c^o^en^auer beim Sefftm^t^fen ber 3lnioen'
bung be^ apyoc X070C auf bie 3lotl^toenbigfeit ber einjelnen
3leufeerungen beö etl^ifd^en ßl^arafterg eine fonft ungetool^nte
©J)rad^e fül^ren: e§ l^at fid^ ba ber „@tanb^)unft be^
Solleng" bei il^m eingefd^Iid^en, toäl^renb er fonft ben in=
tuitiö^befcriptiöen aud^ im etl^ifd^en X^eil feinet SSerfeg
fo rein burd^fü^rt. ©eine ®rn)ägungen („Sie aSelt afe SEBiffe
unb SSorftettung", 2, SKufl., I, 340 fg. ; 3. 2lup., ©, 355 fg.)
gipfeln in ber SSbma^nung : man möge niemate „ber ®nt:=
fc^eibung beg Sl^arafterg t)orgreifen"; unb fo ftefft er bag
arbeiten an ber eigenen Sefferung", !urj ben fittlid^en
^am^f ioiber böfe Steigungen" alg eine gorberung ^in,
meldte mit feiner übrigen Sluffaffung unb ©arfteHung toenig
^ottfet^ung. 3)te ^nftansen bed et^if^en ^ataltömui». 233
\)ereinbat f d^eint. *) — SBie i)on ben 5Bi)rau«fe|unflen fei^
neiJ ©t^flemö aui^ ein fol(^er Äami)f afferbingö immerl^m
nod^ einigen ©Kielraum bel^ätt, glaube id^ im Obigen ge::
jeigt ju l^aben, it>o id^ benfelben auf biejenigen Statuten
einfd^rftnfte, toeld^e mit ^aujl t)on fi^ Kagen:
3tt)et Beeten too^nen, aöfl in meiner ^ntfl,
2)ie eine tDiQ fid^ bon ber anbern trennen;
2)tc eine i}ätt, in berBer Sicbeölnfl,
@id{f an bie l^eft, mit flammernben Organen;
2)te anbre (ebt geioaUfam fid^ i»om 2)ufl
3u ben Öejilben l^o^er 3l^nen —
unb bann bie ©ntfd^eibung jum Seffern ober ©d^led^tern
bem Stu^f daläge ibentifc^ nannte, toeld^en t)on jlt)ei ent=
gegengefe^ten, bod^ gleid^iüiegenben ©trebungen irgenb^
iool^er bie eine em^jfange. Slu^gefd^loffen wn fold^er ©elbjl^
,,5Bert)oI[f ommnung" finb alfo alle biejenigen, beten S!Biffenj^=
fetn aU ein in fid^ nitgenbö getl^eiltet etfd^eint; unb jut
götbetung eine^ fold^en ^ßtoceffe^ fönnen fomit auc^ bie=
jenigenSBotgÄnge nid^t^ beittagen, in ipeld^en bet fd^ipanfenbe
SBiffe jule^t fi(^ füt dn ©rittet entfd^eibet, ba^ fo hjenig
bie 3Ritte jmifd^en ben ©jttemen tük eine^ biefet felbfl ifi,
fonbetn ein SBlotio, toeld^e^ fid^ leintet ben öom QnteUect
öorgel^altenen ioetftedt gel^alten ^atte, SEBo abet t)ottenb^
bie iDetmcintlid^e SBal^Ientfd^eibung jule^t auf ba^ SDWttlete
fÄHt, ba l^aben U)it äufeetjl it)enig öon d^ataftetologifd^et
33ebeutung — ba ifl ba^ ganje ©d^lt>anfen faum mel^t aU
ein tein i)^ftnomenaIeg SIenbiüet! geioefen unb eine SBal^t
*) Obige (Srörterung toax längfl aufgearbeitet, e^e \6f bei ?ft.
^at^m, %xtffVLx ©d^o^en^auer , @. 34, bad l^arte SBort fanb, totU
^ed ben ^ter bef^roc^enen ^erfud^ <Sd{fo!|)en^auer'9 furgn)eg aU ;,®e«
fd^tt>&^'^ abfertigt. 2)em gegenüber mbi^te iä) biefe (S^tfobe no(^ tt>e«
niger unterbrüden — fie mag aU ^eif^iel bienen, tottä)t9 geigt, tote
)>erf Rieben bie ^ritil ftd^ geberbet , ie na^bem {ie l^ämifd^er Senbeng
ober bem Streben entf^ringt, au(^ ba mit einem bantbar berel^rten
Se^irer iured^tgufommen , too und feine Suffaffung nnbefriebigt lägt.
234t ^ie Smt^iUabiUtfttöftage unb ba^ 9b)t>ificabißtdt$^))¥ob(ein.
im ©runbe gar nid^t getroffen: ber ^enbel ift einfad^ )ur
Slul^e gelommen. — S)ie — nad) bem ©d^o^jenl^auer'fd^en
Silbe (a- a. D., 2. äufl., ©. 328; 3. Slufl., @. 343) —
red^tö unb linfö fid^ bett>egenbe @tange gibt, b)o fie am
@nbe toeber nad^ biefer ober jener ©eite fättt, nod^ auc^
in ber aWitte (teilen bleibt, fonbern tjom^^ ober i^intenüber
ftürjt, nn^ für erftere^ ba^ ©^mbol, nämlid^ für ben
enblic^en ©ieg eine^ bi^ bal^in unbead^tet ober unbemerft
gebliebenen 3Rotit)g. SBa^ bei bem im 9Rittelj)unft ru^en=
ben ^Penbel bie ©d^lt)ere, im anbem 33eifj)iel für bie ©tange
ein t)on leinten ober born erfolgter neuer Slnftofe beloirfte :
ba^ ift für ba^ greil^eit^j^roblem, alö ein neuer S5eleg für
bie l^attucinatorifd^e 5rtatur be§ unmittelbaren greiJ^eit^-
betoufetfein^, ju toertoertl^en, unb ^ier nun fragt e^ fid^
eben, ob auc^ bie angeblid^e aWöglic^feit, „ber 6^arafter=
entfd^eibung t)orgugreifen", auf einen fold^en bloßen ©c^ein
hinauslaufe. — 3GBenn nid^t, fo gewänne eS banad^ ben
knfc^ein, als ob jene SBBittenSfd^toäc^e, ber eS befonberS
fd^toer toirb, ju einem ©ntfc^luffe fic^ „ aufzuraffen", ber
©c^o})enl^auer*f(^en gorberung, bem dl^arafter niemals ju
))rfiiubijiren, am beften, in jerrbilblid^er SBBeife toenigftenS,
entf!j)rftd^e. S)enn toie fott auSgemad^t toerben, toann n^irf-
lid^ ber ©l^arafter felbft fein le^teS 2Bort gef^rod^en?
nmt unb immer neue ®rtt)ägungen fönnten bieS ja in in-
finitum l^inauSfd^ieben unb iniioifd^en balb genug biefe
aSerjögerung f eiber, als SSerfäumnife, gu einer et^ifd^ im^
jwtabeln 2!l^atfac^e toerben. — ®em t)orfid^tigen äuSbrudE
©d^o!|)en^auer'S , eS fei nid^t „geratl^en", ber erften ber
fd^led^teften SReigung fofort nad^jugeben, liefee fid^ alfo,
t)om gleid^en ©tanb))unft ber bloßen 9iat^famfeit, b. f}.
beS UtilitätSj)rinci))S , mit bemfelben Siedete baS Sebenfen
entgegenl^alten : ein aipofteriorifd^eS äbtoarten beS burc^-
f<^lagenben 9Rotii[)S fe|e ber Oefal^r beS 3" fi)fit! auS —
benn leicht genug finb aSer^ältniffe benfbar, unter loeld^en
ein t)öllig unüberlegtes ^anbeln ju günftigern folgen
fül^rt als ein tl^atlofeS ß^wbern; — unb am toenigften
^ottfetUTig. S)ie l^nftan^en beS et^ifd^en ^^xtalidmuS. 235
bebarf nod^ ber ©eutfd^e ber Stufforberung , crft jebeig ^ro
unb ©ontra forgfatn abjutoftgen — fein ^eirH)erament Iftfet
il^n nur ju oft nnb lange, bie ^änbe im ©d^o^, pvincU
j)iette Debatten führen, toäJ^renbbefe ber o^ne biel Orübeln
jugreifenbe 3la6)bax if}n übetl^olt. ®^ ift alfo Um leidet
finnige &i)xl, toeld^e aud^ jene ©d^ojjeni^auer'fd^e äBamung
ni^t ungeprüft a\^ in abstracto für alle gäffe unbebingt
gültig anerlennen loiff, t)ielmel^r beten eigentlii^ etl^ifd^en
e^arafter in StoeVfd jie^t. 9Ran mufe nämlic^ ba§ über«
legung^lofe ^anbeln felber in ben Äreiö ber SRotl^tpenbig^
feit mit ^ineingiel^en, um biefen toirflic^ gu fd^liefeen —
ber abftracte 2)ürfenfatali^mu^ ift nur l^alb confequent —
befd;reibt jenen Ärei^ nur jur Hälfte — er bebenft nic^t,
bafe jebe^ f))ontane SD'Httoirfen be^ 3nbit)ibuum^ felber ün
©lieb ber in fid^ jurüdfe^renben Äette ber SWotl^toenbigfeit
tt)irb, alfo afferbing^ an ber ©eftaltung ber ©aufalfolge
etttja^ änbert, aber freilid^ nur toeil bie^ SRittoirfen felber
gu bem unabänberlid^en ©id^erfüffen ber sipiapfjLsvY] mij=
gehört, ättein l^ierauf aufmerffam gu mai^en unb bem^
gemäfe fid^ nid^t rein pa^[vo ju t)erl^alten, fefet nur bem
^albfrei^ ein britte^ Äreigt)iertel an — ba^ lefete bleibt
nod^ offen. Unb fo fte^t eö aud^ um ben ßirfel, toeld^en,
jenem paxaM, ©d^oi)enl^auer im et^ifc^en Oebiete be-
fd^reibt: er l^at l^alt gemad^t bei bem ©ebanfen: bie un=
gehemmte SReceffitation ber SBillenöacte toürbe ein anbere^
?iWotit) äum entfd^eibenben gemad^t l^aben. Stffein barüber
l^inaug liegt eine ben Ärei^ erft in fid^ jurüdEleitenbe ®x^
toägung: baä ©el^emmttoerben felber fte^t ja unter bem
®efe| ber Jleceffitation unb inbicirt fomit felber eine be=
ftimmte Dualität be^ banad^ l^anbelnben ©^arafterS. aSBen
bie SRefleEion: ein Ramp^ gegen bie böfe 3ieigung ^ilft
bod^ nid^t^! bal^in bringt, biefen Äam!j)f gar nic^t erft auf^
june^men, ber l^at eben an fic^ einen anbern 6^a=
rafter, aU wer ju bem ©c^luffe fommt: ba^ lootten mir
bod^ erft einmal barauf anlommen laffen unb abtoarten,
ob 3?eigung ober ©runbfafe ben ©ieg* behält. Ober noc^
236 2)ie S^mptttabiatdt^frage unb baS 9lobtftcabiUtdtöptobIem.
genauer: toex jene SBamung Bdfoptnffautf^ auf fic^ toidm
läfet, ber fielet mit feinem Sntettect unb ©runbtootten ju
allen feinen Steigungen unb Slffecten anberö, alö toer pd^
i^r gegenüber auf ba^ Velle non discitur fteift. Äurj:
jene Sieflepon unb biefe ®rtt)ägung finb felber et)entuell
alg 3Wotit)e toirffam, unb tpeil ba^ Sieagiren auf biefeg
ober jene^ 9Rotiö bie SBefenöbifferenj ber 3nbit)ibualtoiffen
au^mac^t, fo ift aud^ ba^ SSerl^alten ju biefen ein nad^
bem attgemeinen ®efe|e not^ioenbige^. *)
Ueberbie^ fann fid^, toer feine SReigungen frei toalten
*) ^uf einen ä^nUc^en ©ebanfen fommt <^tetnt^a(, xoo er in
feinem Vortrag über ba^ ^er^ältntg Don ^^itotogie unb ©efd^i^te
bie ^[eugerung t^nt, er möd^te ed bod^ nid^t erleben^ bag Onetelefd
fiatiflifd^ed (^efe^ ber ^erbred^erga^l in bie ST^affen bringe unb ^ier
ben etbifc^en gatatidmud entfeffete — aber aud^ i^m entgebt bie toei^
tere (Eonfequeng, bag ein @ntfeffe(n ht9 böfen Sillend nid^t gleid^be«
beutenb fei mit beffen quantitativer i^ermebrung ober intenftter @tei«
gerungr unb bte Unlunbe ü6er jiened ®efe^ toobi unter bie ^an«
bigung^mittel, aber ha9 ^efanntio erben beffelben nur unter bie
äugerlid^ terfd^Ied^ternben (bie in einem f|>äter gu erBrtemben @inne
„bemoralijircnbcn") gactoren gu gälten fei. Uebrigenö berührt ft(b
\a bied ®efe^ ber ST^oralflatiftil, aud n)eld^em bem ST^oraliften fo groge
Verlegenheiten ertoac^fen^ aufd allerinnigße mit bem l^ier in S^ebe
fle^enbcn Problem, unb toenn aud^ nod^ bie SÖagner^fd^e @d^rift:
f^^ie ©efe^mägigleit in ben fd^einbar toiHfürtid^en menfd^lid^en ^anb«
lungen toom ®tanb|>unft ber ®efd^id^te'', e« nid^t über eine
£tcox^ bi"^tt^bringt, fo beflätigt bieö nur, toic bie SKeta|>bt?fif bierfüt
bad eingige com:|)etente Tribunal ifl; unb bie^ toeift und an, babei
bad :|>bt^ri^a(ifd^e (^efe^ toon ber Sr^altung ber ^Sfte audgubebnen
auf bie ©efammtbeit ber etbtfd^en gactoren. 3n biefem @tnnc f|3rid^t
ia aud^ <Sd^o:|)enbauer felber tt)ieberboIt )}on einer ^alingenefle: ed
bleiben in ber 2:otaIität immer biefelben et^ifd^en Gräfte, toeld^e in
ber iebedmaligen ©efammtbeit ber tebenben ^enfd^en gur @rfd^einung
gelangen: jeber, ber öon ber ©übne getreten ifl, erfd^eint in anberer
Tla9h toieber — toieffcid^t aber erfi nac^ einer ^aufe — auf fold^c
SWeinung Knuten »enigficnö bie gcbeimnigboffen 2:^atfad^cn leiten,
n)eld^e man neuerbingd unter bem 92amen ^tatiemud begreift. @ine
^^nung bi^^Don blidt fd^on burd^ in ben Sorten bed ^acitud (Ann.,
III, 55): nisi forte rebus cunctis inest quidam velut orbis, ut
quemadmodum temporum vices, ita morum vertantur.
gottfc|ung. Sic 3nflanjcn beS ctl^ifd^en gataliSmuä. 237
laffen toitt, aaä) barauf berufen, bafe e^ in thesi ober
potentiä affemal bereite jum t)orau^ au^getnad^t fei, ob
i^m bie Sel^errfd^ung ber Sleigungen gelingen loerbe ober
nid^t — unb toer nid^t jum erfien mal t)or ber, blog fub^^
jectiben, Ungetoifel^eit ber ®ntfd^eibung, bor einem blo^
fubjectoen „Äann" t)on jtoeierlei (a. a. D., 2. Slufl.,
©. 328; 3. SKufl., ©. 343) fte^t, fonbem aug frül^iem
©rfal^rungen fid^ fd^on l^inlÄnglid^ fennt, um ju toiffen,
ba^ bie SWajime gegen baö (Selüfte unterliegen toirb: ber
toirb fid^ um fo weniger t)eranlafet glauben, eine nod^^
malige Sefiatigung beffen abjutoarten, t)ielme^r ben ^ßro-
ce§ abfürjen unb fofort ber SReigung folgen. S)od^ fäfft
bie^ afferbing^ fd^on unter bie ^anblung^toeife nad^ er^
toorbenem G^arafter unb Ift^t ben 6inh)urf ju: gang con=
gruent [inb bie ftufeem unb innern Umftänbe, unter benen
man jtoeimal l^anbelt, niemals, unb infofem fann bie an=
geblid^e aSorau^fid^t fe^r tool^l trügen — affein bann gilt
toieber bie obige ©inrebe: ba^ Stnfteffen fold^er 33ered^nung
unb ba^ ©inrid^ten be^ Jganbeln^ banad^ ift felber ein
gj^araftergeid^en unb ein fo t)offgültige^ ioie irgenbein an-
bereö. ®anj fireng genommen ifl eg bemnad^ eine Un^:
möglid^feit, ber Gntfd^eibung be^ eigenen ©J^arafter^ jemafö
t)orgugreifen. 9lur mu^ man babei ßl^arafter im boffften
©inne, atö ben Qt^egriff aller d^arafterologifd^en 6le=
mente ber 3nbiöibualität, nehmen. 35enn bafe ber ©l^a^
rafter bon feiner blo^ etl^ifd^en ©eite afferbing^ infotoeit
einem fehlgreifen au^gefe^t ifl, aU man nur einen SCi^eil
beö ti^atfäc^lid^ Setoirlten lann beabfid^tigt l^aben, ift ja
fd^on fattfam bargetl^an. ^fttten nic^t aud^ 5Cem!|)erament,
©timmung, (Sinfld^t, Urtl^eil unb ^J^antajie i^ren Slnti^eil
an jeber %f}at ate einem factum, fo toäre ja Sfteue im
©inne ©d^o^)enl^auer'§ ein Unbing.
aber an einer ©teffe, too id^ beim SKeifter ein feinet
unb bem)i(Ieltei^ Bopffi^ma aufbeden }u foffen meine, tann
id^ meinem tl^eoretifd^en ©etoiffen mit obiger, mel^r com=
:penbiSfer ^olemil nid^t genugt^un; barum möge man e^
238 ^ie Sm^utabißtdtgfrage unb baS ÜRobificabiUtätöproblem.
mit jugute l^alten, toenn id^ bicfette l^ier ju einer betait
litten argumentatio ad hominem etlüeitete. — 3^1 ©inne
©(i^ot>enl^auet*^ trifft nid^t einmal bie Slnalogie mit bem
S^ütfenfatum ate folc^e ju: benn naä) if^m gel^ött baö
©(^idfal ganj ber ©rfd^einung an, jebe toirflid^e »ef^
ferung aber müfete im intettigibeln äßefen felber bor fid^
gelten, ©efe^t, e^ l^abe bigl^er jcmanb in bem ©lauben
gel^anbelt, mit ©rfolg feine Steigungen befämj)fen gu föm
nm, fo toar biefer ©laube für feinen em^jirifd^en ©j^a?
rafter ein i^m äufeerlidbe^, toeil \)om ^nUüed tJorgel^aU
teneö, 9Rotit), nic^t jeber SReigung ol^ne toeitere^ ju folgen,
3lnn aber gel^t in biefen Qfntettect bie fataliftifd^e si^ieorie
ein unb tpirb il^m ein Slnlafe , t)on ©tunb* an, um ©runb^
f&^e anberer SÄrt (bie 2;^eorie felber nimmt \a bann bie
©tette eineg ®runbfa|eg ein) unbefümmert, feinen SReigun^:
gen ftd^ toiberftanb^lo^ ju ergeben, jebem fc^limmen „Jßange"
„nad^gu^ängen": fo lag üor ber actuetten aSertoirllid^ung
biefeg neuen ©runbfa^e^ in if)m bereite bie !j)Otenjieffe
gai^igfeit, biefen ®runbfa| fid^ ju eigen ju mad^en unb
bemfelben nad^juleben — bann ^at ftd^ baö Slugfe^en fei^
neö^anbelnS, ba§ ©mj^irifd^e an feinem ßl^arafter, geäns
bert, aber ber inteffigible ß^aralter mujg bod^ l^ier toie
überatt berfelbe geblieben fein — benn bie Sttidfid^ten,
toeld^e bie Steigungen im 3^«"^^ l^ielten, gel^örten auc^
nur bem Sfnteffect an; unb l^äufig genug flnben fid^ bei
©d^o^jenl^auer bie ©teilen, in toeld^en er barauf jurüdf«
lommt: bie t)eränberte ©rfenntnife änbert nur bie ©r-
fc^einung, nid^t ba^ SBefen be^ Gl^^arafter^. ©o toie fo
bleibt ber fd^ liefe lid^e (nid^t ber toorlftufige) Sluggong
unöermeiblit^ , unb bie toiberftrebenben 3Wöglid^!eiten er::
geben fid^ als blofeer ©d^ein, unb etl^ifd^ angefei^en
bleibt es gleid^gültig, ob eine SJ^atfad^e erfolgt, bie rein
factifd^ am SIRafeflab beS fremben aBol^lergel^enS gemeffen
t)on uns gut genannt toirb, ober baS ©egentl^eil, — ba baS
Slnfid^ nid^t t)om ßrfolg berül^rt ttnrb. SBie in bie Äette
ber eigentlid^en Urfad^en eingebt, toaS baS Snbiijibuum
unternimmt, um einem fd^ ein bar unentrinnbaren ©d^dt-
fal ju entgelten (nad^ beliebterer eEem^JÜfication alfo bie
äntoenbung Ärjtlid^er 9WitteI in ^offnung^lofer Äranfl^eit),
fo tritt in bie 9leil^e ber 9Rotit)e bie ©rfenntnife ein, ba§
ein Stampf toiber bie böfe Steigung t)ietteid^t gelingen toerbe.
S5aö ©id^einlaffen in fold^en Ramp^ erfolgt alfo forma-
liter angefel^en nur auS 3to^*nä§igleit^rädtfid^ten — toenn:^
gleid^ materialiter baö treibenbe tsXo<; ber an fid^ etl^iifd^
bebeutf ame SBunfd^ fein lann, nid^t gegen bie etl^ifd^en
formen menfd^lid^er ®emeinfamfeit ju tjerftofeen — ein
SBBunfd^, befftn 9latur ba^ oben über ben SBertl^ ber ab^
ftracten ®ett)iffenl^aftigfeit ®efagte erhärtet unb jugleid^
beftÄtigt, ba§ e^ öom inteHigibel^et^ifd^en 6l^arafter mit
abl^&ngt, ob bie fataliftifd^e S^^eorie aWac^t über unfer
aSoUen erlange ober nid|it. — 2ßie alfo bie SJelftm^fung
ber fojufagen quietiftifd^en Folgerungen auö bem 2^ürfen=
glauben fid^ gegen eine Jjraftif d^e ^^l^orl^eit richtet, ioelc^e
auf einem tl^eoretifd^en S^tl^ium berul^t, ber eine tiefe
33Bal^rl^eit (bie bon ber 3lotl^tt)enbigfeit affeiS ©efd^e^enben)
in oberfläd^lid^er , l^albtoal^rer Sluffaffung unt)emünftig ju
a^i)liciren anrfttl^: fo Idfet fid^ in bem SSetonen ber SBögs
lid^!eit eine^ erfolgreid^en 3lnläm})fen^ gegen bie böfen
®elüfle aud^ nid^t^ anbereiS, nod^ me^r erfennen, als bie
^jraftifd^e SBamung: nid^t auf l^albem SQBege ftel^^en ju
bleiben unb toirflid^ allein, mithin aud^ bie et)entuelle Se^
fäm^)fung ber Steigung, für notl^loenbig ju erf ennen. —
aber anbererfeits bleibt aud^ bieS beftel^en: fo gut ioie e^
jum notl^toenbigen ©aufalitätStoerlauf gel^ört, toenn ber
Slfirfenfatalü^muS bal^in fül^rt, ba§ einer in Mttiger 5ßaf=
fujttftt attes über fid^ ergeben lägt, fo ift eS eine nid^t
minber unentrinnbare Stotl^loenbigfeit, toa« einen abl^alten
»ürbe , in ber Ueber jeugung bon ber Sßotl^loenbigf eit jeber
einzelnen feiner ^anblungen, an ber ,,33efferung feinet
ei^aralter«" (dn an biefer ©tette üon ©d^o^enl^auer nur
ganj uneigentlic^, nftmlidgf rein t>]^Änomenologifd^, gebraud^?
ter äluSbrudJ) ju arbeiten, — genauer: loaS i^n an bem
240 Die 3m)>utabUitfttdfta0e unb bad äRobiftcabilitötöptoblem.
erfolge eine^ Ramt)fed toiber feine bdfen Steigungen ber-
)tt)eifeln liege; benn e^ gibt nid^t {tpeierlei 9lotl^tt)enbig^
feiten, eine lofe, lodere, gerreifebare unb eine unerbittliche:
bie Sf^eceffttotion ber SBiEen^acte tann nic^t für fc^toäd^er
gelten atö bie unzerreißbare ^ette ber äBerben^grünbe im
engem ©inne, mit ber pe in ber ftugerflen ßonfequenj
bed @(^ot)enl^auer'f(i^en @^fiem^ fogar für birect ibentifd^
gelten muß.
@benfo toenig ftid^^altig ift ber weitere ®runb Bäfo-
pmffauct^^: ioir lernen auc^ unfern eigenen ßl^^arafter nur
a posteriori fennen unb „bürfen" (sie!) ba^er nid^t f^an-
beln, ate ob n)ir il^n a priori fennten. 3)enn e^ ift \a
oud^ ein ©töd unferer ©rfal^^rung, toenn toir getoo^r
toerben, toie unfer ßljfarafter bon ber ärt fei, baß er fic^
toon ber einfielt in bie 5Rotl5>n>enbig!eit feiner einjelnen
Slcte unb bie Unüer&nberlid^feit feine« SBefen« „herleiten"
laßt, nid^t erP ben Sluöfatt eine« ettoaigen innem Äamj)fe«
abjutoarten — benn biefe einpd^t mag SBal^n ober SBBa^r^
l^eit fein: in i^irer SBirffamfeit ate SRotii) muß pe fo loie
fo ber ©elbftoffenbarung be« aBitten« bienen. SBer m
f old^er — man mag immerl^in f agen : „fo f d^toac^" — ift,
baß i^n fold^e ©infid^t ju fold^er $anblung«loeife beftimmt,
ber toäre ja an ftd^ — et^ifd^ angefel^en — nidjft .jb^ef',
toenn er ol^ne biefe @inftd^t einen Rompf gegen bie böfe
Sleigung üerfud^te — unb felbft ber (Srf olg fold^e« Mxmpfen^
io&re et^ifc^ gleid^gültig , fo gleid^gültig , toie toenn ber
@ei}l^al« ällmofen ft)enbet in Jßoffnung auf l^unbertfac^e
SBiÄerbergeltung.
^emnac^ ift ba« 9läd^fte an biefer ^rage eine pxah
tifc^e, b. f). bie ßeben«!lugl^eit ange^enbe, ©eite: e« er-
fdifeint al« t^örid^t in ^infid^t auf bie äu^unft unb al«
bequemer nur für ben älugenblidE, einen innem Aan4>f
gar nid^t erft aufeunel^men — aber ob fo ober fo auf jene
einfielt ^in t)erfa^ren toerbe, barüber mtfd^eibet in le|ter Qn«
flanj nid^t ber ^ntettect attein, fonbem ber ^axaitex felbft
in feinem Slnfld^ unb in feiner STotalität, t>ermöge toeld^er
eJortfetjung. S)ic 3lnftan§ett beS etlj^ifd&cn gatalfemu§. 241
et banad^ angetl^an ifl, mit ober ol^ne Äanqjf fei e^ ju
fiegen, fei e^ ju unterliegen. S)enn bie Sefonnenl^eit
(<yo9po(yuvT]) ate gftl^igJeit ber ©elbftbeJ^errfd^ung enthält
|a 3Homente, bie nid^t in ben Qnteffect aufgellen: ju ber
xm intettectueHen %&f)iQUit, abflracte aRotit>e ju i^n^
flehen, mu§ ja eine anbere — jumeift t>on ber SCem^je-
rantent^eigentl^ümlid^feit abl^ängige — l^injufontmen, näm-
Ud^ bie: biefe 3Kotoe aud^ auf fid^ toirfen ju laffen.
©onfl toäre ja bie SSernunft an fid^ ein i)raftifd^e^ SSer-
mögen, toa^ fie bod^ eben nid^t ift: benn ein überauj^ „ge-
fd^eiter", bie Singe rid^tig auffaffenber unb beurtl^eilenber
SRenfd^ fann bod^ in eigenen Slugelegenl^eiten i^öd^ft leid^t=
finnig ju SEBerfe gelten -— fonft fönnten ja bie überaus
\)emünftigen ©octrinftre nid^t getoöl^nlid^ ganj unbraud^=
bare ©taatSRlnftler fein, bie in praxi regelmäßig gia^co
mad^ten. Unb aud^ bie ^ofob^nifd^e Seftimmt^eit toirb
bobei ein SEBort mitjureben l^aben : ber S^^Iolo^ toirb nid^t
fo leidet einen „bummen ©treid^" begel^en, h>ie ber ©ufolog
— biefem liegt fd^on ber ®eban!e an möglid^e fd^limme
golgen feinet %f)un^ t)iel ferner ate jenem — er lebt,
jumal ate ©anguinifer, in ben XaQ i)xnm unb benft:
m^ nid^t ift, ift nid^t! SBo^l ift eg ©ad^e ber bloßen @im
pd^t — alfo ettoa^ rein 3ntettectualeg — bie ^albl^eit be«
2^ürfenglaubenö in thesi ju t)ertt)erfen; be^gleid^en, ba«
le|te SSiertel be§ Äreife^ in abstracto aud^ no^ mit ju
befd^reiben — aber toie nad^ biefer ober jjener ©infid^t bai^
^anbeln fid^ geflalte, barüber entfd^eiben aud^ bie dnbern
c^orafterologifd^en gactoren. ^praftifd^ toirb ber Sefonnene
aud^ nad^ 3w^ötc8WttÖ i>^^ l^tm SSiertel^ l^anbeln, ate
ob er am britten flel^en geblieben toftre; aber toa^ er t)or
bem ®reit)iertetejianb})unft t)orau^l^at, ift baö ^mn^U
fein, baß fein intelligibler ßi^arafter fein onberer getoor=
ben, n>eil er fid^ burd^ bie unbefd^ränfte ©rfenntniß ber
SRot^toenbigleit nid^t abl^falten ließ ju ^anbeln, afe befäße
er biefe ©infid^t gar nid^t ober nur unbottftänbig, b. f).
mit bem »efftmjjf en fd^limmer Slntoanblungen f ortjufal^ren ;
242 S)te gmputabilitätgfrage unb baS aWobipcabiatätSproblctn.
er toirb fid^ ^öd^ficttg fagen: mein ©l^arafter ifl bielleid^t
t)on i^aufe an^ ftet^ ein anbetet gett)efen atö bet be^^
jentgen, bet ben entgegengefe^ten SBeg einfd^Iftgt: benn
benfbar bleibt e^ in thesi immet, ba§ le^tetm übetl^au})t
nm bie ©d^ätfe unb ©netgie be^ obfltacten S)enfenS ge^^
fe^lt f)at, um ju jener legten ßonfequenj borjubringen.
Sllfo je toetter bie dgiarafterologifd^e S^rlegung fortfd^reitet
in einer fojufagen atomifüfd^ fortgefe^ten ©j)altung ber
einzelnen SBitten^acte, befto em^fänglid^er mad^t fte für
Säe^erjigung be^ ,,9Kcl^tet nid^t!" bie freilid^ toie j|ebe§
„Sel^erjigen" jule^t an^ nid^t blo^ ©ad^e beS ilo})feg,
fonbem be3 $ergen§ ifl — nämlid^ in biefem bie SBereit
toittigleit ju einer bittigen SBeurtl^eilung t)orau«fe|t.
©el^en tt)ir un^ je^t bie ©ad^e nod^ bom umgeJe^rten
(gnbe unb unter 3ffoIirung be§ birect etl^ifc^en ©efld^ts^
pnntt^ anl S)ann ergibt fic^ golgenbe«: ein reiner ©goifl,
bem bie ©inftc^t in bie SRotl^ioenbigfeit feinet ^anbeln^S
toeber ganj nod^ f)alb aufgegangen toäre, h)ärbe beSl^alb
nid^t me^r noc^ toeniger egoiflifd^ fjanbeln atö mit jener
©nfld^t — fel^r tooffl jebod^ fönnte bie ©rfd^einung^toeife
feinet ©goi^mu^ eine anbere fein, folange er in bem un-
befangenen ©lauben bliebe, ba§ e^ „geratl^en" fei, jebe
S;i^at juöor erjl red^t ju fiberlegen; benn, banad^ geneigt,
®egent)orftettungen be^ eigenen SBerfianbeö ober „guter
fjreunbe" ©el^dr ju geben, tofirbe er feine egoifHfd^en
SöJede per ambages t)erfolgen, bie er bietteid^t, nad^bem
jene Ünbefangenl^eit jerfiört lüäre, via directä ju \>tx\t>ith
lid^en trad^ten mdd^te; er toitt alfo nad^ toie bor baffelbe,
toa« er immer getoottt l^at. SRid^t anbere ber ©belgefinnte:
ber toirb bei falber ©nfid^t fo hjenig via directä toie bei
ganjer per ambages egoiflifd^ ^anbeln.
S)a^ aSerl^ftltnife ber brei bargelegten 6tanb^)unlte
jueinanber Iftfet ftd^ aud^ unter einem Silbe flar mad^en
(ju loeld^em bie ben erpen unb jtoeiten, objtoar in ber^
fd^iebenem ©rabe, beflimmenbe „Äurjfid^tigfeit" ben leiten*
ben Segriff i^^ergibt). S)er bulgftre ^atolifl gleid^t einem
fjortfetung. S)ie ^^nftan^en beS etlf^ifd^en ^ataUemud. 243
Äinbe, bo« öor einer SlUee flel^enb ei nii)t ber SKü^e toert^
i^fitt, l^neinjuhjanbeln, toeil bie 5ßetf^)ectiöe il^m bie %&n^
fd^ung beibringt^ bie Saumreil^e fei bod^ balb ju @nbe;
bie ©rehoiertetetoei^ijieit einem Änoben, ber fd^on tt>ei§,
ba§ boi^ 2:äufd^ung ifl, unb fid^ mutl^ig auf ben SBeg
ntad^t; bie ben ÄreiÄ in fid^ gurüdleitenbe ©onfequenj eben
bemfelben Änoben, ioenn er fid^ am giele be^nbet unb
liier getoo^r toirb , ba§ toirf ßd^ am ®nbe bie Säume nid^t
mei^r paxaM fleijien, fonbern in einen SBinfel (ober etoa
eine 2avibe) jufammenlaufen — gerabe fo tt)ie e^ iai Äinb
geglaubt l^atte, nur ba^ e§ \>xd f^jftter toirflid^ bergaUifi,
ate nad^ beffen SReinung; — in objectitjem Srrt^um (bem
©lauben an greii^eit ber Xf^at im ©inne be^ getoö^nlid^en
gebanlenlofen SfnbeterminiiSmu« unb an einfädle, unter
atten d^arafterologifc^en SBebingungen gleid^e ^ßerfectibilität)
befinbet fid^ eigentlich alfo nur ber jtoeite ©tanb))unft- —
Ober nac^ einem nod^ jlrictem ©leid^nife: toie bie ällten
glaubten, bie ©onne beilege [ic^ um bie 6rbe, unb bie
Äo^jernicaner: fie ftel^e [tili — fo l^at man ie|t erfannt,
bafe fie toirllic^ aud^ i|ire Salinen befd^reibe, nur fo t)iel
»eitere aU bie Sllten meinten, — ba^ fie toirflid^ nid^t
ber ^errfd^er im 3RitteIj)unft be^ Unit)erfumä, fonbern
felbft ein bel^errfd^te^ ©lieb im @anim ift — nur nid^t um
bie Heine ©rbe (ba3 augenblidEIid^ anfd^aulid^e SRotit)) fid^
breite; aber ebenfo toenig in fid^ felbft rul^e (liberum ar-
bitrium indiflferentiaB ober ©etermini^muiS in ©c^o^jen-
l^auer^fd^er Sßuancirung, ftatt Sttnerfenntni^ ber aud^ banad^
nod^ beftel^enben unau^toeid^baren Sloti^toenbigleit), fonbern
um eine ©entralfonne (bi^ jur äufeerften ©onfequenj t)or-
gefd^rittene ©infid^t), fei e^ birect ober aU ©lieb eines
^ö^iern ©^ftemiS um ein nod^ l^ö^ereiS unb ^löd^fte« (jleneiS
entf^jred^enb einem rein intettectualen, biefeS dnetn ber
d^arafterologif d^en Slotalität angel^örenben llnterf d^iebe ber
eventuellen iganblungStoeife).
®er fd^ulbige 3lef^)ect öor bem l^ol^en ©eifte ©d^o^jen-
i^auer'S t)erbietetunS, ju 3Ritfd^ulbigen feiner fd^abenfro^en
16*
244 ^ie SmptttabilitdtiSfrade uitb bad aRobificabiKtdtSptobUm.
©egnet un^ )u mod^en, bie ftd^ auf SBortttauberciett t)et==
legen unb ge^iffentlid^ ben ®laubm t)erbreiten möc^ten^ e^
fl&nben bei il^m bie un^ulänglid^en @ebanlentei^en fo nadt
unb platt ba^ tt)ie e^ nad^ obiger iperaudfd^älung fd^einen
lönnte. Unb toeil fold^e ßeute noc^ lieber bie ©teUen igno^
riren, too er f eiber atte 3Komente ju "feiner eigenen Se^
rid^ttgung inH)licite barbietet, fo befennen ttjir iin3 aug=
brüdic^ baju, auc^ bie ^ier gefül^rte ^ßolemif nur mit dtä^^
geug an^ feinem eigenen ärfenal au^fed^ten gu fönnen,
unb baffelbe bem aliquando dormitanti enttel^nt }u l^oben,
fott nn^ nid^t übermütl^ig, gefd^tt)eige t>iet&t^lo^ mad^en.
aSenn toir e« auf d^ican&fe ©ilbenfled^erei abgefe^en l^&tten,
lönnten toir und ja anftetten, aU tott^ten toix m6ft ju
unterfd^eiben jlüifd^en un^ afö ipanbelnben unb un^ atö
SBoffenben, unb bei bem ©a|e (a. a. D., 2. äufl., ©» 341 ;
3. «uff., ©• 356 fg.): „S)ie SReffepon . » . . barf un^
nid^t t)erleiten . » . . ber ©ntfd^eibung be^ 6^ar altera
tjorjugreifen", fragen: n>er ift benn ba^ SBir in biefem
ttn^ anber^ afe ^bm nur unfer aBitte, unfer G^arafter?
toie tann ber ß^arafter fic^ f eiber borgreifen, er mü^te
benn ja über feinen ©d^atten f^jringen, ober t)ielmel^r ber
©d^atten (fein „©»)iegelbilb in ber aOSelt afe SSorfiettung")
über il^n, über fein Slnjtd^, — ettt)a ioie bei t)eränberter
©tettung i\m ßid^te ber ©d^atten balb t)om balb leinten
ijl, aber über un^ l^inloeg nur gel^t, inbem er ganj ^tx^
fd^toinbet, toeil ba^ ßid^t gerabe bom ©d^eitelj)unft fftttt
— fo müfete ber SBiffe erft bor bem 3ntettect ju nic^t^
t)erfd^ti)unben fein, el^e biefer i^n anber^ jeigen fönnte atö
er ifl; benn baS liegt in: feiner ®ntf (Reibung t)orgreifen — ?
9lid^t alfo! Slrugfd^lüffe mit ©oj)^iftereien ju bef4mt)fen,
bat)or möge un^ ftet^ bie l^el^re Oöttin SBal^r^eit beioal^s
ren! Slber nid^t gegen aCBinbmül^len, fonbem mit guter
aSBel^ir unb SBaffe be^ SKeifler^ felber getröfien toir m^
borjugel^^en, inbem toir fd^liefelid^ noc^ folgenben @inioanb
gegen il^n ergeben: toenn n>ir e« nur einer, fiet^ me^r
ober weniger )uf&ttig an un& ^erangelangten, @in{tc^t
gortfcftuttg. Sic 3nftan§en bcS ctl^ifd^en gataligmuil. 245
öerbanfen, 06 „bai^ Silb, toeld^e^ toir butd^ unfcrc Xf^aten
toirfen, fo auSfaUe, bafe fein änblid unS möglid^ft be^
tul^ige, nid^t beängftige" (a. a. O., 2, Sufl., ©. 342;
3* aup., ©. 357), bann ift, toa^ un^ eüentualitcr erfj)art
bleibt, im ©inne ©d^o^jen^auer'^ nic^t ©etoiffen^angfit,
fonbem blo^ 3leuc. ^ S)enn tl^un it)ir infolge einet 3lefIesion
ettoa^ anbete«, ate loa« unfetm ßl^ataftet eigentlid^ ge-
w&fe ift, fo l^aben toix nut bie 3Kanifeftation«tt)eife unfet«
ei^ataftet« aU fold^e, nid^t beffen SBefen an fid^ ju be^
flagen — unb n>enn un« bie S^l^aten (t)on il^tet blo« fao
tifd^en ©eite angefel^en unb ol^ne SRüdfid^t auf ba«, \)iel-
leidet bennod^ fie, loeil il^te SSotau^f e|ung , bie ©elbft=
bel^^^tfd^ung, betoitfenbe, intettigibetetl^ifd^e ©lement unfet«
SQBefen«) nad^ bet Se^ettfd^ung momentaner Sluftoattungen
ein günftigete« „©i)iegelbilb" unfer« ©l^ataftet« öot^ielten,
fo loäre ba« ja eitel 2:rug unb SBBa^n, unb ber innete
aaSettijl unfer« innetften ©elbft nid^t l^dl^er afe toie toenn
toit e« in einem anbetn, t)ietteid^t nut Planeten, ©jjiegel
gefd^aut l^fttten. Snfofem butften loit bel^au^ten: ba«
ganje ^iet botgettagene SRefultat ©d^oi|)enl^auet'« ftamme
im legten ®tunbe au« (fteilid^ fel^t t)etfeinetten, man
möd^te fagen: l^oc^berebelten) eub&moniftifd^en Slbfic^ten»
®ie ©umme jiel^enb abet toiebet^olen toit: auf bem
l^iet \)on ©d^o})enl5iauet angegebenen SBege ifi oi^ne toeu
tere« ©elbftgud^t nod^ nid^t möglid^; biefe fotbett nod^
anbete — ftüijiet batgelegte — aSotau«fe^ungen, untet
toeld^en fteilid^ aud^ bet Sntellect infofetn mit obenan^
fielet, al« nut t)etmittel« feinet un« ba« SBeloujstf ein fommt
um eine glei^toiegenbe ©o^^eli^eit unfet« SQSotten«, unb
et allein im ©tanbe ift, bie ©tetten ju beleud^ten, öon
toannm ein Slu«fd^lag iut „beffetn" ©d^ale fic^ gen>innen
Id^t unb too bet anjufefeenbe ^ebel ju bem SBel^uf fein
u7co|ju5xXtov ^aben müjfe. ®a toitb fid^ benn etgeben —
unb ba« ift bet Sufammen^ang, in toeld^em ttofe attebem
biefe beiben gtagen miteinanbet ftel^en unb fid^ ba« julefet
bel^anbelte 5ßtoblem auf« eng^ie mit unfetm näd^ften, bet
246 S)ic 3[nH)utabiHtdtäfragc unb baS 3WobificabiUtatöt)robrem.
9Äobifica6ilit4töfrage, berührt, — : ba^ Befonncnl^eit^lofe
, §anbeln, glcid^tjicl ob mit ob ol^ne SReflejton auf bie 3lotf)^
wenbigleit, ftö^t ben a3oben unter ben eigenen güfeen toeg,
o^ne toeld^en eiS für ben fittUd^en ipebel gar leinen ©tüfe=
i3un!t geben lann; unb ferner: leine beffere ©elegen^eit
gibt eg, baiS in ber ©elbftjud^t bereit« ©rreid^te ju er-
proben, afö bie (Stellung, toeld^e unfer SBoUen pxatti^6)
einnimmt , nad^bem il^m bie le|ten ©onf equenjen be« S)eter=
miniMuö flar geworben, nad^bem er aud^ nod^ ba« le^te
SSiertel be« befagten Äreife« befd^rieben.
Unb nun nod^ ein ganj lurge« SBBort an bie, n)eld^e
e« bebünlen möd^te, n)ir l^ätten mit übel angebrad^ter, un^
frud^tbarer breite un§ bei einer ©injelfrage aufgehalten,
beren Sejiei^ung jur ß^aralterologie l^iöd^flen« eine im
birecte unb bie an fid^ afö eine res domestica ber ©d^os
^enl^auerianer gu betrad^ten fei. Mutatis mutandis fann
fid^ feine ®t^if, bie t^eiftifd^e fotoenig toie bie „imma=
nente", ber ©rörterung biefe« Problem« ganj entjiel^en:
^JJaulug unb Sluguftin l^aben mit il^m gerungen; ber 6aU
bini^mu« franft nod^ l^eute an feiner getoaltfamen 83e^
l^anblung beffelben. Unb loer n>ottte fid^ nid^t ben iro^
nifd^en SJriumpl^ gönnen, aud^ fold^en, bie bon ben ^jJrfis
miffen be« ©d^o|)enl^auer*fd^en Softem« fo loeit abftel^en loie
bie Slnl^änger ber unbebingten ^ßräbeftinationiSlel^^re, allerlei
ju beliebiger „SWu|ann)enbung" bargeboten ju l^aben?
19. gottfe$ung. ^lutonomie al^ SSorau^fe^ung jeber 3m=
^Mutabilität.
SQSer ben ©afe ©d^openl^auer'« gelten läfet, bafe ©elbft^
betoufetfein bie SSorau^fefeung jjeber ©d^ulb fei, ber mu§
aud^ einen ©d^ritt toeiter gelten unb anerfennen: erfl bie
greil^eit, ba« ©id^freigemad^tl^aben t)on jjeber 2lutoritftt
fü^rt iur motten Surec^enbarleit. SBem bie gattibUität
einer bis ba^in für untrüglid^ gel^altenen Slutorität (fei e^
gortfe^ung. Autonomie als SSorauSfe^ung iebet 3lnU)uta6ilitftt. 247
menfd^Ud^cr, fei eö 'ooxQ^Uiä) göttlid^cr) Hat getootbcn x%
ber f}at fortan atö etl^^ifd^e^ aSßefen bie ^ßflid^t, icbcn il^rer
äu^fjjrüd^c ju j)räfen; — pd^ i^r bennod^ blinbUngg mU
tcr untertoetfen, l^ei^t nid^tö anbetet, ate bic eigene
SSerantoortlid^feit auf frembe ©d^uUem toäljen, — nid^t
mel^r ber 2;^äter feiner eigenen 2;^aten fein lüoffen,
unb ifi etl^ifd^ angefel^en jener ©elbfllofigfeit gleid^juad^ten,
toeld^e im SBeid^toater baS ©etoiffen f eiber, nid^t einen Blo=
§en Seratl^er ober Slufl^eUer be^ ©etoiffenS Befragen toiK
(tt)ie aud^ in ber ^olitif bie fogenannte 5ßarteibi^cij)Kn im
©runbe barauf hinausläuft, ba§ ber einzelne fid^ beffen
begibt, bem eigenen SRed^tSgefül^l unb ber eigenen illug-
l^eit gu folgen, unb beibeS fortan in bie ®ntfd^eibung ber
„gül^rer" verlegt). — Sllfo: ol^ne 2lutonomie ifl ein (Se-
fül^l toal^rl^after ©elbftöeranttoortlid^feit unbenlbar. S)enn
toaS l^eifet „autonom" l^anbeln anberö ate: baS toaS man
t^ut aud^ toirftid^ tooHen? ober: fein ^anbeln burd^
nid^tS anbereS beftimmen laffen aU burd^ baS eigene
aSBotten? ®S bleibt bann freilid^ nur eine uneigentlid^e
9iebetoeife, ben SQSillen fein eigene^ „®efe|" unb baS
aSorauSbeftimmen ber eigenen ^anblungen eine „©elbji::
gefe|gebung" gu nennen — aber cum grano salis t)er=
ftanben l^ilft bod^ biefer Sluöbrud , um unS ber fonfl um
t)ermeiblid^en SCrüglid^feit beS Smjjutabilitätögefü^te ju
entheben; benn er befagt eben nur bieS: ba§ Setoufetfein
um ben S^i^alt unferer ^anblungen mufe ein fo flareS
unb bottflänbigeS fein, afö ob biefer Snl^alt n>ie ein t)on
au^en gegebene^ ®efe| t)or nn& ftftnbe.*) 9Man toenbe
*) iBoKen dxnft maäft hiermit ber ^elagtam^mu^r ber bie
,,@ünbl^afttgfett'' bed Wltti\6)tn gan) äugerttd^ meffen mö^fte nad^ ber
3a^I ber etngelnen gäUe ton ©efe^edübertretungen, unb i^m fd^üeg t
ftdf ^ittiaäft CiVL^ in ber :|>rotefianttf(^en Sett^ ba$ $olf an, menn ed
fii mit einer getoiffen SRaiöetSt auf fein ,r0ttte« iSctoiffen" beruft.
2>enn bie« etgenttid^ antid^rifiltd^e gel^Un jebed @d^ulbgefü^l9, bie«
@td^babeiberu^igen , bag man leine fd^n>ere <Sünbe begangen (l^dd^«
flen« n^erbeu allgentein menfc^ttti^e ,r@c^n>5(^en" gugef!anben unb ade«
248 ^ie Simputabilität^frage unb bad äRobificabiatätöproblem.
nid^t ein: ianaä) to&rc jebe auf ipetcronomie funbirte @tl^if
feine et^il me^r, fonbern eine blofee Segi^latur. ®enn
felbfi eine fo Qani auf frembe Autorität geftettte aWoral
weitere befd^mid^tigt bur(i^ bie (Sntfd^ulbigung: fle feien eben menfd^«
\iäf\), fe^t eine bic« juriflifd^e SJioral borau«, für tt)el(^c e« foge*
nannte ,,UntertaffungSfünben'' ntd^t gibt. SRan fommt bamit nid^t
toeiter ai9 gu bem^ tvad felbfl nod^ bom materiaüfÜfd^en <StanbpunIt
a\9 bloge 0tatif ber 9?eIationen gegen bie 9}^itmenf(i^en !ann bebucirt
merben: neminem laede, ne ipse laedaris. 2)agegen aber protefitrt
— a(« ba« eigentUd^e gunbament ber et^ifd^en ©ebeutfamleit «nfercr
©anblungcn — - eine innere $:]^atfad^e: baö Oefö^t beö Unbefriebigt*
feinö, ftjo toir eine ^anblnng unterkffen, gu tt?eld^er feine 9led^t8*
pflid^t un« yditt niJtl^igen fönnen, (@d^abe, ba^ »ir (lierfür fein gu*
treffenbeö Sort ^aben, fofern ,,Siebe*pflid^t'' eine contradictio in
adjecto enthält , n>eü „^flitifV* nur einen @inn l^at ai9 (Korrelat gu
,f^t6}V',) ®o fann eine 3led^t8toerbinbftd^feit burd& beiberfeitige 3*^*
Kimmung total gelöß fein, unb bod^ bleibt ein !S)rang gu 2xtbt9*
»erfen gegen bie ^erfon, »etd^er toir früher cbenbaffelbe aU Sftcd^tö*
ober SJertraggpflid^t fd^ulbtg toaren. 2)arin offenbart fid^ benn eben,
baß ba« eigentlid^ et^ifd^c $atbo8 ba9 SKitrcib ip, b. ff. ber 2)rang,
ben Setben anberer ju »e^iren ober abjul^elfen, unb too^I b«t c« einen
guten @inn, l^ierin ba« unmittelbare (mi?|iifd&e) 3nnefein toon ber
3bentität aller Sefen untereinanber gu erfennen. (beiläufig: fd^Iiegt
nid^t ber ©egriff „Söefen'' fd^on f eiber einen ®rab lebenbiger 3nbi*
totbualitat, inbiüibueUer ©ubf^antiatität , alfo aud^ StUendnatur, in
ftd^ ein?) Oerabe aber in ber bloßen @taat«moraI l^at hk9 fd^led^t«*
^in antiegoiflifd^e iD^otiD bnrd^auS feine ©teile: ber über ©raufam«'
feiten feiten« ber ©etoaltbaber ergrimmte Patriot fämpft nur gegen
implicite aud^ i^n fclber bebro^enbe 9led^t8unpd^erl^eit an, unb bem
entfpred^enb finben n>ir bei ST^ateriatiflen aU l^bd^fle«, jjebod^ btod
jurifHf d^e9 , $atbo$ ben 2)emofratidmud, niemals aber Begeiferung
für rein felbflberteugnenbe ?iebeen)erfc (bie i^nen lool gar nur eine
2^]^orbeit ber ©d^toSrmerei l^cigen) — fd^on beSl^alb nid^t, toeil bicfem
©tanbpunft bad Snbitibuum eine unbebingte, abfolute, intenflb un«
enblid^e (Geltung f^at, toa9 freilid^ burd^ ben 2:ob jenes fd^mergtid^fle
aller SDcmenti« erfährt, tot9lfciih @d^openbauer ben 5tob ben ^ater
ber 9lcligionen nennt; — unb eben baber mag eö rühren, bag fo
maud^er, nid^t ttroa bio9 an9 eingetretener 9^erbenfd^n)Sd^e, angefit^t^
bei 2:obe9 nod^ befe^rt, b. b- gur ^nerfennung einer fittlid^en ^eltorb«
nung — ale für toeld^e e« feine« pcrfbnlid^en ®otte« bebarf — ge*
brSngt »orben ifl.
tJottfe^ung. Slutonontie aU SBoraudfe^ung jebet ^Imputabilitdt 249
tok bie be^ Jtatl^olictömii^ entl^ält ein 3Roment, tt>üä)C^
fie über bie ©tufe bloßer Segalität J^inau^fteHt ; infofern
näntlid^ bet SBegtiff be^ opus operatum (nad^ ioeld^em
ba^ rein gactifd^e ol^ne alle Siücffid^t auf bie beiiool^nenbe
(Sejtnnung fd^on baö „SSerbienftlid^e" einer ^anblung aug^
mad^en fott) mit bialeftifd^er 3?otl^it)enbig!eit auf feinen
®egenfa| l^intreibt. 6^ ift rid^tig: bie ftarre ßonfequenj
be^ i^eteronomen ©tanb^^unftö fragt gar nid^t nad^ bem
SBotten, fonbem blo^ nad^ bem ^l^un, nad^ bem ©eti^anen
ate einem ©efd^el^enen, lurj: na^ bem factum — unb
•biefer ©onfequeng jufolge finb alle S^l^aten, gute toie
fd^Iimme, blofee opera operata. aber glüdlid^erioeife giel^
feine Sfteligion atö fold^e, fonbem l^öd^ften^ bie ^Ci^eologie
ober ber ©d^olaftici^mu^ bie legten abftract4ogifd^en ßon^^
fequenjen auö fold^en 5ßrÄmiffen: eine rein legi^latorifd^-
^eteronome 3Koral läfet fid^ in SBirßid^leit fo toenig feft-
l^alten loie ber etl^illof e ©tanbijjunft ber „abf oluten 5ßl^^fif"
bei^ SRaterialiömug — beibe fämen ja im legten 9lefultat
auf ein^ l^inau^ — unb jebe ^eteronomie ift irgenbtoie
gendtl^igt, loenigften^ inbirect, ba§ 5ßrinci)) ber Slutonomie
in fi^ aufjunel^men. ®enn bei biefem lommt e^ ja We-
niger auf ben Urf^^rung, afö auf bie Slneignung be^ ©e^
fefee^ an. S^be Slnerfennung eine§ \>on anbern gegebenen
@efe|e^ ate für m^ binbenb ifi fd^on eine 3lrt Slneignung
beffelben — jebe Slnerfennung ift im legten ®runbe nur
benibar ate ein autonomer SKct — unb bie burd^gefül^rte
Slutonomie unterfd^eibet fid^ nur baburd^ t)on bergeioö^n-
lid^en §eteronomie, bafe jene bei jeber einzelnen 2^l^at auf
ein ©elbftgetoollte^ gurüdEge^t, bagegen biefe ftd^ ein für
allemal fernerer aSBal^lentf Reibung begibt; jene pxü^t in
jebem eingelnen %aUe ba^ eigene SBoIIen, biefe nur einmal
mit ber grage: bift bu bereit, ben SEBillen be§ anbern afe
für bid^ beftimmenb anjuerfennen unb bemgemftfe atte üon
bort auögel^enben (emanirenben) ©injelforberungen (Oebote
unb aSerbote) aU ^ni)alt beine^ eigenen SBoIIen^ gu be-
trachten? 35ieg ift bie „fittlic^e gfrei^eit", üon toeld^er bie
250 S)ie Sntputabilitdtdftage unb baS iIRobiftcabaitAtöt)Toblem,
SRationaliflm fo t)iel SBefen« mad^ten aU fic toäl^ntm, mit
einem SB orte (tt)ie e^ „fid^ jur redeten Seit einftettt, too
SB e griffe feilten '0 ^^ SßJibetf^Jtuc^ jtoifd^en ber auf tl^e^
iftifd^em ©tanbj)unft unentrinnbaren ©eD&filoftgfeit bei8
,,®efd^ö»)fe«" unb bem obfoluten göttlid^en ©efefee gelöft ju
i^aben. 35icfer einmalige ©elbftt)erj)fßcl^tung^act, bie^ ni^t ^
un^^affenb atö eine Oeneralrenunciation be^ inbiüibuellen
SBotten^, atö ein SSerji^t beffelben auf fid^ felber §u be*
gei^nenbe sacramentum lägt ft^ einerfeitd in ^araQele
ftetten ju bem ©a|e ®ä)optnf)aun*^: bem in bie ßrfd^ei^
nung getretenen SBiUen blieb nur eine aRöglid^Mt, feine*
intettigible greil^eit ju betl^ätigen : bie ©elbftöerneinung —
mad^t e^ anbererfeitig aber aud^ erHärlid^, toarum bie in
ber ^eteronomie am toeiteften gel^enbe ©onfeffion, bie fa^
t^olifd^e, bem ©elübbe in il^rem SWoralf^fiem eine fo
l^ertjorragenbe ©tette einräumte ; benn jebe^ ©elübbe ifl bie
5B5ieberl^oIung eine^, jenem ganj gleid^artigen, 9lenuncia-
tion^acte^ auf bie ©elbftbefiimmung in ber S^funft: ber
©rfüttung be^ Oelübbe^ mufe jjebe anbere Sftüdfid^t nad^^
ftel^en, jum boraug foH jebe ©ottifion ber Steigungen ab-
gefd^nitten: ein für affemal foff ber Äamj)f toiber bie VLn^
feuf^l^eit ober bie S^runffud^t ober bie 6rtoerblufi abge^
tl^an fein. "S^txQtütd ift leidet }u erfennen: berjenige, ber
ein ©elübbe leiflet, lüiff fid^ gegen ftd^ felber geiüifferma^en
fid^.erfteffen: bai^ ©etoiffen, fürd^tet er, toürbe ber ©injet
fünbe nid^t loiberftel^en lönnen, fo foff ein mä^tigere^ aRo^
tit) e^ in SBanbe legen: bie gurd^t üor ber S^obfünbe be^
©ibbrud^g. 35affelbe ift bie Intention eine^ j[eben, ber pd^
einen ^romifforifd^en @ib ablegen läfet: er traut ber Äraft
ber 2;reue für ftd^ äff ein nid^t red^t; i^r foff ein toirffa=
merer 3ö:^ä^8 angelegt ioerben, ber @ib ate ein SBän^
bigung^mittel für äffe Oelüfte be^ Ungel^orfam^ bienen,*)
1
*) Senn aber bon btcfer @citc Bctrad^tet jener ©aron ted^t ju
^aBen fci^etnt, ber feinen ftatl^olictdmud aU bie ,,bequemere" 9teßgton
ni^t anfgeBen ntod^te, fo fragt ed \i^ hodf audf toieber, oB in Ofxtx
Sortfetung« Slutonomie aU SBoraudfe^ung jebet IgntputabKitdt. 251
3Bai$ (Stffil unb @tfal^tung i^ierju fagen, ge^t und nur
an, fofem bie 6l^ataftcrolDgie einer ungered^ten SSer«
9{ed^tferttpngdlel^re e« bie itatifoixUn ntd^t firenger nehmen aU bie
Sutl^eraner, meldte in jiebem ^ugenbttcf ber ^nfed^tung recurrireit auf
ben biegen (^taubendact, ber ,,bie ®nabe i^6f aneignen'' foS; biefe
fürd^ten aUgu ängfllid^ , ed fönne eine ,r@e(bfigereci^ttgleit'' auflommeit
in bem SBo^Igefallen an ben eigenen Kerlen (bgt. für biefe 9uf«
faffung a* ®* Xifotnd, Sij^re ton ber @ünbe, 6. ^uf(., @. 134).
^ber ein fpld^ed toirb f(^on ausbleiben, tpenn u>ir((ici^ einmal tiefet
@d^ulbbett>ugtfein lebenbig geioorben ifi ; ba mug bietmel^r, bamtt bie
©eioigl^eit bon ber ,, ^erfbl^nung " nid^t allgu bequemen Kaufes gum
9iu]^e))o(fler gemidbraut^t toerbe, toirllid^ immer tpieber t)on neuem
bi9 )ur bergagtefien 3^v^nirfd^ung ba9 3nnefein einer ^elbflbejial^ung
enoad^en. 92ur fo, b. b* ^^^^ mt;tbifd^en 2)ecoration entHeibet, ifat
bie ^erföbnnngSlebre — als ^erbeigung, ha^ bad arbeiten an fid^
fefber nid^t öergeblid^ bleiben fotte — einen @inn, unb mit biefer
m^tbologifd^en ä^afd^inerie fSSt jenes bequeme ©id^befc^toid^tigen,
toeld^ed fid^ t)on ber ^orberung „guter SBerfe'' am (iebfien gang ent«
bittben mdd^te. „^a9 Sunber ifl bed ®kuben« lieble« ^nb'' fagt
®oetbe; ba6 :t>auUnifd^4utberifd^e S^nf^entbum febrt ha9 um: ber
®ater be« ©laubenö i|i taö SBunber — benn ber ©laube felbji i|i
ein ^unber (ober toie (Srnfi bon J^eud^terdleben ed audbrüdt:
3)er (^Itmbe ifl he9 ®lanUn9 $tei« —
S)er Stoeifel felbfl ifi fein fdetotiS),
ein ^tnaudf)}ringen über aKen (Saufalgufammenbang, ein iRegiren ber
9fiotbtoenbigfeit alle« ©efd^ebenben — benn obne ein Söunber im 3n*
nem glaubt man nid^t an ^unber — andf nid^t an bie iD^Bglid^feit
ber ^illendioerneinung unb ber bamit gegebenen S^ilgung ber @d^u(b
unb ber @ünbe; — ber Q^tanU bicran aber ifl ba« eigentlid^e @enf*
lom ber (Sriöfung unb ©etbfiberfdbnung , tporin aKein ber griebe
ifl. Seber mug fd^tießftd^ in unb — eö fei (übn b^auSgefagtl —
aud^ burd^ fid^ fetber feUg tperben, b. b* feinen ^eelenfrieben ftnben
— ed tann ibm niemanb ba« bormad^en, unb 9tece)>te laffen ftd^ ha»
für aud^ nid^t geben. Senn aber gur ^rlöfung nur bie confequente
^elbflbemeinung fübrt, fo ifl jiebe ^elbflbejabung , burd^ loeld^e jene
unterbrod^en n^irb, ein ^üd\(ffxxtt, toeld^er bon fd^on erobertem ^er»
rain n>ieber etmad einbüßt, f^reilid^ fragt f!d^*«, ob nid^t ha9 ffyhtnt
$emb ber ©ered^tigfeif' mancherlei ©d^nitt f^at — ob e« uniform
fein muffe für alle, ober aud^ bon ibm gelte:
«ine« f(^i(ft m nm fflt aSe,
@el^e ieber, toie er'« treiBe!
— unb babei !ann bod^ gar toobt befleben bleiben: „^9 flnb mand^erlei
C^aben, aber e« ifl (Sin ®eifl!''
252 S)ie dmputabiUtdtdfrage unb bad aRobi{tcabilit&tdt)robUnt.
urtJ^eilung üorjubeugen f)at: bie eine ^pxi6}t t)on untoür^
biger Ueberlifiung, bie anbete confiatirt bie götberung,
öjeld^e au^ fold^en Ueberfj)annungen einem ber ßajl^eit
nal^e fommenben, toegen ber öffentlid^en SJemoralifation
i^öd^fi bebenüid^en, Satitubinari^mu^ jutoäd^fi; benn ba«
„eg fann ja fo genau nid^t barauf anfommen", unb „buci^=
ftäbli^ lÄfet eg fid^ ja unmöglid^ l^alten" ift nirgenb^ mel^r
ju ^aufe atö in ©ad^en ber ©elüfcbe unb :^)romifforifd^en
©ibe. . ®em entfijjred^enb red^net e§ bie immanent-autonome
etl^if einem griebri^ bem ©d^önen fo l^od^ ate „35eutf^e
Streue" an, bafe er fid^ feiner SBer^)Pi^tung nid^t burd^
ben 5ßaj)fi toottte entbinben laffen. 2ln fid^ bagegen ift e^
bie folgerid^tige äuffaffung ber fittlid;en aSert)fCid^tung aU
einer bloßen ßontract^^jflid^t, bafe eine Swf^^g^ f^^^P ober
burd^ feinen Seöottmäd^tigten („©tetttjertreter") ber löfen
fann, toeld^em fie gegeben ift — unb loo atte^ atö „©e^
^orfam gegen ©Ott" geforbert lüirb, ba l^ört ba^ SRed^t,
lt)eld^e§ SKenfd^en aU SKenfd^en wn 3Wenfd^en ertoorben
l^aben, auf, eine anbere afö inbirecte, abgeleitete ©eltung
ju ^aben. ©o gel^t e^ bei 35ante ju, unb fo toerl^ält fid^
ber fatl^olifd^e ßaie ju feinem Älerifer, toenn er äße feine
Scxu^d biefem tjorträgt, lt)ie ber juriftifd^e Saie afe ßlient
feinem 2lntt)alt: er beauftragt biefen — toeil er f eiber be^
©efe^eS unb feiner gormein unfunbig ift — mit ber S3e?
reinigung feiner SÄngelegenl^eit t>or bem l^öd^ften S^ribunal,
it)ofür er bann feine ©ebül^ren erlegt — bie fliegen in ben
gi^cu^ jene^ ©taat^, ber in Snquifitoren unb ^e^errid^tern
aud^ be^ ^ppaxat^ ber ©^fot)l^anten unb gel^eimen ^ßolijei
nid^t entbel^rt.
35ie befonbere Slnioenbung aber auf bie 3mij3Utabili=
tät^frage ift lei^t gemad^t: tt)er ein ©elübbe l^ält, ober
toer fonft irgenbeine öon aufeen ftammenbe ®efe|gebung
auf fid^ anioenben ju laffen fojufagen en bloc fi^ bereit
erHärt, ber l^at fortan nur einen SBiffen^inl^alt, unb jebe
feiner ^anblungen ftel^t allein no^ gu jenem oberften ©e=
fefee in einer birecten 33ejie^ung; alle feine einzelnen
gortfejung. Autonomie ate SorauSfeJung jebct Simputabilität. 253
^ßfßd^^ten erimnt et nur an ali5 fecunbäre ©ertoationen
an^ jener einen Ur^^ftid^t, unb au^fd^Ue^Ud^ nad^ ber 5Creue
gegen biefe ift all fein 2:i^un unb Saffen ju bemeffen, —
S)amit iDäre confequentermafeen bem Sntereffe an jeber
inbiöibualifirenben ßl^arafterologie ber ©araug gemad^t,
benn e^ gäbe nur ein fd^n)arj^nmfeeg Aut-Aut, in bag
alle et^ifd^en S)ifferen5en fijjurlog öerfänfen. Wjo f^on
na^ ber Slutonomie unferer aSBiffenfd^aft muffen toir jurüÄ^
treten auf ben ©tanb^^unft ber reinen Slutonomie — eben
um bie etl^ifd^e Sebeutfamleit ber iganblungen unb il^re
3ured^enbarleit ju retten, ^enn nur fo entgelten toir
aud^i jener ©fej)fig , ioeld^e eg mit ber et^if^en SBebeutung
ber $anblungen mad^t toie jener ^rft mit bem Slbel, ber
il^n baburd^ in feinen 9?eid^en abfd^affte, bat ^^ ^^e feine
Untertl^anen abelte. — ©o nämlid^ berfäl^rt jene Sonfe^:
quenjenmad^erei , bie ftd^ in einer Sd^Iufefolge tt)ie biefer
ergel^t: bie etl^ifd^e Sebeutung ber ^anblungen liegt in
ibrer metajjl^^fifd^en 9?ealität im SBiffen — irgenbioie
ftammt nad^ ©d^o!t)en^auer Sitten toa^ ifl unb gef^iel^t
au^ bem SBitten — alfo ejiftirt fein Unterfd^ieb jtbifd^en
SRaturereigniffen (tool^ltl^ätigen ober berberblid^en), SSBirs
fungen au^ ber ?Pftanjentoelt (näl^renben ober giftigen),
bem J^l^un ber S^l^iere, ber ©äuglinge, ber SBal^nfinnigen,
ber Unbefonnenen, ber mit Harflem ©elbftbeioufetfein igan^
beinben: biefe fämmtlid^en SSorgftnge finb in Slnfel^ung
be^ 2lII=®inen, be§ UrttjiUenö, gleid^ imj)utabel unb jlDar
in utramque partem, — entioeber finb fie alle et^ifd^ be*
beutfam, ober feine! Unb man merlt fd^on, für n)eld^e
biefer SKternatiöen ein fo argumentirenber ©feiptici^mu^
jid^ im ftitten längjl entfd^ieben: er abelt äße au^ anti^^
arifiofrotifd^en S^enbenjen.
©old^er 3lit)ettirung gegenüber nun tooffen toir banad^
forfd^en, toa^ ei5 für einen Sinn l^abe, t)on ber „Unfd^ulb"
ber alliiere unb Äinber }u reben, mit bem SSoIfömunbe ju
f agen : toer f d^Iäft, fünbigt nid^t — ober mit bem Griminal^
rid^ter: ber gnculpat befanb fid^ im Swft^^«^^ befd^ränfter
254 Sie ^m^utabilitatöfcade iinb ba§ iBtobtflcabaitdt^probleitt.
3urcd^nuttgSfäl^tgfeit, ober: ha& gefd^e^me Unglüd toax
bur^au^ nid^t feine ©c^ulb, ein bloßer S^ftttt^ i^^fe ^^
getobe ü^m paf jtren mufete (ettea einem ©ifenbal^njugfül^ter,
ba^ ftd^ gerabe toä^tenb feiner SHenflgeit einer auf bie
©d^ienen toarf).
SBie nal^e ©d^o^^eni^auer fetter an jene« aSertoifd^en
atter Unterfd^iebe jireift, jeigt unter anbern bie ©teile in
,,®ie beiben ®runbi)robIeme ber ©tl^il" (2. Stuflv ©• 60 fg.),
n)o er ba^ „ber ©d^ulb toertoanbte ©efü^I beg Piaculum"
in 3ufÄwmenl^ang bringt mit ber ^rftesiftentietten Urfd^ulb,
flatt eg unter ben öeif^^ielen bon ber SCrüglid^leit be^ ®e*
tt)iffen^ aufzuführen ; benn liegt bie grei^eit in bem ©inne
gonj im intettigibeln Esse, bafe e« nur eine, bie J)räesiften::
tiette ©d)ulb gibt, fo finb bie ^anblungen ber SOBa^nftn^
nigen minbeften^ ebenfo vollgültige 6l^arafterf^m|)tome toie
piacula ber ertoäi^nten Slrt, unb bann gibt e^ leine 3iet=
tung t)or bem in delirio veritas nad^ feiner l^aarjlrÄubenb^
fien ©d^ftrfe.
SBotten toir bemnad^ an bem anbern ©a|e fefil^alten:
bie ©d^ulb reid^t nid^t loeiter ate baö Setoufetfein, fo
muffen toir jenen neuem Seigrem ber 5pf^d^iatrie beitreten,
loeld^e bag einzige fiid^l^altige, aber audg^ ööHig au^reid^enbe
Äriterium ber sanitas mentis in bie gäi^igleit fefeen, „auf
ba^ eigene ®enlen ju reflectiren unb fo beffen 3nl^alt ju
^prüfen", fomit aud^ be^ eigenen Äranffein^ ober Äranfc
getoefenfein^ berufet ju toerben unb ben Unterfd^ieb gwifd^ien
ber normalen unb geftörten gunctionirung^toeife be^ ©enlenS
fid^ borl^alten gu fönnen — (nid^t anberig, loie einer „bei
lEaltem Slute" loei^, loann er im Slffect gel^anbelt ^at,
tt>&l^renb niemanb in bem äugenbßdt, loo er von einem
äffect bel^errfd^t loirb, ftd^ fagen laffen toiH, bafe feine
„inteHectuette grei^eit" momentan gel^emmt fei). 3m
@runbe fättt ba^ ja jufammen mit ©d(foj)enl5fauer'Ä ®efi=
nition loon ber SSemunft afö bem SBermögen ber Segriffe
unb loon ben Segriffen afö ben SSorfiellungen üon
SJorfteUungen. Slber nur ein Qntettect, ber fo getoiffer?
gortfcjung. SBunfd^, SSeßeität, ©titntnung. 255
mafeen leintet fid^ fetter ju treten ijemtag, toirb aud^ fftl^ig
fein, ben ^f)alt feinet betou^ten SBotten« objectit) *>or jld^
i^finjufteffen — unb t)on bief er %&ffXQMt mad^te ja bie obige
93eftimmung beS SBefen^ ber Slutonomie bie 3tnj)utabilität
abl^ängig. SBie man gefagt l^at: aud^ ba8 %f)m benft,
ober nur ber SWenfd^ toeife benfenb, ba^ er benit, unb:
aud^ ba§ Xf)itx toill effen, aber nur ber 3Wenfd^ toeijs, bafe
er effen toitt; fo fann man gleid^falliB fagen: aud^ ba^ SJ^ier
^anbelt egoifiifd^, boSi^aft ober mitleibig, aber nur ber
SUlenfd^ toeijs, loie er l^anbelt — unb bief er Unterfd^ieb
jtotfd^en 2!]^ier unb 51Kenfd^ ifi fojufagen ber ©i| ber Sluto^:
nomie, ber ©elbfiberantloortlid^feit, unb bamtt ber SSer::
anttoortlid^feit t)or anbem, i. e. ber 3m:^)utabilitat.
©0 bleibt*^ benn \t>a\}x: ba§ Xf)m ifl unfd^ulbig unb
ber 9Renfd^ nid^t fd^ulbig, foioeit tl^eitoeife (tote im ©d^Iaf,
Siaufd^ unb SBal^nfinn) ober gonj (beim Piaculum) ba^
93ete)u^tfein um ben toirHid^en ^nl^alt feinet Xffun^ ge^
bunben ifl.
20. ^ottfe^ung. mn% ^tUtität, @ttmmung (mit noc^--
maliger SBeriitfficdttgung itS ipofob^mfd^en @Iementd).
83Ba§ eg bann anbererfeit^ mit bem ©a|e für eine
S3eloanbtni^ l^abe: nur au^ unferm ^un lernen loir unfer
SBoHen fennen — ift fo fd^toer nid^t au8jumad^en. S)aS
ffiilemma fd^eint unlösbarer, atö eS ift. ©d^on öor ber
SuSfül^rung einer 2;i^at Wnnen loir fe^r tool^I toiffen, loaS
loir eigentli^ looffen, ob eigene« ober frembe« SBol^l ober
aSel^e; nur bie ©renjen ber einjelnen ©trebungen im
©offiftoni^falle lernen loir erjlimißanbeln, bejieJ^ungSloeife
nad^ bemfelben fennen. ©eSi^alb legt j. 83. ©d^o:^)enl^auer
bem bloßen SBunfd^e nur eine fo geringe S3ebeutung für
bie etl^ifd^e SSeurtl^eilung bei, ol^ne jebod^ in ber SBe=
grünbung biefer ©nfd^ränlung ju genügen. SBenn §. 85.
ein ^Patriot ben lebl^aften SBunfd^ ^egt, ber SSebrüder
256 2)ie Sm^utabUitAtSfrage unb ba§ SlobtficabiKtAtöproblem.
feinet SBatcrlanbc« möge balb fo ober fo feinen S^ob fin=
ben: Jo fielet ein fold^er SBunfd^ ju bem ettoaigen QnU
fd^lufe, fetter biefen 5Cob l^erbeijufü^ren, nid^t einmal im
äSerl^ältnig ber fogenannten SSeQeität ^iefe n&nüiäf bleibt
im innern Slnlauf ftel^en unb toirb burd^ ©nergielofigleit,
geigl^eit ober bergleid^en obgel^alten, toeiter ju ge^en — fie
fa^ taud^ fd^on bie SWittel in3 Sluge: ber blofee SBunfd^ ba-
gegen jielt nur auf ba^ ©nbe. 35e§l^alb beftel^en aSünfd^e
fort beim boDen SBetou^tfein um bie Unmdglid^!eit i^re^
erfüffttoerben^, lüie in ber ©el^nfud^t nad^ aSerfiorbenen.
gerner berul^t bie Unfid^er^eit ber ©elbflerfenntnife in
etl^ifd^er ^infid^t auf bem SBed^fel ber ©timmung: iben^
tifd^e 9Kotit)e toirlen ju öerfd^iebenen S^ten mit ungleit^em
SWad^tgrabe auf baffelbe 3>nbit)ibuum — unb toa« mid^
jjieute jiemlid^ lalt läfet, lann mid^ morgen in l^eftigen
3om t)erfefeen.
3ene^ t)ielt)erfd^lungene Qneinanber t)on ©efü^len,
aOBillen^firebungen, SRertjenjuftänben, ©rinnerung^momenten
u. f. f., lüeld^e^ lüir „Stimmung" nennen, l^at ja feine
©^non^ma an ^Begriffen toie „Oemütl^^öerfaffung" unb
„®emütl^3juftänbe", unb gel^ört infofem in unfere mono=
grajjl^ifd^e Erörterung ber „2lntinomien be^ Oemütl^^";
aber bie Sejiel^ung beffelben ju Snii^wtabilität unb SWobi-
ficabilität ift eine fo birecte, bafe loir unö fd^on l^ier bem
nid^t entjie^en lönnen, baffelbe in SSetrad^tung ju jiel^en.
3uerft fd^on be^l^alb nid^t, loeil gerabe SlRerfmale ber
©timmung gern ol^ne toeitere^ d^arafterologifd^ t^er^
toenbet loerben. SBer j. 33. gufättig einmal einen ©ufoloS
,,bü fd^led^ter Saune" finbet unb i^n fonft nid^t fennt,
fann bem „fibelen ^au^" grofe Unred^t tl^un unb in bem
3lnaIreontifer lool gar einen S^ron^jünger t)ermutl^en.
Dber toer bei einem 35^^folo^ gerabe in bem Slugenblidt
eintrat, too tben eine fd^loer laftenbe ©orge üon il^m ge^
nommen, ber erjfti^lt öielleid^t, er l^abe eine fanguinift^e
„grol^natur" fennen gelernt. Slber nid^t blo^ in po]oh\)'
nifd^er ^infid^t !ann bie „©timmung" irreleiten, ©er ftd^
gortfc^ung. SBunW, Settcit&t, Stimmung. 257
unter unJ^cimlid^en SBerJ^ftltniffen, bie gerabe feinem offe^
nen, freimüt^igen SBefen grünblid^fit jutoiber ftnb, beengt
fül^lt unb beöl^att big oben „iugefnöi)ft" bafiel^t: ber läuft
©efal^r, für einen ^eimtüder angefel^en ju toerben. Unb
•uttigefel^rt : ber fonfl Sßerfd^loffene !ann ju ttjol^rer SReb-
feligfeit „auft^auen" im Greife „gleid^geftimmter" ^eunbe,
toeil au^ feiner Stimmung ba§ büftere SKiStrauen getoid^en.
SBer gegen gettjiffe 5ßerfonen eint ibiof^nfeatifd^e Sltjerfton
^at, ber tpirb fd^on \>m6) berett blofee ^3lnn)efenl^eit „tjer-
jHmmt", unb fein ganje^ SBefen n)irb in i^rer 9läl^e eine
getoijfe ißerbigfeit annehmen, ganj entgegen fonftiger SWilbe
unb greunblid^feit; — ja, fo fel^r !ann eg il^m toiberftel^en,
mit il^nen „an bemfelben ©trang ju jiel^e^", bafe er felbfl
ben ©d^ein beg ©igenfinng nid^t meibet , um nur mit il^nen
„nid^t^ JU tl^un ju l^aben", mit il^nen nid^t „^anb in
ißanb geilen ju muffen". SRid^t minber fönnen befUmmte
Socafcer^ältniffe eine berartige 3Komentan= ober SpedaU
capvia ^jroöociren, ol^ne ha^ barau^ auf (Sigenfinn ate
conftanteg ßl^araftermerftnal ju fd^Iie^en toäre. 3)aö bloße
Setoujstf ein , fid^ irgenbtoie „gebunben" ju l^aben, fann
brüdenb genug auf einem laflen , um jum beftänbigen 9teij
JU toerben, bafe einer „toiber ben ©tad^el letfe". 3Ran^er
fing erfl an, „nad^ ben SBeiblein um^erjufc^auen", feitbem
er f elbft ein§ l^atte. — ®er ijl noc^ fein l^eu^lerif d^er
©d^leid^er, toer fid^ im befonbem gaUe au^ ganj be=
flimmten 3Kotit)en eine t)orfid^tige Swtüdl^altung auferlegt
— benn biefe befonbem 5Wotit)e, nid^ bie au^ il^rem 6aufal=
jufammenl^ange J^erauSgeriffenen ^l^atfad^en muffen ba^
Äennjeid^en l^ergeben für feinen ßl^arafter. Unb miggün=
füg, ober aud^ nur neibifd^, bürfen toir nid^t gleid^ einen
f dielten, toenn er in 3Komenten ertoad^enber Sitterfeit ob
felbfterfal^rener jiiefmütterlid^er SSel^anblung feiten^ be«
©d^idffate ober ber irbifd^en ©etoaltl^aber fid^ beriefet
äufeert burd^i ben SlnblidE beg „Olüd^" ober ber 33et>or:=
jugung; bie anbem jutl^eil geworben.
gafl nod^ leid^iter unb öfter aber loirb, toie gefagt.
258 3)ie SUnputabititdtöfrage unb ba§ aRobt{tcabiatdtö«)rol)lein.
bie ©tunntung ju einer OueQe ber ^äufd^ung über un^
felbfi — in aRomenten einer „geijiobenen", „begeiflerten"
©timmung, toie ber Slnblid me^ f)of)m SSorbilbe« fie
l^erBeifül^ren fann, too ber 6ble f eiber \t>Sä)nt, ebler ge^
toorben gu fein, toeil er feinem ebeln Streben, e^ an
einem Sbeal emj)orranfenb, l^öl^ere 3^^U>QC^edt l^at, —
bünft eg ung fo leidet, jeber SSerfud^ung SBiberflanb ju
leijlen — bie SBorfteffung unmittelbarer 9?eije ift au§ un==
ferm Setoufetfein gebrängt, toir ]püxm nid^tö bon il^rer
loerlodenben Äraft — e^ fd^eint fo felbftöerflänblid^, ba^
tt)ir il^nen fortan toeit au^ bem SBege gelten*); — aBein:
(Sng ijl bic Scft, unb ba« ©e^irn ip tocit
Seid^t beieinanber tool^nen bie (S^ebanlen,
jDod^ ^art im 9{aume flogen fid^ bie ©ad^en.
Unb in beren Oebränge fönnen tt)ir b^ eigenen SBertl^
toie jerquetfd^t fül^Ien — mit nid^t Heinerm Qrrt^um aU
ieneö. 3n fold^ „fd^toarjen ©tunben", too S)ftmonen ber
§öBe fräd^jenb ba§ $auj)t umflattern, fd^eint jebe eblere
giegung erftorben, unb toieber ift'g bie Stimmung, bie „ben
SRiefenfd^atten unfrer eigenen ©d^reden im l^o^Ien ©i^iegel
ber ©etoiffen^angft" un^ öorl^ält. Unb toa^ aud^ al^ con=^
ftituirenbeS ©lement in bie ©timmung mag eingegangen
fein an S3ebingungen be^ j)l^^fif^en Sefinben^, an narfo-
tifd^en ober ftimuHrenben, an bäm^^fenben ober eEcitiren-
ben 3KitteIn: immer bleibt fie boc^ in Slnfel^ung il^rer
SBebeutfamfeit für bie 3m!putabilität unb aSerantlüortlid^feit
ju unterfd^eiben bom bloßen „ gegenn)ärtigen ©inbrud".
*) ^ndf iener Siebüng^gebanfe ^^iUer^d, ben er am audfü^r«
tid^flen in ben ,, Briefen über bit äf!(;etifd^e (Srgiebung bed ST^enfcl^en^
gef(i(Ud^td'' enhDicfeU l^at , Berul^t ja auf biefer ^a^me^mung, toie ni(]^t
mtnber bie3)eutun0, toeldjc man bem arifiotelifdjen begriff ber xaSapat?
gegeben, bid e6 in unfern Sagen bem ©d^arffinn eines Semiten
(üBernat;^) Vorbehalten toar, ben @treit gu erloedfen, ob babei nid^t
btod an einen :|}]^)^ftfd^<>tbera:|}eutifci^en Vorgang gu benfen fei*
^ottfe^mtg. SBunfd^, 9}eaeitdt, ehminung« 259
todd^em fie &6)0pmf}auct 0,®te aOBett atö SEBille unb SSotfiet
lung", 3* 2luP., I, 354; 2. aufl., ©. 338) cinfad^ fubfumirt.
3?od^ toeniget al^ bon ©^^frafien im Dtgontörnu^ ober öon
Seränberungen ber aRu^feltejtur läfet fid^ t)on i^t befiteiten,
bafe fie ein S^fi^nb be^ SBoffeng f elbet fei. Offenbar f}at an6)
bie ©d^eu, ber a3e^auj)tung öon ber unbebingten Smmos
bificabilität ber etl^ifd^en ©genfd^aften ettoa^ ju vergeben,
©d^oipenl^auer babon jurüdgel^alten, in t)ofob^nifd^er SBe-
jiel^ung mit gleid^er ©ntfd^iebenl^eit für bie Unt)eränberlid^feit
einzutreten; be^l^alb fijjrid^t er (a. a. D., ©. 372 fg.; 2. Slufl*,
©. 356 fgO nur t)on einer temj)orär feftftel^enben ©a^^a-
cität, nid^t t)on einer abfoluten ßonfianj berfelben. Slber
e^ ifi reine SBifffür, bem einen d^arafterologifd^en ®lement
mel^r t)om intettigibeln SBefen beizulegen aU bem anbern
— benn nad^ ber 5ßl^änomenoIogie be§ ^bealiMu^ ift aud^
bie etl^ifd^e ©eite be^ em^jirifd^en ßj^aralter^ blo^e ©r-
fd^einung ( — ein ©a|, bejfen anbertoeitige Gonfequenzen
nid^t in biefen 3«f<^tt^«^^J^^öng gei^ören). — Unb toenn
„ber frembe 2^roi)fen im Slute", t)on bem ®gmont ttjünfd^t,
ba^ bie „gute SRatur il^n toieber l^erau^toerfen" möge, bie
©rfd^einung ber ^)ofob^nifd^en ©igenl^eit entfietten fann,
fo aud^ bie Sleufeerungen be^ etl^ifd^en ßl^arafter^; toenn
aber an jener mel^r aU ba^ ©rfd^einung^mafe, fp aud^
an biefem mel^r atö bie Sleufeerung^form. aWit gutem
aSorbebad^t l^abe id^ bie ^pofob^nif in ben bie „©runbjüge"
liefemben allgemeinen 2;i^eil aufgenommen unb mid^ l^in=
it>eggefe|t über bie Unentfd^ieben^eit be^ 3Weifterg, toeld^e
auf tl^eoretifd^em gelbe eine Unbeflimmtl^eit jur golge
l^aben ioürbe, bie für ba§ j)ofob^nifd^e Clement blo^ beim
SWobificabilität^^roblem einen 5ßla| einräumen fönnte, too-
gegen id^ baffelbe t)on Slnfang an in feiner ©elbftänbig^
leit J^erau^geftettt l^abe.
S)a§ ift ja gerabe ber Unterfd^ieb gtpifd^en ber „öor=
überge^enben" Stimmung unb bem fid^ gleid^ bleibenben
9Rafe ber 35^^!olie ober ®ufoIie, ba^ biefem, nad^ jebem
SBe^fel in jener, ftet« toieber hervortritt. %empox&x^
17*
260 2)ie dm^utobUitdtöfra^e unb bad flobtflcaUtttdtöptoblem.
,,©teigetuttgen" ber l^eitem ober trä6en Stimmung ftdlen
ja ni^t We ^jofob^nifd^e ©onflanj in %xaQt, toenn Wefe
nur rid^tig t^erflonben toirb. SBie je nad^ bem älfftnitfttö-
grabe ein d^emifd^ei^ Clement fid^ mit einem anbem leb-
l^after ober trftger berbinbet, fo toirb ber Qnbibibuatoiffe
bie SntenfttÄt be^ üoraufgegangenen SSerlangen^ in bem
9Ra^e feiner greube beim ©riangen, bie be» vorauf ge=
gongenen Sefriebigt^ unb ©efättigtfein« bur^ ein mit
flarfer SBal^toertoanbtfd^ft bon i^m geftgel^alteneg in bem
®rabe feiner SJrauer beim SSerlieren funbgeben — ober
ceteris paribus, b. f). unter fonfi gleid^en Unifiänben loirb
eben ber ©ufoloö fi^ anber^ benel^men atö ber S)l^^!oIo^.
Unb nur baffelbe SWi^öerftftnbnife fönnte ju ber Stnnol^me
herleiten, bie l^öd^jle ^eube be^ ®^^foIoig fei aUemal Joe*
niger intenfib aU ba^ ^öd^fie ergö|en beg eufolo« —
ober ber tieffie ©d^merj eineö ©ufolo^ matter ote ber je^
be^ beliebigen SJ^^foIo^. — Se|tere^ rid^tet fid^ t>ielmel^r
nad^ bem Orabe feiner SBiUen^energie überl^auj)t in SSer^
binbung mit feiner Xemi^jeramentSbefd^affenl^eit im ganjen,
toie in^befonbere feiner 3mj)ref fionabilität , bie ja bü tm
gelnen hM^Skou; ganj flad^ fein !ann. Stlfo gerabe bie
fc^ftrfere unb confequentere ?5ajfung beö ijjofob^nifd^en ®e-
genfa|e§ enthebt unS ber ©d^toierig!eit, ein unbegreifliche^
^lu^ patuiren ju muffen, ba0 für einen Slugenblidf loie
ein d^emifd^ed 3lgend toirlen unb bod^ nad^l^er toie ein bloiS
me(^anifd(ieiS ®emengfelftüdt auögefto^en toerben fönnte.
®enn bie ^age nad^ bem SBol^er? be§ 2:emt)orftren lä^t
ftd^ nur bann im monifüfd^en ©inne beantworten, ioenn
loir ba^jenige, toa^ ate abfolute Steigerung erfd^eint, au^
einer ganj im 3nnem bor fl^ ge^enben Slenberung ber
?ßroj)ortionatoeri^aitniffe jtoifd^ien ben einzelnen Organ-
functionen ju erflfiren fud^en — fotoie eine fold^e oben
atö Qn^ unb 3lbflu^, inSbefonbere beimSlffect, bon unö
beflimmt ifi. ®ie annähme eines öon aufeen fommenben
3Roment« einer SIenberung i^ftlt freilid^ fold^ borübw-
gel^enbe Störungen („^ßerturbationen'O bes ®leid^gert>id^ts
gortfelung, SBunf(i&, SSeacität, ©timmung. 261
bcm SÄnfid^ fd^ einbat ferner — aber nur, um anberer=:
feitö in bejio größere Unerttfirlid^feit ju öertoideln. ®e:=
robe öoenn n>ir bem näd^ften SWfd^n folgen, fielet e^ au^,
atö ob unfer ganje^ SSBefen geitöjeilig in gorm ber ©tints
muttg eine rabicale SSeränberung erfal^ren I^Ätte, unb jtoar
burd^ ein äccibenteHe^ , ba^ fid^ toieber au^fto^en, au^-
fd^eiben liefee. älfo immer loieber ^aben n)ir ung t)or ben
3Ri^öerftänbniffen ju lauten, bie au^ jener ipomon^mie ent-
fiteljfen lönnen, nad^ toeld^er SKobificabilität balb eine rein
|)l^*änomenale SBeränberli^leit, balb eine grunbtoefentlid^e
Slenberung^möglid^feit au^brüdt — benn je nad^ ber einen
ober anbem »ebeutung beg SBortö ifl bie grage ju be=
jjal^en ober ju t)erneinen, ob ber ©timmung^toed^fel für bie
SWobificabilitdt jeuge. Slud^ tfir leugnen, bieg bemeinenb,
nid^t, ba^ bie äußern aWotiöe, unter beren ^errfd^aft bie
Stimmung fielet, im aBitten felber aSeränberungen i^erbor-
rufen — toir ftetten nur in Slbrebe, bafe ber aSBitte bamit
fojufagen ein materiette^ Quantum in ftd^ aufnel^me; ber
3om lommt nid^t in ben SJienfd^en l^inein, aud^ bie Siebe
nid^t, ober bie SBerbrie^lid^feit, fonbem nur ber Slnlafe,
njeld^er in bem ©etriebe ber fo öielfad^ ineinanbergreifenben
aSitten^rid^tungen ein^ ober mel^rere Slläber anberg ju^
einanber ftettt unb fo bie ganje ©rudtoertl^eilung alterirt,
ettoa loie beim SBerfd^ieben ber aßalje in einer ©rel^orgel
nid^t bloö bie ^Reihenfolge unb bie relatit)e ^nibma ber
2;öne, fonbem aud^ ba^ gorte unb ^piano ein anbere^
toirb. (aSenn man alf o auc^ loirf lid^ , tt)ie ba^ 3Rotii) ber
aRafc^inerie, mittete beren bie aßalje ftd^ ftetten läfet, fo
ben ®rjiel^er bem regulirenben Drgelbrel^er öergleid^en toitt :
fo berührt ba^ bod^ bie aSßal^rl^eit be^ ©afeeö nid^t, bafe
biefer fein Snftrument nel^men mufe toie er e^ öorfinbet
unb iljim nid^t jebe beliebige SWelobie entlodten fann; bat^on
gar nid^t ju reben, ba§ bie aSalje aud^ juioeilen eigene
finnig in bie alte £age jurü(!fj)ringtO Unb im Orunbe
toar eg ja aud^ nid^t^ anbere^, ö)a8 ioir oben bei 33e-
f|)red^ung ber SWobificabilitÄt ber jjofob^nifd^en SBeftimmtl^eit
262 ^ie ^mtmtabiUtAtdfra^e unb baS SRobifuttMfitfltd^robUm.
al^ bie SBo^r^eit erfonnten in betn mmiam quod dixit
Hegel übet bie mit bm SebeniSaltem tt>e(^felnben Xtfxiptta^
mettte. Senn bie ^ftdandfolie, mldfct Mn ^mife otid
^eitere Statuten — suxoXot — infolge öön ftummer unb
@tam t^erfaDen lönnen^ ifl ja ^mt ecktet S>^dfolie fo loer-
fd^id)en^ tt>ie bie Sd^eineulolie^ tDeld^er unter momentaner
@unfl beS @(^idfate ober unter ber GintDirlung beS 9Idb=
finnd nrir einen fräl^er aU S^tolo^ uns SSeEannten in-
getoanbt finben, toerfd^ieben ifl ton bem un^erftörbaren
^o^ftnn eines gefunben ßufoloS. Sei ben eblem formen
beS ))^Iegmatif(i^en , anämatifc^en unb* <^o[erif(^en S^em^e^
raments toirb nid^t einmal fold^er &6)m entfielen; toeil
in biefen ber S3eßanb beS ©leic^gen^ic^ts termdge ber ü^nen
vb^ffaitpt inneloo^nenben ^eftigfeit, felbfl ©tbnmgen ber
intettectualen unb |)l^^jiiologif(^en ^nctionen gegenüber,
beffer garantirt ifi. — 3ebe 3Bage aber fd^toanft am fiftrt
ften, loann baS ©leid^getoid^t im öegriff ifl fid^ toieber
^erjuftetten; beStoegen ftnb aud^ bie DfciUationen ber
Stimmung faum je lebl^after ate in ben ^erioben ber
SÄeconbalefcenj (fo fielet man SJrübfinnige auS fd^toerer
Äranfl^eit mit einer an i^nen ganj ungewohnten ^eiterfeit
erftel^en) — unb felbft bie berfd^iebene 9?eigbar!eit in ben
t)erfd^iebenen ©tunben beS 2lageS ift au^ biefem ®efe|e
l^erjuleiten. Äurj: ©d^o^^en^auer l^at red^t: burd^ ©tint:
mungSloed^fel toirb bie ©onftanj bon ßufoHe unb ©^Slolie
nid^t in 3^age gefieHt — aber biefe ©onflanj ifi nid^t eine
jeitloeilige, alfo an fi^ bo^ bariable, fonbem nur baS
aSerl^ältnife beS j^ofob^nifd^en ju anbem ^arafterologifd^en
eiementen ifi SBanblungen untertoorfen — unb aud^ bafür
läfet fid^ ©d^oj)en^auer'S SSerglei^ung mit einem SJeficato::
rium (a.a. D., ©. 374; 2. Slufl., ©. 358) bertoertl^en : bie,,bö=
fen ©ftfte" können fid^ an^ bloßen SJ^^frafien ber im Äör^^er
längfi t)orl^anben getoefenen ©ubftanjen, alfo o^ne ^ingu^
tritt eines Sleugern, gebilbet l^aben— unb nur ein^ bleibt
rÄtl^fell^aft: ber J^ob! 3ft aud^ biefer nur eine 5ßro^)ortionSs
änberung jtoifd^en ben SttWbibualitfttSfunctionen? — ober
Jortf. eintDÜrfc beS aWaterialiämuS in rctrofpcct Hbfc^äjung. 263
ijl ju feiner ®enfbar!ett bie Slnnal^me erforberlid^, e^ j*ei
dn frembe^ SCnfid^ in unfer Sftnfid^ eingebrungen? Dber
jtnb, fd^on t)om 3^ugunggmomente an, ieber Snbibibualität
feinblid^e Sngrebienjen mitgegeben unb einverleibt afö in=
tegrirenbe Seftanbt^eile, unb ift ba§ ©terbenmüffen nid^t^
anbereg ofe ba^ 8ebenggefe|, bafe „fort unb fort fl^
frember ©toff un^ anbrängt", bi^ er, jenen feinblidi^en
®Iementen jutoad^fenb, bie Dberl^anb getoinnt? 2)ann
lie^e fid^, ein SBort ©d^oj)enl^auer*^ öerengemb, fagen: ie=
ber ©timmungöiüed^fel, jeber SCffect, jebe SBeränberung
unfern ^jl^^fifd^en SBefinben^ in deteriorem, ja, fd^on einem
unerfüllbaren SBunfd^e nad^l^ängen, fei ein momentaner
©terbeact unferer Önbitjibualität. (SÄan möge baju ba^
Rccpitd iux ^pat^ologie in „35er SBitte in ber Jlatur" t)er=
gleiten unb in ©riüägung giel^en, ob banad^ ba^ ®ogma
von ber ©inl^eitlid^feit unfern Seibe§ qua inbitjibuetter
3Bitten§erfd^einung aU gerettet ober afö geftürjt erfd^eint.)
2h tifortfe^ung. ^ie (Sintoiirfe itS WtattnaliSmS i»
retrof)iectitier ^bfd^ü^ung.
©0 bringt un^ jebe ©^ecialerörterung innerl^alb biefe^
an ®in}elj)roblemen fo reid^en äbfd^nitt^ jule^t immer
jurüÄ auf bie beiben ©runbfragen nad^ bem SBerl^ältnife
t)on ©ijjeife unb ßeib unb nad^ ber „SBal^rl^eit im 3Ba^n«
finn." Unb e^ toirb bie Unterfud^ung fid^ für nid^t ganj
ergebnislos l^alten bürfen, toenn il^r langfamer %oxtQanQ
auf jeber n)eitern ©tufe aud^ einen l^öl^em ©tanb!punlt unb
bamit ein Umfd^aufelb tjon längern Slabien erreid^t.
S)enn bei ben Slufgaben, meldte baS Unterfd^eibenbe jtoifd^en
mobemer unb antifer 5pi^ilofo!pl^ie auSmad^en, ift jebe fold^e
@rtt)eiterung beS ®efid^tg!reifeS fd^on an fid^ für einen
®en)inn ju ad^ten.
aSBir ernannten bei Setra^tung ber ©timmung bie
j)f^d^ifd^en Sieiae für etioaS, baS nur bie 5proj)ortionen
264 3)ie ^mputabilitätSfrage unb t)a§ aRobificabilttdtgprobtem.
jtoifd^en ben eingelnen ^nctionen änbert; unb bie Srage
Ucgt na^e, ob nid^t ©J)eifen, ©!t)irituofa , Jlarfotifa unb
©timulantia gang ebenfo anjufel^en finb. — aOSenn e^ jid^
nad^toeifen liefee, bafe att biefe 3)inge niemals ju intcgrU
renbcn 2;i^eilen be^ Seibe^ toerben, fonbetn nur aU
^ßaffanten butd^ i^n ^inburd^gel^en, fo todrc bamit eine
bejal^enbe 2lntoort auf biefe grage gegeben. — 3lIIein
fd^on bie Unterfd^eibung ber ^pi^^fiologen jtoifd^en eigenfc
Hd^en 5Kutrimenten unb blofeen 3iicit<ittt^tttcn mal^nt i^ier
jur aSotfid^t — unb ba^ felbjl bie Slgriculturd^emie bie
©renje jtoifd^en biefen beiben aOSirlung^toeifen jugefü^rter
©üngftoffe feftjujiel^en nod^ nid^t im ©tanbe getoefen ift^.
fagt bem ßaien: adhuc sub judice lis est. ®afe e^ aber
aud^ nid^t fiattl^aft ift, ber ©d^mierigfeit etoa mit ber
^^J)Otl^efe ein ®nbe gu mad^en: jebe^ Jlutriment mirfe im
©runbe blo^ aU 3ncitament, ba^ toirb fd^on beriefen
burd^ bie einfädle S^l^atfad^e be^ organifd^en SGBad^^tl^umö,
n)eld^e^ über ba§ blofee ©rl^alten be^ Seftanbe^ toeit l^inau^:^
gel^t. — Unb biefem fo jiemlid^ gleid^jufefeen fd^eint iu^
näd^ft bie bauernbe SBirfung, fei eg ber Kräftigung ober
3errüttung be§ SKu^fel- unb 5Kerk)enf^ftem^, loeld^e bie
3lufnal^me für reine ^ncitamente angefel^ener ©toffe im
Äörj)er jur ^olge i^at. 3Räfeiger SOSeingenu^ läfet ©tftrfung,
fortgefe^te^ D^)iumeffen ®ntnerk)ung jurüdf. Slber, lie|e
fid^ eintoenben, einfache Säber l^aben ja nac^ ber ®auer
ü^rer 2lj)!t)Iication ober ber Xem:>)eratur be^ SBafferö aud^
fd^on fo entgegengefefete SEBirfungen jur golge , unb in il^nen
gei^t bod^ fein ©toff in ben Äör^er ein — fonbem nur
bie innern a3en)egung§k)erl^ältniffe finb e^ , loeld^e eine aSer=
änberung il^rer ©d^ioingung^folge erleiben — e^ k)ottgie]^t
fid^ alfo aud^ ^ier nur baffelbe ®efe| toic in ber ©timmung*
Sluf bem SBege biefer ©onfequeng bel^ielte e^ alfo fein aSe-
toenben bei ber Slnfd^auung ©d^o^)enl^auer^^, na^ toeld^er
aU jene S)inge nid^t in bie DbjectitÄt be^ 3«bik)ibualtt)iHen^
fetter eingel^en, fonbern, aujser unb neben biefem fielen
bleibenb, feine il^m immanenten Functionen blog nad^ beren
gottf. einmürfe beS aKateriaUSmu^ in tctrofrect. Slbf^ä^ung. 265
gegenfcitigcr 5ßto^ortü)n öeränbem — fie Uejscn fid^ ben
jeittoetligen SettDOJ^nern einer Verberge t^etgleid^en , toeld^e
in beten Innern tool mand^e UmfteUung be^ ^au^getätl^g
öomäl^men, jebod^ an bem 3KobiIiarbefianbe felbet foipenig
U)ie an ben ®ebäuHd^!eiten aU fold^en etoaS änbetten. —
SÄber ber ®m:|3irie !t)l^^fiologifd^:=i)at]^oIogifd^er aSeobad^tung
ijl bod^ ba^ lefete SBort t)or§ubel^aIten barübet , lt)ie toeit
bet 2lffimiIation^^)toce§ bem Dtgani^mu^ tpitllid^ neuen
©toff afö integtitenben %i)til incotjjotitt, bejiel^ung^^
toeife batübet, toiemeit bie ©ectefcenj (bie „ ^nt^oIuHon "
im ©inne bet ^pi^^fiologen) aud^ in einet matetieHen ®ins
bufee folc^et S^l^eile befielet, Unb eine tpitflid^ obiectik)e
Settad^tung^toeife batf fotoenig bie S^l^atfad^e be^ ^m
fd^tt)inben^ in Ätanfl^eit unb 3lltet, mie bie „ftto^enbe
güHe" bet Oefunbl^eit füt leidet beifeitejufd^iebenbe ^f)&'-
nomene, benn ba^ l^iefee: füt bloßen ©d^ein, nid^t füt ®t=
fd^einung, nel^men. 33ei allet Sefd^eibenl^eit in 2lnet!ennung
unfetet SBiffen^fc^tanfe bettep be^ ©el^eimniffe^ bet Se^
ftud^tung fönnen toit bod^ bet 33ebeutung be^ ßi^emi^mu^
innetl^alb bet otganifd^=t>itaIen Functionen nid^t ieben
©J)ieltaum öetfd^Iiejsen ; benn otganif d^e 3KoIecuIen (S^ß^n)
mögen immetl^in toto genere t)om tein d^emifd^en SKtom
t^etfc^ieben fein, fie finb bod^ nid^t benfbat, ol^ne in biefem
ü^t ©ubfttat ju l^aben — unb bleiben, toenn aud^ butd^
bie aSitalität gtunbtoefentlid^ umgetoanbelt, boc^ immet bie
conftituitenben Elemente beö lebenben Dtgani^mu^. Sllfo
biefe Umtoanblung be^ tobten ©toffe^ in ben otganifc^-
lebenbigen koütbe aud^ jut ©tel^ung^ad^fe füt ba§ nn^ i^iet
befd^ftftigenbe ^ßtoblem: benn bie SBitten^meta^jl^^fi! mn^
fid^ t)etmöge il^te^ monifiifd^en ©l^ataftetg an biefem ^punfte
immet unb immet hiebet mit bet matetialiftifd^en ©octtin
betül^ten. Unb auf benfelben Setül^tung^jjunft toetben
it)it jutüdEgefül^tt, tomn n)it un^ nod^matö auf bie pffif-
fifd^=j)atl^ologifd^en „5RefleEe" befinnen, it)eld^e bei ®emütl^«=
betoegungen etfolgen. ®iefe toaten e^ ja, bie in fd^la^
genbftet SBeife bie ^bentitfit motalifd^et unb i^egetatii^et
266 2)ic 3mputabiatätgfragc unb ba« SWobificabiKtätöproblcm.
ober animaUfd^er SWäd^te bart^un. 2luf ganj obflracten
SJorfteUungen bcrul^enbe „©eelcnjufiänbc", toic ©e^nfud^t,
®ram, 3«>nt, äußern ja il^re ©ntoirlung auf organifi^s
(^emifd^c SBorgänge, inbem fte in^befonbere ba§ Serbauung^^-
gefd^äft altcrircn. ©o greifen fie förbemb (Trauer mad^t
befanntlid^ i^ungertg, toäl^renb ^eube fättigt) ober l^emtnenb
in bie 'oitaUn Umtoanblung^^^roceffe ein unb betätigen
i^rerfeitö unfere SlffluEtl^eorie* ©emnad^ brandet am toe=
nigfien bie SRatutpl^ilofojji^ie abjutoeifen, toa^ bie ©rfa^rung
t)on gemiffen 3luggleid^ungen jtoifd^en förj)erlid^er unb gei- '
füger ©ntioidtelung bel^au))tet; toirb t)ielme^r gern aud^ avi^
bem 9Runbe eine^ QEafob ®rimm (in ,,3lebe über ba^
Sllter", „Äleinere ©d^riften", 1, 198) eineSlnerfennung beffen
t)emel^nten: „83ei SJermad^fenen ober fd^on bei ^infenben
mag ber auf i^re innere ©lieberung burd^ ba^ t^eitoeife
igemmnife ausgeübte ®rudt tool in 3wfammen^ang fielen
mit einer angeftrengten unb geftärften ©eijie^fraft, bie pd^
l^äufig an il^nen getoal^ren läfet-" 5Berfrä^)^)eIungen nad^
2lm))utationen jeig^ ja ©rfd^einungen, toeld^e ebenfalls
bag Streben nad^ SBieberJ^erfteUung beg aufgel^obenen
®leid^gen)id^t^ ber gwnctionen nid^t öerfennen laffen, unb
rein med^anifd^e ^nfulte, tüie ©d^nitt, Ouetfd^ung, ®efäfe=
jerreifeung, mobipciren ja, felbft n)o fie bem ©el^im ganj
fem bleiben, jutoeilen bie 9lert)ent^ätigfeit fo grünblid^,
ioie nur irgenbein in d^emifd^en Sfta^^ort jum ©äfteleben
getretene^ 3ngrebien§ (— ber SRame Trismus traumaticus
genüge afe Erinnerung an bie in biefen finftern Stbgrünben
l^aufenben ©d^redten), — SBa^ bie ^patl^ologen 2ltrot>l^ie
unb $9J)ertro^l^ie nennen, ift eine ®Ieid^getoid^t§ftörung
berfelben Strt, toie fie fc^on ba^ alte: ubi irritatio ibi
confluxus au^f^ric^t. — SWirgenb^ läßt fid^ in att biefen
gätten bie fefte ©renje jmifd^en rein intenftöer 2lenberung
ber gwnctionirung^k)erl^Ältnijfe unb ejtenflt) materiellem
3utoa(^i8 jiel^en; um fo toeniger afö aud^ legterer, too er
unjtoeifel^aft t^orliegt, ol^ne eine t)orau^gegangene ®Ui^
gerung ber Slffinität^fräfte nid^t ju begreifen ift. — Dl^ne
gortf. eintöürfc bc« aMaterialiämu« in retrofpect. 3tbf^ätw"9- 267
bie gtunbtoefcntlid^c ©leid^artigfeit mcd^anifd^cr, d^emifd^er
unb organifd^er Gräfte w&xm letale SSetlefeungen ol^ne
SBlutoerlufi, SSergiftungen unb a^jo^^leftifd^e — atö f^)on=
tane ©todtungen ber SeBen^functionen au^fel^enbe — 3^obe§=
urfad^en ebenfo t)tele ®^menti^ für aUe^ auf bem SBoben
ber ©aufalit&t fortfd^reitenbe ©enfen,
©ogar bo^ omne animal triste post coitum ift ]^ier=
l^er in jiei^en unb bon bem ©tanb^)unft au^, ber ©d^ulb
unb SBetoufetfein ju gegenfeitigen ©orrelaten mad^t, nic^t
atö SBeleg für ba§ ^rincip afcetifd^er 2lbftinenj ju ber=
toertl^en — benn fold^e Sll^nung bom Seben^fd^merj in ber
„feuf jenben ©reatur" läfet fid^ nid^t au^ bem ^nftinct l^er=
leiten, toeil eö feine „toibematürlid^en", b. f), feine ber
Seben^bejal^ung toiberjirebenben SnjHncte gibt- SBo nid^t
bie aieflesion e^ ift, bie pd^ fagt, bafe e^ ein beflagen^=
tt)ertl^eö ©reignife fei, „bem S^eufel ^anbgelb gegeben",
ben ba^ ©afein J)er^)etuirenben Änoten nod^ einmal lieber
gefd^ürjt ju l^aben: ba fann jene ®ej)reffion nur ber fub^'
jectibe SRefleE berfelben ®e:>)otenjirung ber Snbibibualfraft
fein, toeld^e in ber fenilen S)ecre^)itubo ju einer I^a6i=
tueHen toirb. (©e^l^alb tt)irb aud^ nid^t jeber ©amen::
ergu^ atö eine „ ©d^tt)äd^ung " em^funben; bie beneficia
lunae fönnen al^ eine „ben Stop^ frei mad^enbe 6rlei(^:=
terung", nämlid^ ebm aU eine tpo^ltl^ätige Slu^gleid^ung,
tt>irfenO Unb bie fo bead^ten^toertl^e Sleufeerung ©^o^en=
^auer'^ im SBriefe an SRofenfranj (toeld^en biefer in ber
aSorrebe jur Slu^gabe ber „Äritif ber reinen SBernunft"
mittl^eilt) über bie beim alternben Äant eingetretene 6l^a=
rafterfd^w&c^e l^at mir bon jel^er ein — man möd^te fagen:
l^alb untoiHfürlid^ erfloffene^ — ©orrectit) fo man^er fiar=
ren ßonfequenjfä^e feinet ©^ftem^ gefc^ienen. siber id^
getraue mir au^, fie in ©inflang fefeen ju fönnen mit
beffen unberlierbarer ©runbtoal^rl^eit. ®erabe tt>em ba^
Seben, bie „©eele", nid^t^ anbere^ ift ate — im ^inne
beö Slrifioteleg — bie gorm — ober — be^^ ©J)inoja —
bie Qbee be^ Seibe^, n)irb e^ für blo^ berfd^iebene 8leu=
268 2)ie 3mputabtlitdtöfrade mt> bad aRobiftcaUIitAtöptoBleiiu
i^etung^meifen beffelben ®efe^e^ l^alten, ba^ ber @rei^
fid^ anbere ßeifcgerid^te au^fu^t atö bcr SWann, unb bajs
jener onbem @runbnu>tit)en folgt ote biefer. SBer ioot
ber 2:i^atfad^e^ ba^ im l^öl^ern SHter ber ©ei) überl^anb-
nimmt, nid^t ratl^Io^ bie Jßftnbe in ben ©d^o^ legt, bem
fann e^ aud^ feine unenttoirrbate Äj>orie frin, bafe mit
ben Sauren ber SWuti^ fd^toinbet. ®er ben Seife bouenbe
ober er^tenbe unb an feinem S^l^eil an ber ©efialtung
be^ 3nbit)ibualfd^i(ffafe mitarbeitenbe aSBiUe ffat je nod^
ben t)erfd^iebenen ßeben^altern anbere il^m junäd^^ oblie=
genbe aufgaben. Slber fotoenig ber Wlam ein onberer
ift, ber ie|t fid^ 3Rotion am ©ägeblodf mad^t unb i)or
einer ©tunbe grübelnb am 5pult ftanb: fotoenig loirb ber
aOBille an fid^ ein anberer, toenn er im ad^ten ^o^rje^nt
ftd^ anbern 33efd^äftigungen unb aRül^etoaltungen innere
unb aujser^alb feinet Drgani^mu^ jutoenbet afe etipa im
t)ierten. S)a toie bort ift, tt>a^ anber^ geworben, nur bie
SBertl^eilung ber Functionen. ®amit löfi fid^ benn aud^
ber aBiberfj)rud^ , ben bie ftarre ßonfequenj ber aSer::
neinung^lel^re nid^t ju lieben vermag: bie 3Röglid^feit ber
9iecibit)e bei begonnener „SKbtoenbung t)om geben", üjeld^e
iSd^oj)enl^auer mit getool^nter (S^rlid^feit (j. 33. beim Sen=
toenuto ßeUini) nid^t t)erfd^toeigt. S)er burd^ bie ©infid^t
in ba^ bem &ebm toefentlid^e Seiben übermdd^tig getoor^
bene SnteHect fann fo gut toie jebe anbere aSBiffen^rid^tung
burd^ anbertoeitige SRotiöe mm Slbflufe erleiben, infolge
beffen il^m jene Uebermad^t jeittt)eilig ober bauemb toieber
entjogen toirb.
®er „entnervte" Süftling l^at fo ijiel mit ber SRegene-
ration ber „t)ergeubeten" Äraft gu tl^un, bafe il^m fein
Ueberfd^ufe bi^ponibd bleibt, mit toeld^em er in unge^
fd&ioäd^ter ©j)ontaneität nad^ aufeen ju toirfen bermöd^te
— fo feigen toir au^ bem einft bel^erjten Qüngling eine
feige, „tt)el^leibige" SWemme getoörben. ©affelbe gilt \>on
jlebem in Ue^jjigfeit t)erh)eid^lid^ten SSolfe, fei e^ ba§
©^lemmerei, 2lj)l^robifien ober ber „Suju^ be^ ®eifte3"
^ottfetung. 3)ad 2)dmonif(!^e im Xfotentl^um. 269
feine Ätftfte t)er)el^tten, SBet umge!el^rt ber freien @nt=
faltung feinet ^)l^^fifd^en Irritabilität burd^ ttebung unb
angemeffene SRoi^rung nad^l^ilft, fammelt fojufagen ein
RapÜal an, ba§ il^n im Slugenblid ber 9lot^ nid^t int
©tic^e läfet — bann erfc^eint ba^ aBotten afö ,,gefläl^It^
blog tt^eil eg ba« ©egent^eil t)on biffu^ ift, unbefd^abet
natürlid^ ber Differenzen angeborener energiegrabe. ®in
,;concentrirteg " SBoHen gibt ja fogar momentan ben Sln^
fd^ein t>ermel^rten Äraftquantum^ — ba^ bie SDBal^ri^eit bei
®\>n6)toom: ,,3lotS) brid^t@ifen", loie ber i^m ftl^nlid^en!
SJeiJioegen l^at man fld^ getoöl^nt, „t>ielerlei, aber nid^tl
otbentlid^ unb mit ganjer ©eele loollen" für einen SBed^fet
begriff t>on ,,6l^arafterfd^n)äd^e" ju nel^men — unb ift er^
ftaunt, toenn fold^ ein t>ermeintlid^er ©d^ioäd^Iing , einmal
l^eraulgetrieben aul ber 3^t>Rtterung, unt>ermut^et eine
beträd^tlid^e ©nergie m ben S^ag legt. 3^e „©d^toftd^e"
foffte alfo rid^tiger: leidste SBerrüdbarfeit ber ^nctio::
nirungl})ro})ortionen l^eifeen — unb gerobe eine gett)iffe ab^
folute Unöerrüdbarfeit einzelner SBiffenlric^tungen fann
mit bem jufammenfaQen, toal aU ftttlid^e ©d^toäd^e^ b. f),
ate ttnfä^igfeit, ftd^ burd^ SWajimen befiimmen ju laffen,
bejei^net toirb.
22. Sortfe^tmg. 2)ie bSmonifdie STOadit ftttttdier ,,8et=
fomntettl^eit^^
®a§ deteriora sequor ^at man ja bon jel^er auf
etioal ft)ie eine äußere SWad^t jurüdtgef ü^rt ; bal „©ftmo-
nifd^e", ,,33efeffenfein'' u. bgL finb Segriffe, beren Urfj)rung
l^ier JU fud^en. (S)er ©igenfinn toirb unl ate etn)ag bem
®Iei(^artigel no^ an feinem Drte befd^ftftigen.) S>et
©J)ieler, ber Xrunfenbolb, ber gftnjUd^ \)erfommene Slfot
fü^lt ftd^ wie unter einem ^ann. ®er SJftmon toirft jebeg
ioemmnife \>ox pd^ nieber — nur bem Äußern S^Jang pff\f-
fifd^en ©ebunbenfeiniJ toeid^t er boff Sngrimm«. Seben,
270 2)ie dmputaUUtdtdftage itnb bai» IRobificabiltt&t^oblem.
ber iffti auf feinem äßege ouf^tten toill^ trifft )ule|t fein
$a§ — tDOd urf^tänglid^ @(^m tvar, !ann ft^ in fota^
nifd^en 3leib umfe|en. — ®er ©ebanfe, bafe anbete nid^t
ber gleid^en ©rabitation erlegen ftnb, toirb unerträglid^ —
bie @elbflbe^u:))tung !ann ftd^ nur no^ genugtl^un in
^erobbrüden anberer auf baffelbe Sliöeau — bie eigene
ioerlorene (gl^re mitt aud^ anberer 6^re t)emici^tet feigen —
aJerfül^rung, ober, tt)o bie nid^t anfd^lAgt, fc^änblid^fie a8er=
leumbung muffen baju Reifen — unb toeil bie SSergleid^ung
mit Slngel^örigen ber eigenen gamilie bie näd^fte ifi, fo
j)flegen biefe ba^ erjie Dj>fer fold^er graufenl^aften SSer-
tt>ä{lung )u toexhm: S)anlbarfeit unb 93ergettung flnb auf
ben Äo^jf gejiellt: ber SBoi^lt^äter toor allem mufe ,,baran
glauben", ba^ er nic^t^ toorau^l^atte — e^ ifi ba^ nad^
au^m üjüt^enbe ®eh)iffen — irgenbtoo mu^ bie SJu^^
gleid^ung t)oQ}ogen Serben.
6^ ftnb ja in ber Siegel 'oon ^aufe an^ „niä)t fd^led^te
SWenfd^en", um berentmiUen bie fogenannten 33efferung^=:
anfialten erbaut toerben; unb be^l^alb fann e^ aud^ nid^t
benfelben SRafel auf bie ©i^re einer gamilie werfen, ein
fold^e^ aRitglieb ju ben Si^frigen ju jäi^len, tt)ie e^ ettoa
bie ganje SRoralität eineö gamiliengeifte^ in §rage ftettt,
tomn ein fogenannter gemeiner SSerbred^er jur 33lutgöer::
toanbtfd^aft gel^ört. — ©a^ mauvais sujet gilt fogar ge=
ipöl^nlid^ für ein „t)erunglüdtte§ ®enie" — unb irgenbttjeld^e
einfeitig l^eröorragenbe Segabung tt)irb i^n aud^ meifien^
au^geid^nen — U)ol am öfteften muflfalif^e Einlage. ®ie
l^inter ben ^&unm öerenbenben Sanbjlreic^er t)om ©etoerbe
ber Sänfelfänger, bie in ben ©offen jid^ toälgenben ©id^ter,
bie in ber ftnet^je gu ©runbe gegangenen ©d^auf^ieler,
bie ba^ ^anbtoerf grü^enben „abgebrod^enen ©anbibaten" —
unb toie bie Kategorien öon Unglüdlid^en alle l^eifeen, für
bie fid^, aud^ au^ bem toeiblid^en ©efd^led^t, fogar „naml^afte"
Seifl)iele anfül^ren liefen, loenn nid^t gerabe über bie^
6lenb ben SKantel ber ßtebe nod^ mit feinem äufeerften
3ii)fel JU fj)reiten taufenbfad^er Inlafe geböte: fie bilben
Bä}lnibemtxlmq mit Ucbcrgang. 271
ja eine eigene ©))ecieg, beten %amüimmal eben bie bä^
monifd^e SRatur be^ 3Rotii)g iji, bag il^nen auf ber ab-
fd^üffigen ©trafee ben erfien t)er]^Ängnifet>oIIen . ©tofe ge=
geben, unb ba^ l^eifet: bie jiatre Unöetfd^iebbarfeit biefer
einen aBitten^ric^tung gegenüber aUert anbem. *) ®ag
©tarrmad^enbe in ber SBirfung be^ ©ämonifd^en erinnert
an bie 3Rad^t be^ 3KagnetifeurS über ben fremben aßiHen,
unb ber SBerfolg biefer Setrad^tung müfete toeit l^inein-
fül^ren in ba^ ,,magifd^e ©eifte^leben", über toeld^e^ ba^
©d^inbler^fd^e SBud^ biefer S^itetö unb nad^ biefem ein SBerf
^ert^'g (//®ie m^ftifd^en ©rfd^einungen ber menfd^ß^en
Sßatur") ba^ 3RateriaI jufammengetragen l^aben. skfe
,,5ßarabojie beg SBiUen^" fommt e^ bmi ©igenftnn unb
bei ben Slntinomien beg ®emüt^^ jur ©J)rad^e — unb id^
öerlaffe l^ier biefen ©egenftanb, um enblid^ toieber auf
feflern Soben ju treten.
23. ©^topemeiluitg mit llebergang.
@g mag fi^ nämlid^ ein Sefer, ber mid^ bi^ l^ieri^er
geleitet l^at, gefagt fein laffen, ba§ nid^t tt)eniger afö ü^m
bem ©d^reibenben felber in biefem Slbfd^nitt oft gu 3Wut^e
*) 3m Weittcn crfä^jrt jcbcr ein fold^c« ©tarrtocrbcn getoiffcr
p^t)6fx\äfzx Xifäti^Uittn — benn mä}t9 anbcreö ifi cö, toenn getotjfc
SSorfleßungcn ober @cban!enfoIgen f!d^ g(cid^fam barauf jieifen, i^ircn
$Ia^ im ©el^trtt ttid^t aufzugeben, toai il^nen Utanntiid) in bet
^tißc unb im S)un!e( ber ^la^t am leidjteflen gelingt, toann fein
äußerer @inbru(f ba« ©treben unterp^t, bie ©ebanfen „abjulenfen'^
auf ttiaya9 anbereö. ©elbfl ba« Oeffingel einer beflimmten ä^elobie,
t>a9 und tagelang fummfenb burd^ ben ^oipf fd^mirrt, ift t)on berfetben
iRatur, bie nur bcutlid^er in ben fogenonnteu ,fii:tn 3bectt'' fid^ funb*
gibt. 51CIfo au(^ in biefer S3eaie]^ung trägt jeber bie Anlage gum
Baljinfmn in ftd^, unb ein ^orgefül^t beffelben fd^eint babei fafl fo
»efentltd^ ju fein toic bie eingelne feiner gormen unterbred^enben
lucida intervalla, bie eben aU fo((^e tt)oI für bad fubUmirtefle Rotten«
bctoußtfein gelten muffen.
272 3)te ^mputabttttAt^frage unb bad SRobificabttttatöproblem.
getoefm ifl, ate müßten tt>ir unö auf einem fum^ftgen
Xtttain belegen, tt>o icber ©d^ritt ijortofttt^ bie ©e^
fo^r mit fid^ fü^rt, tiefer iniJ Sobenlofe ju gerot^en. 3)a
entfielet t)on fetter eine Si^^JÄdbetoegung, bie in aieHofen
Äreuj = unb Ouergftngen eigene toie frembe Äraft \)ergeben§
abzumartern fd^eint, unb mit ber ©erablinigfeit be<8 3Sor-
fd^reiten^ fc^eint jebe fefte SH^^ofition au^ ber ©rtoftgung
jtt toerf(^tt>inben — fo fel^r, bafe fettji bie Ueberfd^riften
biefer Ie|ten StalpiUl jum 2;^eil hinter UnbefHmmt^eiten
fid^ flüchten mußten. 3)ennoc^ glaube id^, im ipin unb
iper biäleftifd^er ^^efen unb 2lntit^efen bem intelligenti
i. e. inter lineas legenti aud^ bie ©^ntl^efen nid^t vor-
enthalten ju ^aben, unb bie obiectit)e ©eite an ben Äfoten,
an benen toir aU ba^ ©ubjective bie bamonif^e Äraft ber
9RotiDe erlannten, [teilt un^ toieber in ben Sereid^ concre:^
terer 3Wäd^te, fofern e^ bie ©efettfd^aft mit i^rer ©itte
ifl, beren SBeid^bilb jene „Unrettbart)erlorenen" berlaffen
^aben. (©e^toegen rid^tet ber ©taat afö ber igüter beö
®efellfd^afti8leben^ gegen fte ate fold^e, bie pd^ von il^m
auögefd^loffen l^aben, alfo hostes im antifen ©inne für if)n
jinb, ©(^raufen auf, unb fold^e Slu^na^mebel^anblung, ft>ie
j. SB. ba0 toürtembergifd^e 9lfotengefe| für „9led^t" erfennt,
ift vom ©tanb^)unlt be§ ©taat^ ate fold^en au^ eine un=
beflreitbare ©onfequenj — er fann nid^t, tote ettoa ber
Wiener ber ftird^e ate „^paflor", biefen Von ber beerbe
abfeit toeibenben ©d^afen nad^ge^en, um fle jum Seben in
ber ^ürbe ju jtoingen — f o toenig toie e§ möglid^ i% ben
3igeuner ju nötl^igen, bafe er fid^ ber jlaatlic^en, auf
©egenfeitigfeit berul^enben Drbnung einfüge —
toer fid^ felbft jum exul mad^te, fann fid^ nid^t beflagen,
tomn er bemgemftfe ate exlex, red^t eigentlid^ ate „äu§-
tourf" ber menfd^lt^en ©efeüfd^aft, bel^anbelt toirb, unb
il^m gegenüber nur nod^ ber ©tanbj)un!t ber S&nbigung
gilt, nad^bem er f eiber juerft in feinem Setoufetf ein ba«
Sanb ber 3«f<ittiwiengel^örigfeit mit ber ©efammtl^eit jer^
riffen.)
2)le Scmotalifatiott im huäi^tähl Sinne afö „entjittfi(%ung". 273
iL S)ie 2)emoraKfattoit im (nd^ftädtdlien ®intie al« ,,(&nt^
fittttdiirafl".
S){e ©itte ift eine fubjlanjiale SWad^t, in toeld^e toix
ben einzelnen l^ineingeboren ftnben. gieren lltfi>rung ju
ergrünben, l^at befanntßd^ i>ön ben SSotau^felungen iper^
bart'fd^er ^^ilüfo^)l^ie an^ ßajaru^ öerfud^t, unb e^ ift
bie^ o^ne S^eifel m^ ber gunbamentotjjtobleme ber t>on
ebenbemfelfeen in bie Sleil^e ber felbflänbigen ®i§eij)Hnen
aufgenommenen 3Sönetj>f^(l^oIogie; ber 6l^arafterolog
bagegen fielet ber ©itte, it)o e^ bie 9Robificabißtätöfrage
angelet, afö einem „®egebenen'' gegenüber. S)a^ fd^eint
fretlid^ ein circulus vitiosus ju fein, ba bie SBößerinftincte
— um Äürje l^alber biefen äu^brud ju gebraud^en — aui
toeld^en bie ©itte fließt, ii^rerfeitj^ n)ieber auf ^ara!tero=
logifd^en ©rutiblagen ru^en muffen. SCIlein l^ier l^aben toir
e^ nid^t mit bejHmmten ©itten, fonbem mit ber ©itte afe
fold^r überl^au^jt ju tl^un, unb beren Verleitung ift genug
^et^an, Wenn üjir pe un^ afö ba^ ©efammtrefultat eine«
geiDiffen ©urd^fd^nittötooUenö wrftetten; äl^nlid^ lt)iebiefo=
genannte l^iftorifd^e ©d^ule ber Suriften ba^ Siedet afö bie
©umme beg jetoeiligen SSoIfetoiHen^, fomit afö eine @j>e=
cialit&t ber ©itte unb be« ^erfommeni^, befinirt unb fld^
auf ,^Ufancen" unb „Dbfert)anjen" afö nod^ lebenbige !öei=
f^iele be§ analogen ^ergang^ in ber ©egentoart berufen
lann. — SWan brandet nod^ nid^t gleid^ gegen bie ©itten:^
lofigleit unferer 3^ JU toettem unb fann bod^ t)on ^erjen
bie ©ittelofigfeit be^ i^eutigen 83ärgerfianbe« beflagen.
3)iefe i^ängt in t>orberfier ßinie bamit jufammen, bafe ben
meiften ba^ ^eimatSgeplI^I abl^anben gefommen. ©o fonnte
t& gefc^e^en, bafe eö fogar ©eutfd^e gibt, benen ein @e=
bic^t toie griebrid^ ^tbbtV^ „S)aö alte ^au2" feine ©e^
müt^gfaite me^r anf(^Iägt, loeil e^ für fie auf nid^t^ ©elbjl^
erlebtem mel^r ru^t, nid^t einmal auf j)otentieff 3lad^=
em!|)funbenem ; tote loielen liegen l^eut^utage nid^t aud^ bie
Sa^ttfett, Sl^aralterologte. i. 18
274 3)ie Sm^utaMlit&tdftage unb bod 9Rot)t{tcabUitat$ptoMem.
©räber il^rer geliebten lobten toeit^ln jerflreut burd^ alle
Sanbe ber „betool^^nten ®rbe" — unb in bie 3^e mäffen
fie fd^toeifen na^ taufenb ©tfttten, h>o il^re „S^räume toaiu
beln gel^n". — ®er eine ft>anbert au^ in frembe Sänber
unb (Srbti^eile; ber anbete fud^t fx^ loemgften^ fem \>on bem
$erbe, an toeld^em ^tint SBiege gefianben, einen Drt auiS, bei
für fein ©efti^äft ober ®tabHffement gelegen ifl; m brittet
toirb afe Seamter t)om einen SBinfel ber JKonard^ie in
ben anbem, i)ielleid^t gar in überfeeifd^e (Solonien i)er*
fd^tagen. ©o ft)irb an allen 5ßunften ba^ Sanb be« Aber»
lommenen SSfiterbraud^i^ jerriffen — im befien gaffe tritt
an bie ©teffe be^ ©eimat^gefü^I^ ber abfttacte 5patriotii5*
mu^, ber bann leidet genug ju fo^mo})olitifd^er SSerad^»
tung affe^ ,,fpie§bärgetlid^ ßngen" in ben Socat imb ®avi^
trabitionen fi^ tjerflüd^tigt — e0 gibt ja nic^t« 9Wi>efft=
renbereg atö bie Sl^rannei beS bemofratifirenben aSureau*^
IratiSmu«, ber nid^t^ toiffen toiff ^om Siedet ber ©tamme«^
eigentl^ämlid^feit. Unb toa^ biefe ©mancijjation bon bem
bnrd^^ Sllter ©e^eiligten fortbeftei^en Iftfet, ift nur bie
©aricatur altfrftnKfc^er (Stitette, gerab* eng^erjig genug^
um in felbftgefäffiger Sntoleranj ba^ toirflic^ in feinem
3nnem frei getoorbene S^biöibuum burd^ läfligfien ®^
feffigfeitSjtüang ju terrorifiren, afe tfy&U man ben Seuten
ein Unred^t blo§ baburd^ , baJ5 man am Umgang mit il^nen
feinen ©efaffen finbet. ©o fte^t benn aud^ bie D!p^)ofitiott
ein für ba§ blofee Siedet, atö ein abflracte« 5ßoftuIat ber
ajemunft, nic^t für mc toirflic^e ^erjen^fac^e — unb bie
confertoatitoe Sfteaction benu|t bag, um i^r ©onberintereffe
einzelner ©tänbe ju umfieiben mit bem Slimbu^ ber jjebem
Oemütl^ tt>ert^t>öffen SSertl^eibigung eines ^tüd^ ber
unterge^enben ©itte. . ®er 9WgoriSmuS eines 9lobeS})ierrc
ifl t>on jenem Unterminiren beffen, toaS nur barin fein
Siedet l^at, bafe eS ©itte ift, bloS bie jerrbilblid^e ©onfe?
fequenj: fiat justitia, pereat mos!
©emoralifirenb toirfen bemnad^ äff biejienigen gactoren,
toeld^e einen 2et\tijunq^pxoc^^ in biefe ©ubftanj einführen*
^ie 2)entora(tfation im bud^ftabL Sinne ald „ @ntrtttlt(i^ttng ^ 275
®ie8 fann nun aber auf gar ijerfd^iebene SBdfe gcfd^el^en.
&6)on ein grojje^ SRationalunglöd rei^t l^i«, bie öon bet
6itte gcIniH)ften Sanbe ju lodern, ju löfen ober gar ju
jerreilsen. Ärieg, ^ßeft, beöi)otif(i^e SBittfür ber (Seioalfc
i^aber ftnb fold^e iot&ä)U.*) ^er r\ai} bem summum
jus, summa injuria l^at au4 bad aQei^ controttrenbe 3Ri^
trauen ber bureaufratifd^en Siegierung^toeife biefelbe SBir^
hing ; benn burc^ bief e \)erliert bie ©itte bie d^arafterijHfd^
»afiS i^rer SBirffamfeit: bie ©elbftoerftänblic^Ieit SJie
©itte iji ein ttJoi^reg Noli me tangere — ber blo^e ®e»
banfe, man lönne fid^ il^r entjiel^en, erjeugt ben erfien
„faulen %leä'' an ii^r, \>on bem ftd^ mit tappet ©d^ettig»
feit ha^ 3^tPfit:ung^toerf ausbreitet. SBer alfo ia& quis-
que praesumitur moralis in unabläffiger SBetoad^ung auf
ben ftoi)f ftettt, i)er entbinbet getoiffermafeen oom S^^S
ber ©itte — baS ijl ber eigentlid^e Unterfd^ieb jloifd^en
^>atriar(^alif d^em unb Sie^tS? ober ^olijeiftaat. Sffio bie ©ittc
l^errfd^t, ift bie 5ßoIijei überpffig; jene jagt: atteS ifi er*
laubt, toaS nid^t t)erboten ifi — biefe fielet, toenn nid^t
auf, fo bod^ bid^t t>or bem ^n^^pm^: affeS iji »erboten,
toaS nid^t erlaubt ift. aber nur ba« SSerbot reijt i\m
ttngel^orfam;. nid^t bie ©rlaubni^ ettoaS ju ti^un ate fold^e
aud^ fd^on baju, öoni^r ®ebraud|> ju mad^en. 5)aä aSer*
bot bleibt unloirffam ol^ne bie aJlad^t, loeld^e ber tteber^
tretung ju fteuem t)ermag — ol^ne ©trafanbro^ung ijl
jebeS aSerbot ein leerer SBortfc^att. ®ic ©träfe ater
*) 2)er !3)ea^ottdmud , totiäftt bad car tel est notre plaisir an bie
@tettc bur<^ S^robition gejctlißtcr ober al8 rationell fid^ fclber em*
ijjfe^Icttbcr 3n|iitutionen fe^t, tjcrtoirrt ben „ gefet^Ud^en ©inn" ber
TitnQt f bie anfangt nur gegen ungcreci^ten S^an^ fid^ aufleimt, aBcr,
toenn pe fid^ crfl •— im actiöen unb ^afjitcn SBiberfianb -^ an§
^xdft^tf)Ox^tn getoö^nt l^iat, ba(b mit jener ^ratoaUu^ bed großen
Raufend nid^t me^r unterf (Reibet gmifd^en ber Snfurrection bed em«
ipörten 9led^t8gcfü^Iö unb ber reöolttrenben Sßiberfe^Itd^feit gegen bie
©ebingnngcn f!aatUd^er Orbnung, gtotfcl^en erloubtcr O^^jofitton unb
unl^ered^tigter dtenitenj.
18*
276 Sie Smputobilitdtöfrage unb bad 9Robiftcabilitö£»ptoUem.
ftttti^tet nur, toer burd^ jie nod^ ettoa^ ju verlieren l^ot —
bet ©ii^toetleibenbc, ber aSerjtoeifelnbc Iftjjt ftd^ burd^ fie
ni6}t me^t fd^tcdem ©0 fommt e^, baJ5 oft nod^ bie
Sitte fftiixQ l^ält, iöcr baiJ ©efefe afe ftrafenbe^ Derad^tet,
j|a ifym offen $o^n f})rid^t. 5)ag befiftttgt fid^ im fleinften
toie im grossen* 6^ finb biefelben äBeiber, toeld^e ba^
SSeflafeuer ber ©itte forgfamft ^üten unb bod^ o^ne bie
letfeflen ©etoiffen^bebenlen barauf finnen, toie fie ben
SRaut^toÄd^ter täufd^en möd^ten — „lafe fie boc^ beffer
aufraffen!" ifi il^re fd^attl^aft l^eraugforbembe ßntfd^ufc
bigung, toelc^e jugleid^ ben Unterfd^ieb beiber ©tanb|)un!te
grctt beleud^tet: jebe argitöftugige ßontrole legoKfirt ge==
tofffermafeen jum t>orau§ ben geglüdften Serfud^ fte ju
l^interge^en: too bem ©eloiffen nid^tö mel^r antoertraut loirb,
ba gilt balb genug für „nid^t Unred^t", nw^ ,,nid^t l^erau^^
fommt"- 3fw bem entbrannten SBettftreit gegenfeitigen
tteberlifien^ feiert faft ba^ @efe| ber fj^artanifd^en xpuTcrsfa
jurüdl: toa^ unentbedft bleibt, bringt 6l^re mt fiatt ©träfe.
©0 l^at ba^ ®Etem|)oraIefd^reiben, fo baS 3lufsbies©^>i^e5
treiben ber SBebeutung be^ Slbiturienteneyamen^ einen beiber^
feitigen Ärieg^juflanb erzeugt, ioo jebe^ ©trategem bered^^
tigt f^eint, ha^ fidlere Slu^fül^rung uerl^eifet. Unb felbft
et^mologifd^ fd^einen „SWogeln" unb ©d^muggeln fid^ nid^t
anberiS ju öer^alten »ie 3ÄauIen unb ©d^ motten. SBie
eine levissima nota flreift eine ©teuerbefraubation ^dd^^
ftenS ben „guten yiamtn^' be^ Uebertretenben, unb bie be=
ftettten SBä^ter felber bleiben nid^t unemjjftnblid^ gegen
ben ^urnor be^ S)u})irtfeinö. 9Ran fa^re nur fort, eine
„Sluffid^t^be^örbe" ober bie anbere ju errid^ten unb bie
ganje ©taat^toei^i^eit in ©rfinbung neuer ©id^erl^eit^t)entile
JU fe|en, fo toirb man balb genug bal^in fommen, ba^
üu6f „aSemad^lfiffigung be« ®ienfte§", ba^ blo« frönling§=
madige SBa^me^men eine^ Slmteö, für feinen fittli^en
SKafel mel^r gilt; benn man ^at eine Slu^rebe herauf-
befd^tooren, bie, loiber ben ©taat^med^aniSmu^ fein eigenes
5ßrincij) fel^renb, il^m entgegenl^öi^nt: „fo fe^et bod^i benen
S)ie ©emoralifation im fiudfeftdbl. Sinne atö ^^entfittUdbung". 277
nodf fd^&rfer auf bie %inQex, beren ©etoiffen ifyx aitö htm
Slnfal eurer Sled^nung gefirld^en l^abt — ^f}x glaubt ja
bod^ betrogen ju toerben, fo mögt iffx*^ benn aud^ toirfßd^
ttjerben!" Äurj: bie ©ontrole tnad^t ben ©4uft mir
fd^lauer, ben ©J^rlid^en leidet e^rlo8 an^ aSerbrufe, bod^
fd^on afe ein (Sl^rlofer bel^anbelt ju toerben, unb ber SRec^iJs
jiaat in feiner ftarren ©onfequeng toirb ber atterunertrÄg^
lid^jie 2;^rann , itoeil in il^m mttbembe^ SBol^toolIen f ei^
nen 5pia^ mel^r l^at (f. ©, 191 )♦ Qn ber 2:i^at mu^ in
einem aSoIfe ein fafl unt>ertt)üfllid^er f§onb^ el^rlic^er ©6:=
toiffenl^aftigf eit t)or]^anben fein, toenn fold^ ein ßontrolef ^fiem
nid^t atebalb baS 33eamten]^eer berma^en corrumj)irt, bafe
atte§ ben ©temt>el be^ SKieti^Ung^ttDefen^ an ber ©tim
trägt; benn tomn ber ©türm eine am Bpalkx gro6ge=
jogene SRanfe padt, fo ^jflegt er fie an ber SßJurjel %n
fnidten. Unb l^ier fann id^ mid^ nid^t entbrec^en, ein paax
©ä^e nad^jutragen, bie mir atö eine fafi toörtlid^e Seflä=
tigung be§ ©bengefagten l^od^ioilHommen fein mußten, afö
id^ fie in ber ©d^rift eine^ el^ritJürbigen Veteranen ber
^Äbagogtf fanb, loeld^er über ben SSerbad^t friboler Äe|erei
toeit erl^oben ijl- 9iotl^ Iftfet fid^ in feiner „®^mnafial=
^)ftbagogif", ©. 273 fg., mit l^eiligem ^oxn alfo ber:^
nel^men: „®ag bornel^mfte ber -^inberniffe, koeld^e bem
©rtoedten be^ neuen ©eifte^ im ßel^rftanbe im SBege fiei^en,
möd^te tool bie militärifd^e Unterorbnung unter ba^ oberfie
©d^ulregiment fein, bie Slb^ftngigfeit ber fiel^ranftaften öon
ber Sureauf ratie, ijon loeld^er ber Unfegen toie ein böfer
3ReItl^au immer öon neuem auf all ba^ fättt, toa^ im
öffentlid^en 2^bm burd^ guten SSillen unb ben 2ln=
tl^eil be^igerjen^ an ber Berufsarbeit ju ©tanbe
gebrad^t ioerben follte. S)enn je me^r bie arbeit,
tt)oju id^ mid^ öerjjflid^tet i^abe, ton geiftiger 9lrt ift, ioie
tbm baS ©rjiel^w burc^ Unterrid^t , befto mel^r bebarf id^
jur (gnergie meinet %f)un^ ber ©))ontaneität ber felbftän::
bigen Qnitiatibe in meinen SBerrid^tungen, unb biefe ©|)Ott=
taneität jiel^t mir bie 35ureaufratie, fobiel fie toermag, auä
278 SHe 3[m))utabi(itatöfrase unb bad aRobtftcabUtt£t§proHem.
tneiner ©eele, inbem fie nid^t nur ba8 Sa^, tooju fie bte
auf einen getoijfen ®tab beted^tigt ifi, fonbem audf bflS
SBie anbefielf^It, tootan {te fem natürlid^e«, fonbem nur
ein ufut})irte^ Siecht l^at ; unb ber Obere, bie i^rför})erte
SSureaufratie, fangt bie ntir entzogene ©J>i)ntaneität in fic^
l^inein, oi^ne etlf^ifd^en (Setoinn, ba nid^t feine SJernunft
ober SBitten^fraft, fonbem nur bo^ in i^m t>erftfirft üjirb,
toa^ ^lato i>a& tei^n.7]Ttx6v ju nmnen ^)flegt • . ♦ in
feinen Singen tft er m §err ber ©ad^en unb 5ßerfonen,
unb ber Untergeorbnete ijl dn Äned^t geworben, ber feinet
Jperm SBiUw toiffen, nid^t nad^ eigmer ein= unb Slnjid^t
l^anbdn foH. 5Bon ba an toftre e^ eine Iftd^erlid^e
änma^ung, toenn ber Untergeorbnete bei bem,
toa^ er ti^ut unb läfet, fid^ auf fein ©etoiffen be=
rufen tooIUe. @r mag fein ©eiuiffen bel^alten
für fein ^äu^Iid^eiSSeben; bieSSureaufrotie aber
imipft x\)m ein Ifinftlid^e^ ©etoiffen ein für alle»,
toa^ er aU äSeamter ober aU Staatsbürger )u
tl^un l^at: ^ier i^at baö natürlid^e ©etoiffen toe^
ber ©i| nod^ Stimme." 3ft baS ni6)t ein claffifd^er
Sommentar ju bem, tüa^ \>on ber 3n^!|)utabUitätiSlofigfeit
bei abfoluter $eteronomie ju fagen toar? ^a^u nel^e
man nod^, a. a. D., ©. 275 fg.: „Sluf bem Soben beö
Ked^tS, toelc^eS t>or ®ott Sftec^t ift, fielet bie »ureaufratie
nid^t; fd^on bammnid^t, üjeil fiefid^, güjar ftiUfd^toeigenb,
aber befto juioerftd^tüd^er, baS Siedet anmaßt, toeld^eS fei^
nem ©terblid^en gebührt, ba8 SWed^t ber Unfel^lbarleit.
®iefe i^at fie t)on ber ©urie bei beren t>oIIem Seben er^
erbt, für il^re aRad^tfj^rüd^e aber bie gorm ber ^IcüpoUo^
nifd^en ®ej)efd^m, nid^t bie be« menfd^Iid^en ^irtenbriefiJ
angenommm. S)enn t>or geitm flang*^ bod(^ anberS unb
jutl^unBd^er: — «Unfern ®rufe ju\)or!» unb am ®nbe:
«©aran befd^iel^et unfere SWeinung» unb «SBir tjer^
bicibm ©ud^ in ©naben gebogen»." — Slber felbfi in
i)reu^ifd^en S^tfd^^ift^^ fö^ 5ßäbagogif unb öon altge^
fd^ulten ^jreufeifd^en Se^rern toerben ^tinmm laut, toeld^
2)te. S)emotanfat{on im buijfiähl @inne als ..entftttßd^ung". 279
fU^ nad^ ber guten alten QAt juräilfel^nen^ ^^tt)o noä^ jdber
fiel^frer in feiner Älajfe ber SRector toar" unb man ns>6f
m^tö iDugte t)on jener med^amfci^en @tufetdetter. eine^
fanotifd^en ©ontrolef^ftem^, für tod6)e^ bte Scjeid^nung
^^rganifd^e ©lieberung" e|ier ein J^eud^lcrifd^er ©edmantd
ofö ein bona fide gebraud^ter^ i^armlofer @u))^emiSmud }u
fein fd^eint. SBer fid^ an bergleid^en }u erquidCen ttmnfd^t^
tttöflc j. S* nad^lefen, toag ein 3leferent über „§amifd^'
&cbm'' öom Snfiitut ber Drbinariate ti. bgl. fagt in Sang*
*ein'« „5ß&bagogifd^em Slrd^it)^ 1866, ©. 121 fg.
@S toaren aUejeit bie ipeifefiten ^äbagogen, tpeld^e ftd^
fträubten, für i§re ©d^nlen gefd^riebene ®efe|e8tafeltt auf?
jttfteHcn — fie lou^ten, ba| bamit untergraben toirb, toaS
atö „guter ®eift" bie SWad^t ber ©elbjitoerftänblid^Ieit ffot
3m 5BößerIeben ßibt e8 be^gleid^en ®efal|fren, toeld^e burd^
biß plurimaB leges, pessima respubUca nid^t erfd^ö))ft
toerben. Slffgu l^äuftgen Siegierung^s unb SBcrfaffung^s
toed^fel erträgt aud^ bie „lo^aljle'' SRotion nid^t; benn nur
bie Sauer fann bem i)ofitit)en ®efe|e tüoaS \>on ber Äraft
jurütlgeben, toeld^e ber ©itte ate ererbter SIrabition i)tm
felber inneit)o]|int Unb toenn „^Patrone" oud^ nid^t über?
äff ©d^ufei^eilige fein fönnen, fo foHten fie bo^ il^rer
Slamen^öertoanbtfd^aft mit bem „t)äterHd^en" 9iegiment
eingeben! bleiben, \m e« nid^t für eine Äleinigleit ju ad^ten,
toenn atte ©emefter an il^ren ^atronat^fd^ulen ba^ Seigrer?
^erfonal töed^felt. ^a^ n)iberf))rid^t nid|it bem, l9aS
©• 193 über ba^ aSortl^feil^afte ber ©intoirluhg t)erfd^iebener
Seigrer auf ein unb baffelbe ©d^ülerinbibibuum gefagt
ioorben ift S)ort follte einfeitiger Slu^fd^liefelid^feit, l^ier
mu| einl^eit^lofer Unftetigfeit entgegengetreten ft>erben —
unb ba fd^eue id^ ba^ ^arabo^on nid^t: lieber fteKe man
ben ©d^üler unter einen Ärei^ t)on 3JUttelmä^igfeitcn, ali
ba^ man il^n ber ®efa]^r au^fefee, in langer ^Reihenfolge
Don Seigrem unterrid^tet gu iocrben; man tl^fue ba^ felbjl
triebt, ia)enn man gegrünbete Hoffnung ^aben tonnte, ba|
beren jleber gefc^eiter unb tüd^tiger atö fein SJorgäng«:
280 S)ie Smputabilitätöfrage unb bad SDlobiflcabilUdtö^tobtetn.
fein toerbe. ^tnn bie jartc 5pflanje bet ^letät fd^l>
longfam SSurgel unb in bem immer totebet aufgetijfencn
Soben niemafe tiefe. SBa^ tafd^ gewonnen unb toerlotcn
tt>irb, ift nur ii^r illegitimer SBetter, ber SRef^ject, beffe»
Emblem aud^ beim (loxpoxal nid^t umfonft ber Stod^ boS
abgef^nittene , tourgeUofe, erftorbene SRei^ iji, unb ber
fid^ jur petät genau fo toerl^Ält toie ba^ @^e| ju ©itte —
bie ©itte toirb, bilbet fld^, ba^ ®efe^ ift gemacht — laxm
be^i^alb aud^ umgemad^t^ aufgel^oben^ befeitigt tperben.
^a^ plurimsß leges, pessima respublica l&^t fid^ aud^
nod^ in anberer Raffung auf einen tiefern et^fd^=))f^d^olo:=
gifd^m ©ebanfen jurüdtfüi^ren, ber jugleid^ ba§ bereit*
oben gelegentlid^ berül^rte SSer^filtnife be* Stl^ifc^en jum
juriftifd^en ©ebiet Ilarer iuiS Äid^t fe|en fann: folange
ettoag blo* ber ©itte, bem @eit)iffen, an^eimgeftellt ifl,
^at ber einjelne fein aSerl^alten baju ganj mit fid^ fetter
abjumod^en — er finbet feine 9iul^e nur in fic^ ober gor
ni(|t» ©öbalb aber ber ©taot burd^ ein bürgerlid^e* Oe»
fe| fid^ einer ©!|)l^are be* et^ifd^en Seben* bemäd^tigt
(tt)ie g. S. im S)igci))linarfirafberfal^ren gegen nid^t gerabeju
t>erbred^erifd^e, aber bod^ „unioürbige" SSeamte), fo er*
fd^eint bog Sßerge^en batoiber ate fd^led^tl^in unb öoUftäns
big füi^nbar burd^ ba* (Srleiben einer bejKmmten &\x^etn
©träfe; unb loeü jebe äußere ©träfe lei^ter ju ertragm
ift, ate innere ©etoiffen^unrul^e, fo toirb befto mel^r gegen
ben etl^ifd^en Snftinct gefünbigt, j|e toeiter ba^ ©efefe, ba*
})ofitit)e ©trafred^t, in beffen Sereid^ übergreift: toaS bon
menfd^lid^em ®efe| erreid^t ioerben fann, ba^ erfc^eint fo-
gufagen atö ein leid^tere* SBergei^en im Sergleid^ mit bem^^
ienigen, toag bie ett>ige, „göttlid^e" ©ered^tigfeit auSju?
gleid^en fid^ toorbei^alten l^at. äUIerbing^ jebod^ beioeift e*
an fid^ fd^on eine S^^^ö^f^wi^Ö ^^^^ ©ittlid^feit^boben^;.
toenn ber ©toat fid^ öeranla^t finbet, ergftngenb beffen
Süden ober Söd^er aufzufüllen. Unb bagu ftimmt es auf*
befte, ober bielmel^r aHerfd^Iimmfte, bafe e* nirgenb* eine
nid^tSioärbigere, ödHiger in raffinirteften ®goi*tnu* oufs^
3)ie S)entotalifation im bud^fiäbL 6inne ald „(Sntfittli^und''. 281
gei^enbe 35ei)&Hctung gibt atö in bctn Sänbe, too jeftc
©itte in ©cfialt eine^ i)ofitit)en ©efefec^ formuUrt ifi —
in @^ina. S)a^ l^et§t benn freilid^ &cn^ ntad^en ntU b^
@a|e: bod @efe|e^teci^t ift ^(udbrud bed ä3oaiSU)iaeniS.
äCu|erbem aber öffnet ja jebe in oQju U)eitet äluSbel^nung
notiitoenbig ^erKtnftelnbe @efe|gebung ben rabulifUfd^en
ffiniffen, ober ßl^icanen mit 3nter^)rctationöfoj)l^i8men unb
fogenannten ,,götmfel^lern", ben breiteften <Spidxanm unb
jerrättet fo bie infitnctibe Sld^tung beS ^olU \>0X aSem^
„toa0 Sfted^ten^ ifi". 3n biefem ©inne läfet ©oetl^e ben
fterbenben ®ä| Sagen: „6^ fommen bie Sitten be^ 83 e-
ttug^ (b. 1^. ber SCüde unb aiÄnlefu^t), e« ift il^mgrei=
l^ett gegeben- S)ie SRid^tiJMrbigen werben regieren mit
Sifi unb ber ßble toirb in i^re 9ie|e fallen!" ft)obet fidler
ebenfo fel^r an baiS bamalige äluf{ommen beS Slbt)ocaten'
ftanbe^ ju beulen ift^ als etioa an bie bem SRitterftanb
töblid^e Ausbreitung beS ©ebraud^S ber geuernjaffen.
ilber biefe äußern geinbe ber ©itte flnb bcnnod^ faum
bie fd^Ummften — au^ i^rem eigenen Snnern lann bie
gäulni^ anheben burd^ baS einfädle a3efinnen beS Snbi-
toibiiumS über feine ©tettung jur ©itte ate bem Stilgemei-
nen — mit einem SSJort burd^ ben Snbibibuali^muä, beffen
©amenlömer freüid^ bie gelfenrinbe erft ju fjprengen 5oer=
mögen, toenn biefe bereits brüd^ig geworben — ber 83o^
ben aufgelodert ifi. S)enn e^e bie ©itten f d^led^t werben,
toferben fie lodter (mores dissoluti), im einzelnen ioie in
gongen äSölfern.
ein lodtereS SWöbd^en > ein lodterer „SSogel" (um aud;
biefem ©oeti^e'fd^en SieblingStoort feinen 5ßla^ nid^t ju 'o^^
fagen), ift oft nur umf:t)iett t)on einem „i^olben Seid^tfinn"
— ofcer toomit biefer eS leidet nimmt, finb ^bm bie
©darauf en ber ©itte, über bie er tänbelnb unb tänjelnb
i^inauSi^^jft, o^ne gerobc^u ü^r aSerftd^ter ju werben, ge-
f d^tt>eige i^r offen ben £rieg pi erflären. @r gibt bem Steige
nod^, ben eS für jjeben 3li^t})]^iKfter ^at, am fd^lü^)frigen
aib^dng ber ©efal^r |u fj)ielen — me^r in SBorten atö in
282 Sie ^mputobUttdtdfrage unb bad 9Robifica6iIita»ptoblent.
Saaten mandüpitt er ftd^ i)on „üBamfcB Sa Siegle", f dalagt
bet elmgen ^ofmeifletin mit nedifd^em SDlutl^toillen gern
ein @(i|im))^(i^en unb blidt baya fo {ed treu^erjig bretn,
oö toottf er fagen: fiei^ nur, id^ toill bir ja blo^ jelgen,
toie toeit wan'i^ treiben fann, ol^ne gleid^i jum „fd^led^ten
Äerl" ju toerben. S)od^ freilid^ jlel^t neben biefer naitjen
Soderl^eit, ber ed nur @^ag tnad^t, bie Ueberflüfftgfeit
affer „SRajimen" an fld^ fetter barjut^un, eine anbere;
bie l^at ben @tanb!|)un!t ber @runbf A^e niöft t)or, fonbem
^nter fid^ — in ifyt ^at bie Sieflesion bie Shitorität ber
&ont)enien2 nid^t blöd, fonbem aud^ bie ber Sitte unb
aRoralit&t b«:eitd ongefreffen — bie fagt nid^t bloi8: id^
braud^e euer jieted Segoutoemantiren nid^t, mein um>er-
borbener ©inn fd^ü|t mid^ fd^on fetter i)or fd^limmerer
Slui^fd^ireitung — bie fragt bie autoritftt fetter nad^ ii^rer
Legitimation unb )oi(l, „aufmudtenb", ftd^ nid^td fagen laffen
— fo ijl fie fd^on eine bebenflid^ere gorm be8 ^Subibi^
bualiiSmud.
25. Set SnbibibuaHi^mud aU fouberäne tritil
SKuf ber jtoeiten, aud^ nod^ inflinctit>en, ©tufe ber
fUtlid^ien ßnttoidelung beugt Ti6} baS 3d^ fettfiloi^ unter
m aU i^öl^ered blinblingd aner{annted Stid^t^Sd^, atö unter
bie abfolute 9(utorit&t. S)abei toirlen ald gel^eime 9Kotit>e
mit: ^rd^t, @^rfurd^t unb Streben nad^ Stttoel^r ber @e^
fal^ren fürd 3^. Stuf einer folgenben ©tufe toitb ba«
3tiä}U^ t^eoretifd^ negirt, nur ba« Qd^ gilt, nad^ bem
^rinci)) bei^ m^aä^m @goidmud. 3ule|t erft ioirb boiS
3d^ ate ein nid^t^fein-foffenbe« negirt, gleid^öiel unter
toeld^er gorm — ob afö ®ott ober SBelt bed @lenb« —
bai^ SRid^tsgd^ angefd^aut toirb: — bie ©ettpi)erleugnuttg
bed 3d^^ ^ttb ©ettfljtoed unb aud^ biefe „SSemeinung beS
SSJiffenÄ" ifl ju f äffen ate eine autonome Unterwerfung
unter ein 3lid^t-3d^ — tl^eologifd^ audgebrüdt: unter ben
aSiSen @otted — rein etl^ifd^: unter bie antiegoiftifd^e
S)et :3nbiDibuaIt^iittt$ al9 fout^erdne fititil. 283
^^i^t ältfo nid^t Dl^ne weiteres ifl bie Independence
einer toorauÄfelimg^lofen SiJl^eorie, •toeld^e an ble ©teile
be^ j^eteronomen ^princi^)^ ber 3lutorität bog autonome ber
felbfterfatn!j)ften Ueberjeugung fe|t, allemal fd^on ber SSots
laufet abfoluter „^eigeifügfeit" aud^ in J)ta!tif(i^er SBe^^
jiel^ung — fowenig toie umgelei^irt ber 3!)tang nad^ ptt^
fönlid^er Unabi^angigfeit beim ©nglÄnber biefen bal^in füi^rt,
ftd^ i)on ben Sanben be« ©taatggefc|e^, gefd^toeige ber
ottteflamentlid^en fiegi^tatur ju emanci^iren. ^emgemfi^
füllt aud^ Äant im legten Orunbe feinen fategorifd^en 3m?
!^eratis> nod^ auf eine aujsermenfd^Iid^e ©erid^t^barfeit, too?
für mit feiner SJeobad^tung ©d^oj^en^auer fid^ auf bie
ard^aifirenbe tJorm „bu fottt" al^ auf einen SBeleg berufen
l^at. 9Wit loie toiel Selou^tfein ^um erften mal, fot)iel ioir
toiffcn, bie gried^ifd^en ©oj)^ifien bag inbiöibuette SWeinen
jum „9RalB atter ^inge'', b. 1^. jur ^öd^ften ßntfd^eibungS?
in^anj, erl^oben l^aben, mag l^ier unerörtert bleiben. Qebem
fall^ fonnte ber Oegenfafe in feiner kJoHen ©d^ärfe erji
l^erbortreten, nad^bem nid^t mel^r blo^ ber injiinctit) ioat
tenben ©itte, fonbem einer fejl formulirten ®efe|gebung
bon angeblid^ übermenfd^lid^em Urf^jrung gegenüber bie
fritifd^e Sfte^ifion fid^ barauf b^^ann, ioie im oben barge^^
legten ©inne aud^ bie ftarrfle ^eteronomie )ule|t be^ fo-
jufagen toeltlid^en 5ßlacet feiten^ be^ ©ubject^ für il^re
„geoffenbarten" })riefierlid^=Jlatutarifd^en ©ebote unb SSerbote
nid^t entrat^en lönne. ©o bleibt e8 auc^ i)on biefer Seite
büxaäfUt unb nad^ biefer düd^tung l^in angetoanbt loal^:
e^ ge|it mit bem erften 3«^^agen ein tiefer 3^1 burd^ bie
SBelt. 83i^ bal^in iji ber 9Benfd^ fid^ ein ©egenftanb toie
alle^ anbere aud^ , mit nomen appellativum ober proprium
— j[e|t f d^eibet er fld^ bon bem gefammten Unitoerfum ate
einem anbern — boÄ ifi ber tiefe ©inn ber inbifd^en
Sro^tl^e, ba| bie Aham-kara — bie 3^-aWad^ung — ein?
trat, nad;bem aus bem Sral^maei ©rb' unb §immel fid^
gefd^ieben unb bafür — ©d^ellingifd^ au^gebrüdt: für bie
©ifferenjirung be^ si^bifferenten — xm^ Sral^ma büfeen.
•284 ^ie SmtputabiUt&tdfrage unb bad a)lobiftcabUU&td))robIem.
(S)em cntfj)rici^t bie ®t^mologie toön aham — ego — in
ber ßu^n^fc^en ,,3eitfc^rift", »b. 9, ipeft 1, ©.öl fg*,
tovna6) bic^ SBort urf^jrünglid^ eine räumlid^ abgefd^loffene
©inl^eit bejeid^net) Äant unb Seffing l^aben jene autonome
aSoraugfe|ung attet 6t^i! ertannt, afö fie bie Sieligion au&
ber et^if^en Anlage be^ aJlenfd^en l^erleiteten unb bie
3RoraI nid^t ju einet SJod^ter ber 5C^eologie tooHten er=
niebrigen laffen. 60 mufete irgenbeine ©ejialtung beg ©itt
liefen im 3)Zenfci^enIeben tootauf gegangen fein, el^e ber fitt«
K^e ©e^alt in getoiffe ©öttetioefen fonnte ^)toj[icirt tt)er=
ben — ol^ne ein etl^ifd^-meta^jl^^fifd^e^ SBebürfhife im 3Kcn5
fd^en i^Ätte feine ^ßtiefterlei^re SJufnai^me finben fönnen —
unb tool^et nahmen bie „Stimmen ber ©otti^eit" ben ^
f)aU il^rer aSorfd^riften anber§, aU au^ bem eigenen 3n=
nern? ©^ mufete ber 5IKenfd^ be^ ©emiffen^ afö einer im^^
manenten 3Jla^t inne geworben fein, el^c er beffen gor-
berungen atö ^jofitiöe ®efe|e einer ®ott|ieit anfd^auen
lonnte. Unb toer bie bogmengefc^id^tlid^e ©nttoidelung
j, ©♦ ber Seigre „bon ben ©igenfc^aften ©otteiS" bis in^
jjübifd^e Slltertl^um hinauf verfolgt, ber mn^ anerfennen,
bafe ber SSorfteEung fold^er „aSoHfommeni^eiten" i^re SBür?
bigung unb SBertl^fd^ä^ung mu^te vorausgegangen fein.
Äonnte man etioaö anbereS in einem ®otte fud^en, ate
ioaö man — toenn jioar nid^t in ber abftracten SSoKen^
bung, fo bod^ in concreten l^omogenen Slnfft^en ober Äei*
mm — in ber 3Jlenfd^enit>elt gefunben? Äonnte man einen
atö liebevoll vorgefteHten ®ott lieben, tomn man nid^t ju^^
vor in unb an fid^ f eiber ben SBerti^ ber Siebe gefunben
unb erfahren?*) Äurj: bie ©ötter loaren ftets unbüber^
*) 3)a8 tfi ja ber ©ebanle, ber 3. S. SJouffeau muß öorgcfd^tocbt
l^aBen, als er verlangte, bit religibfe d^rgtel^fung ancfy bed 3nbit)ibuamd
fofie erfl eintreten, mo eine gen^iffe 92eife erlangt fei; n>er <$ott a(«
©atcr lieBen foll, muß bod^ juöor eines gtoifc^en SKenfd^en öcr^arren*«
ben ?5ictätsgeftt^tö fä^ig ftd^ crtoicfcn ^aBen; ha^ crfcnnt ja felbjl bas
Söort an: „©er feinen S3ruber nid^t licBei, ben er fiefiet, tt)ie fann
er ©Ott tieben, ben er nid^t ficl^ct?"
S>er 3nbiüibuali§mu§ al§ foutjcräne Äriti!. 285
äff baS an ben §ttnntel geiüorfcne ©jjiegelMIb ber etl^ifci^m
©efammtanfd^auungctt beö SSolfögeiftc^, bem fie angel^örten.
aSBo^ l^ieran im Saufe ber Sö^ttaufenbe bic gebanlenlofe
aBeitetIteferung etne^ tteberfomtnenen, toa^ träge Oetooi^ns
l^ett unb betou^t l^ierard^ifd^e Slbfid^t geftnbert l^aben: ba3
liegt überall ba toor, too e^ ben Sei^rern ti^eologifd^er
©^fteme gelungen ifi, bie ^i^ilofoijjl^ie jur aJlagbfieHung
be^ ©d^olafliciiJmu^ ju begrabiren. Unb infofern bie SRe^:
formation eg toar, ft)el^e toieber ^u§ Brad^te in bie er^
flarrten ©elföiffen, bie ficJ^ ber ©elbpeftimmung ein für
aHemal entäußert l^atten, braud^en toir bem nid^t ju toiber-
^pxtäjtn, bafe ba^ „!t)rotefiantifd^e ^rinci!|)" (aber n>o^l ju
merfen nur in feiner urf^)rüngIid^en SReinl^eit!) juerft tüie:^
ber ben Snbitoibuoß^mu^ in bie SBürbe beS Urtribunatö
eingefe|t l^at unb infofem bie Vertreter be§ le^tem be^
red^tigt finb, ftd^ auf j|ene^ ju berufen- Säber toie lange
l^at e^ gebauert, bi^ — nad^ getoaltfamer Unterbrüdung
ber ate ,,©d^ft)armgeijier" Verrufenen, bie alfogleid^ (Srnjl
mad^en h)oHten mit ben Gonfequenjen reinfter Autonomie,
— bie 5ß^ilofoi)^ie ben ^effeln eine^ abermals fie um-
fd^nürenben ©d^olafüciSmuS fid^ enttoinben tonnte! (SJor
aSimt berbient nod^ immer nad^gelefen ya toerben, \oa^
©dritter in ber ©inlcitung ju feiner ,,®efd^id^te be^ SDrei§ig=
jjäl^rigen Äriege^" barlegt t)on ben 3?e|en ber ,,ißalbl^eit",
in toeld^e ber ^ßrotefiantiömuö fobalb f^on — ipolitifd^ toie
affgemein etl^tfc^ angefel^en — fid^ berftricft l^atte.)
©elbfi l^eutjutage fragt nod^ überaff bie ed^te 2i^eö=
logie — nur am naitoften , aber !einegn?eg^ au^f d^lie^lid^,
in ber ^ä^jftlid^en enc^Hifa — jebe ^p^ilofo^l^ie nad^ i^rem
SJauffd^ein, unb nid|it nur an ultramontan bel^errfd^ten
^d^fd^ulen fielet bie SöleJ^rjal^l ber 5ßl^ilofoj)l^ie^rofefforen
nod^ immer Äebe unb Slnttoort auf fol^ 5Berlangen. Sine
^Pofoj)^ aber, bie gar ungefragt fid^ öom Äird^enbud^=
füi^rer einen fold^fen ©temi)cl auf^ SCitelblatt brüden läfet,
follte für gerab' ebenfö terbäd^tig angefe^en iuerben, toie
ein aSagabunb, ber feine „^ßa^siere" immerfort in ber $anb
286 ^ie Smputabititdtöfrage unb bad aRobiftcabUitdtö^roblem*
trägt, fte auc^ unaufgcfotbert gleid^ öotjeigen toitt uub
bamit baS Stecht ber ^oli^i anetfennt^ i^n unobläfftg
ju überttjad^eti, S)cr 5ßl^ilofoj)l^, ber fic^ toon einem d^rifts
lid^en SJ^eoIogen einen 5pa§ au^jietten läfet, fcegei^t We
SiJaftloftgfeit, bie Gontipetenj einer aufeer<)l^ifofüj)^ifd^«n »e^s
l^örbe gelten gu laffen unb ü^r boS Siedet einjurftumen, ba^
fle il^n auf feinen ®lau6en ,,6eglaubige", S)te 5ßl^ilofo^)l^ie
aber ifi fel6er bte oberfte unb einjige Gentralbei^örbe ber
SSßal^r^eit, unb ©ouberftne t)cr geben i^rer SBürbe nid^t toe^
niger aU aät§, toenn fie nid^t o^ne ^a§ reifen; toobei
eiS ganj gleid^gültig bleibt, ob jufftHig ber gürft mit fei^
nem ^olijeiminifler in ©inflang jie^t ober nid^t (Srfann
nur beabfid^tigen, im ttnitoerfum beö aBaJ^rJ^eit^reid^e^
feine^gleid^en aufjufu^en, unb verlangt, nid^t toie baä
Ärämertooll auf ßontrebanbe unterfud^t ju toerben — felbfl
baS ®ep&d feiner ©efanbten genieJBt nad^ aSölferbraud^
ba^ aSorred^t, bie ©renje unbifirt unb unreijibirt juj)afftren*
SJafe aber bamit ^eftftoff ,,eingefd^lej)j)t" ioerben fönne,
toer toottte ba^ leugnen? Unb biefe 3ßöglid^feit ift ej8 ja
^bm, toeld^e un^ ben S^J^i^^i^i^fllt^wn^^ i^ Slbfd^nitt bon
ben fittejermürbenben Slgentien jur ©^)rad^e bringen
liefe. ®ie a3etrad^tung ber i>on biefem allburd^bringenben
Dj^gen toerurfad^ten aSertoitterung foff un^ ate uni|3arteiifd^e
Seobad^ter flnben. 9lur mad^e ung niemanb jum Sot::
tourf, bafe toir babei ju Jperolben eine^ ^eroftratenrui^ima
toerben — e^ ifl m ®efe| ber aSeltgefd^id^te, bafe ber
SRame bejfen , ber ben e^l^efif d^en ^ianentem^)el angejünbet,
nid^t lonnte „tobtgefc^ft)iegen" toerben — ®efe| unb 5Bers
obrebung erliefen fid^ gleid^ unft)irffam — bie glamraeiu
fd^rift fold^er 3iamen läfet fid^ nid^t einbämmen, gefd^toeige
erftidlen — fie jirßmt felbft über bie 2ippm ber äßiber»
ioiHigen, unb ber SRann l^at bod^ feinen SBitten brfommen!
SHe „frommen", öjeld^e ben 3nbibibualiömu^ aU ben
®runb aUe^ aSerfaH^ in unferergrit auflagen, überblidcn
fd^toerlid^ ben gangen Umfang ber SBai^rl^eit, loeld^e fie bos
mit au^fjjred^en. ^ier l^eifet e^ principiis obstal — unb
S)er 3nbitnt)uaU8intt3 oft fouDcränc Stitii 287
bod^ lann ein S^^olud öom ©treben, bem Snbtoibuum eine
©elfeflfinbigfeit gegen ba8 j)onti^etftifci^e äbfolute ju fidlem,
jum erfien ©d^titte auf biefer abfd^üffigen »afin gebrftngt
werben. S5fe SBa|ir|iett aber iji: ber Snbibtbualigmu^ ift
nid^t erfi l^eute, fonbem ju allen Qdtm ba^ Ferment ge^
toefen, toeld^e« ben Q^i^^urtQ^ptoce^ in ber Oefd^id^te
l^rbeifül^rt; unb alle^, toaS man ,,gortfd^ritt", ,,®nttüidti
lung in ber ©efd^id^te" nennt, ift im Orunbe nid^t^ an:^
bere^, aU ha& Harere iperauStreten eben biefe^ Snblbi^
bualiamuS. ®lefe Sel^au!f)tung ft)itt fid^ leine^toegS für
eine nm^ ©ntbedtung ausgeben: fd^on längft l^at man il^n
al8 ba^ eigenttid^ „SReüolutionäre" in ©o!rate^ fo gut
mie in ben ©o^jl^iften erfannt. ^ ©taat^leben tritt er
auf ate ^emo!ratte unb ^roubl^on'fd^e SÄn^^Slrd^ie. Sße^
rfitteS unb ©ftfar l^aben i^n jum ^princij) il^rer 3ßad^t ge^
l^abt — unb bie Oefd^id^te ber S^Iurgifd^en iDie ©olonifd^en
aSerfaffung Ift aud^ barin öorbilblid^, bafe fie fi(^ immer
Weiter entfernte öon ber ©runblage ber fubfianjiale Sim
l^eit, in weld^er ba^ 3nbit>ibuum ein „unfelbftänbige^ 3Jlo-
ment" gewefen; im ©attimatl^iag ber ^egePfd^en „W^ö^»
foj)l^ie ber ©efd^id^te" läjst fid^ bei ber „©ntwidelung jur
gxeil^eit" nid^t^ anbere^ beulen, unb 5IKaj ©tirner'g : „S)er
©njige unb fein (gigent^ium", fotüie bie biefen nod^ über=
bietenbeSd^rift: „SBerftanbe^tl^um unb QSnbiüibuum", finb
bie leiten @!j)rünge einer öeitiJtanjartigen Sewegung^ in
toeld^er bie Sttnfid^ten Weit über bie aOBelt felber i^inaug^
fd^offen, weld^er be^l^alb jebe dHxdUfft bon jenfeit beg
©ratHtation^bereic^^ ber 9lealität unmöglid^ ift. — ^ ber
Äunfi jerflüdelt er bag gemeinfame Sbeal ju lauter ^riöat^
ibealen, ju lauter t)ergötterten Snbitoibualitäten unb be*
l^errfd^t bie ©ül^ne nid^t minber als bie Staffelei — bt^
fonber^ im ©enrebilb -- ; SKrd^itdtur unb ©cutjjtur mad^t
er fo gut wie unmöglid^; in ber 3Jlufif po6)t er ate 3«=
funft^mufiler auf bie inbiijibueHe Sefonber^eit in f^orm
einer Suföntmengel^örlgleit ber SWelobie mit biefem einzelnen
%tict unb biefer beftimmten Situation in ber D^jer • — bie
288 S)te Sm^utabtUtatdfrade unb bad ÜRobtficabiatfttd^roblem.
affgemeittc ©timmung lonmtt botüber fd^icr ab^anben. 3tt
ber ®t^il mad^t et fid^ gdtenb ate fd^rairfenlofer ©ubjeo
ttotömxi^, toeld^et mit betn ©a|e: ,,3^ber ^anbcft rcci^,
fofem er nad^ feiner Ueberjeugung l^anbelt", au§ ber gait*
gen Sibel nid^t^ fo eifrig ausbeutet^ aU bie 9(n{l&nge
hieran, bie im Sftömerbrief mit bem j)auHnifd^en h 7cf<n:et
fid^ finben. 3n ber 3;^eoIogie fallen it)ir feinen Äeim unb
feine l^albe SBeriüirllid^ung im ,,})roteflantlfd^en ?ßrincit)'^
ganj beutlid^ fd^on ba, ttJO bie^ nod^ t>erl^arrt in falbem
SBiffen, l^alber <Bt^[x^, fo ben 9Renfd^en über bie ©d^toeHe
be§ XtmptU fü^rt, bann bie Xffüx l^inter il^m juf^Iägt,
ba| er im ©unfein taj)!|)enb bleibt unb aHju lei^t in fei«
ner Slinbl^eit ba^ Oötterbilb t)on feinem 5ßoflament ^erab:«
reijst unb gertrümmert 3« ber Staturtoiffenfd^aft ift er
in feiner einfad^flen gorm mit fi6) felber ibentifd^ ate
SHtomi^mu^ ; unb in ber 5ßl^ilofoj)]^ie flanmit a\a if)m jeber
ffe^)tifd^e Oebanfe, ber jid(i au^ ber 2ingemeinl|feit unb il^rer
Slutorität lo^gemad^t f)at
SSon biefem SnbitoibualiSmu^ etn>a^ üerfd^teben ifl bie
®efa^r, toeld^e bie jurifHfd^e ©ialeftif mit fid^ bringt.
®er ajolföinftinct a^nte ettoaö l^iert)on, aU er ein SWi^-
trauen gegen bie „ed^ten 2lbt)ocaten" in fid^ auflommen
liefe. SBer t)on Slmt^ toegen immer toer^flid^tet ifl, get
tenb ju mad^en: Jebe^ ©ing l^at jtt)ei ©eiten — unb gu
forbern: audiatur et altera pars — ber mufe f(^on unge«
toöl^nlid^ jlarfe ß^arafterfeftigfeit l^aben, vm nid^t ein
lajeg „eö fommt überall nur barauf an, toie man*^ ®ing
anfielet" aud^ gur SWajime feiner ^itoatmoral gu mad^en
— benn it>eil fo leidet nid^t bei irgenbeinem 5ßrocejJe bie
eine 5ßartei gang rec^t unb bie anbere ebenfo pure un=
red^t l^at, fo ifl nur ein leifer SRudt ber foj)^ifUfirenben
aSemunft nöti^ig, um gur Gonfequeng gu gelangen: „e0
l^anbelt fid^ für beibe nur um ein SWel^r ober SBeniger
t)on Unred^t — toarum alfo follte id^ nid^t bie ©ad^e bed
6aiu^ fo gut unb gern fül^iren toie bie beö SCitu«?" ©o
erfd^eint e3 nid^ ate blofeer 3«föff / bafe gerabe bie ^ret
i^er cjtremen ^Parteien mct|l an» hex 2lntoaltöf(^ule J^feiDot^
gegangen, fei e« aud^ nur ate ©d^teiber SSanfen (fd^on
bei ©ried^en unb Slömem toar boü ja bie ^xopäbmfx»
ber })olitifd^en Serebfamfeit), unb nod^ weniger, ba| unter
iljinen bie „Slenegaten" am jai^Ireld^fien fid^ finben. S5enn
tt)ie fott eine einfad^ fefte Ueberjeugung fid^ bilben, too ba&
äKuffteSen bed ^ro unb ßontra junt t&glid^en ©efd^Aft ge^
^ört? aRan follte be^l^alb am toenigften bei fold^en Seuten
Wn ©efinnungStped^fel reben — benn fte vertraten
ftet§ nur bie Slbfiractionen il^rer bebuctit)en, bigcurfitoen
©ubfumtionen — alfo eine ©ad^e be^ Stoppe» — jebe ©e*
Jinnung ober ttjurjelt im ^erjen — unb eine Stenberung
Wefer ift nur ben!bar auf bem aOBege einer :t)f^d^ifd^ett
ZotaU unb Slabicalrebolution , bie ju ben aQerfeUenften
5ßl^&nomenen ber ©i^arafterologie gel^ört.
26. gortfe^ttd. Sitltidie unb HermeUttltt^e SrttioatSt
SBol^l ift i)iel ©treit barüber, t>on toeld^er ©rei^e an
man grit)oKt&t — nid^t nur ber 3^9^/ fonbem au6f ber
©epnnung — be^auj)ten bürfe. 2lber barüber !ann fein
gtoeifel befleißen, bai eigentlid^e gritoolität iebe^mal eine
flet)tifd^e 2;i^eorie jur JBorau^f e^ung l^at. SBenn einer aud^
ttod^ fo bo^l^aft ilber alle ©d^ranfcn bc^ aWitleib^ pd^ l^in?
n)egfe|t, folange er nid^t mit SeU)u|tfein ii^nen ,,$ö^n
fj)rid^t", fann t)on grit)olit&t nid^t bie Siebe fein. Seber
freilid^ ifi geneigt, über friöole Sleufeerungen fid^ gu be»
fd^toeren, ^mn gerabe fein et^ifd^e^ — in specie tlj^riftifd^tö
— gunbament ongetaftet toirb. 2lber »ittigbenfenbe toer-
ben in ber gorberung be^ 3ic^ptiA» \>ov frember Ueberjeu^^
gung nid^t aUiu tt>üt ge^en. Ainber unb SBeiber mag
man fc^onen in i^rer ©l&ubigleit — benn e« ift unebel,
i>en SBel^rlofen anzugreifen — aber in ber toiffenfd^aftlic^ett
^Debatte foöte man bie äSeobac^tung fold^ einfd^r&nlenber
Jtantt)fregeln nid^t verlangen: tt)er el^rttd^ im S)ien{i ber
290 Sic SmputabilttdtS^aöc unt) t)a§ 2RobificabUitat»prob(em.
SBal^t^eit ftd^t, ^at Slnfjjrud^ auf ®el^&r, tok immer er
fid^ öeme^men laffe — unb eine farfaftifd^e argumentatio
ad hominem ft)irb fc^toad^en ©emütl^etn allemal fribol
Hingen. 3tn fid^ ift e^ eine t^rannifd^e ^orberung, man
foHe jjebe Ueberjeugung aU fold^e, fomtt au^ bie nid^t
er!äm!^fte, bie bequem bloS angenommene, eieren. Unb rt)ie
fc^ttjer läfet fid^ erfennen, toa^ im eminenten ©inne \oxxh
1x6) ,,Ueberjeugung" (mel^r afö Mo§e „SWetnung") ift unb
ft)a^ nid^t; — in^befonbete gibt fld^ oft für Ueberjeugung
a\x^, toa^ in nid^t§ befielt ate in einem ®rlal^men beä
fritifd^en ©enfenö angefid^t^ fd^toieriger Probleme; unb
loo jufdffig eine angebßd^e ^Ueberjeugung an n)eltlid^en
SSort^eilen il^ren aSerbünbeten l^at, ba ift e^ t^ottenb^ mig==
Ud^, bie ©Jjreu toom Sffieijen fd^eiben ju tootten — benn
nur bie o^)ferbringenbe Ueberjeugung ift in biefer il^rer
5ßatur ganj untjerbäd^tig -— bod^ be^l^alb nod^ lange nid^t
in il^rer aSBa^rl^eit: ©a^jrice, Somirtl^eit ober bie ©itelfeit^
etttJaö äCbfonberlic^eg für fid|i gu befifeen, föimen auä) il^rcn
2;i^eil baran i^aben — unb ber SBal^nfinn ber SEBiebertäufer
tfl: eine in ^lammenfd^rift tjerjeid^nete SEBamung, nid^t
©elbfto!t)ferung unb 3RartVrium für ^inlänglid^e SBeglau«^
bigung ber materiellen SRid^tigfeit nnt^ Sefenntniffe^ f)m
junel^men. SBer fid^ immer l^inter feine „Ueberjeugung"
toerfd^anjen triff, bem barf man alfo tool^l jurufen: Do
thou amend thy opinion, and TU amend my speecht
$Denn mo nur Oeifte^trfigi^eit bon einer SRebifion über^
lieferter 9Äeinungen abl^ält, finb biefe fofort ü^re^ ^eiligen^^
fd^ein^ entfleibet. Silber aber bemi^t bie „§rii:)olität" be^
anbern nad^ bem, toa^ il^m felber ba^ „^eiligfie" ift. 6*
gibt 9Jlänner, bie mit il^rer „böfen S^nngt'^ (um nid^t ju
fagen: i^rem „lofen 9Jlaul") fo leidet niemanb ungefd^oren
iaffen, aber im tieffien 3nnem burd^ ein ^arobiren ©d^itter's
fd^er aSerfe abgejiofeen Serben. Unb e^ gibt anbere, bie
öor feiner „SSla^^l^emie" in ©ad^en Sel^otja^^ jurüdt«
fd^redten, aber mit em!t)ftnblid^jler ©enftti\)ität bie leifefle
j)rofane Serül^rung il^re^ ©rinnerung^cultul berabfd^euen.
tJortfetung. SBirfüd^e unb t)ermeintfi*c grit}oHtfit. 291
3Rand^er ift „gar ntc^t blöbe" im Slnfleffen einer ffe^tifd^
fd^ranlenlöfen (Srörterung et^tfd^er ©runbfragen r- unb
toel^rt ftd^ unt)erfe^en^ iri^ xal Xa5 gegen jebe ©ef^t^red^ung
getotffer, gerabe il^m ipeinlid^-belicater ®eIiberatiön§obiecte.
®a tfl'5 benn fretUd^ nid^t leidet, bie Älage über %xU
t)oIitftt Wn jeber fubjectit) = jufälKgcn Seigabe freiju^
mad^en, unb nur bie bcttjujste SSerleugnung, bie beab=
fid^tigte ttmfel^rung beffen, tva^ unabhängig t)on jeber
©d^ran!e gefd^id^tlid^er, religiöfer unb nationaler Sefonber^
l^eit, alfo ju allen 3^iten unb bd allen 9laffen unb SSöt-
fern, aU ein „OTgemein-SRenf^Itd^e^" in unausrottbarer
SInerfennung gefianben, b. f}. ber 3ld^tung t)or frembem
Seib, toirb afö unbebingte grit)olität auf ber ©runblage
be§ fittlid^en Urgefe^eS ju t)ertt)erfen fein; furj: ttJirflid^e
^t)olität ift fo jiemlid^ ba§, tooran man bei ber„©ünbe
ft)iber ben l&eiligen ®eift" ju benfen ipftegt 2Bp bagegen
irgenbein jufäffig 5ßarticuIäreS ^ineinf:pielt, ba Ifl bem
©eifte feine greil^eit ju toa^xm — ober V)ielmel^r: batt)trb
er fte fid^ fd^on felber toal^ren. S)aS i)abm ju allen Qdtm
bie ©taaten erfal^ren, n)eld^e eg toerfud^ten, abgelebte ^n^
fd^auungen ju mumiftren. SBol^I griff man tief l^inein in
bie ©rünbe, ate man nad) bem ©a^e: ttjem bie ©d^ule,
bem gel^ört bie S^^'fwnft! I^ier ©ämme ju bäum begann —
unb bod^ nid^t tief genug! Rein ©d^ulregulatit) toermag
ba§ „Staifonniren" ju bämj)fen — ba müfete man jutoor
baS Sefenternen unb bie ©rudfer^reffe fammt Südjern unb
Ißettungen an^ ber SBelt fd^affen unb bann nod^ V)ermögen,
aud^ in ben Äöj)fen neue tabula rasa ol&n' alle 3tnfnüj)fung
an bie ©ummen ber SSergangeni^eit l^erguftellen. SBol^l aber
lħt ftc^ ber SBunfd^ nac^fül^len, ba§ berglei^en möglich
fein möd^te. ©aS Seben aU ©d^ule ber aJlifant^rojjie le^rt
uns begreifen, loic eS bal^in fam, ba^ „gottlos" unb mo^
ralitätSloS ju SBed^f elbegriffen n)urben, unb bieS nid^t
bloS „em^)örenb" finben als eine golge „^)fäffifd^er er=
jiebung", fonbem bie biet betrübenbere S^^atfad^e barauS
entnehmen, ba§ bie SWenge — ber ©ele^rten n)ie ttnge«=
19*
292 3)te Slm^utaitlU&t^rage unb bad gRobtficabi(itAtö))VoUent.
U^ttm — eine freie ©ittlid^eit — b. 1^. eine fold^e, toelt^e
\>on ben egoiftifdgien 9)lotii)en ber Hoffnung auf einen ^im^
mel ober ber ^urd^t \>ox ber ^öKe g&nilid^ unabhängig
i% — nid^t einmal 'oex^tfft, gefd^iueige befolgt Slieben
fte ungejägelt^ fo toärben @goi^mud unb S9oSl^eit bod
bellum omnium contra omnes in i^iel graufenl^afterer ®e^
flalt im ©d^toange erhalten, ©o l^at ber ©d^redten ha&.
©d^redlid^je gebftnbigt — faum je ifl bieg, ber emj)fel^lung
unb SSerl^errlic^ung be^ SSemünftigen als beS SSemünftigen
gelungen. @g i{i itoax balb gefagt: an bie ©teOe ber
,,2lutorit&t" muffe gtoifd^en benen, bie ,,nid^t finb Äinber
berSRagb, fonbern ber greien", ber:t)erfönlid^e SRef^ject
treten — ober im Orunbe l^eifet baS nid^tS anbereö afö
auf eine ^latonifd^e Uti>)>ie üertröflen^ jumal eS feineStDegd
immer bie älc^tungsn^ertl^eften ftnb^ toeld^e ftd^ ba^u 1^-
geben, in ©taat unb ®emeinbe bie ©tettung öon SSor^
gefeiten einjunel^fmen; benn D^ne Slmbition toirb fo leidet
nid^t jemanb fid^ baju toerflc^en , unb gerabe bief e ,,mcnfc^5
lid^e ©d^ioäd^e" ift eS bann ja, tt>eld^e il^n in ben äugen
ber toal^rl^aft Unabl^ängigen toieberum J^erabfe|t unb, u>o
fte als büntell^afte 9lnma^ung auftritt, t)oIlenbS "oet&^U
liäf, toeil l&d^erlid^, mad^t
^ie nal^eju unbebingte 9BirIungSloftg!eit beS bloßen
3Roral!prebigenS ifi nad^gerabe tool jiemlid^ allgemein
anertannt; l^öd^ftenS leugnen fle nod^ bie SRationalifien aui
ber ©d^ule eines verflachten JtantianiSmuS, benn benen
gilt ja bie „SJugenb" l^falt für „le^rbar". Slber gerabe
bie auf bered^nenbe 9Ra£imen gefleSte SRoral mug natur-
gemfti erjl red^t falt lajfen; fie ^jerl^orrefcirt jja gerabeju
bie @rtt)&rmung unb Segeiflerung beS ©emüt^S als etn>aS
ben moralifd^en äBertl^ ber ^anblung S3eeintrAd^tigenbeS.
©0 fielet fte im birecteflen ®egenfa| gegen ©d^iller'S (unb
3acobi'S) äBilrbigung ber ^auen als ber Trägerinnen
einer ©^l^äre unb ältmof))l^äre ftttlid(^en Seif))ielS — unb
als entfd^iebenfler SluSbrudC ber X^atfad^e t)on jener ttn-
frud^tbarleit ber 9Roral))rebigt, ioo fein ftttlic^er 3nflinet
SOtotaKfd^er Stüdfd^tttt na^ Stutotitat^serftetung. 293
toalitt unb il^r mit @m))fAngl^feit entgegenfornm^ gel^ött
]|iterl|fer ba^:
3<^ fing* il^r ein motaltfd^ 8teb,
Um fie getDiffer )u Betl^i^ren,
2Bo ble SWotalgebote in leftter Snflö^J äuS l^dl^cm 3^^*-
tnft^igfeitötüdfid^ten bebucirt toerbcn, batan ,,5poftuIatc
unbebingter Hoffnungen ficbm'' (i)gl. „©drillet, ©ine ©e?
bftd^tm^tebe t)on Dr. Suliug Sa^nfen" [2(nHam 1859],
©. 13), ha fann fd^Ue^ttd^ jcbet mit einem getoiffen SHed^t
»erlangen, ba^ e^ ii^m überlaffen bleibe, toie er — atö
6goifl — für fein SBoi^Ifein ju forgen gebenfe {\x>mn er
e^ nic^t gar »orjiel^t, ben jubringtid^en SWoralifien mit
einer Berufung auf Offenbarung 22, ii ju berl^öl^nen).
ettt)a^ ganj anbere^ ift baö, toa« un5 i^ier befd^äftigt:
bie :t)ragmatifd^e Verleitung »orl^anbener Suflfinbe. 3l^r
bienten bie SRüdfgriffe in meta^jl^^fifd^e Äritif unb fritifd^e
3Reta^)]^^fif , bie toir un^ nid^t erlaffen burften, fei eg aud^
nur, um ba^ burd^greifenbere Sftaifonnement einer concre^
tern Setrad^tung^toeife auf ber golie berfelben toirffamer
üorjufäi^ren — namentlid^, m^ bem Oebiet beiS ^jf^d^olo-
gif4 S^ctifd^en, nad^l^er nod^ bie SBirfung be§ Seifj)ietö.
3l^r bient aud^, tt>cS tt)ir je^t nod^ jum Qcnanmx §or=
muliren ber SBorbebingungen be« mordlifd^en „SlüdEfd^rittö"
)u fagen i^aben.
27- gortfe^uttfl. 2)cr „mornlifi^le SWtffi^ititt" bei mu
lent tmb 3nbtbtbuen> 6efonber9 uadd 3erftönntg ber „%uta'
ritäl".
®a^ iDuantum ber borl^anbenen moralifd^en Äräfte
bleibt freilid^ in thesi, toie ba^ ber pf}\ffi^^m, ba^ gleid^e
in ©toigfeit. aber toie ber 5IRenfd^ ate „^err ber 5Ratur"
bie ilrftfte auf einen 5ßun!t concentriren, fie einem 3tt)edte
bienftbar ma6)m fann, fo fann in ber moralifd^en aSelt
294 3)te.:3mputabmui^ftage unb ba^ aßabificabiUtdtgt)»>i'Iem.
f^embar an einem fünfte ein Uebergetoid^t eintretoi;
tt)ie in bcr 2ltmöf})l^äre gewaltige 83lifce unb SRegenftröme
fid^ anfammeln fönnen, fo anä) im moralifd^en ßeben fo^
lo jjaler ©goi^mu^ ober loloffale So^l^eit ; toie ^uten burd^
2)eid^e fid^ einbämmen laffen, fo aud^ böfe Seibenfd^aften;
aber im ©türm fönnen beibe jerbred^en, unb folc^ einem
Untoetter gleid^t in ber moralifd^en SBelt bie 6ii;)ilifation
mit il^ren Sbeen ber abfoluten Slutonomie unb il^^^er ©man-
cij)ation be^ fout)eränen 3nbit)ibuum^. ©al^er fommt e^
bann, bafe bie egoiftifd^e Brutalität unb ber brutale ©goi^
mu^ rüdfid^t^Io^ burd^brid^t, ipeil bie ©darauf en ber fitt=
lid^en Slutorit&t, bie gurd^t unb ber ©laube, 3Kenfd^en
toie ©Ottern gegenüber, getoid^en; toeil aUe inftinctiöe unb
fubftonjiale 5ßietät i>ox bem 83rennfj)iegel ber ©Ie^)fi^ Ver-
flüchtigt ift. ®ie Autorität ift bo^ 5ßrincip be^ blinben,
ober ebm blinb toertrauenben (Sel^orfam^ nni toeid^t
ebenfo feljir mit bem SSertrauen toie mit ber SSIinbi^eit
S)ie^ blinbe Sßertrauen i^at ettoa^ 3nftinctii:>e^ , unb bie
))erfönlid^e gä^igfeit c& einjup^en ift ebenfo fel^r ettoa^
eingeborene^, nid^t ©rlernbare^; be^l^olb fann eö bem
tüd^tigften ß^arafter, bem Harften fio})f bei Keinen, aber
fld^tbaren ©d^toäd^en an Slutorität f eitlen; benn ber ©laube
an SnfaHibilität ift babei unerlafelid; ; unb umgef e^rt fann
ber Pad^fte unb l^oi^lfte aRenfd^ i;)ermöge einer getoijfen
fidlem ©etoanbt^eit toeite Äreife al^ eine 3lutorität be=
i^errfd^en. ©er 2lutoritcit^§erftörung gegenüber gibt e§ bem-
nad^ nid^t^ Unt)erftänbigere^ afe ben 33erfud^, ben nmex^
bing^ bie ^anblanger be^ 83ona})arti^mu^ loieber gemad^t
l^aben, bem Ueberfluten be^ Qnbiöibualiämu^ (Sinl^alt ju
tl^un; benn e^ ift finnlo^, loeil an*fid^, feiner eigenen
9latur nad^, total toirlung^lo^, .Wenn bie abfolute 3lut05
rität anfängt il^r eigene^ ^princip ju red^tf ertigen ; fobalb
fie fid^ baju genöt^igt fie^t unb bemgemäfe ju oi)eriren i^
ginnt, mu| e^ fd^on um ü^re eigene ®jiftenj gefd^ei^en fein
— pe fann nur bei benjenigen ©el^ör finben, toeld^e o^ne^
Ij^in an fie nod^ glauben — l^öd^ftenS fann fie bie
^ mtaliiiet mii^nit m^ äluloettAti^}eiftdf]iltg. 295
^t&mlmi>m ju ftd^ prlid^ie^en; unb baiS aHein fd^eud;
au^ eigentlW^ bie Äird^e — :|?rj)te^anti[cl^e tok fatl^oKfii^e
— ju beobftdlftigctt bei i^ren aj^ologetifd^en SWonologen,
bie fie nid^t mübe toirb, in bie äBelt ju fd^iden. Db fie
fid^ bobei unbetoufet berläfet auf bie ©en^ifei^eit, bafe ber
tttnfiut^ einer Slutoritftt ben Äern ber ©emütl^er nid^t
fd^Ied^ter ju mad^en im ©tanbe ift, toenn er aud^ ben
Wfen aOBillen entjügelt? S)enn totm einer, toeil er eine
3lutoritöt, bie er bi^l^er ate ©trafgehjalt ober 5proj[ectiön
beg eigenen @ete)iffen§ gefd^eut l^at, nid^t mel^r ad^tet, nod^
rcfi)cctirt, barüber jugleid^ mit in 3ltd^tad^tung berjenigen
©timme verfällt, i>m töeld^er 5(}auluS fd^reibt: bie Reiben,
bietoeil fie ba^ ®efe|, seil bo^ \>on einer dufeern Slutorität
gegebene, nid^t l^aben, flnb il^nen felber ein®efe§, unb
toenn ein fold^er infolge beffen fortan nngel^emmt bem
egoiftifd^en ober bo^l^aften Selieben nad^gibt: fo ift er au
fond barum bod^ ftttlid^, unb nid^t blo§ :t)I^ÄnomenaIiter
gemeffen, um lein ^aar breit fd^led^ter getoorben, fonbem
nur ju einer U^al^reren Sleu^erung feinet ßl^aralter^ gelangt.
Slber freiü^ gel^ört unter bie folgen ber SlutoritätS-
jerftörung aud^ bie^: bie SReiften loollen fd^on lieber für
fd^led^t ate für bumm gelten — au^ ber burfd^ifofen 6on^-
\>mmi über SBeleibigung^grobe l^at fd^on ba^ S8olf^bett)u|ts
fein fid^ feine ße^re gejogen : ber ©d^led^te loirb gefürd^tet,
fd^reitet unangef ödsten feine gret)elflrafee , — ber Summe
ntiöad^tet, „gej^änfelf^, betrogen — gilt für fd^toad^ unb
unfd^Äblid^. ©eitbem bie ^öllenftrafen in 3Ki^crebit ge=j
lommen, mad^en nur nod^ bie Slnbrol^ungen „bieffeitiger"
Uebel einen ©ffect Qebod^ aud^ bab'ei finb bie oHju fc^ar^^
fen Älingen fd^artig, bie aHju ftraff gef Rannten Sogen
brttd^ig geioorben: e^ l^at fid^ l^interl^er gezeigt: fo fd^limm
fam e^ niä)t^ loie gefürd^tet lourbe. 3ebe gurd^t neigt ja
fd^on iijirem SSBefen nad^ ju Uebertreibung. SRand^er er^
tpartete. I^interbrein t>on feinem ©eloiffen arge ©dielte; unb
fiel^e ba: aud^ bai8 „läfet mit fid^ reben"; fein S^abel fiel
leidster aug, ate man fid^ gebadet ^atte; tva^ g^fd^ärft
296 3)ie SrnputaHütAUfvage unb bad aitobi{kabiflt&t«)xob(em.
toetbm laim, tm^ nad^ benfel&m @efe|en aud^ fbintf^er
toerben Idnnen: unb obfltacte S^l^eotien fönnm bie ,^ innere
©ttenne"e6enfo gut einfd^lSfern,befcl^id^tigen,afe „toeden",
@inb aber erfi einmal ber (Sinjelne ober eine ganje Station
^^ba^inter gdommen", fo folgen fte mit weniger Sebenllid^^^
!eit Don ba an i^rem ®elfifle; bie ©etoo^n^ mad^t fot:^
c^eiS Xf^nn ü^nen allm&i^lid|i geläufig^ unb aud^ ))fvd^olo-
gifc^ bel^Alt ia» SBort red^t , ba^ ,,mit bem erflen ©dritte
fd^on bie anbem a;ritte )u einem neuen gatt getrau ftnb'%
ober wie berfelbe ©eSert anbertoftrtiS („^erobe^ unb $eros
biaÄ") fagt: „toer ein ßafier liebt, ber liebt bie ßajiet
atte" (toa« freilid^ bud^fiablid^ genommen unrid^tig ifl);
benn „«tter Anfang ifl fd^toer" gilt auc^ im ßtl^iifc^en
beim Uebertoinben beS äBiberflanbed im eigenen S^mem
far^ 90fe (Die füri» @(ute. @o fanben toir ja auc^ ®e^
malt^errfd^aft unb bie Uebertretung geti)i{fermaj3en al&
@l^renfa(^e ber @^laul^eit l^erau^forbembe ^nflalten über^
t)or{td^tiger (Sontrole unter ben bemoralifirenben ^actoren^
inbem fte ber SKd^tung Dor @efe| unb Sted^t entn^öl^nen^
koie auc^ aUed, koa^ ©elegeni^eit gibt, ungeflraft ein ®efe|
}u l^intergel^en, unb fo bie ^intergel^enben ftd^er mad^t.
auf biefen Orunb gei^ft in ber ©d^ule fotool bie fittlidjie
äSebenllid^Ieit getool^nl^eitiSmA^igen Gctem^oralefd^reiben»
mit änflad^elung ber Ambition 0/6ertiren"), toie bie @t^
fal^rung^tl^atfad^e )uräd(, bajs ein ©inniger, ber in einem
Se^rercoUegium bie S)idci))lin nid^t ju l^anbl^aben t)erfle^^
l^inreid^t, um ben „guten ®eifl'', ber bi« bal^in gel^errfd^t
l^at, gu toerberben unb fo jjebem SJmt^genoffen bie Slufred^t^
l^altung ber gud^t ungel^euer ju erfd^toeren — benn bann
gleid^t aud^ bie jugenblid^e ^etulanj bem ßötoen, ber eins
mal Slut geledtt — geglflÄte SBerfud^e ermut^igen ju neuen
aud^ ba, too man bx& bal^in gar nid^t „baran gebadet
l^atte", ba^ fie gelingen lönnten. Unb auf feiten ber
©d^üler gilt ganj baffelbe. @ute^ breitet ftd^ \a Aberl^au^t
nid^t au^ auf bem SBege ber „Slnfledung" — e^ toirb
nid^t^ i^elfen, U^enn man in eine jud^tlofe S9anbe ein
aRoraKf<6et 9lfi<ff$vitt nac^ autoritd^jerftGtung. 297
i^mnplax wn ^ei^, ©el^otfam unb aQem rä^mti<^ett
StreBen afe „3Wufierf(^üIet" hineinbringt — er toitb att
SJotBilb nic^t jur Slad^ciferung anfj)omcn , fonbem bejlen*
faß«, menn er nftmlic^ ,,gar nid^t ju DerberBen ifl"
(toorauf eg lieber nid^t anlontmen ju laffen, bod^ immer
ba« 3latl^famiie bleibt), in trübfeliger SSereinfamung feine
redete Strafte toeiter jiel^en unb ni6)t9 beitragen jur igebung
ber berfunlenen Äameroben. ©agegen bringt jeber Slm
lömmling au^ einer 9(n{latt bon minber gutem ober gleid^
fd^led^tem ®eiflc ettoa« mit bon beren Unarten, loie fie
fid^ nad^ befonbern Socalber^ältnijfen in jeber nad^ eigens
t^ümlid^er ®e{lalt gu vererben ))flegen* S)a gel^t ein Stc^
nommiren an mit: „ba3 Heften toir un§ nid^t gefallen —
bag burfte man uni8 nid^t bieten — ba touftten tt)ir un«
fo unb fo JU Reifen" u. f. tt>. ®§ ifi aber ^anbgreiffid^,
toie mit ben 3nbit)ibuen auf biefem SBege biel ©d^tec^te«
ber^)flanjt toirb; unbbem entf^^rid^t bie ©rfal^rung, baft auf
neu gegrünbeten ©dffulen ceteris paribus bie ©i^ciiplin am
leid^teften ju ^anb^aben ift unb um fo fdfftoieriger toirb,
je mel^r ©enerationen bereit« ein ©ublimat jurüdfgetaffen.
aSa« alfo in fold^em gatte ber ßinjelne ober ba« ganje
«oH an flttlic^er Äraft mbü^t, ijl attcrbing« nur ein
^)^Änomenater SBerlufi. ^mn e« l^eiftt: bie 9tömer feien
au» gelben SBeid^linge geworben, fo braucht man nic^t
in erfter Sinie bie SHatlonalitatenfreujungen ju bebenfen,
fonbem jumeifl, baft nur — bur^ neue 3Wotibe — ba«
?ßl^ftnomenale fid^ beränbert ^atte, toä^renb, inteffigibel
angef el^en , berf elbe rüdtftd^t«lof e ®goi«mu« ungef d^eut f ort^
toaltete, toeld^er fd^on bon 3lnfang ber römifc^en ©ef^id^te
an bie Äuftere ^ßolitil befttmmte. 3efet, jur 3^* ^^ fo*
genannten SSerfaff«, l^atte er ft(^ im Privatleben ben ftnm
tid^en fiäflen jugetoanbt, an beren ääefriebigung ein Slo^
bin« unb Satilina aud^ ein l^int&ngli^e« Ouantum ab^
firacter Energie festen. S)er ttnterfc^ieb loar nur: biefer
6gol«mu« fd^ifferte je^t in bielen inbiöibueff t)ariirenben
©trebungen au«etnanber, toft^renb er früher eine affgemeine
298 3)ie 3m))utabtIitAtdfraae unt) bad äRobificabUttdtöpcobtem.
@efammtform^ bie be^ ^atrioti^mu^, aU ber ftd^ infHnctit»
au^be^nenben unb ertt>eUemben ©elbftfud^t^ an ftd^ ge^
ttagm unb nod^ in [ubftan^ialer Sinl^eit einen telotit)
gemeinfamen ^totd bcrfolgt i^atte, toobei freilid^ aaä) Slcte
fd^einbater @elb{lt>erleugnung borfamen, bie bem @in)et::
egoi^mu^ aU fold^em birect entgegenliefen; ober an ber^
gleid^en fel^Ite e^ ja [elbft in ber tieffiberfunfenen Äaifer-
geit nic^t gänjlid^, unb fogar bie ^riftlid^en 3Bätt^rer
toaren \a gto|entl^eife tömifd^en ©eblütä.
28* 2)te eneigtelentnteitbe föttlnttg ber refiectirettliett
@eIbft6eok$tung.
^ier nnn mttjjen tt)ir unter abermaliger Stüdn^eifung
auf grül^ergefagteg jur ©rgftnjung be« §ule|t Sefjjrod^enen
bie anbere, rein formale, öom materietten 3«^alt ber Sie^
fiejion gängttd^ unabl^ängige SBirfung ber ©elbflbeleud^tung
be« 3ntellectg l^injunel^men, um in bief er „ßä^mung" ein nid^t
minber bea^ten^ioert^e^ Söloment beffen fennen gu lernen,
p>a^ bie Slbftraction unter ben tragen äSegriff „bemorali-
firenbe ©inflüjfe" jufammenfafet. 3Bie man auf glatter
gläd^e im ©unfein rafd^er unb gefai^rlofer bortoärt^ tomnt,
ate Ui 2^age, unb tt)ie fi^'^ tjollenb^ bd einem fladernben
Sid^tfd^immer befannterma^en no^ öiel unft^erer ge^t atö
in i)iJIliger ginfternife: fo ifl bag naibe ©etoiffen iDeniger
bem „©traud^eln" au^gefefet aU ba^ reflectirte; unb foijl
iebeg betoufete ^anbeln t)iel unfid^erer al^ bag inftinctit^e.
— 3fi (©(ä^ö})enl^auer, „^arerga", 1. Slufl., I, 231 fg.)
ba^ grofee ©e^irn baS Drgan ber SWotibe, bas Heine ber
^Regulator ber SBetoegungen, fo Iftfet fid^ unfd^toer begreifen,
n)ie ßonfufion unb ©d^toanfen entfiel^en mn% toenn jene«
biefem fojufagen rafd^ toed^felnbe SBeifungen gufc^idft unb,
im näd^ften Slugenblid, toon einem anbern 3Rotit) beftimmt,
ganj ober toenigften^ tl^eiltoeife contremonbirt toa^ e^ fo-
cbm erft angeorbnet, fobafe in bie SöluSlelbetoegungen fetter
Snetgkl^emntenbeäBtrbtng bettef[ectirenben@etbftbeoba(^tung. 299
«n Swgtcifen unb 3«t:MM^'&^^ fommt, ipo^ il^en äffen
$alt nel^men, fie affer geftigfeit unb ©id^erl^eit berauben
xo^x%. 2Ber auf einem fd^malen ©teg i;)on ©d^toinbel ge^
fa^t toorlpärt^ taumelt, gibt für biefe Dbferbation nur
einen tiXo(x^ mt^x elementaren SBeleg, afe xotx, jttjifd^en
einanber toiberfj^rcd^enben ©etoiffen^forberungen ftel^nb,
bie ©tunbe be^ ^anbeln^ ganj berfäumt ober, t)om einen
jum anbem ta^j^jjenb, nid^t^ öoffenbet. 2Ber h& Stacht ol^ne
g&ljirbe eine ©i^fläci^e JJaffirt, ber toirb nid^t bei j[ebem ein^
je Inen ©d^ritte burd^ gurd&t in feinem ©elbftöertrauen
irre gemad^t; obgleid^ er im affgemeinen fel^r n)ol^l toeife,
ba§ ©efal^r borl^anben ift, fo it)irb bod^ nic^t ber iebeö^
malige 2lct burd^ ein öon toed^felnben Silbern anfd^au^^
lid^er ©rol^nife i>erit)irrte§ Setoufetfein geftört. 3lod^ rafd^er
aber toed^feln in Slblauf ber Sßorfteffungen bie rein ob--
ftracten, t)on finnlid^er 6nH)irie nid^t geleiteten Segriffe —
tt)ö alfo Siegeln, 3Kajimen, ©ebote, ®runbfä|e ba^ ^m;^
beln lenfen foffen, too ftatt be^ ©efül^te, biefe^ ©elbftinne::
fein^ be^ eigenen ßeibe^ unb feiner Functionen, bie Sßer=
nunft jur SRegulatrice beftefft toirb: ba beginnt erft red^t
jener ©iertanj, ber in feiner broffigften Slengftlid^feit ate
^Pcbanterie berlad^t toirb, toeld^e ate ßaricatur affer
SBei^^eit, ber !t)raftifd^en ober ^ugenb fo gut, loie ber
t^eoretifd^en ober SBiffenfd^aft, jur toal^ren SBernünftigfeit,
bie in einem ©leid^getoid^t t)on 3lnfd^auung unb 2lbfiraction
rul^t, ftd^ ungefäl|>r t)er^ält tote ©igenfinn jum 6l|>arafter
(t)gl. oben ©. 185 Snm. bie claffifd^e 3^^nung be^ 5pe=
bauten au^ Safob ©rimm'^ „Kleinem ©d^riften")* 2tud^
bie mimifd^e Äunft unb ba^, toa^ fie fo fd^toierig mad^t,
fann bienen, um ba^ ©efagte ju erl^ärten: fie mu§ fid^
^üten, ba0 Unbetoufete, Untoifffütlid^e ber ©efticulation unb
be^ !j)atl^ognomifd^en ©!j)iel« nid^t in ben Sereid^ ber
Hemmungen burd^ ©elbftbeobad^tung l^ineingeratl^en ju
laffen. SBer eine Stoffe in bem ©inne fid^ einftubiren
niuj3, bafe er fid^ erft ju bef innen l^at, toeld^e Seioegungen
ipaffenb feine SBorte begleiten, ber bleibt eine l^öljerne
300 3)ie 3tnputabUUdtöfcage unb bad SRobificabUttdtS^f oblem.
(Süehet^vtppe. — 3)ie Setoegungen muffen Don f elbfl ^<S}
einteilen unb ba fein, e^e man fid^ beffen toerfiel^t — unb
ba« rtd^tenbe „®etoiffen" ift aud^ fjiex, tt)ie nac^ ®oet^e
immer, einjig auf feiten be^ „S^fd^ÄuerS". ^<a fd^Iiefet
beim SIcteur ein f^jfttere^ Slufmerfen auf jene Setoegungen
belauf ^ i^rer SBereblung nid^t au&, fo toenig toie ein Se-
tätigen baräber* Silber bie erjte 5ßrobe barf nid^t unter
ber ^errfd^aft ber SHefleEion fie^ien — eö mufe nur ber
Snl^alt ber 2)id^ttoerfe Kar in« eigene ©efttl^I l^ineim
genommen fein, fo lönnen bie entf^jred^enben Setoegungen
gar nid^t ausbleiben, tok fie benn \a auä) im ®ef^räd^
beö täglid^en 2ebtn& alle ©efü^teSufeerungen ungefuc^t
begleiten- *)
29. 2)te fogenattnte ftttlid^e SSerebImtg; Sirfung be« Sei::
faltete nebß bereu SoranSfe^ungeu; Sert^ ber iSegalttSt/
mif müf i^rer ISebeutung für bie innere @elbfttterf(i^uttng«
aSßaiS tt)ir aber aU „SSereblung" burc^ J)lafiifd^e Slb:^
runbung, l^armonifc^eS aRafel^alten, ber bewußten Üebung
flbertoiefen l^aben, entfj)rid&t im fittlid^en Seben bem SBertl^e,
*) hiergegen ijl e« leine Snflang, baß Bei öerf^lebenen — felBfl
nafft i>ixmant>ttn — Ü'lationen biefelben ^(}r))erbett)egungen — ^o^f«
fd^ütteln u. bgl. — gum £§etl entgegengefe^te ^ebeutungen l^aben,
benn ^ier gilt: consuetudo est altera natura — nnb Snfltnct nnb
(Conbenien^ ^aben fi^ get^eift in bie SiP^^^^d ^i^f^^ t^^mboßl —
biefe ^^^rad^e l^at toie jiebe anbete in i^ver gegenuSrtigen ®e^
fialt lotrnici^ ben b6f>^eUen Urff>rung au9 d^at« ober fji(fjit)9t; unb
9vai; — aber n>ad einer bon ^inbl^eit an in feiner Umgebung wx
bergleid^en gebbrt unb gefe(ien l^at, bad eignet er fic^ auf bem Sege
ber iRac^a^mung fo fidler an, bag er ed gule^t mit berfelBen Untoill'
{ürUd^Ieit unb Unbetougt^eit au9äbt, al9 flammte e9 gan) an« ber
Unmittelbarfeit feine« eigenen Snnern unb fldfe gar nid^t« bon Ueber«'
lommenem unb eingenommenem bal^intcr — unb Icfttere« fd^Iießt ja
au(^ ntrgenb« avi^t baß in einzelnen Etüden totrlüd^ bie reine 9latur«
ft^mbolil betoabrt fei.
2)ie ftttlid^e Seteblung. 301
tt>elci^ ber SBerfeinerung ber ©itte burc^ ©otttocmenj unb
©tifette, ja allem bctn jufommt, toa^, im Unterfd^icb bon
aWoralität ber ©eflnnung, ate ßegalität be^ SSerl^alteniS
geforbett toirb.
erflereg fam bereite ©. 127 fg. ju vjorläuflger ©rtoäl^^s
nung unb mag l^ier nur noä) burd^ ein toeitereö S3eifj)iel
iHuftrirt toerben.
SSer in einer ^ßrebigt ^ört: ba^ D})fern t>on ©tunben
ifl oft ein toirffamerer Slct ber SBarml^erjigfeit atö ba^ ©ar^
reid^en eine^ großen SWmofenS, ber fann baburd^ jur 85e=
finnung gebrad^t toerben über ben Umfang ber SWittel,
toeld^e er jum SBol^Itl^un befi|t — unb tl^^ut fortan, toag
er bi^l^er blo^ beSl^alb unterließ, toeil er nid^t bebad^te,
bafe er eS t^un fönne. 3)er ®rab feinet 3KitIeibg ift ber=
felbe geblieben — l^elfen tooUen l^at er immer gern —
er fanb nur ba^ SBie nid^t — unb alfo nur ^jl^^änomenal
l^at fid^ fein etl^ifd^er SSertl^ geweigert-
aSon biefem ©erid^tg^junft an^ Ift^t fid^ felbjt bie ä)u
nefifd^e ©arbinaltugenb ber ^öfli^feit*), fofern fie über
blo^eg ©eremonieff l^inau^ge^t, gelpiffermafeen ju ßl^ren
bringen. aWand^e i^rer 3Sorf(^riften flammen bod^ toirflid^
au^ bem SBunfd^, @efü]^föberle|ungen borjubeugen —
berul^en auf ber Slnerfennung, bafe bie „SRüdEfid^tglofigfeit"
ebenfo gut ©d^merjen bereiten fann, tote dn 3tt>idEen mit
eifernen 3<^^9^ — wnb ben conbentionellen Sügen tool^^nt
ettoa^ bei, ba^ afe ed^te SBol^Iti^at lann em|)funben toerben,
S)ie ^öflic^feit ift auf bem (Sebiete be§ gefeHigen SSerfel^r^
baffelbe, toa^ für ba« bürgerlid^e Seben bie Segalitftt: e«
toirb burd^ beibe mand^ realem ßeiben berijiinbert; beibe
l^aben il^ren ®egenfa| an ber brutalen Slo^eit, unb bie
eruditio 0/®ntro^ung'0 !ommt beiben jugute. — 3lu§ bem=
felben ©runbe ift für beibe ber ©influfe be^ S3eif^)ieU
*) 3)iefcl]6e tnug, toenn getoiffe (Stl^nogra^l^en red^t ^dbtn, bei
ben „(^tnibttifttn** unter ben Mon^oitn gan} bie 2)tenfle etned @ur^
rogatd für ha9 nid^t Dor^anbene ®tmüt\f Uifttn.
302 5)ie 3mputabi(ität«ftagc unb ba» aRobtflcabiUtftt§probtem.
tjon entfd^eibenber aBfd^tigfeit. ®ie SBlrfung be§ SBeifriel«
betul^t jimäd^fl im aHgemeinen auf bem 3?aci^al^mung$trteb,
unb bejfen ©eJ^eimnife [d^etnt feinerfettö jtd^ auf einen
SBal^n bes 6goigntu§ jurüdfül^ren ju lajfen. 9Bir fmb —
Vjermöge ber egoiftifd^en ©runbnatur alleg SBoIIen^ geit)iffer=:
mafeen a priori — fo geneigt, bei ben ^anbfungen, toeld^e
tt)ir bie anbern au^f ulkten feigen, boraugjufe^en, biefe l^ätten
irgenbtoie einen Sortl^eil ba\)on, bafe tt)ir aud^ ba, too toir
fold^en SBortl|>eifö nid^t inne toerben, toerfud^en, e§ ju mad^en
tt){e fie. 2lud^ bie 3?ad^al^mung$fud^t be^ Slffen Iftfet auf
einen äl^nlid^en SBal^n fd^Iie^en, unb ganj naiö feeftätigt
fid^ biefe 2luffaffung, too fid^ an irgenbeinen entleerten
S3raud^ ein SlberglauBe l^eftet, ber benfelben confertoiren
^ilft. (S)ie SWobe, toeld^er toir nn^ in freiwilliger Stia^
toerei unterwerfen, fül^rt üfeerbieg für^ ©elbftgefül^l ben
9lei§ mit p^, bafe Wir unS gern fagen: ba^ mitjumad^en
bifi bu aud^ im ©tanbe.) „33öfe 93eif^)iele t)erberben gute
©itten''', alfo gute ®eWol|>nl|>eiten, 3lngewöl|>nungen, über
beren 3wfcimmenl|>ang mit bem etl^ifd^en SBiUen^fern bamit
nod^ nid^t^ au^gefagt ift; unb umgefel^rt: bie SRad^t be§
fogenannteti guten Seifpiefö wirb meiflen^ nur mt nega=
tit)e fein: fie Wirb Slu^brüd^e ber Selbftfu^t ober »oS^eit
burd^ ba^ (Sewid^t ber 3?erurtl^eilung t)on feiten ber Um-
gebung nieberl^alten *) ; fie wirb aber f d^Werlid^ jemals gute
2leu^erungen l^ertoorrufen — e3 fei benn l^eud^lerifd^e —
jenen Xxibut, ben ber 2^ugenb ba^ ßafler jofft. dagegen
Wirb ba^ fd^Iec^te 93eif:piel bie nad^ ber überWiegenben
TOeberträd^tigfeit ber 5!Kenfc^ennatur in ben meifien fd^Ium-
mernben böfen ©elüfte Wad^ rufen, bie SRüdEfid^ten ber Sd^am
*) S)ie (^ttoatt be« 2)rucf0 ber ©d^anbc beruht auf bem ^c-
touß^fein, baß baö 58crtrauen ber SJZitmenfc^en gu einem, Begtel^ungS*
toeifc beren gurd^t bor einem getoid^en tfl, baß man a!fo ni(i^t mcl^r
baranf rcd^nen fann, biefe betben ©tilgen ber eigenen $:^ättg!ett
totcbcrgugett)innen, baß fomit ber eigenen Arbeit unwieberbringlic^
aller ©egen fe^lt 3n biefcm @inne läßt @t^iller (Sy^aria Stuart,
II, 3) ben Seiccjler fagen: „SBerad^tung iH'bcr wa^re Sob."
SEBWung beS »cifpieW. 303
abfd^toäd^en, 5!Rittel jeigen, toie ftd^ jene ©clüjle in einer
für ben Xf^&Ut möglid^fl ungefftl^rHc^en SBeife Sefriebigung
t)erf (Raffen lönnen. — ®a§ ifl e§, toa^ man ben „fd^led^ten
®eijl" in einer ©cfettfd^aft nennt. @« toirb alfo ba^ bdfe
JBeif^Jiel jtt)ar nid^t ben SBiffen f eiber tjerfd^Ied^tem, aber
e* toirb bie Sleufeerungen be? egoiftifd^en ober boSl^aften
SBoffeng Vjerfd^Ummem, fofem e^ ben Süfl^l jerreifet, ber
bieg bi^l^er im ^anm^ gehalten. Stuf biefem SBege ge^t
benn avt6) bie ©emoralifation eine§ ganjen SSoIfe^ tjor ftd^,
inbem man fid^ an bie nadten SCeufeerungen ber ©emeim
l^eit getoöl^nt — bie ^©cl^ranf en beg „ainftanbeg" einreifet
— ben Umfang ber bürgerlid^en ®^re t)erengert. S)er
SJemoralifation ju „fleuern" ijl alfo ©ad^e ber ^olijei;
eg ifl nöt^ig , ^präöentit) = — ^jroipl^^Iaftif d^e — aWaferegeln
bagegen ju rid^ten, toie bie ©anität^bel^örbe bie El^olera
fern ju galten fid^ bemül^t. *) 3lu3 biefem ®efid^tg})unft ifl
bie SBüd^ercenfur ju beurt^eilen, bie, fotoeit fte Unmünbigen
gegenüber einen Index prohibitorum auf [teilt, einfad^ in
ber Sonfequenj !|D&bagogifd^er unb jjatriard^alifd^er lieber-
load^ung liegt; loomit j[ebod^ über bie an ber UnauSfül^r-
barfeit fd^eitembe 3tt>^ntäfeigfeit berfelben !ein SJotum ab*
gegeben fein foll. — 3)er tjerberblid^e ©influfe fd^Ied^ter,
b. f}. 5pi^antafie erl^i^enber, ßeftüre unb ©efpräd^e fd^eint
freilid^ — toie ba^ 33eif^)iel über]^au^)t — junftd^ft nur
inteHectueller 2lrt ju fein — bennod^ toerben baburdff
SBBiCen^rid^tungen getoedt, juerfl in^ SBetoufetfein gebrad^t
unb barin genährt, bie fonft nod^ lange im latenten 3«-
ftanbe l^ätten bleiben fönnen, unb an benen baö ttnfittlid^e
*) OBigc SDarlcgung i|l ba« (Srgcbniß feibftänbtger ©cobad^tung
unb ^efle^ton unb t>txf)dlt fid^ nic^t etma a(d Ülemtnifceng gu bem
^aroli^>omcna , §. 119 (1, ^uff.) öon @c^oj5en(>auer ^Vorgetragenen;
bie erfl na<]JtrSgItd5i wahrgenommene Uefcereinjlimmung bamit Wnntc
eine ,,3ufSfftge^^ Hßen, tocnn md^t aitXoOc 6 fiuSo; rtj? dX^j^eCa? Ä90
(Earip. Phoen., 469). Äud^ mag man bamit t)erglcid^cn|, toa^ S>tc
«Belt ar« ?Biae unb ©orjieffung (2. Slnfl., I, 344, 416 fg.; 8. SCttfl.,
@. 359, 435 fg.) gu berfelben gragc beigebracht ifl.
304 3)ie Smputabintdtöfrage unb bad SRobiftcabitit&tSproblem.
j
}unAd^fl nur bo^ Unjeitige^ SSerftfi^te ifl. ©leid^t^ol ftnb
toir Qttoofftd, bie ©ac^e fo anjufe^en^ ba^ ber @l^tdtet
ate aSBillcn^Iem felbfi „barunter leibe"; toir feebauem bo^
,;3nficirtfein" be^ aSiffen« ; barin liegt fd^on bie Sle^nlid^^
feit mit ber Slnfledung burd^ ein \>on ou^en an unb in
ben Jtör))er gebrad^teS Wa^ma unb mit einem ©ifte. @in
aBitte, ber fonfl „gefunb" geblieben toäre, erfranit, unb
nrir beflagen bag. aJBo mir eine an Urt^eil unb SBitten&s
traft gleid^ unreife 3ugenb aber gar berührt finben wn
bem ^auc^e f^ftematifd^er etl^ifd^er ©fe))ft^, ba bleibt mi&
nur bie unfreiere Hoffnung, ba§ f})Ätere fiebeni^erfal^rung,
fei e^ auc^ nur in ber gorm felbjterlebter ^Proben ber
„immanenten SBeftgered^tigfeit", i\m ßorrectib toerben
fönne..
3Benn auc^ ber etl^ifd^e @(e))ticidmud toirflid^ mand^e
rein conbentionette, angelernte ©cru})el mit attem gug über
85orb toirft, fo fle^t man bod^ billig an, o^ne toeitere^
in botter @d^ärfe bal^in {td^ }u Äußern: tt>er Unred^t tl^ut,
toeil er ben QtoaxiQ ber ©onbenienjlegalität abgejheift l^at,
ift fd^on borl^er potentiä ebenfo fd^ulbig getoefen. -- ku
le^ ftttlid^e SRed^tt^un ifl bod^ me^r ober toeniger wn
einer — fei e« infHnctib gefül^temäfeigen, fei e« abflract
betou^ten — ©inftd^t bebingt, unb eine ßrfc^ütterung ober
?Jertt)irrung biefer fann fd^led^tere 2^^aten l^erbeifu^ren
atö bem toal^ren (intelligibeln) (S^arafter bed äßenfc^n
eigentlid^ entf^jjred^en toürbe**) SRel^men loir l^ierju gleid^
bie aieber^feite l^inju: ber »lenfd^ ifl, toie 3ean 5ßaul
fagt, „toeber fo gut nod^ fo fd^led^t loie feine äufmattungen".
Unb bod^ gel^ören, toie toir toiffen, aud^ bie Slufloallungen
*) S)tc Stellen, an tDcId^cn att9 ^d^tffer ber %n)a>alt fold^er
iSegaUtfit, aU be« ertoedten „(Bt]^mad9*' für ftttUd^e« C>anbe(n unb
be« in^befonbne bur^ 5fi(ettf(^c (Sv)tel^ung«mittel „gefdiberten"
9lc<^tt^und, \pxx^t, finb toon 3uliu« grauenfi&bt jur (Störterung ge«
brad^t in ber erflen Beilage gur i^offifd^en Bettung, 9h* 260, k)om
6. ^ot>. 1859.
^ad ibeale fSotUÜ. 305
ju bcn ©^ttHJtomen be^ 6l^arafter§; cg gilt nur, fte fftt
bie ©iagnofe tid^tig ju bertoertl^en. SBer fid^ für ein ptt^
lid^e^ ^htal aud^ nur momentan ju ftegeifiem ijermag,
mu§ bemfel6en bi^ ju einem gelpiffen Orabe congenial fein*
;3ebe ©eneration lebt ber na^folgenben beren Qbeale
t)or; aber jeber ©injelne tt)irb nur t>on bem berül^rt, für
toeld^e^ er bie @nt|)fänglid^!eit fd^on mitbringt. SBer einem
SSörbilbe nad^eifert, lernt im fteten ^inblidt auf biefe^ neue
©attungen bon SJlotiben fennen — unb tt)o an^ ber falten
Sett>unberung toarme SBerei^rung unb au^ biefer pex^Ün^
lid^e Siebe geworben, ba „gel^t baö §erj auf", toirb tt^eit
unb offen — e^ toirb bem (Semütl^e 33ebürfnife, baS
SBol^lgefaffen be^ mit Siebe SBerel^rten fid^ ju ertoerben —
unb mag^ biefer aud^ längft nid^t mel^r unter ben Sebenben
toeilen, mag felbft jeber ©laube erlofd^en fein, ate lönnte
berfelbe „au^ feiigen ^öl^en" auf ben l^ernieberfd^auen, ber
feiner „SRad^folge" fid^ befleißigt, fo tt)irb boc^ baburd^ m
in jener SBeife angefnü^pfte^ 33anb nid^t jerriffen, unb
bejfen ibeale SRatur mad^t feine 2^Qlxa^ tautn fd^toftd^er,
tool gar nod^ flärf er ; benn mit bem räumlid^en S3eifammen=
fein finb aud^ jene Störungen aufgel^oben, bie erft bie
„öerflftrenbe 3Wad^t ber gerne" befeitigt, toeil in feiner
leibl^aftigen ©egentoart lein ©rbengeborener in ungetrübtem
©lanje fittlid^er S3oIHommenl^eit fortleud^ten fann. S5amit
Ifl allerbing^ nid^t au^gefd^loffen, bajs aud^ bieSd^ranlen
beg erlDftl^lten SSorbilb^ in^ S3eit)ufetfein getreten fein
muffen — benn bie fräftigenbe 2Birffamfeit berul^t toefenfc
Ixd) auf ber ©etoiß^eit, bafe fo ettoa^ bem aJienfd^entoefen
tro| att feiner ©d^loäd^en möglid^ geworben — bem SSer^^
jagen an ber ©attung^fftl^igfeit tt?irb getoeijirt — ba« meint
Siüdert mit feiner Sßierjeile:
©roßer Wttn\(S^tn Söerfc gu Jcl^n,
@(j^Iägt einen nieber;
SDod^ erl^ebt z9 and^ toteber,
2)ag fo etioad burd^ ÜJ^enfd^en gefd^el^n.
®« jeugt alfo nid^t für eitel Xxuq unb §eud^elei, fonbem
306 2)ie 3lmputabiUtdti»frade unb ba^ äRobificabtIttfttöprobtem.
nur für etl^ifd^e Unreife, bie SÄbftracteS «nb Sntuitiöe^
nod^ nid^t in ©leid^getuid^t )u fe^en getDu^t l^at, toenn
einer in ben @tunben be^ @ntl^ufia^mu^ anber^ l^anbelt
ate in benen ber Jiäd^ternl^eit. 6^ ifl fel&ft um bie „%t-
bauung" burd^ Sudler ober ^rebigten, toeld^e ba^ etl^ifd^«
„ißod^bilb" öor un^ aufrid^ten, mel^r al^ blofee j^f^d^olo-
gif^e ^aHucination — toer bei fold^em S^i^fl^fr^ä^ ^t^<*^
anbere^ ate Äangetoeile ober innere^ Slblel^nen em^)finbet,
gel^ört f^on )u ben @leid^geflimmten, toenn auc^ nod^
nid^t ju ben ©leid^gefinnten — unb vermag aud^ ein ber-
artiger Slu^taufd^ nid^tö i^r ganj grembe^ unb 3leue^ in
eine ©eele l^ineinjutragen, fo bod^ Satente^ ing Setoufet
fein ju rufen, SBanfenbe^ ju befeftigen — ba^ burd^aui^
heterogene toürbe l^öd^ften^ nur äu^erlid^ ein«' ober beffer:
angerebet- dagegen fann bie etl^if^e Vertiefung va ©elbft-
geal^nteg eine SBedftimme loerben für ben ©d^Iafenben
unb bem SUnben ben ©taar fted^en, ©o fagt Dtto ßubtoig
in //3toifd^en ^immel unb ©rbe" (2. Slufl., ©. 107): „S)a«
®ett)iffen ^att feine ©eele au^getieft" ; unb bieg ift ber §ers
gang bei bieten Selel^rungen, na^fbem jutoor bag „Seben",
bag „©rieben" — fei eg im S^netoerben ber eigenen
©ünbe, fei eg im SeuTspoi; 7cXou(; beg tiefen Sebengleibeng
— ben Soben bereitet. 3)od^ bag fe|t toieber öorau«,
baB einer fein eigen ©rieben aud^ toirftid^ erlebt, übet-
^u^jt etloag erlebt. SRur loem (xyx^ bem SBogen unb
SBallen be« Sebengftromeg ein inl^altgtjolleg ©elbfl fid^
fr^ftattifirt l^at, fieliit fold^en ©in= unb Suflüffen offen-
S)enn loag anbereg befagt bie unijergleid^lid^e SBortbilbung:
ettoag erleben, afö: burd^ bag ßeben fid^ etttjog ju eigen
gemad^t, aug bem Seben fürg etl^if^e ©elbft einen ®e-
\o\x\Xi fid^ gejogen ju l^aben? ®erabe ober fold^en ^roceffen
toerf^liefet ber etl^tflofe SRaturali^mug bie ©d^leufen; ber
fiel^^t ^^ i>^^ einjige loirfli^e „2lntid^rift" — toie ©d^ojjen-
^auer il^n nennt — toiber bie SSorgänge ber SBeid^te unb
aSufee. aber eben barum, toeil er bie menfd^l^eitum-
faffenben Äetten jerfeilen möd^te, fann er aud^ niem^te )u
Sßedung unt) Sd^ätfung beS ®etDtffettg* 307
attgemeinet ©eltung gelangen. ®a^ ©etoiffen läfet ftd^
fd^Iie^Hdli bod^ nid^t toegfo!j)l^tjliciren; eiS bletfet — fo
hjanbelbar eS im einzelnen materialiter fein mag — baiB
unantafibare Urfactum be^ innetn ßebenS, nnb ber SJeufel
in SRenfd^engeftalt, ber e^ jtd^ tt)egbemonfttiren modele,
glaubt im ftitten enttoeber bod^ baran, ober beftätigt burd^
fein ^l^un ebm bie Siegel, toeld^er er afe Slu^nal^me gegen-
überftel^en möd^te* Slufeerbem fann nur ba^ berjogene
©lüdföKnb eine 3^^ lang feine ®ett)iffen§fümme toeme^men
unb be^l^alb ben ©tauben an beren ©jifienj tjerlieren, baiB
©lüdi^finb, bai^ burd^ ein „glüdflid^ ^emj)erament" i)or
f d^tt)er er ©d^ulb unb burd^ ein ,,gIä(IU^e^" (günftigeS gnft^
bige§?) ©efd^id t)or fd^toerpn Seiben betoal^^rt blieb (f. oben
©• 86). S)ief e beiben 3Jlä(^te finb eS, n>eld^e ben ÜÄal^nruf er:=
gelten laffen, fid^ ju befinnen über be§ 2ehm^ Sebeutung, unb
il^nen fönnen tiefere etl^ifd^e ©^fteme ju $ülfe fommen,
um i^nm „3lntid^rift" ju ftürjen unb bie i^age an ben
einjelnen ju rid^ten : beja^ejl ober terneinjl bu eine ©Eiflenj
f t)otter Seib unb ©d^ulb ? — ®anj bief elben Oef efee aber,
nad^ toeld^en ba^ fd^lummernbe ©etoiffen load^ toerben
fann, jxnb e^ aud^, na6) toeld^en ein ©d^ftrfen beg abge^^
ftumjjften möglid^ ift, unb fotoenig au8 jener 2;i^atfad^c
ju folgern toar, bafe eg nid^t feinen Urf})rung a priori
i^fabe, fonbem ganj unb blo^ anerjogen fei, ebenfo loenig
l^iefee e§ 6onfequenjenmadf>erei bermeiben, toenn man barauiJ,
bafe e0 nidfft ju allen Seiten unb bei allen ©elegen^eiten
ebenfo untoiberftel^lidff toie entfd^i^en feine Stimme erl^ebt,
ben ©d^lufe jiel^en tooHte: ttja0 burd^ SSorfül^rung fotool
ber SBorftettung ber ©dffulb toie beiS Unred^tg erfi an^ bcm
latenten in betoufeten 3^fianb i)erfe|t, alfo jur 2;^fttigfeit
angeregt toerbe, fei über^au^Jt nur intellectuellen SBefeniS,
(|uette nid^t an^ bem SBillen^fern felber. ®ibt e« bod^
aud^ gan} unabl^ängig \>on ben ©raben inteKectueQer Jtlar-
^eit ben ttnterfd^ieb eineiS toeiten unb engen ©etoiffen»,
lajer unb firenger ©runbfäfte.
20*
d08 2)ie Smptttobiatfttöfrade unb baft ailobttUaUIitfttd^robleiiL
Xitbeterf eitiS freilif!^ {teilen tvit eine flatutarif d^e ZtQO^
lit&t^ toie bie^ naä) beten 99u(i^{l&6Ii(^!eit Su^en unb @ng^
I&nber trachten;, nid^t eben ^oä): ed fe^It i^r mit ber^it^
ntanen) be^ etl^ifc^en Seßimmungdgrunbed auc^ jebeS ^ct^
fitnbmg für tiefe fittlid^e GoQiftonen unb bamit für aKe
tiefem tragifd^en ßonjiicte — fie ffabm mit i^frer Xtan^^^
fcenben) }uglei(^ immer eine beflimmte Slangorbnung in
ber ©ignit&t ber „(3efe|e", toeld^e iebe ©ottifion bolb gut
€nt[(^eibung bringt ©o ettt>a§ ifl felbfl in bie auffajfung
ber bramatifd^en SKeiflertoerfe eingebtungen* 3lte bie ^egel'-
fc^e ©d^ule bie abfolut^ett be^ antuen @taatsbegrip re^
j)ri{iinirte , übertrug pe biefen SKafeftab in^befonbere auf
bie äft^etifc^-et^ifd^e äBurbigung ber fo))l^o{leif(^en älntt^
gone. 6^ n^urbe biefer afe „©d^ulb" angerechnet, bafe fie
ber abfiracten @eltung eine^ toilllfirlic^en Aönig^befe^I^
fid^ o})j)onirt — benn ein fold^er foffte J)artici^)iren an ber
Unberbrüd^Iid^feit eine« ©taot^gefe^eg, al3 bejfen blofee^
Slfterbilb er bod^ in biefem galle erfd^eint, ba er an fid^
materialiter nid^t einmal ber l^eibnifc^en Sölajime bc«
publica Salus summa lex esto! bienen lann. Unb tote
$egel, um nur nid^t „fentimcntal" ju werben unb um feine
SJi^eorie t>om S^ragifd^en ju retten, J^erjlog ungerecht tourbe
gegen bie SWarti^rerin ber ©d^toefterttebe, fo traten anbere
in feine gufefiaj)fen mit gefuc^ten 3lnfd^ulbigungen gegen
eine Dpffdia unb (Eorbeßa; — aber toag ben „®efunben"
leidet tourbe, baS mad^ten jenen, einem „^ßrincij)" ju Siebe,
manche nad^, benen man bad innere Sßiberfireben anmerfte,
mit toeld^em fte bie ©octrin forcirten gegen i^r eigene^
„mobernere^" gfi^flen; ba» mod^ten namentlid^ foldj^
fein, benen barum bangte, e» lönne ii^nen f eiber alle
eti^ifd^e ®ett>ig^eit, bie fie nad^ f(e))tifd^en R&mp^m fld^ ge::
rettet, loieber abl^anben fommen, toenn fie ba» im acce^)-
tirten ober „abo})tirten" ©i;>fiem faum ®ett)onnene aber=
mal» aber Sorb würfen. SBer aber wa^tl^aft ftttli^ ifl,
ber l^at feinen 85efümmung»grunb immer gan) in fid^ —
nur fotoeit biefer angelernt ober burc^ ^injugelommene
9Be¥t^ ber Segalit&t 309
6ont)enienjgebote abulteritt ifi, fann a\i6) er ber SUpfx^
jum 9lau6e iDerben.
3cboci^ ifi aufeerbem l^ierbei ju bcad^ten, ba| rt« ge*
toiffer „logifd^ier Sloptug'' bog et^ifd^e Urt^eil ebenfo fät
fd^en fann, tote Slffecte, furor brevis, SBal^nfinn u. f. tt).,
— unb feinen Äompafe toirb au§ all biefen Störungen —
©^fieme fül^ren 3«clination unb ©eclination ^erbei — erfl
toieber reguliren, toer in feinem 3nnem erlebt ^at, too:^
f)in bie Suffole tro^ aller Slblenfung innerlid^ bod^ eigent=
lic^ tenbirt ©iefen ganjen Äampf brüden toir au^ mit
©ftften tt)ie: „®r ^atte fein beffere^ ©elbft Verloren —
jefet l^at er e^ toiebergefunben" — toobei nid^t ber Äem
beS 9Biffen§, too^l aber bie ganje ^tte ber ©rfd^einungen
— ^anblungen — entfiellt toar.
®a^ pd^ere Äriterium l^ierfilr ifi bie befreienbe 9Bir=
fung nac^folgenber ©ül^ne unb Su^e. SSBir fönnen ba^
fidlere ©efüi^l l^aben: fd^toerete SBerfd^ulbungen feien ge=
tilgt burd^ bie ftrafenben folgen, tt)ie unfer Seben^gang
fte un^ abt>erlangte — nämlid^: fd^limme SBerirrungen , an
toeld^en äußere Umfifinbe unb auftoallenbe Effecte i^ren
Slnt^eil Ratten, erfal^ren oft in i^ren folgen f eiber i^re
Bured^ttoeifung unb fd^einen bamit gänjlic^ abgetl^an, \ü&f)^
renb anfd^einenbe Äleinigfeiten in t)offer Äraft ber 3^=
red^enbarfeit unb SSeranttoortlid^feit befleißen bleiben, toeil
fie einjig unb allein im Äerntoefen unfern ©elbpl il^re
Ouette l^atten. ®ann entpnlt un^ fo leidet ber SÄafefiab
für ben fittlid^en SBertl^ ober Untoertl^ biefeS, in feinen
SBerfen toie in feinen Stimmungen fid^ tt)iberf:t)red^enben,
3d^8 unb wix begel^ren au^ bem 9Wunbe berer, bie un^ fen=
nen, ein Urtl^eil über un^ ju t)ernel^men, unb toillig
bemütl^igen toir \xn^, bamit nur ber SSJal^rl^eit bie ®l^re
gegeben toerbe.
310 3)ic 3mputabi«tÄt*frage unb ba§ aWobificabiUtätsproblcm.
30. gortfe^itng. @m:|)fäQgn(]^IeU für bie entfäfineitbe Sraft
beS Sdben^ nttb ber Strafe in ber Se^felbejie^ttng ntenfd^'
Ucber^aiH)t ift e§ um bie entfül^nenbe Äraft be^
Selben^ ein fo toid^tige^ fittlid^eg 5ßrobIem, bafe aud^
barüber bem ßl^arafterologen eine ©igreffion ijerflattet fein
iüirb, um fo mel^r ate, toie tt)ir fd^on foeben gefeiten, bie
6mj)fänglid^!eit für bie ©ntfül^nung^Iraft felber unter bie
et^ifien aRafeftäbe gel^ört — ber gonj „SBerfiodEte" ifl i^r
ja fo total unjugänglid^, toie berjenige ol^ne Sl^nung i)on
il^rer SBebeutfamfeit bleibt, ber nur in leichter ?5el^le fid^
verging. Slber barüber, toaö ,,leid^te geißle" fei, entfc^eibet
allein ba§ SBetougtfein beg ^anbelnben felber — gar mand^
läfelid^e^ SSergei^en eine^ Äinbe^ erfd^eint )oox beffen @e=
toiffen al^ ein fd^toerer gÄbel — benn ba§ ©^toerfie,
beffen e^ fid^ fd^ulbig mad^en fann, ift bie 5pietät^öerle|ung,
fomit jebioeber Ungel^orfam gegen bie i^m borgeorbnete
Slutorität — unb bieg fann in il^m baffelbe ©efül^l l^ert>or=
rufen, öon ioeld^em beim SSerbred^er nn§ bie .^uriften fo
i)iel ju erjÄl^len ioiffen. SBie ba^ nod^ nid^t verlogene
Äinb fid^ felber ber 3üd^tigung barbietet — ioie eö be^-
^alb ni6}t ate blofee Einleitung §u l^ünbifd^er @ert>ilitftt,
fonbern aU reiner SReflef eine^ etl^ifd^en ©efül^fe ju be=
urtl^eilen ift, ioenn man^e ©rjiei^er ba§ Äinb anl^alten,
bie Shiti^e, einem SBol^ltl^Äter gleid^, ju füffen: fo, l^ören
mir, forbert ber noc^ nid^t öerl^ärtete aWiffetl^äter bie Se-
flrafung aU „fein 9ied^t". S)ag fann nid^t blo^ bie golge
angelernter, eingerebeter ©uj)erftition fein, fonbern mufe
im fittlid^en äöefen be^ 3Benfd^en felber lüurjeln, al^ ein
S)rang nad^ (Sered^tigfeit^manifeftation um jeben ^prei^,
mag biefe aud^ eine ©d^ftbigung ber eigenen 5ßerfon in
fid^ fd^lie^en. Dl^ne 5Cenbenj nad^ einer ffatifd^en Slu^:^
gleid^ung ift überl^aupt ba§ Sled^t^gefül^l j)f^d^ologifd^ um
benfbar — unb ba^ einmal anerfannt, fönnen toir un^
Strafe al§> Sergcßun^. 311
au(S) ber ßonfequenj nid^t entjie^en, bafe bie SSeftrafung
freubig J^ingenommen toerbe, quia peccatum est, unb nid^t
ü\t>a blo^, ne peccetur. Se|tere^ tritt öieltnel^r bem S3e-
firaften i^öd^ften^ nac^trägli^ inö S3etou^tfein, too ate^
banrt bie ©träfe afö ein negatiöe^ 9Wotiö lüirfen fann.
Stlfo ttid^t afö ein blo^ JufftHig braud^bar erfunbene^
Mittel jur Slbfd^redung erfd^eint l^iernac^ bie Strafe,
fottbern afö ein felbftgettenbe^ 3lequit)alent ber ©c^ulb —
unb tt)er, toie ©d^oj)enl^auer, bem Seiben überhaupt eine
ffil^nenbe, „i^eiligenbe Äraft" (bgl ©dritter, „®ie ^nnq-
frau t>on Orleans", V, 4) juerfennt, ber brandet bod^
töal^rlid^ nid^t anjuftel^en, i)on ber ©j)ecie§ — ©träfe —
gelten ju laffen, toa^ er t>om ®enu^ — Reiben — nid^t
befireitet. ^ann aber begreift fid^*^ nid^t allein, ba§ nad^
Eintritt ber ©träfe ba^ ©emiffen bi^ ju einem gehjiffen
®rabe 3iul^e finbet bor bem ©d^ulbbehju^tfein, fonbern e§
ifl aud^ faum nur nod^ ein ©d^ritt tt)eiter ju t^un, \m
ju bem ©afee ju gelangerj: bem Uebeltl^äter gebül^rt bie
©träfe, unb jtoar ate ein ertt)orbener 2lnf:t)rud^, aU ein
Siedet ganj in bemfelben ©inne, toie jebem ba§ Erarbei-
tete (Sol^n, Äoft u. bgl.) jufommt — furj: ©träfe unb
2of)n fte^en auf einer Sinie, al^ entgegengefe|te ©rö^en,
tüie ja auc^ unfer 3Bort „©d^ulb" biefe 9Rinu3natur, biefe
negatitje ©röfee, in ber 33ebeutung ber 3Jlatl^ematifer,
fenntlid^ mad^t, gerabe fo tt)ie eine rein immanente ©tl^if
afe nait)e ben Slu^brudE: „id^ l^abe unrecht getl^an" bem:
„id^ l^abe gefünbigt" borjie^t. ©afe übrigen^ ©d^o^jen^
Iraner in feiner ©trafrec^t^bebuction auffattenbertt)eife bie=
fen ©d^ritt nid^t getl^an, feine beiben angegebenen 5prä-
nriffen nid^t ju einer Sonclufion tierbunben l^at, erflärt
fid^ bietteid^t an^ feiner Slbfid^t, feinem SBegriff ber SBelt^
gered^tigf eit ba§ SWoment ber „ SBergeltung " fern ju l^alten.
Unb boc^ l^&tte il^n aud^ feine Definition be§ Unrec^t^ gu
jener ©onfequenj leiten fönnen unb jtoar nac^ ber objec=
üben ©eite: ba^ Seftrafttoerben be§ Isedens ift aud^ ein
Siedet ber Isesi. 2)ie ©tatif ber ©oejiftenj forbert, bafe
312 S)ic 3mj3Utabititdt^frage unb baS aRobificabiUtatä^jroblem^
bie SBJitten^fjjl^Äre be§ ®injelnen be^uf^ ber SluSgleid^ung
um baffelbe 3Kafe geminbett merbe, um toeld^e^ burd^ ba^
betrübte Unred^t über fie l^inauö^ unb in eine frembe l^ineins^
gegriffen tourbe — fo liefee fiä), wn anbe^^ Sebenfen ab-
gefeiten, fogar bie SCobe^ftrafe al^ 3lequit)alent be§ 3Rox^
beg red^tfertigen. Slber biefe ganje Verleitung toitt fi^
freilid^ nid^t einem ©tanbj)unft einfügen, tüeld^er fein ^avüpU
abfeilen barauf rid^tet, bie met(H)l^^fifd^e ^[bentität be^ 5Ber:=
lefeenben unb be^ aSerlefeten, beö 2:i^äterg unb be§ Seibeiv^
ben, jur ©eltung ju bringen, ©al^er.mag e^ bann eben^
faffs rül^ren, bafe ©d^o:t)enl^auer aud^ nid^t %u berienigen
Sluffajfung ber Seichte gelangt ift, nac^ melier tt)ir oben
in biefer einen ganj analogen 6omj)enfation^t)organg auf^
toiefen.
6^ ift nur ein ©^^ecialfatt ber, ate eine nid^t toegju:^
bi§))utirenbe unb toiber jene aSerad^tung be^ Sßergeltungg:=
momentö fic^ auflel^nenbe ^^atfad^e be^ etl^ifd^en SetDufet^
fein^ t)on un^ erfannten, ©atiöfaction , toeld^e einem mit
ber SSerfd^ulbung in unmittelbarem eonnej jiei^enben 2eu
ben innetoo^nt^ bafe fogar ün ©lüdf, beffen toir un^ um
toürbig fül^len, un§ tl^eurer loirb, toenn eine 2;rübung ba*
l^ineintritt, alfo ein Slbjug baijon ju machen ift, nad^ tt)el=
d^em e^ unferm „SSerbienen'' angemeffener erfd^eint — unb
ba^ fo i^injutretenbe fittlid^e Qngrebienö, toeld^e^ unfere
greube baran reiner mad^t, fie erl^öl^t, fd^eint mel^r al^
bie blo§ egoiftifd^e 33erul^igung barüber ju fein, bafe ba-
mit fojufagen ein al^ ©träfe brol^enbe^ Üebel bereit«, ge^^
ioiffermafeen })rftnumeranbo, abgefauft, alfo ie|t toeniger ju
fürd^ten fei (jumal befanntermafeen gortuna aU SRemefii^
nic^t mit fic^ l^anbeln läfet). 9lein, e« ift aSoJ^lgefaUen,
Sefriebigung an ber barin \>on un« toal^rgenommenen @e=^
red()tigfeit be« Sffieltlauf^, aud^ it)o biefe f eiber un« an bem
glede trifft, ben fie am fd^merjl^afteften berül^rt — e« ift
nid^t ein (täufd^enbeö) ©efül^l relatit)er ©id^er^eit t)or nod^
mel^r ßeiben, fonbern ba^ erquidenbe SSetou^tfein, ©enug:^
tl^uung geleifiet ju l^aben; bie« jeigt fid^ birect barin, ba|
entiü^ncnbc Äwft bc^ ScibenÄ. 313
tt)ir inmitten biefe^ ©ati^factton^bemulstfein^ nod^ meitefe
Seiben fönnen ttar ^eranjie^en fe^en, ol^ne uns babutd^
itren ju laffen in ber erlangten ©eelenbefriebigung.
UeberaH toiff, bamit bem S3ett)ufetfein gebüßt ju
^aim, ©enüge gefd^el^e, baS 3ßafe beS anbem berurfad^=
tctt ©d^merjeS bon beffen ttrl^eber an fid^ felber lieber
emjjfunben fein ; — toer SRed^t unb Unred^t ate ajjriorifd^e
SBegriffe ref^jectirt, mufe ©ül^ne, Sufee, SBergeltung, ©enug::
t^uung, Sßerföl^nung als eUn fold^e ftel^en laffen, unb e«
ift mittfürlid^, etoa nur biefe unb bann nid^t aud^ jene
bem SBiffen aU bloßer ©rfd^einung jujutoeifen. 2Bir fallen
fd^on früher: bie Sefriebigung beS ant^eillofen 3iifd^ciuerS
an ber ©trafbottftreöung ift bie ber gefüllten, aber con^
folibarifd^ fic^ ertoeiternben „SRad^fud^t", b. ^- beS
SSebürfniffeS, bie böfe %f)at and) ate Vergangene, nid^t
bloS mit SlüdEfid^t auf bie S^^^^ft 6^fttaft ju feigen — unb
es ift unnötl^ig, l^ierin eine „ 2lm:t)l^ibolie " ber begriffe ju
erlennen — es brüSt fid^ barin i)ietmel^r — „naii) unb
ttHxi^ri^aft, toie bie ©timme ber Sßatur eS attemal ifi" —
ber et^ifd^e Qnftinct birect auS, unb bamit afferbingS äu=
gleid^ bie ©efü^lSanerfennung einer großem ©elbftänbigs
feit ber 3fnbibibualität, als toie ©d^oj^enl^auer an ben
©teHen gugeftel^en toiH, too er ftreng innerhalb ber 3lb=
ftractionen feines ©^ftemS berl^arrt, toä^renb er oft ge=
nug gelegentlid^ Sleufeerungen. tl^ut, hjeld^e ber SBebeutung
beS 3nbit)ibuetten weiter gel^enbe ßonceffionen mad^en, fo=
bafe and) baS 3nbit>ibueIIe als ein 9ln-fid^ erfd^eint. Unb
©d^o^jenl^auefS Berufung auf bie, SBergeltung beS Söfen
mit JBöfem unterfagenbe, d^riftlid;e ®tl^if ift meta:t)]^^fifd^
nid^tS betoeifenb, toeil biefer bie etoige ©ered^tigleit bod^
toieber in einer jeitlid^en, objtoar jenfeitigen, toirb, unb
fie fogar gur ^orauSfe|ung il^reS SSerföi^nungSbogmaS
einen „räd^enben Oott" ^at; fo fe^r, baf; in bemSebürf^:
nife, })erfönlid^ mit einem als :t)erfönlid^ t?orgeftettten SBefen
fid^.ju berföl^nen, eigentlid^ ber 6ulminationS!punft beffen
liegt, toaS ber 2^^eiSmuS t)or ben übrigen etl^ifd^en
314 S)ie SmputabiUtatöfrage unb bad aRobificabilitat^proMenu
©^flemen ^oxan^vä)abm fc^eint — unb biefcr SSotjug ifl
m&äfÜQ genug, um felbft flarfe Oeifler ^tntoegju^cben
über alle bamit ftd^ etgebenbcn Slntinomien (beten ^anb«
greiflici^fie bie logifd^ unau^toeid^bar anjuerfennenbe abfo=
lute ©elbfilofigfeit eine^ jeben ,,®ef(i^öj)fe^" qua fold^en
ift). — ©er innere 3^Mt>Ätt, bie Selbfientjtoeiung be^
SBilleng, fd^eint erträglid^er, toenn jie, na6) au^en pio-
jjicirt, an jtoei ^erfönlid^feiten bert^eitt ioirb : ben fünbigen
SWenfd^en unb ben burd^ beffen ©ünbe betrübten „SSater
im §immel"- aJiit jebem anbem tt)irb man fid^ leidster
berföl^nen, überl^au:t)t „abftnben", afe toie mit ftc^ f eiber
— fo l^eifef^ f^on im tftglid^en Seben: „Ärgerlid^ über
fid^ f eiber fein, ift ber fd^limmfle Slerger" — unb too
SRenfd^en nid^t mel^r berjei^en ttnnen — fei e§, toeil fie
allju fd^toer öerle|t finb, fei e^, toeil fie aufgehört ffaben,
mit un§ ju leben — ba jlüd^tet pd^ ba§ fd^ulbjerquälte
$erj an ben S3ufen einer göttlid^en ®nabe, um bort einen
Slnl^alt in feiner SRul^elofigleit ju ftnben — unb bafe ein
folc^er Sln^alt bem fel^lt, ber toirflid^ ol^ne Olauben an
„©Ott unb Unfterblid^feit" ju leben ftd^ gemöl^nt l^at, baiJ
ift ber furd^tbarfte ©d^merj, bie toa^re ^öUe beö ät^ei^en
— auf ®lüdE fann er berjid^ten, auf ^rieben ber ©eele
nid^t — unb bie l^ierin fid^ funbgebenbe ®en)ijfemJmad^t
ift bod^ allju jiar!, aU bafe fie bloS l^attucinatorifd^ fönnte
angetäufc^t fein — fie ifl bie ©timme au^ bem tiefften
Slbgrunb ber ©toigfeit unb barum unentrinnbar. ®a0
Slf^l beö 2;obeö rettet nid^t fidler öor il^r — ob ba« ber
aifcefe? ®ie bel^ält Ja aud^ ben ©tad^el unfreiwilligen
®ntfagen§! Unb mit il^rer ©d^toierigfeit t)erglid^en fann
einem ber ®laube an bie i)erföl^nungt)erbürgenbe ®xU^
fung burd^ ßl^riftum aU „®ered^tigfeit" bringenber wx^
fommen toie ein bequemer coup de main, ober toie ein
Deus ex machina, ber atter SSerlegen^eit ein 6nbe mad^t
— bann fd^eint bem tief S^rfnirfd^ten ba« ®lanbm leidet
unb ein fo Heiner „©tüd£ Slrbeit", toenn gemeffen an bem
überfd^toenglid^ großen So^n beö ©eelenfrieben«. — SBie
Stacke al^ @atlgfaction. 315
man ober fein 9ted^t f)at, eine fold^e Sef^jted^unfl be^
StngeliJunfte^ lutl^erifd^et ©ogmatif ate «npaffenb abju=
tt)eifen, ba^ beftätigt ein 33li(f in bie 35ogmengefd^id^te.
6S it)at unmöglid^, baS SBefen ber redemptio in SBegriffe
ju f äffen, ol^ne bie Slnalogie mit einem rein iuriflifd^en
SoSlauf^ber^ältni^ bi^ in^ Keinfte detail ju t)erfoIgen unb
bamit fojufagen bie criminalred^tlid^e ©eite be^ aSerl^ftlfc
niffe^ jtt)ifd^en 3Kenfd^ unb ©Ott über bie SBrüde beg jus
talionis in ^ bie prit)atred^tli(i^e l^ineinjutragen. 3lber iüeit
entfernt, bamit eine SBerflad^ung beg etl^ifd^en ©runbber-
l^ältniffe^ ju f anctioniren , ftellte biefe unbermeiblid^ ge^
toorbene Sluffaffung tjielmel^r ba^ Problem, bem SBefen
ber bergeltenben 3lu^gleic^ung felber aU eim2 tief*
etl^ifd^en 5poftuIat§ grünblid^er nad^juforfd^en. ^mn
bamit ift e§ nid^t abgetl^an, ba^ man mit ©d^openl^auer
ba^ „SRad^ebebürfnife" einfad^ bem ©runbmotit) ber 33o^=:
l^eit fubfumirt — e^ ru^t bielmel^r in bem t)on nn^ aU
2Bagebalfen jttjifd^en 6goi^mu0 unb 3KitIeib bejeid^neten
5ßrinci)) ber ©ered^tigfeit. SBaS toürbe fonft aud^ j. 33.
aug bem SRed^t ju ftrafen in all ben gäHen, tt)o bie 5per-
fon beg ©traft)offftredEer^ ibentifd^ ift mit berjenigen, an
meld^er bie SSerlefeung beö et^ifd^en ©leid^getoid^t^ ge?
fd^el^en ift, tt)ie ba^ beim ©trafen be§ ©räiel^er^ fogar ba^
®ett)öl^nUd^e fein toirb? ©elbfl bie an^ ber gemeinen
SWad^e l^erborge^enbe 33efriebigung wurjelt feine^tpegg blo^
in böfem SBitten — ba^ n>irb baran flar, ba§ jeber nur
im eigenen 9Zamen, für feine ^erfon öerjeil^en barf —
in Setreff be^ einem dritten jugefügten Unred^t^ fielet bem
Unbet^eiltgten feine SSbfoIution^befugni^ ju — nur auf
mein eigene^ 5led^t fann id^ berjid^ten, niemals auf ein
frembe^. Unb toar e^ et^mologifd^ angefel^en aud) ein um
l^altbareg ©Jjielen mit bem SBortflang, tpenn einige SRed^t^^
!p^iIofo:t^]^en „9iad|>e" unb „Siedet", „geräd^t" unb^^gered^t"
ganj nal^e jufammenrüdften, fo lag bod^ bie ricJ^tige am
fd^auung ju ©runbe, bafe eine 3?ad^et)oHftredfung toon jeber
egoiftifc^en Qntereffirti^eit unb ijon jeber bloä boshaften
316 S)ie 3m)}utabt(it&tdfra9e unb baS aRobtficabint&t§))toblent.
greube an frembcm SBe^ fid^ öänjlid^ fem l^altm fonn.
^a& antiegoiftifd^e SÄoment barin Ififet jtd^ ober um fo
tocniger bcrfennen, aU übtttfaiCpt faum je eine Stacke ol^c
ein Jjerfßnlici^e^ Djjfer für ben fic^ SRäd^enben lann öott^
jogen toerben: ein ©imfon, ber fi^ f eiber unter ben Slui^
nen be^ feinblid^en §aufe§ mitbegräbt, fommt en minia-
ture atte SJage bor unb erl^ftrtet fo unfern ©a|, ba§
ba^ SBefen jjebtoeber etl^ifd^cn ©atiiSfaction burd^ SBerget
tung nur ju begreifen ifi auS ber funbomentalen ßone:^
lation gtoifd^en ©d^ulb unb Seiben, bie, in ber SBurjel
ein^, nur in ber SKd^tung il^reS ©rfd^einen^ fid^ untere
fd|>eiben. Unb ber ^jrinciipieff en gorberung , bafe ber Seiben
aSer^ängenbe jugteic^ ber Seiben S^ragenbe fein fott, ent=
jiel^t fid^ ja aud^ ©^open^auer nic^t —r nur mad^t er ben
Umtoeg burd^ bie meto^jl^^fifd^e Sbentität atteö ©rfc^einenben
— für bie etl^ifd^en unb d^aralterologifd^en 5ßoflulate gleid^
überflüffig: benn tüa^ ben in Seiben ,,a3üfeenben" bon bem
tro|ig fid^ gegen ben i^m bereiteten ©d^merj Sluflel^nenben
unterfd^eibet, ifl nid^t^ atö bie Slnerfennung beS ©runb^
jufammen^ang^ jtöifd^en ©d^ulb unb Seiben. 2)iefer &n^
pd^t berfd^lief^t fid^ jebe^ Oemüt^, toeld^e^ burd^ ©trafen
fid^ nur „ber gärten" lägt — ein SBorgang, tpeld^er bem-
jenigen burd^au^ iparaffel fte^t , too gan^e SBöIter in fd^toe^^
ren Sloti^ftänben (^eft, ^unger^notl^,, ©rbbeben u. f. f.)
fid^ felbft bon jeber ^ffid^t biöpenfiren mittete be^ S)ef!|)e-
ration^f a|e^ : @S ift ja boc^ aUeiS ein^.
31. ©d^lug. ©renjen ber (&maut\paüm tion ftttli^ea
©d^ranlen in praxi unb in thesi.
Sllfo aud^ l^ier lieber ftettt fid^ ba§ SBerl^alten be^
QnbibibuumS bem Seiben gegenüber aU ein d^arafterolo^
gifd^e^ Äennjeid^en bar. SBenn ba^ „fiarre" ®emütl^ burc^
©trafen fo toenig erh)eid|>t tt>ie gebrod^en toirb, fo ift ba^
nid^t blog ©ac^e bejS Xem})eramentö , bem jufolge ettoa
ber Sl^olerifer ber ftftrfem Slction bie fiärfere SReaction
®ren$cn ber dmancipation txm pttlidfecn ©^ranfen. 317
entgcgmfleHt; noä) weniger aber betrifft eö lebiglid^ auf einem
innerl^alb beö 3[«teIIectö öerbteibenben Vorgänge — benn
bie einfielet, bafe ©d^ulb uttb Seiben jufammengel^ören,
ift jener gleid^artig, in toeld^e ©c^oj)en^auer baö SKitleib
afö eine intuitoe 35urd^fci^auung be^ principium indivi-
duationis fe|t, afö mel^e aud^ nid^t im Äojjfe, fonbern
im ©efül^I, nid^t in ber SÄbftraction, fonbern im objectis
t&tölofen ©elbflinnefein entfielt. SBer fic^ ni^t toitt firafen
laffen, ber möd^te mit bem Swfcimmenl^ang jtöifd^en ©c^ulb
unb ßeiben audi> ben jtoifd^en 3nbit>ibuum «nb ©efammfe
l^eit jcrreifeen — unb eine Station, toeld^e jur 3^* ^^
3loiS) alle @efe|e fuöjjenbirt, f))rid^t bamit nur an^, bafe
xffx ©taatötoefen auf ber ßonbention berul^te, fid^ gegen-
feitig eine möglid^ft erträglid^e ©Eiflenj ju garantiren —
nic^t auf bem ^princij) fid^ toed^felfeitig l^ingebenber Siebe.
8Bo t)on aufeen l^erangefommene SWäd^te jene ©arantie —
an fic^ f^on eine eng bebingte — böüig ittuforifd^ mad^en,
ba nimmt ber entfeffelte 5pöbel im aJienfd^en biefe SSerei^
telung gum SSormanbe, nid^tö mel^r toiffen ju tooffen i)on
©infd^ränfungen, benen fid^ ju unterwerfen i^n nur bie
Slu^fid^t auf anberfeitigc SBortl^eile beftimmen fonnte. Unb
toenn fo nur nod^
2)c8 ©cfcfec« @c[<)cnfl fielet an ber Könige St^ron,
überf dalägt fid^, toie immer, bie Sbfiraction in ßonfe-
quenjen, it)eld|>e ba^ unt)ertilglid^e ©efül^I Sügen ftraft.
5benn @nt unb Söfe aU polare ©egenfäfee [teilen fid^
entgegen ioie fremb unb eigen — mein ©igene^ ift bem
Sittbem fremb, unb \üa^ mix ein grembe^, gel^ört einem
Slnbem ju eigen- ®er 3nbifferenj})unft aber ifl bie SRitte,
tt)o ©igen unb ^emb — ober, loa^ baffelbe ift, too SKein
unb 2)ein, 3d^ unb ©u — aufl^ört, unb ba^ ift ber
triebe, ben alfo, biefem begriffe nad^, niemanb mitfid^
attein, in böttiger Sfolirtl^eit, abfd^Iie^en tann. Qn biefem
fjrieben l^in firebt ber SBiUe, unb burd^ il^n l^inburd^ ge^t
es, tt)o id^ bas ©igenei gum ^emben, baS 3Wein jum
S>ein, baS 3d^ jum S)u mad^e; aber nur in biefer SWd^tung,
318 3)ie 3[mputa6i(itatSfrage tinb baft aRobtficabUitatSpTob(em.
nic^t in ber umgefel^rten^ \oo bod S)em jutn SRein^ ha^
grembe jum eigenen, boä 3)u jum 3d^ fottte gemacht
toerben — benn bie§ mufete toom Snbem, wm ®u, au^s
gelten, unb in biefem Slu^taufc^ entfielet unb befielt ber
griebe, bie 2lufl^ebung be^ S^M^^^tt^ — ^^^ ^««w P^^
fifalifd^en SBitbe bie Söfung ber elrftrifd^en ©J)annung, —
benn meine ©d^ulb ift be^ änbem Seiben, feine ©d^ulb
mein ßeiben. ^bex ha gibt e^ fein ru^ige^ Sel^arren in
einem Slefultot, feinen bleibenben 33eft| be§ äu^getaufd^ten,
fonbem nur ben fortgefe^t fid^ emeuemben äct be3 2lu«s
taufd^eg, be^ 3nbifferengiren^ fetter. S5iefermu§ ein um
abläfftger fein, toenn ber griebe S)auer ^aben foH; unb
fobalb ein grembe^ mir ium eigenen gemad^t ifi, fo mufe
id^ eg abermals Eingeben unb mid^ beffen entftufeem —
fubjectito in felbfigetooHtem ßiebeötoerf, objectii) im ©e«
^orfam unter haS SBeltgefe^, ioeld^e^ bad geto&^rte ©lädt
ateboö) toieber in Seiben berfel^rt. S)a^ ift haS ©d^toere
am ®efe| ber Siebe , bafe toir unö nid^t bereii^ern bürfen
am ©etoinn ber Siebe — einem Slnbern, ie|t einem ®rit^
ten, ju Siebe, müjfen toir ber ertoorbenen Siebe toieber mU
fagen, fonfl toirb bie Siebe fetter ju egoi^mug. 3Bag
meine ©ünbe, baS S3öfe in mir, ifi, baä ift tbtn bie«
mein ^^^^cin, meine inbibibueHe epfienj, mein SSJiffe afe
eigener (barum aud^ eigentt)itte genannt). S^ber 2lct be«
eigenen, SBilleniS ^inbert ben ^rieben ber ^nbifferenj , unb
jebegmal fo oft id^ ein eigene^, ettoaö für mid^, für mein
3d&, toiH, fiöre id^ bie fid^ toed^felfeitig J)arall^firenbe ein«
^eit aQer einjetoiOen. ^amit ^ei^ toir ipieber t)or bem
metat)l^^fifd^en ®inn be^ SBorte«:
2)e0 Tltn\(iftn grögte @ünbe
3fl, bag er geboren marb;
benn ba^ ©eborentoerben ift nid^ö anbereö ate ber SluSs
brudE be^ SBiffen«, ein ©ettftänbige^, für fic^ ©eienbe^ gu
fein, für fic^ ettoa^ ju ^aben. ©aö fommt ben geugenben
im 3^ugungi$äct gum 9eit>u^ein, foba| man gerobe ani
^Korrelation ^mifd^en @ßotömu§ unb Siebe. 319
biefem ®tunbe „SEBoffufi" lieber au^ SBoffe^Suft, afe au^
aSBol^tSuft l^erleiten tnöd^tc.
Slber biefe unbefcl|>rftttfte ©elbftänbtgteit be§ ©injelnen,
pü6)e mä) Slbfolut^eit brängt, tft unmöglid^; ber @in=
jelne bleibt immer an^ Slff gebu|tben, "oon il^m abl^ängig;
in i^m l^at er feine SBurjeln, unb frei im Stetiger fann
niemanb fd^toeben. ^ ®goiften tt)iegt ba^ ©trebenbor,
mittete biefer SBurjeln fid^ felber px Iräftigen; jebod^, um
leben ju lönnen, mn^ jeber au6) au^at^men, fomit t)om
©einen, t)on bem toa^ fein geworben, jurüdgeben an baS
SlUgemeine. Snfofern ifi ein ©goift gani o^ne ©e^nfud^t
na6) Siebe ni^t einmal benfbar, it)eil etl^ifd^ fo toenig toie
!J)^^fif d^ eine abfolute 3f olirung möglid^ ift ; unb nur ©nb^
lic^e^ fann lieben, nur ®nblic^e§ geliebt toerben; bem Un^
enblid^en, Slbfoluten, ©elbfigenugfamen fann ber ©injelne
nid^t^ geben, toeil e§ aEe^ fd^on l^at; unb wn il^m em^
^)fangen fann biefer aud^ nid^t^, toeil nid^t aufl^ört jenem
ju gehören, fein ju fein, tüa^ \>on il^m ber ©injelne in
pd^ aufnel^men mag.*)
Slber tt)ie id^ ate ©njelner l^ineingefieHt bin in bie
Sm^eit be§ ©eins, qua rul^enber ©ubftanj, fo bin id^ aud^
befaßt in bie®inl^eit beS SnbifferenjirungS^jroceffeS, fofem
id^ lebe, b. 1^. aneignen unb l^tngeben mu§, unb baS ^nm^
fein biefer SBed^felbejie^ung ift jugleid^ bie Oueffe jeneiS
bualijlifd^en SemußtfeinS, beffen nid^t auSfd^lieglid^ ^rifl^
Kd^er ober j)aulinifd^er (3lömer 7) ©l^arafter burc^ ben
SW^tl^oS in Pato*S 5pi^äbrug belegt toirb, ber "oon ben
jtoei Sfloffen i)or bem SBagen ber ©eele f^jrid^t, unb
außerbem burd^ bie bei Sl^oludf, „5Bon ber ©ünbe" (6. Slufl.,
©. 42), aus bem Sllterti^um aEegirten ©tetten.
*) 2)ie $(i(o{o^]^en fud^en (ängfi nad^ einer genügenben 2)eft«
nition ber Üüebe; ed gibt aber nur eine negative (U)ie naäf ^^optit*
(auer an^ „^ttift" unb tf®lM'* bie negatit>en, Unred^t unb ^d^tnerg
bie :k)o|ittt>en begriffe finb) unb bie[e (^^glüdEIid^ertoeife^' fann man
nt^t fagen) genügt aud^: ütht ifl t>a§ (^egentl^eil bon (Sgoi9mn9;
tiefen aber fennt jieber qu9 eigenfler ^er^enderfal^rung.
320 S)ie Smputabititdtöfrage unb baS aRobiftcabUiUltöpToblem.
®a^ Programm beS abfoluten (ggoi^mu^, toie c§
3Kc^arb III. mit feinem „3ci^ bin id^ fclbfi attein!" ffm
fiettt, Ift&t fid^ nid^t burd^fü^ren. Äeiner t)ermag ganj
unb blo^ ©goifi ju fein — fofern et feine eigene inbitjls
bueOe @|ifien} bejaht ^ i^eja^t er bie ber anbem jugleid^
infolDeit mit, ate o^ne ben gemeinfamen Utgrunb aud^ et
nid^t ttJäte — fo ift et innetlid^ jut Siebe, jum ®ute^s
tl^un gebtängt (atö volens immet auc^ jugleic^ m nolens),
abet mftd^tiget, afö biefe^ in iffta nut inbitecte ©tteben, ifl
ha^ bitecte, toelc^e^ 5ßaulu^ nennt: „ba^ ®efe| in unfetn
©Hebern". *)
*) Sie bentgemäg ber äntenfttätegrab bed (Sgoidmud sufammen*
fallt mit bem ©rabe, bid gu toeld^em jene 3foUrung tuirftid^ bnxd)*
gefegt mirb, unb mt ein {oI((e« ©iti^audfci^Iiegen ton ber mtn^df*
Itd^en (SefeSfd^aft unb ben Siedeten, ttjeld^e biefe garantirt, }u ber
ret^tlofen Stellung ber 9[[oten führen tann, bad !am Bereite oben
@. 272 gur ^pxaäft unb ntag (ier noc^mald in ergängenbem 2lt£*
fume auftreten: ^iäft jiene iRaturen finb bie focial gefS^rUc^flen
unb ftttlid^ loerberbteflen , ujeld^e in leibenfti^aftltc^em (Sgoidmud,
in brfingenber ^ot^ bed eigenen 3d^9 bie Sege be9 Stecht« unb ber
Salf^rbeit t>er(af[en, mie ein ^ungeriger ein i^rot fltel^It; benn foT^e
baben no(!b ©efübt unb ftnb <9efübldetnf(üf[en augSugüti^: fie tooffen
nur richtig gelenft fein; — fonbern jene, bie in apai(fi\äftt 3nbo*
leng berfd^Ioffen bad 3(ire fuc^en, bie alfo bem @emütb feine ^anb«
babe bieten; fie fennen nur rat^ebfitfligen ©roll, nid^t eigentlichen
^dg; benn IBnnten fie f^a^tn, fo mügten fte unter UmftSnben an^
lieben fBnnen; aber fte fleben in fo gut tt)ie gar leiner lebenbigea
9{e(ation unb Sec^felmirfung gu ben 9lebenmenf((en; fie ftnb tote
jene $erbart*f(^en „^taltn**, bie Uo9 fld^ gu erbalten fud^en gegen
^türungen; fie fInb fd^on ton 9{atur, foföeit toie bied üUv^anpt
mi^glid^, augerbatb bed SD'^enfd^enjnfammenbangd gelaffen nnb bamit
gur SfoUrung, gum 9(ufgegebenU)erben feitend ber ©efeUfd^aft ^rä^
befHnirt, unb U)o fold^e @jrcommunication ujirflid^ gur Kudffibmng
fommt, toSgiebt fl(b nur U)a8 bie 9latur felbfl angelegt, gletd^fam
getoollt f^aU @o ifl ed nur ein SlccibenteSed, tt)enn fie, U)te im
äffagflabe ber J^otoffalitSt Sttd^arb ni. mit bem oben angefübr-
ten SBorte, biefem ibrem urfjjrtinglid^ nur Jjritatiöen, b. b« fftff
nid^t*e|ipcnten, ?5crbSltnig ju ben übrigen 9Wenfcben im ®efübt bet
nabegn obfolnten 3foIirtbett andj^ einen )>orttiben kn9hxud geben, fo»
fem fie bie obnebin fd^on befiebenbe Sttnft gtDtfd^en ftcb nnb ben
Sie äugecfte 3Jertt)orfcn]|>cit. 321
®ie ©rlöfung burd^ ß^rifttim, ju beten älneignung
jener glDief^jalt fotticitirt, iDäre bemnac^ fo leidet nid;t, '
tüie fie oben fd^einen toottte: fie mix^U ba§ gänjlid^e
Sttuf geben be§ eigenen SBotten^, ba^ tJöIlige „^u=f ein'' ol^ne
SReft ber Qd^l^eit fein (um nod^ einmal ju biefer ©ipred^::
njeife ber ,,5tI;eologia ©eutfd^" gnrücfjufe^ren).
©0 l^at benn alfo aud^ biefe Si^Ji^enbetrad^tung un^
U)ieber an meutern fünften ba^ Slnjie^enbe (faft möd^te
man fagen: ba§ SSerfü^rerifd^e, toenigften^ ba^ Sodenbe)
\t>k ba^ Unjulänglid^e aller auf tl^eiftifd^en SSorau^fe^ungen
fujsenben ®tl^if berratl^en; benn fold^e fann bie S^eifel
be^ fittlid^en Qnftinctö tool^l nieberbonnern, aber nid^t ttjal^r-
i^aft überlDinben, bie S^rüglid^feit beffelben tüol^l afö Äe|erei
berbammen, aber fein Dilemma au^gleid^en, bie Änoten
ber SBiberf))räd^e l^öd^ften^ jerreijsen. ®ine fiegreidje (Stl^if
bagegen mufe biefen ©egenf^fe in fid^ felber fojufagen ber=
baut l^aben — unb U)ie bemnad^ ©d^oijjenl^auer ber ^Up-
tifd^en ©inrebe einen 5paragraj)^en geU)ibmet f)at, fo toirb
e^ gered^tfertigt fein, tüenn iuir l^ier nid^t blo^ i)on ben
modis unb attributis, fonbern aud^ i)on ber substantia
ber conscientia mit m paar SSBorten reben.
anbcrn gu erweitern flrcBcn , fi(i^ genjattfam losreißen i)on bcn iBaiibcn,
tt)et(Jc fie nod^ l^tcr ober bort an ein frembcö Wltn\dftnltbtn feffeln
fiJnnten; unb fie fn($en biefe SoSreigung — ft^on als ÄnaScn ber
©d^nlorbnung gegenüber — mittetö offener ^(nftel^nung gegen ba«
©efefe gn ijertoirflic^en. 55or nic^t^ alfo ^at fid^ ber (Srgiel^er angft*
(it^cr gu ptcn, a\9 i?or einer S5ertocdii feiung ber gucrfl ertoä^nten
klaffe mit biefer, n)ot nid^t gu l^art atö „luStoJÜrfUnge'' begeid^neten;
— QUO jener fann er fid^ eine @eele auötefen, um il&r SRctter, b. 1^.
i^r SJerfiil^ner mit ber S^enfd^ljieit, gu tt)erben — auö biefem $fu]^I
kffen fid^ nur Ißffangen ijon ber fagenlfiaften SBirfung -beö njeitl^in
feine loergiftenbe ^raft audflral^tenben U))aS«^aumed toer!))f(angen« S)ie
Srgie^ung i)erfiel^t c8 aber in fold^en S^^J^ifctfäUen am (eit^tefJen ba=
mit, ba6 fic jene gu fril(> toie bämonifd^ SBefeffenc aufgilH, ba^ fie
ben gereigten ^ro^ nid^t ^on ber angeborenen ©atanicität, bie S3er*
»oUberung nid^t ijon biabolifd^ urfprttnglid^er SSiIbI;eit, baö mand^maf
gn>ar rol^^e unb fetnbUdf;e SBefen ntd^t bon bem brutalen (brutal im
Oinne beö tl^ier*, \picUti taubtl^ierartigen) unterfdjeibet.
^a^nfen, (S^arafteroTogte. I. 21
<
322 S)ic 3ttH)utabilitäWftage unb boS 2Robificabttitdtg)probIcm.
e§ fönnte ja gar feine ©afutfit! geben , toenn bie (Snt^
f^eibung be^ ©emiffen^ aümal etmaS fo ©elbftoerftanb^
Itd^e^ iüäte. ^^\>c aSereid^erung unferer etl^nograipl^tfd^en
Äenntnife broi^t, bieSaftg nod^ fd^mäler ja mad^en, n^eld^e
toirflid^ für eine unbeftritten gemeinfame jebe^ etf;ifd^en
©efül^tö gelten fann. 2Bir muffen fc^on ben Äannibali^^
mu^ aU eine befonbere gomt be^ 6goi§mu^, ber einen
fingularen ©efd^mad an 3Kenfd^enfCeifci^ gefunben f)at, unb
bie 9Renfd^eno:j3fer im $Reid^e ®al^ome^ aU eine blo§e 8Ser=
irrung be§ 9Rad)t= unb ®l(irbegrip — alfo gleid^fatt^ be^
©goii^mug — anfeilen, um nid;t baran irre ju n^erben,
bafe au4 nur ba^ blo^ toiber bie So^l^eit fid^ rid^tenbe:
,,2)u fottft nid^t ol^ne eigenen SSort^eit frembe^ ©d^merg^
gefügt tjermel^ren!" ein attgemein anerfannter fittlid^er
Äanon fei. 3UIe^ aber, toa§ al^ ,,©cru^)el" ben ©eelen=
frieben beunruhigt, ift jebeSmal eine Qnftanj mel^r für bie
et^ifd^e ©fe^jfi^, unb ba^: ne feceris quod dubitas! tt)ürbe
in feiner ftricteften 3lntt)enbung gerabe bie jartfül;lenbften
et^ifd^en 3?aturen am leid^teften ju ijöttiger S^l^atlofigleit
fül^ren unb fie fo am atterfid^erften untoerföl^nbarer ®e-
imffen§:j)ein ^rei^geben, toeil biefe ebenfo mol auf Untcr=
laffungen iüie auf §anblungen folgen fann. ®enn ba^
©id^=mit=fid^s®in^:=8Biffen mad^t bie SRul^e be^ ®ett)iffen^,
aU ber conscientia au§: SBiUe unb ^ntettect fud^en in
il^r i^re inbit)ibuell=fubjectit)e 5Berfö^nung; be^l^alb „be-
ru^igt" fid^ jeber bei bem ©ebanfen, bona fide, £v jctcnret,
„na^ befter Ueberjeugung " gel^anbelt ju l^aben. Slttein
thm biefe ®eit)ifel^eit ift fo itjol^lfeil nid^t ju l)abm — bie
in i^r angeftrebte dtuffc ift burd^ SBünfd^e, 3lffecte unb bie
em^)irifc^eUnt)oIIftänbigfeit ber ©elbfterfenntnife ieben3lugen=
btid gefäl^rbet unb geftiJrt. SKit bem ©d^toanfen unferer
3Weinung toirb aud^ bie bona fides nn^ felber gtoeifell^aft
~ unb fo fe|t fid^ ber junäd^ft tl^eoretifd^e ©feiptici^mu^
al^balb in einen ^jraftifd^en um; gerabe fo njie ba^ ©e-
fül^l, fid^ im innerften ©runbe felber nid^t ju fennen, aud^
ben nod^ turbirt, toeld^er fid^ entfd^lie^en möd^te, bem
Ivücjli^fcit toc§ fitt«*cn Utt^cifö. 323
et^ifd^cii gatali^mu^ fid^ in bie aitme ju iüerfen, mn leintet
baS : ,^d^ bin nun einmal f o unb f ann mein 33Befen nid^t
änbern" ben Ungeftüm ftlojger SCffecte unb feine iüiber-
ftanb^lofe SRad^giebigfeit gegen bie[e ju berfd^anjen..
^mn fxä) aber l^ierauS erHftrt, bafe bie 3lü(Jfid;t auf
frembe aWeinung aud^ au§ anbern ate blo^ egoiftifd^en
ober Älugl^eitömotiben (ber ©iteHeit, be§ 33ebürfnif|e§, bei
anbern 3ld^tung imb Vertrauen ju genießen, um in i(;rer
SKitte mit ®rfolg toirfen ju fönnen, u. bgL) i^re a3ebeut=
famleit entnimmt, fo bleibt iodj nid^t nur bie S^rüglid^feit
aud^ be^ fremben Urt^eite (toeld^e^ jtt)ar „obj|ectit>" l^eifeen
fann, fofern für baffelbe ©ubject unb Dbject ber Stb^
fd^ä|ung nid^t ibentifd^ finb) in SRed^nung ju jiel^en, fon^
bern jugleid^ nod^ ein ©ij^eciaberJ^ältnife ju ertoägen, in
tDcld^e^ iüir ju ber fremben SKeinung treten fönnen. SBo
tt)ir uns f eiber bie ^rage fletten: 2Sa§ iüerben bie Seute
baju fagen? I^at bie^ oft nur ben ^Wed, un§ ben ^nl^alt
einer Situation ganj flar ju mad^en; ja bi^toeilen nur
ben: jene fieute f eiber, nad^ beren Urtl^eil man fdbeinbar
ft(^ rid^ten iüiH, ju meffen an ber gegebenen Situation.
?5teilid^ mufe man biefelben l^ierju t)orl^er fd^on einiger^
ma^en fennen; ja e§ fe^t fogar feinerfeit^ aUemal eine
jiemlid) genaue Äenntnife be§ ®inäelnen öorau^, ba^ man
mit iüirflid^er ©ic^erl^eit t)orl;er toiffe, ioie er fid^ einem
bestimmten Slnlafe gegenüber Äußern h^erbe — leidet, felbft
bem aSßortlaut ber ju geioärtigenben Sleufeerung nadi, ift
ba^ nur bei fold;en , bie il;r Urt^eil in ioenigen ftereot^pen
^l^rafen abzugeben ))flegen; — aber unerreid^bar ift e^
felbfl für eine ganj inbibibuelte ^^affuug foldbe^ 3lu%rud^»
bann nid^t, tvmn man n)irflid; jemanb in feinen il^n be-
l^crrfd^enben ©runbmotitoen „burd^fdjaut" l;at; — nid^t
feiten bem anbern felber ju ergöfelid^er Ueberrafd^ung,
jumal ba, too ©elbftgefftUigfeit feine ©elbjlfenntnif; fo
t)erblenbet, ba§ er fid) \>ov eintritt ber Situation regel=
mftfeig für ebler l^ält, afö ioie er fid^ inneri^alb berfelben
au^lpeift. (®aS pnb ja über^au:>)t bie 2lugenblide, in
21*
324 3)ic 3mputabiKtät«fragc unb ba§ aWobificabiUtätgproblcm.
treld^en ber beffcre 3Jlcnfc^ ,,ftci^ i)or fic^ felBcr fc^ämt";
benn bieg ©efül^I tnufe bei einem irgenb ©eiüiffeni^aften
[id^ affemal einfteffen, toenn er fid; im ftiffen für juijerläf-
figer gel^alten l^at, aU toie er fic^ nadj^er bei ber 5ßrobe
finbet.) 2Bie enblid^ bie JRüdfid^t^na^me auf frembe 5Kei^
nung ein jarte^ nnb eble§ ®emütE; t)erleiten fann, „fid^
felber Unred^t ju ti)mV% barüber toxxh bie Betrachtung ber
formen beg ©elbftgefül^lg unb bie S^ecialbe^anblung be^
®emütf;g unb feiner SKntinomien ©enauereö an bie §anb
gu geben l^aben.
2)ic ©ommunionsproöing.
L "^aS ^neiuauber bott SiOe uiib ^ntcUect im a0ge=
meineit lutb bie SBejirle i^rer ^ommunioit^^irobins«
2Benn ba^ 3KobificabtIitätö})robIem irgenbeine Sö^bar-
feit t)erfpred^en foHte, fo mußten \üix unS nac^ bcnienigcn
©rcnjflrid^cn umfel^en, auf tocld^en affein ein Slu^taufd^
gcgcnfeitiger einiüirfungen jiüifd^en SBitte uub ^ntellcct
i)or fid; gelten fann, uub nad^ bem Valet ab Esse ad
Posse consequentia fiub Wix uad^gerabc fo toeit gelangt,
einer gefonberten ^Betrachtung unterbieten ju bürfen, itjaö
in biefcm ganzen Slbfc^nitt ber ß^arafterologie tt)ie ein
3Betterleud)ten unter bem ^orijonte feine ©tral^len ber
3Bed^felbejie^ungen ^erüber= unb l^inübcrfd;o^.
SJlit anbern SBorten: e^ gibt gelüiffe SBorau^fefenngen,
D^ne tt)eld;e ber ^intellect jeber etl;ifd^en S3ebeutung ent=
beeren itJürbe -- unb n)ir fönnen biefelben 'am einfad^ften
unter ben 2lffgemeinbegriff: SSer^ältnife be§ SBillenö
jur SBa^r^eit, aU ju bem näd^ftenß^^d jeber ©rfennt-
nife, bringen ^cnn bie^ befaßt ebenfo fe^r bie 3Bat;r=
l^eit^ttebe im Sinne be^ äßiberitJiffenS gegen alle 5Cäufd^ung
unb Süge, tt)ie ben 2Ba[;r^eit5brang aU Tra^oi; be^ ®enfer^
unb gorfd^erS; unb nid^t minber bie 2lufmerlfamfeit (fo=
U)ol bie formale aU bie geniale), Wie bie förbernben ober
^emmenben ©officitationen , n)eld^e t)om SBillen auf baö
intettectuelle ©d;affen unb jebe Semü^img um t^eoretifd^c
StDede au^ge^en.
3lur fdjeinbar aber ift fold;e Setradjtung eine aber-
malige Unterbrechung be5 großem 3"fÄi«n^^nl^ang0, inner=
^alb beffen U)ir nod; ftel^en. ^Sielme^r tt)irb fid^ ergeben.
326 Sie (EommuniottStJtomnj.
bafe gerabe fic am natürlic^ftcn ben Ucbergang ju einigen
Sjjecialerfc^einungen tjermittelt, meiere bi^^er jurü(fgc=
f droben Serben mußten, toeil befcri^)ti\)e Sel^anblung ber=
felben ol^ne bte l^ier t)orerft ju gebenbe ©runblegung nic^t
3U i^rem Siedete njürbe fommen fönnen. ^enn ©igenfinn
unb 6^arafterfd^n)äd;e, ßeid^tfinn unb anbete bem 3ugenb=
altei* i^orjugöUjeife ange^örenbe d^aralterologifd^e ^^l^äno=
mene f)abm fammt ben ?^ormen be^ ©elbftgefül^fe unb
einer 5Wei^e \>on fingen, tveld^e n)ir atö „^albet^ifd^eö"
5ufammengufaffen gebenfen, ba$ ©emeinfame, bafe ü^re
Sarfteffung obnc t)orangegangene 33efi)reci^ung beffen, toao
mh$ je§t befd^äftigen fott, nic^t t)öttig t)erftänblicti , ivetl
unjureid^enb begrünbet, fein itjfirbe.
2. Set 993iffett§tricli ober ^a^rl)eitöbi:ang aU Strebend-
in\fa\t
9BaE;rf;eitöbiaug, gorfdjung)§trieb , Sßiffen^bnrft, 2cx\u
bcgier, (Srfenntnifeluft, SBei^l^eitöfreube, ober „ SBei^l^eitj^-
mitte" (ef;al^bäu^), b. i), ^f)Ho\opf)k, ober metap^t^fifd^e^
Sebürfnife finb yjamen für ein r;eiüg ^at^o^; ebrtt)ürbig
felbft ba nodj, |dü e^3 aU blofser ,,®ebanfen^imger"
fc^mad)tet, menu anbei» ba^o et(;ifd;c gunbamcnt nicfit
fef;lt, unb bann nid)t^3 aUo ,, (Suriofität " unb frit)üle 9teu=
gier übrigbleibt, obgteidj felbft beni, \va^ ali^ foldbe auf=
tritt, unbeit)ufet ein tieferer S)rang beiiuot;nen fann, narf>
SJla^gabe ber eigenen oberf(äd)lid;en (Srfenntnij^fäi^igEeit
immer me^r t>üm 9)lenfd^enn)efen fennen ju lernen. Qa,
fogar ber blojge ©ammelflei^, ber mül^fam „©anbforn nur
auf Sanbforn reidfit", erftrebt innerhalb feinet engen 33e-
reidfi^ unb in einem an fidE» ivert^lofen 6l^ao§ n>üt;lenb,
bie 33eru^igung, fo tüenigften^ Mftrrnerbienfte ju leiften,
bamit bie ^önig^geifter an^ ber SCu^lefe be-S wn il;m ]^er=
beigefd^afften SKaterial^ meiter hanm fönnen an bem ^alaft
ber Ur^ unb (Sefammtit)i|fenf^aft , in It^eld^em fidb bem
S)cr SBiffenStricb ober SSßal^rlEicitSbtattg aU Sttehen§>inl)dlt 327
©etbftbetou^tfeitt bcr ganjen 3Kenfd^l^eit ber ©^iegclfaal
erfd^Iie^ctt foK, bon bcffen SBänben bie gefammelten Strah-
len bcr Unit)erfaßt)al;rl^eit jurüdEgctoorfm toerben. $Die
2l^nung, bafe i^ierfür nur DriginaHenntnijs, b. 1^. fold^e,
hjcld^e borl^er fein anberer nod^ erfaßt ^at, \)erit)enbbare
Saufteine liefern fönne, ftadfielt felbft fd^toad^e ©eifter mit
rül^renbem pruritus an, anä} an il^rem %f)cxl einen Sei-
trag ^eranjufd^le^j^en. SBeld^er ad^tjame Seigrer foffte nid^t
fd^on bemerft l^aben, iDie in ber Qugenb ber S^rieb Ieben=
big ift, nod^ nie (Sefagte^ jum erflen mal au^ju[i)red^en
— unb gef^ä^e ba^ nid^t faft immer auf bie ©efa^r l^in,
fid^ burd^ t)erfd^robene 2lu^geburten läd^erlid^ ju mad^en,
fo ttjürbe man beffen in ben 9luffä|en furj toor unb iväl^-
renb ber 5ßubertät0^eriobe — rt)o fd^on früher ate bie
^)l^^fiifd^e bie inteHectueffe 3^wgwg^!raft fid^ regt — nod^
\)iel mel;r entbeden. 3Kir meine^tl^eite Jft fd^on ber 3Kut]^
allemal refpectabel geiuefen, i^el^er fid^ t)Dm ©^^ott ber
ajlitfd^üler ober gar taft= unb gemüt^lofer Seigrer nid^t ein=
fd^üd^tern liefe; — bie ©ntbedung ber, o^ne^in frül^er ein=
tretenben, ;3m^otenj folgt balb genug, ©iejenigen aber,
beren ©eifte^^robucte nid^t blo^ an ©ebanfenmangel ober
-armutl^ leiben, fonbern ba^ eigene ©efül^l l^ierbon öer-
ratzen, nenne id^ gebanfenl^ungerig — fie braud^en barum
feineötoegö jeitleben^ intellectuette ^ungerleiber ju bleiben*
2)a^ Siid^tbefriebigen fold^e^ Sebilrfniffe^ fann bem-
jenigen, toeld^er e^ einigermaßen lebl^aft emipfinbet, ebenfo
fd^merjlid^ werben, ioie ))^^fifc^e^ ©ntbel^ren (nad^ ber
äfü^etifd^en ©eite getoenbet gibt ©d^iller'ö „^pegafu^ im
3od^e" — befonber^ bie ©teile:
ülag fel^n, oi^ trir beit ^oUtDurm iiic^t
3)urd^ magre Äojl unb ?lrbeit gtoingcn!
— ^ierju ben claffifd^en ^^i)u^). Unb felbft ber äft^e=
tifc^e (Senufe, an ioeld^em man fo gern mit abftracter
Uebertreibung bie „S^t^^^ff^tofigfeit" ^erborfe^rt, rul^t
auf einem SBillen^grunbe; — unb nid^t ettoa bloiS
in ber ^äberaftie fteigert er fid^ su einer, fogar pxah
328 Sie (EommunionSproöinj.
tifc^ fid^ bet^ättgeitben, Scibcnfc^aft *) SBie aHcr SBiffeng^
braitg fd^Iic^lid^ nad^ SBeni^igung beö ©emüt^ö i. e. SBtt
leit^ ftrebt, loS toiH öon ber Slngft unb Unrul^e be^ 3^^=
feln^ unb 3lici^toiffen^, über ba§ eigene ©elbft feines
XxäQct^ jur Älarl^eit gelangen n)ill, bamit bieS fid^et
toerbe , mit feinem SBoIIen nid^t auf falfd^em SBege ju fein,
unb fein ©etoiffen, baS ^jraltifd^e gunbament feines SBe::
f enS , baS SBiffen um fid^ befriebige (f. oben ©. 322 über
conscientia) : f o t)er jid^tet ber äftl^etif d) SBetrad^tenbe it)ol^I
auf 3^^^^/ tüd6)c ber materiellen ©elbfteri^altuug unb
gort^flanjung bienftbar finb, aber feineStoegS aud^ auf
©elbftförberung, ©elbftbefeftigung unb ©elbftbefriebigung.
3luc^ bie feiige ^sopia beS ariftoteIifd;en ©otteS ift nid^t
benibar ol^ne bie ©runblage eines ben 3>tttettect auS fidE)
gebärenben 2BilIenS. ©elbft biefer ©eligfeit fönnen n)ir
nid^t einen rein ^ofitit>en (S^arafter äugefteljen: nur ber
fann Suft am 2Biffen emipfinben, ber t)or^er 2BiffenSburft
cmj^funben l^at. 3Wan f^rid^t aud; nidfit umfonft t)on einem
rein it)iffenfd}aftlid;en „Sntereffe", unb bod^ nennt Sd;o^en=
f;auer mit Siecht jebeS ;3ntereffe ein ßorrelat ju einem
äBotten; nur inner{;alb eines ©ebiets, itjeldjeS mid; ,M'
tereffirt", fann idj tf;eoretifd;e greube genießen — unb
XDtnn bem ^^ilofoi)I;en fid; bieS ©ebiet nad) bem nil hu-
manuni a me alicnum erweitert, fo beiüeift foId^eS nur,
bajs fein SBiffenSbrang ber umfaffenbfte, t)on feiner (Sin-
feitigfeit befd;ränfte, baS ©egentl^eil aller „ Sornirt^eit "
ift. Sllfo aud^ biefem 2uftgefül;l gel;t als feine :j3ofitit)e
33ebingung ein ©d;merj , ein SSerlangen, baS ®efül;l eines
3KangelS, einer Sude üoran. 9hir tt^er ein „5ßroblem"
als fold^eS, b. l). als. i^m geftellte SÄufgabe, tiox^id) liegen
fie^t, tann fid) an ber Söfung freuen — aud) ^ier ^ei^t
eS: ignoti nulla cupido, unb bie greube am Semen unb
Gr!ennen, als an ber ©ftttigung biefer cupido, ift \mt
*) 2((8 baö O^fcr einer fold^cit mag man fic§ ^ölbcvliu Jjcr^
gcgemDärtigcit.
S)cr SBiffcn§tricb ober S5Ba]()t^eit8brang als Strcbcnäinl^alt. 329
jebe anbcre grcube intriiet unb il^rem SBefcn na6) nur \>o\l^
ftcHbar ate ©elbflbejal^ung. Qn ber inteHectueUcn Sefrie^
bigung bejaht fid^ ber SBttte obenbrein iebe^mal infofern,
-' afö er mit einem Sl^eil feiner felbft, mit feiner ,,®ffIore-
fcenj", aufrieben ift. S)a5 toiffen bie ftrengern Slni^änger
beS 33ubb^i§mu^ gar too^I: fie forbern afö SBoUenbung
ber Slfcefe and) SSerjic^ten aufg ©enfen unb auf ©rfennt-
nife. &xi abfolut „reinem ©ubject", ba§ alle^SBoHen^
bar ft)äre, ft)ürbe leiner greube mel^r fä^ig fein, — unb
it)enn bie 9?a6elfd^nur, loeld^e baö ©rfennen an ben SBitten
binbet, ganj burd^fdjnitten it)äre, fo müfete unSfelbft bie
Slnfd^duung ber „^latonifdjen 3been" langrtjeilen (obgleich
biefem ®enu^ itjenigften^ nidjt bajg Semu^tfein eined
Sebürfniffe^ t>orangel^t) ; ime ber §immel unb ber „übep
l^immlifc^e Drt" langn)eilig bliebe, njenn er SBefen toon
gänjlidj quiefcirenbem SBiUen bie ettjige Stnfd^auung ber
Qbeen böte, ba ja ba§ SBefen ber Sangenmeile in ber Slb^
Jüefeul^eit affer Slnregung für ben SBiffen befielet, ein fub=
ftantieffe^ SJafein überi^auipt aber aufbort Dorftettbar ju
fein, \vmn i^m ba^ gunbament beffen entjogen n)irb, toaö
' luir au^fdjliefelid) al^ ein fd^led^t^in JRealeö ju faffen t)er5
mögen: ba^ SBoffen. ^mn öon ben abftracten aWöglid^^
feiten einer „anbern SBelt" muffen toit burc^au^ abfegen.
2Ber mit ©d^o^jenl^auer befennt, einen 3nteffect ol^ne ©e^
l;irn nid^t benfen ju fönnen, ber muß audj ben ©d;ritt
n)eiter tl^un: eingefiel;en, ba§ ein „reinem ©ubject" ol^ne
ba§ ©ubftrat eines SBiffenS unfere gaffungSfraft böffig
überfteigt. Ql^ren legten SBert^ l^aben bie Sbeen ja eben
barin, bafe aud^ fie „DbiectitätSftufen" beS erfd^einenben
äBiffeng finb, i^r lefeter Sn^alt ber SBiffe felbfl ift. 3Bie
alfo fofften fie nid^t auf ben Sffiiffen toirfen? tt)ir freuen
uns an il^nen, n)eil fie uns ben Äerngel^alt affeS S)afeinS
offenbaren, ßs ift genug, bafe in i^rer ©ontemiplation
fein beflimmteS, momentanes 2Boffen fühlbar babei t^ätig
tt)irb, unb tbm barin liegt il|ir dici^, bafe it)ir uns babei
Vona momentanen SSJoffen frei tt)iffen; aber o^ne ein alU
330 2)ie Sommuniond^rotnits.
gemeine^ „S^tereffe" fönntc nur ber languor t)ftlliger
©leid^gültigleit übrigbleiben. 3^re SBetrad^tung getDäi^irt
ein ®efü^l be§ (Srlei^tertfein^ t)om 2)rud ber Seben^bütbe
— aber bie^ ®Iüd ift negatto tote jebe^ anbere: toären
tt)ir ber Safi für immer entlebigt, gäbe e^ gar leine mög=
lic^e SRelation auf ben SBitten mei^r, fo Würben toir be^
^inau^gel^obenfeinö auS bem erjli(f enben üualm ber SBittenö-
atm6f))l|läre gar nid^t inne toerben.
2Bir beftrelten hiermit feine^toegö bie Slid^tigleit be^
Äriterium^, loeld^e^ ©ci^o^)enl|iauer für bie ^ö^e ber Ob-
jectit)ation^ftufen beS SBiUenS i^infteUt: bie }unel^menbe
©onberung beö QnteUectö wm SBiHen ; im ® egentl^ieil, tt>ir
tooffen aud; hierbei nur i^n „ju @nbe ben!en". ®a erft
ifi ber ©ijjfel ber .^ö^e erreid^t, too ba^ ©efonberte fid^
toieber in eing jufammenfinbet, unb t)on einem fittlid^en
2ebcn, im Unterfc^iebe toom unjured^enbaren SBalten be^
Snftinctö, ift erfl ba bie Siebe, too, unter mancherlei ©if-
ferenjen be^ ®rabe^, eine folc^e SSerfö^nung fi^ einjiefft:
fo gut toie ber SBiffe ein intelligenter, fo gut foU ber 3ti=
teffect ein toottenber fein, unb er ift bie^ am meifien ^bm
ate aSiffen^trieb.
©elbft bie 5C^atfad^e ber ©elbftbemitleibung , m^
toeld^er ©c^o^jenl^auer jebe^ ed^te SBeinen i^erleitet — bie
5ßferbe be§ Sld^iH fönnen nur ioeinen, loeil fie aud^ fjjred^en
Ibnnen, unb eben barum geben fie mit il^ren 3:^l|iränen bem
3eu^ Slnlafe, bie aWenfd^en bie elenbeften atter erben:=
beiool^ner ju nennen (Ilias, XVII, 416 fg.) — finbet nur
au^ biefem 3n^ein^= gelten ü^re örHärung; unb foH "ooU
lenbö ba^ felbftbemitleibenbe SBeinen auc^ ein ©^nH)tom
^on ^erjen^güte fein, fo fefet e^ eine nod§> um fo Marere
(BpaltnnQ be^ 3d^^ unb biefer nac^folgenbe SBiebergufam^^
menfc^Uefeung be^ ®efi)altenen Dorau^. ®er jufd^auenbe
9Snteffect bemitleibet ben leibenben äBillen — ift alfo felber
nod^ einer SBiffen^regung fällig, bie er fojufagen ijon feiner
©runblage — feinem Si^räger — entlehnt l^at — unb
unterfd^eibet fid^ öon bem falten, gleichgültigen, in« l^fellere
^cr SEBiffcnätricb ober Söa^rl^cit^brang aU Sttebcnäinl&alt. 331
33elt>u§tfein J^inaufgcrüätcn SReftectiren auf basi 'eigene
Seibctt e6en burd^ baS gortbeftel^en eineö engern 5Banbc§
jhjifc^en 3nteffect unb SBille, vermöge n)eld^e§ SBanbe^ ber
Qintettect fojufagen einen SBillen^factor in fic^ fd^Iiefet.
Sei^t genug ift für bie^ 33anb ber 5»ame ,,®efü^I"
gefunben, ber alfo im ©ci^oj)enl^auer'fd^en ©Aftern — luxe
ein oft t)ernommener SSortourf un§ glauben machen ntöd^te
— fo toenig ber ©eltung unb Slnerfennung ermangelt,
ba§ er fogar jum Seben^grunbe aHe^ et^ifd^en §anbelns
erl^oben ift. ©o bereinigt fid^ bei ©d^o^en^auer fo einfadE^
rt)ie möglid^ ba^ gunbament feiner ®tl^if mit bem erl^abe=
nm 3iange, ioel^en er ber e^rlid^en SBal^rl^eit^forfc^ung
antoeift — benn pectus est quod facit veracem: im ®e-
fül^I tourjelt and) bie aggreffibe Sßa^r^eit^liebe , n)ie bie
blo^ negatit)e be§ „3iid^tlügenft)oIIen§" am SKitleib il^re
©d^ranfe l^at. Unb bie ^jJräbicate, uieldfie mir einer 2)cnfc
arbeit beilegen, bertjeifen mit mel;r aU bloö metaip^orifd^er
Uebertragung eine aBiffen^natur be^ ^nteffect^, fo oft ioir
j. 33. fagen, ein ©eifte^^^robuct jeuge toon SeiiDeglidjfeit,
Sebenbigfeit unb t)or allem )i>on großer Energie be^
® enf en5 ; ba§ finb ja lauter Slttribute be^ Sßoffen^ f eiber.
3Sä^len ioir bafür ben concretern Slu^brudE: größere Qpan-^
nung ber (Serebralfunctionen , erl^öl^te ©ei^irnt^ätigf eit
u. bgl., fo treten ioir bem Slealjufammen^ang nur nm fo
Diel nä^er. SEBer mit feinem ^enhn bem ©ebanfengang
eineö anbern „nid^t ju folgen im ©tanbe ift", \ytxf)äU ftd^
ju biefem nidfit anber^, al^ ioer mit' feinen matten Seinen
nic^t „mitfommen" fann ju bem, ioeld^er mit fräftigern
Oe^toerfjeugen rüftig ijortoärtö fd^reitet: e^ ift ein Unter-
fd^ieb ber ©tärfe unb ©d^rtJäd^e in ben beiberfeitigen Or-
ganen. *)
*) ^ScIbfitoctftänbUd^ Bleiben l^ier foIdf;e gätte gang auger S3e*
txaö)t, too ba« S5cr|!änbni6 einer (Sebanfenrei^e öon bem gufätttgen
Sefift getoiffer Äenntntjfe, einer Befiimmten IJcrminoIogic u. bgL ah<»
l^ängig ijl. 3(nf))icUingen affer %xt ge^en ja für jebeiT verloren, b?r
332 2)ie Sommumon§pto)}in3.
Tua^oc unb bic damit fold^ett Serpitniffe«.
SBic nun aber fr^fiaffifirt [id^ baS eiementartoefen
unbeftimmten SBerlangen^ nad^ SBai^rl^eit jum flarbetoufeten
Sntercffc an abgegrenzten fjclbern be^ SBiffen^ ober innere
l^alb biefer an nod^ me^r inbbibuaüfirten Problemen? Offen-
bar auf ber 33afiö be^ inbteibuellen d^arafterologifd^en
©runbgebaltö !
aSie bie Suft Dor ©d^neetoetter am bunlelften ift, fo=
lange noc^ bie amorphen fünfte d^aotifd^ bor ber ©onnc
lagern; nie c^ l^eHer ioirb, ef;e bie gloden fallen; unb
bann, für bic ®auer be^ gallen^, bie Suft fid) U)ieber
t)erbunfelt: fo ift c^ im 9)lenfd^engeifte am bunf elften, fo=
lange nod^ gar nid^t bie Probleme erfannt [ini aU ge-
fteffte 2luf gaben; unb fo Hart e^ fid^ auf, ioenn crft bie
rid^tige f^^agftellung gefunben ift; fo tritt aber and) ioieber
9lebel ein, ber alle Umriffe t)erfd^n)emmt, bi§ bie Söfungen
in Maren, njei&en — b. i. farblofen, t)on feinem xnt>i\)U
bueffen 3BiIIen§intereffe gefärbten, nur t)om allgemeinen
burd;leud^teten — unb» bod^ buntgeftaltigen antworten M)
auf ben 33oben niebergefdjlagen (;aben — unb nun Don
unten unb oben bie ©tral;len fid;, baö fd;iüad;e Sluge bleu-
benb, freuten. — ®od^ gerfliefeen fie aföbalb toieber in
bunfeln breiigen Äotl^, loo fie auf ein aufgen)cid)tc5,
fd;mujige^ Grbreid^ gefallen. 3lnx ba^ reine unb fefte ©e=
mütl^ bel^ält unt>erfe^rt bie l;eilige, fledenlofe SBeifee ber
3BaI;rl^cit — ben anbern nimmt fie t)oIIenb^ ben legten
§alt, felbft ba^ ©eftein alter ©itte jermürbenb. 3Jur ber
lüd^t«^ bon bell 3)ingcii tocig, auf ivcld^c fic fici^ Begicl^cn. ©icr \)an^
belt ee \i(f} um bic gä^igfcit, ba« (nic^t bloö bcm) nacjgubcn!cn,
rraö ein anbctcr ®ei(l un« öovbenlt, unb bicfc ^äiji^Uit ifl, jumal
in ^JS^Uofo^j^ie uttb SWatl^icmati! (f. oben @. 9 fg. unb 14), ol^nc eine
getviffe ?(usbauev im 2)cnfcn niemals toor^anben.
Sajuifti! be§ inbit?iDuencn 5ßa^r()citgbrang§. 333
ftarfe (Seift — esprit fort — fann fonber ?5äl^rbc ftd^ be^
fennen jum amicus Plato, magis amica Veritas. SBer
trie ba^ Äinb mit bem leud^tcnben gcuer fi)ielt, gefftl^rbet
eigene^ ivie frcmbe^ SBo^I — unb bodj ift bie finnlid^c
greubc am Reffen geuetfc^ein !cin lebhafterem ©elüfte aU
ba^ Xrad^ten beg aRanne^geifte^, ben ©c^Ieier ju Iflften
t?or ben lodenben 3Jl^fterien. 5llfö auc^ öon biefer ©eite
betrad^tet ift bie SBa^rJ^eit^begeifterung nid^tö Weniger aU
ein etl^ifd^em Slbia^jl^oron. SBie unter Umfiänben im ca=
fniftifd^en ©injelfalle bie fogenannte 9lotl^lüge bem SRitleib
bienftbar erfd^eint, fo bleibt in affgemeinen ^nftitutionen
ber ipia fraus eine ©teffe, it)o „bie ^add nid^t leud^ten,
nur jünben fann". 3m Privatleben trägt jebeö jartere
®emfit^ bered^tigte ©d^eu, einen mitleibloS um fc^ßne Siffu-
fionen ju bringen — unb feiner ift jum t)oraum fidler, ob
(Srf enntni^ ber SBal^rl^eit ©egen ober Unl^eil ftiften n)erbe. *)
®er nad; SBal^ri^eit ringenbe gorfd^er fann barüber
leidet bie näd^fte gorberung an fein SKitleib t)erfäumen —
em fann ein gen)iffer egoiftifd^er ®rang nad^ rein fubjec^
tit)er SBefd^loid^tigung innerer Unraft ba^ eigentlidje Slgen^
feinem ©trebenm fein. — 3a, man fönnte unfern obigen
©ä^en bam ^arabojonentgegenfteffen: bie ganj intereffelof e,
reine SBal^rl^eitmforfd^ung fei i^rem 9Befen ^nad^ ein et^ifc^
Snbifferentem. Unb bod) tüieber feigen n)ir babei ein
f d^it)ungt)off em , oj^ferfreubigem Tua^oc n)irffam. ©ofern aber
^raftifd^e ^\ücd^ burd^aum fern gel^alten n)erben, affem
rein tl^eoretifd^, ein blom tnnerl^alb bem 3!nteffectm SBor^
gel^enbem bleiben fott, fte^t bam ganje ^^im aufeer^alb bem
^cxn^ ber 9Jlenfd^l^eit unb i^rer gegenfeitigen ^Relationen,
*) "ahn öiidf; hierfür be(;nc man bic Sm^utabUitöt nid^t 311 n?eit
Ottd: mv %Ud)9 fäet, fann bod^ nid^t bafür t)erantn>ort(id^ gemad^t
merben, toenn i)txna6f einer fic^ an9 ber $eebe einen 2>ixid bre^t
unb {i(^ baran auffniipft — fo fann ber ^d^rtftfietter an(ff nic^t für
jebed ^ergernig auffommen, n^eld^e^ etn;a fd^n^adj^e ©eetcn an feinem
©uc^e nehmen njerben — njarum greifen fic banad^?
334 ^ie (Soinmuniong))ro)7in§.
ift alfo au^ ein Slufecrct^ifd^e^, berül^rt ^öc^ften^ inbirect,
niematö birect bic lebenbigcn Sejiel^ungen. auf bo^ gange
Oetoirre biefer ©iaieftif fällt bann nod^ ein ©d^Iaglic^t
t)on bem (Sefäl^te ^er, tpeld^e^ it)ie burd^ ein Unted^ttl^un
gebrüift tptrb in ber Sßerfud^ung, bei anbem ol^ne ^in=
reid^enben ®runb ©c^Ied^te^ ober auä) nur con\)enienj=
mä^ig ©emi^billigteS toorau^jufe|en — ^. S. S^^f^^ ^^
ber SJirginität eine^ jungen 9Räbc^eng ju liegen. 6^
braudEit ein SBerbac^t gegen gar niemanb au^gefjjrod^en ju
toerben, unb bod^ fann baö ®eit)iffen baburc^ tt)ie burd^
eine wn unö ^)ötengiett jugefügte Äränfung belafiet fein;
aber einmal erregt, lä§t er fidj o^ne (Segeninftanjen nic^t
toieber jum ©c^toeigen bringen, unb ma^ bann antreibt,
fold^en nad^juf^)üren, ift bocb lool ba^ Oegenti^eil t>on
nieberträd^tiger ©fanbalfud^t, ntitl^in fo toenig fittlicb gleidb-
gültig n)ie biefe felber. Qietoon f}at bieKeid^t in ben mei=
ften gäHen felber fein flare^ SeiDufetf ein , mx bem toirf=
lid^en ©ad^ijerl^alt nad^forfd^t, toeil i^m fonft ber ^toü^d
feine Siu^e liefee, — unb bod^ fann aud^ bann SKitleib ju
®runbe liegen.
4* ^ntemtesio: rnttü^f^m^ %nmiät in bie U^ttn
I
Unb tt)arum follten toir aufteilen, biefen 3wfammen=
^ang t)on SBiffen unb SBoffen big in bie metaip^^fifd^en
2;iefen ju verfolgen? — ^t ba§ 2) afein ba^ Siel be^
Strebend im MUm aU 35ing anfid^, fo ift — n)eil2)a =
fein nur für ein ©ubject ift — ba§ eigentlidEie 3^^^ i>^^
SBoIleng ba^ ©id^^felbfi^jum-Subject^mad^en — furj: ba^
S3en)ufetfein, unb fobalb biefen erlifd^t, ift ein ^mä be^
SBiKeng bi^ auf n)eitereg Vereitelt. „2)er SBitte ftrebt nad^
®afein" l^eifet : ba§ ®ing an fid^ ift potentiä ftet^ fd^on
Dbject, unb trägt jugleid^ bie 3Köglid^feit in fid^, ftet^
©ubject 3u toerben; ©d^effing = ipegerfdö au^gebrüdCt: bie
3ntermcjjo: SWcta^l^^fd^c äuSblide in bic legten SBitlcnSjtocdc. 335
©ubiianj brängt ium ©ubiect=fetn unb ijl — fo vnäifU
man fd^ier toeiter tpt^eln — an fic^ ©ubjjecfePbjiect. SBenn
aber betn SBillen ba^ Streben nad^ ©elbflobjecttoining
iüefentlid^ ift, fo gel^ört aud^ il^m f eiber bie SCobe^fur^t
an, in bem ©inne nftmlid^, ba§ er jxd^ fträubt, ba§ ein-
mal Grreid^te, ba^ SBiffen um [ic^, lieber aufjugeben —
unb nur ft)eil ber %t>h [o toirflidf! fein §aut)ttnterejfe,
wmn audj nidjt fein blinbe^ ©ein felbfl, afficirt, ift e^
begreifltd^, ba^ bie 2^obeöfurd^t al^ eine fo ungel^euere
SKad^t auftritt, toie fie ate blofee 2:fiufd)ung nimmermel^^r
äu begreifen tt)ftre. ®ag Seben, b. i). ba^ a3ett>ul3tfetn, ift
„ba§ l^öc^fte @ut", toeld^eö fid^ ber SGBitte ju erarbeiten
öermod^t l^at — bat)on ftJiH er nid^t laffen, unb ber 2;obe^=
mut^ige ober ber ba^ Seben (f o f agen loir beffer atö : ben
SBiffen) SSerneinenbe l^at tbcn 58erjid)t barauf geleiftet,
nod|f femerl^in bie^ Seben ju feigen unb barum ju ioiffcn,
5Die ©infidEit, bafe „ba^ ©(iiauf»)iel, loeld^e^ ber SBiffe ficb
felbft gibt", baö ©intritt^gelb — gefdjmeige „bie Äoften
ber Sluffül^rung" — nid^t ioert^ fei, ift alfo afferbing^
eine Sebingung jene^ 5IRut^e§ unb ber Seben^toemeinung ;
unb „id^ mag nid^t mel^r leben" l^eifet: „id^ mag biefej^
(Slenb unb biefen Jammer nid^t länger mit anfeilen, alfo
auc^ nid^t in ber unmittelbarften SBal^mel^mung eigenen
©c^merjeg länger füllen"* ®anad) t)erfä^rt jeber, ber
„fid^ felbfi ba§ 2tbcn nimmt", — ber fagt bamit nad^ einem
d^arafterifiifd)en 3lu^brud unferer ©prad^e: „id£> ioill
nic^t^ mel^r toiffen" öon biefem ©rbenjammer — er
toerad^tet ba^ l^öd^fle bem SBiffen erreid^ba.re 3i^l — ba^
SSetou^tfein — unb ber SKfcet fc^eint fid^ t)on bem gclt)ö^n=
lid^en auTo'xetp nur baburd^ gu unterfd^eiben, bafe er ba^
Slnfertau nid^t burd^l^aut, fonbern in feine einjelnen ga=
fern auftrennt, bamit e§ um fo fd^iperer fei, barauf toie--
ber ein nm^^ Sanb ju toeben, eine neue geffel für ein
3nbit)ibuum gu bre^en. 3ft aber le^te^ S^d beg SBiffen^
bie ®rfenntniJ3, fo ift ba^ Trafos; 91X60090V ^öd^fte 8e=
jal^ung be^ Sebenö, unb barauf erflärt fid^ bie ungel^euere
336 3!)ie 6oinmunionS)}¥ot?tn}.
SBel^emenj bc^ ßtlcuntnifebrangc« in ben mit beut nötl^igen
SSBcrfjeug baju au^gerüfteten 3nbtt)ibuen. 35a fd^eut er
fein D})fer unb Reifet ,,erl^aben", tt)eil er bem ^öd^ften ju-
ftrebt. — S)enn ba^ „^atljo^ eineg ßl^arafterS", t)on bein
bie Sleftl^etifer gern f!|)red^en, n)aö ift e^ anber^ al^ ba§,
objecto aitgefei^en, t)ortoiegenbe 9Jlotti)', in ber SReaction
gegen toel^eS alle anbern SJlotibe tt)irfung^Io^ bleiben,
unb, t)on ber fubjectiben ©eite, bie ßigeni^eit, nur auf
eine beflimmte Älaffe t)on aWotoen energifc^ unb nad^l^al=
tig ju reagiren? Unb aud^ ba§ 5ßatl^o^ beö ®enfer^ ift
leibenfc^aftlid^er SÄuflDallungen, affectäl^nlid^cr ©teigenmgen
fä^ig. 2)en berül^rte nie ber SBeii^efinger einer fegnenben
Jaffas, ber nid^tö ju fagen tt>ei^ toon einem SRaufd^ be^
(Seiftet, iDorin rafc^er n)ud^fen, fräftiger fic^ auffd^toangen
bie gittid^e be^ ©ebanfen^. 3?id^t bem ©id^ter allein, audj
bem Genfer finb fie befd^ieben, jene ©tunben, tt)o bie ©eele
im Swftoii^^ einer erl^B^ten Slffimilationöfäl^igfeit lebl^after
^)erci^)irt, fieserer unb t)ollftänbiger baS 5ßerci})irte xtpxo-
bucirt al^ ime gett)ö^nlid^ — t)ielleid^t ftimulirt ijon ber
jjerfönlid^en 3lft^e eine^ i^eroifd^en (Senium. *) ©^ folgt
*) W>tx baffelSe gilt fo gut 16ei arbeiten 1>c« Sntettcct«, toetd^e
er bircct a(ö grü^nbncr be« Sißen« gu i^erric^tctt l^at, tt)ie bei fold^en,
»eldjie er fojufagen al9 fein eigener $err bcfd^afft, bem ®ef eilen gleid^,
ber am geieraBenb für eigene 9{e(^nnng bied unb jened ausführen
borf. Gd^riftfHldfe otter Slrt, bie h)ir im Oebränge eine« ^refftrt*
feind, bon irgenbeinem ängern 3m:t>u(9 gel^egt, anfertigen, gelingen
oft beffer, aU fotd^e, gu benen lotr tolle Tlii^t l^aben. 3n jenen
gätten concentrtrt fid(> ba9 Sotten unb 2)enten, unb e« fletten pd^
guweiten Intuitionen ein, tt)o fonft baö biöcurfibe 2)enfen leidet in
terYoSffernbe breite l^ineingerietl^e, n>S^renb ha9 intuitiv @r!annte nad^
fna^)}er ^räctfion bed I[u9brud^d bringt, fogufagen rectificirten ^pU
ritud beflittirt. S)anad^ liege ftc( mieber fd^iiegen, tt>a9 fd^on früher
bei Gelegenheit bed beutfd^en $(tegma9 M ber ©runblage gelviffer
intettcctuettcr gä^igfeiten berührt njurbe, ha^ bie intuitive (Srfcnntnig
in je ber il^rer gornten ber SBittenöqucttc nä^cr bleibt als bie ab*
firacte — unb eben in fold^em ^iäl^erbleiben guglcid^ bie ©arantie t^rer
griJgern SBa^r^eit bat. 3e abj!racter ein ©rfennen ijl — toie for
aintermesjo : 2Rctai}^pfif(i&c SluabUdfe in bic legten SBiaeii§5tt)ec!c. 337
bann nad^l^er gern eine um fo anbauernbere ©rfd^Iaffung
— n)ie bei ben aWagnetifirteti — unb fo fd^eint bie^ unter
male 2oQitt ®xammat\t unb Tlat^tmaüt nebfl aICem l6togen Tltmo*
rircn — t>c(lo ferner hUiU t^ bem Sitten unb bc(io njeniger bebarf
e« einer öon beffen Smpulfen anöge^enben Kräftigung. 2)a8 bi«cur*
fiöe 2)enfen fud^t gcrotff ermaßen in ber g'^^S^^i^tis^wt feiner 2)ebnc*
tionen unb bialcftifd^en ©^ntl^efen einen (Srfaft für ben fepern ^alt,
hjeld^en ber Sntuition i^r naiverer Sufammenjang mit ber 9fiea(itÖt
^txUii)t — unb fo er!(ärt fid^ and) bie Uel6errafd^ung , mit tt)eld;er
man gutreilen Beim Slbf äffen einer biScurfiöen ^Darflettung gcnjal^rt,
bag S)inge, toeld^c in beren SBerlauf M matte Srgebniffc au8 bem
3lneinanberrei^en toon @o^ an @afe in f(^Ie:|):|)enben ©d^Iugfetten fid^
einfletten, tjon uns längfl anticipando auf bem SBegc ber Sntuition
nid^t 6to8 erfaßt, fonbern irgenbtoo im^Iicite aud^ bereit« au6gef:|)rod^en
toaren — unb ba« getoä^rt bic ^ol^e S3ef^iebigung, fid^ nici^t auf bem
uferfofen Oceon ber 3lb(lraction l^erum^utreibcn. Unb toeit man ba*
bei nad^trägtid^ pnben fann, ba^ fiö) l^nter einem einzelnen Sluebrud
2)ingc verbergen, bie un« felber im Slugenblicf , njo uns ber ©ebanfe
jucrfl eingefallen , unbewußt blieben, fo fottten n^ir niemals ol^nc forg*
fame ^rüfun^ irgenbettoaö an ber gaffung änbern, in ttjetd^jer uns
ein glüdlid^eö Sl|)ercu guerfl gekommen; fonft f:|?ielt un8 ber SBetter
Sattl^orn affju leiiS^t einen ©c^abernatf, inbem er unö toerteitet, bie
©orgüge ber crflen (Soncelption abjufd^iräd^cn, gerabc tt)ic ber naivere
Umgang mit jemanb uns gern abbringt toom rid^tigen ^l^l^^fiogno*
mifd^cn @inbruif, lüeld^en mir beim erften „unbefangenen" ^Begegnen
Ratten. (So i\t bic 2lbn?efenbcit icbes SSorcingenommenfeinS für ober
gegen eine ^a^z , njclc^e für biz urf^rüngtid^e, augerbafb jebeS f^fte*
motifd^en 3wfommcn^angS cntpanbene gaffung bie SBa^irfd^einlid^feit
gibt, ba§ fie frei fei i)on äff ben 9'^ad;t^eiicn , tt?el$c ©efangenl^cit —
n?aS immer für Urfad^ fic b^bcn mag — mit fidfi bringt. 2)enn
„^efangenbeit" befängt ont^ baß tiaxt ©enfen, baß fid^ fojufagen in
feinen eigenen ^ertoirrungen fängt, fobalb nur bie SJeflejcion 3cit be*
fommt, fid^ eingubröngen unb gu mäfetn an bem S^ara!teriflif(f;en
unb 2:reffenben, hjaS il^re ^)ö f; er begabte SRuttcr , bie 5lnfd^auung, gu
^age gebrad^t, — ober »)oI gar unter bem 35orgeben , „(Ergänzungen''
liefern ju ttjoffen, nur ©ntileffungen unb S^erl^ungungen einfd^wärgt.
— ©ic i^m in 9lcbc flebenbc SBePgelung beö S)enfenS burcj bm
SÖiffen erfahren njir aud^, fo oft im ©ef^jräd^ fofratifd^e ©ebanfen*
mäeutif tüir!fam ivirb; nod^ beutlid^cr aber an bem Untcrf^iebe, ben
es ma(l;t, ob ein ©ebanfe. uns guerft im briefUd^en ^erfel^r ober beim
„einfamen ©rübcin'' gefommen; benn fd^on baS bloS toorgefleffte ^tx^
^ältnig gu einem beflimmten @m^fänger unferer !£)cnt:|)robuctc reid^t
9al^nfen, (S^aralterologie* I. 22
338 ^ie GDmmuntoni))ro)}m5.
ba^ ju fallen, lüoöor, ate i)or bcni „SBud^cr bcr 3^^"/
©d^ojjen^auer*^ ,,^aränefen" n)arnen. ®cnn bicfc geit^
toeilig größere 2lnf^)aunung in bcr einen SRid^tung ber
fieben^toiffen^energie fammt ber naci^folgenben ©rfd^Iaffung
ifl mel^r afö eine blofee S^äufd^ung bei Setoufetfein^ (beren
(gntftel^ung in ^Betreff ber Ie|tern [id^ ettoa fo erllären
/Kefee, bafe anbermeitige reid^e Slnregungen ba^ ©emeim
gefül^l üerl^üllt l^ätten, fobafe biefeg, folange bie lieber^
anftrengung felber bauert, nid^t baju gelangt to&xe, ber=
felben inne ju tt)erben) — unb barin tbm liegt bie
®Ieid£>artigfeit biefe^ 3"ftcinbe^ mit bem in Slffectmomen-
ten: toa^ toir bei beffen ^Betrachtung aU ba^ SBef ent=
lid^e erlannten, ift e§ aud^ l^ier: geftörte^ @leid^gett>id^t im
Softem ber 3lffluEe. 3lber ba^ tt)ürbe nid^t möglid^ fein,
menn nid^t ba§ ^erj mit im ©piele iDäre, tvmn nxd)t
jum tpal^ren, ed;ten gorfd^en, ba^ mel^r ifl ate Slufftöbern
t)on matter of fact, and) eine ©emütl^öbetl^eiligung uner=
l&^lid) tpäre, n)enn nid^t baö pectus est quod facit phi-
losophum aud^ feine SBal^rl^eit l^ätte — foba§ lie ©!j3ötter
il^re Slbfid^t fd;iled^t erreid^ten, aU fie baö t)ierte SBu^ be^S
©d^oipen^auer'fd^en §aui)tit)erl^ einen „l^rifdEien ®rgufe"
nannten — benn e^ ift biefelbe SBegeifterung , it)orin bie
^öd^fte ©ipeculation unb ttjorin bie fi^rif aU in i^rem £eben^=
element at^met: ber §aud^ be^ ©toigen!
2lU)5brudEgit)eifen iüie: „ba^ fiid^t ber SBelt erbliden",
„bie ©onne nidfit me^r fel;en", — „ber bunfle Drfu^",
unb ®ic^tern)orte n)ie:
2öa« foHfl bu fel^n auf biefcr ®clt,
2Ö0 fiel« bie "iflaöft ben (Sieg erhält?
bezeugen, ba§ bai^ SBetrufetfein all lefeter ^tücd bei SBiffeng
()in, bem S3[u$bru(f bcrfelBen eine befonbere grifc^c unb trcffcubere
^d}lxx\t gu deben, unb alle« ti)trb lebhaftere 2:tnten anne^imen, al9 tc^o
un« beim S^ieberfd^reiben „ber ©err ^ublicu«'' in ungeflalter ^ie(»
geflaTt Uo9 borfd^tt>ebt.
3[iitermei80 : 2Reta^i]E>t)f#eS(tilbßdc in bic legten ffiiaengjttjedfe. 339
gefüi^lt lüirb; — unb nur ba§ gefättigte erfennen, b. 1^.
einfielet in bie 2Bertl^lDfig!eit bcr SBelt, fd^lögt auf ber
§öl^e in SBerneinung um, bie freilid; if)x ©egengetüid^t be^
l^äft an ben niebern ©trebungen be§ aSittenS, blo^ ju
leben. *)*— ©o befeitigt fi^ ber 2Biberf^)ru(I|, bafe ^ßoefte
unb ^l^ilofoip^ie jn)e(Jto§ unb bod^ ba^ aJlenfd^enlüütbigftc
finb; — il^nen mujs offenbar ein etl^ifd^er SBertl^ inne=
ttDol^nen — ba^ beftätigt aucl) bie inftincto toorjug^lreife
il^nen unb ben i^nen gebratf)ten Dipfern gewollte 3[d^tung
tt)ie bie SSerad^tung gegen if;re ^cxä6)tex, atö bie ?tiof)m
par excellence. ®ie fogcnainiten l^öl(icrn, b. b. attgentei^
nen, geiftigen, ^ntereffen Derljalten fid; ju ben gemeinen,
„materietten", \m ber genie^enbe Steid^e jum barbenben
@eijigen — benn aud^ ber finnlid; ©a^intaumelnbe madbt
gum 3^^d ba^ „Seben", lueld^e» bod; nur SKittel ift ^^nm
©rfennen. ©o He^e fid) bie ©m^jfinbung^Ioftgfeit be^ @el^irnf>
ba^in beuten: bem Drgan be^ 3nteKect§ tüoffte ber aBiffe
e^ red^t leidet mad;cn , feinen Functionen nadEijugei^en, rt)ie
ba§ aSolf e^ bem ©taatöoberl^au^t Ieid;t mad^t, für anbere
ju forgen, inbcm e§ baffelbe aller ©orge für bie eigene
©jiftenj mögli^ft cntl;ebt, unb i^m fein ©afein fdEimerjlo^
ma^t, bamit e§ nid(|t in feiner 2^^&tigfeit gcftört tüerbe
— unb n)ie ber ebelfte 3Ronard; am el^eften baran t)er=
ämeifelt, ba^ SBo^l feiner Sölfer grünben ju fönnen, fo
getoal^rt ba§ ebelfte (Sel;int juerft be^ ®afein§ aSßertl^Iofigs
feit unb Gemeint e^ bemjufolge. SBie aber ber egoiftifd^e
3^^rann nur baju ben 5BoH^tüo^lftanb förbert, um barau^
*) 5(n bie« fli»öt 0"» ^^^^^ ^iattiö) jii ^^veb. 11, 7, bemerft
(a. a. C, @. 503) : „3u ben guten j^agcn tfi ba8 Sid^t füg unb ben
Singen bie @onne liebUd^ anjufel^en ; . . . . nne eö au^ bon ben (ärj^
toötetn l^eigt, baß Jie im HIter beö Sebenö fatt ftaren, ba il^re 21 u*
gen bnnfcl fturbeu", unb ^u SJer« s: „S)ie S33eUn>cifen reben unb
fd^reibcn toon ber ©lüdfeligfeit biefe« ?eben3 gemetniglid^ in bem=»
jenigen SlUcr, ba fie nod^ in guter ^eriobe ftnb; bal^cr tommi e8,
bag alten acuten bie SCßeltnjeiöl^eit gemeinig(i(i^ mager
unb fraftio« borfommt."
22*
340 S)ie SomntunionSprot^ms.
feine eigenen Sd^afefamniern gu fütten, fo bient ber t)ut
gäre Sntettect nur ben näd^ften ^\ütdm be^ Organi^mu^,
o^ne fid^ baju ju erl^eben, ba^ er einfe^e, toie ber Seib
nur be^ ©e^irn^ n)egen ba ift, alfo bie niebern Functionen
be^ Sntettectö nur ber t;öd^ften — mittelbar burd^ erl;al-
tung be^ £eben^, \vk unmittelbar burd^ 3wfö^^^i^ emi)iri:^
fd^en ©toffe^ — bienen foHen; unb in bief em Qinnc !ön-
nen wiv m^ fe^r iuol^l ben ©a| 0,®ie SBelt afö 3Bille imb
SBorftettung", 2. 2lufl., II, 503; 3.5luft., ©.570) gefaffen
laffen: ,,ber organifd^e Seib fann angefe^en toerben aB
9Jlittelglieb jtoifd^en bem SBiHen unb bem ^nteUect"; näms
lief; für i^nm ju biefem ate feinem ^kU hinüber.
dagegen ge^en tvix ber teleologifd^en ?5affung beffer
au^ bem 2Bege, n:)o bie SSerneinung in SBetrad^t !ommt.
3Bie ©d^D:|)enl^auer gef^)räd;^tDeife gegen grauenftäbt (t^gl.
beffen „ärt^ur ©dbo:|)en^auer. SBon il^m. lieber i^n", ©. 152)
ben SBiUen einem SBanberer V)erglid^, ber mit feiner Sa-
tenie fid; !t)lö|lid^ \>ox einem Slbgrunb fielet unb nid^t tt>ei-
ter JU ge^en fid^ entfd^liefet — alfo il^m felber unijermu^
tl^et ba§ Velle in ein Nolle umf dalägt: fo luerben toir
überl;au^)t bie SJerneinung nid^t aU ^totd, fonbern atö
ein itjm felber unerwartet fid^ einfteHenbeä 6rgebni§ ber
®rfenntnife ju begeid^nen l;aben. S)iefe ©rfenntni^ fann
im ,,2;ugenb^aften ", im ,,©efül^l=", b. 1^. SWitleibtooBen in-
tuitii), b. f). o^ne 5lbftractiün, ju ©tanbe fommen; aber
aud^ in fold^em .galle bleibt e^ im ganjen bod; ri^tig, bajs
eö ba^ Jlefultat feinet ©rfennen^ — gleid^toiel in toeld^er
gorm — fei, toa^ ben SDiafeftab für ben etl^if d;en SBertl^
be^ Sn^i^ibuum^ au^mad^e. 9Jiit toeiterm Slu^blidE aber
gewinnt berfelbe ©ebanfengang biefe gormulirung: bie
Sluffummirung be^ SBetoufetfein^ in ber ©efd^id^te unb i^rer
S^rabition fü^rt bem SBiUen^jiele immer mel^r entgegen:
feiner ©elbfterfenntnife, unb bie in il^r bor fid^ gel^enbe
intettectueHe „Sßeri)ollfommnung" ift bollpänbig au^reid^enb
für ba^ \üaf)x^Qxd be^SffiiHen^, ja, bon birect „etl;ifd^er
SBebeutung", wä^renb bem 2Bad^fen in „guten SBerfen",
Qntcrmesjo: 3Ketaj)]S)9fifc&e %\i^Uiät in bic legten Wxüm^totde. 341
bcr im engem Qinnt fogenannten ©ittlid^Ieit unb ben %oxU
fd^ritten in i^r, nur eine inbirecte jufdme. — Unter bie
^oflulatöbegrünbungen für bie Unfterblid^feit tüäre bem^:
mdf afferbing^ ba§ „SBad^fen in ber er!enntnife" mit auf=
june^men, unb e^ ate eine 33ef darauf ung ber 3)lad^t beS
äBitteng anguerfennen, bafe er fo feiten red^t begabte 3n-
bit)ibuen i^ertoorbringt unb biefc burd^ baS SSerleil^en einer
nur furjen SebenSbauer in ber Unfäl^igf eit beläfet, i^r 3iel
ju erreichen (momit a. a. D., ©. 608; 3. 2lufl., ©. 698 fg., ju
öergleid^en). SRun mufe er immer neuen Slnlauf nel^men, beffen
©elingen jmeifel^aft bleibt. ®er Xoh ift unb bleibt ba^
testimoüium paupertatis für ben SBBiUen, mögen toir biefen
nun aSBiffcn „jum S)afein" ober „jum S3ett)u|itfein" nennen;
benn toenn anä) nid^t bem ©ubject be« ©rfennenS — in
feiner abfiracten So^trennung — am ©rfennen „gelegen ift"
(a. a. D., ©. 503; 3. 2luf[., ©. 571), fo boc^ bem SBillen
felber bejlo mel^r. S)egl^alb emipfinbet biefer beim Sterben
aud^ einen ettoa^ grünblid^ern ©d^merj aU ioie jemanb, ber
blo^ einen beliebigen treuen Wiener berabf d^ieben mufe. §ätte
©d^oj)enl^auer erfal^rung^mäfeig bie @l^e beffer gefannt, er
ioürbe lüol lieber an^ biefer feine SBergleid^ung genom=
men l^aben; tod^ er bod^ felber in feiner „3Retai)^^p! ber
©efd^ied^t^Iiebe" i)on ber ^eftigfeit be^ ©rgänjungSbebürf-
niffe^ gu fagen, nad^ toeld^em ebm biefer beftimmte SBittc
mit biefem befümmten Qntettect ftd^ gatten loiff, unb nac^
feiner eigenen ©rblid^feit^tl^eorie ift im ©injelnen beffen
SBillc feinem Sntellect red^t eigentlid^ „angetraut" unb
„cüt)uUrt", fobafe, too SWann unb SBeib toirflid^ ,,juein5
anber ipaffen", fte fid^ genau jueinanber »erhalten, toie ber
SBiffc gu bem gerabe il^m conformen ^nteffect; unb toie
unter el^efid^en S^ift^« i^t>^t: 2^^eil um fo me^r leibet, je
ebler er ifi: fo emj)finbet ber ebelfte ß^arafter am fd^merg-
li^ften ben 3^iefi)alt jmifd^en feinem SBiffen unb SSillen
— unb ber toon ©d^o:|)enl^auer f^Jäter aufgegebene 2luö-
brud feiner 6rftling§manufcri))te: „baS beffere Setoufetfein"
für bie Queue ber ©elbfiberneinung tpirft nod^ immer m
342 S)ie 6omniuniott§)>co)>in5.
Sx6)t juräd auf bie S)tö^armonie ber Reiben ^^®efe|e'^ in
uttfcrm 3nnern. 3eber ©d^merg, fd^eiben gu muffen Don
bem, tüomit man fid^ „fftr^ Scben t)erbunben" *) , ifi öon
allm bcr grünblidjfie: ba^ Snnefein bcö ©träubenö gegen
ben ©ebanfen, auf ba§ mü^famft ©rrungene tefigniren ju
fotten. Unb aUe^ toa^ fo ax\^ ber X^atfai^e ber Xobe^^
furd^t fid^ bebuciren läfet, barf bie Sluerfennung V)on nid^t
ioeniger .§altbarfeit anf))red^en löie bie Segrünbung ber
Gt^if burd^ bie S^^atfac^e bc^ 3)litleib^, ate unmittelbaren
3lu^brudf^ be§ Tat twam asi; benn jene^ ifl einfad^ bie
Äel^rfeite tjfierju, unb änbert ebenfo toenig ctioa^ am m^i=
liftifc^en 6rebo. Xmn \va^ ber SBitte mittete be^ gangen
®rfenntni§a^)i)arat^ fennen lernt, Ift ja bod; nid^tö ate
fein eigene^ nid^tigej^ S^reiben, unb \m aud^ fein lefete^
3iel: ©rfennen, i^m ate ein enblo^ l;inauggerüdte^ öor^
fc^lüfbt , — fein gangem ®m unb 5C§un alf o nid^tig ift.
SBer mag'^ i^m ba üerbcnfen, bafe er fic^ f eiber „ate fid^
betou^tem 9?id^t§" nidjt in^ 3lngefi(^t fd^auen mag; ba^
er fid^ abivenbet \>on bem 9lnblid feiner felbft; bafe er fo^
gar ^tx^txnmnQm fud;t, um biefe 3?id^tigfeit lieber mit
ein Jjaar bunten Sa))i)en gu ijerJ^üUen, ate fo gang nadt
unb blo§ gu f el;en ; — ba| er gu feiner f ubftantieffen 3lid^=
tig!eit aud^ gern ba^ Jjl^änomenale SRid^t^ im 2^Dbe l^ingu-
fügt? 3m leeren Stxn^ l^erumgebrel^t fül^lt er ben Xot) afö
ba^ eingig SBal^re unb 2Bal^rl^afte (©^rlid^e), SÄeale unb
Sieelle an bief em ®auf elf^jiel ; unb bie Sl^nung f old^en ®r=
! *) ^gJ. gaufl, stoeitcr Zifdi:
i .... no(!^ ttiemonb fonnt' ed f äffen,
^ie ®eer unb ^tih fo f^ön jufammen^affen ,
®o feft ft(!^ J^altes aU nm nie ju fc^eiben,
Unb bo(i ben Sag ft(^ immerfort t)erleiben.
©obonn —
9Ret)§ifio|)^eIe9.
• ^alt ein! i(^ tooltte lieber fragen:
2Barum fid) ^ann nnb $rau fo fc^lec^t t^ertragenV
ü^n Tommfl, mein O^rennb, l^ierttier nie in9 Steine.
gortf. S)ie in 2tnfpru(j^ genommene Sonberftellung be§ ®enie§. 343
gebntffe^ mag \)tcle abl^altcn, bemf elften mit Harem 2)enfen
feft in^ Stuge ju bltdfen — ba^ ^offnungölofe be^ ©trebenö
lüirb nod^ lieber an fleinlid^ t^ergeblid^en SBemü^ungen er^
fal^ren, aU ba§ bie l^öd^fte Stnftrengung an ha^ in feinem
legten ©rgebnife ebenfo nid^tige gi^l beö ©rfennen^ gefe|t
merbe. Äurj, ber SBiffe gelangt fc^liefelid^ unb im beften
galle ju ber ©infic^t, bafe er meiften^ — in ber unorga^
nifd^en unb untermenfc^lii^en 3iatur au^nal^mglo^ — im
bloßen SKngen um^ aJlittel t^er^arrt, unb jule^t aud^ ber
3n)edE felber nid^t mel^r tuertl^ n)ar ate bie SDWttel — f)iiä)^
jlenö ein nid^t ganj f o mfi^felige^ ©^)iel toie „ ©rl^alten be§
eigenen 3;nbit)ibuum^ unb ber SBrut". — Qf^be anbere 2^eleo-
logie be^ 2^obe^ — jur Seilte unb „ßrfrifd^ung" be^ SBiUeni^
— a. a. D., ©• 505; 3. 3tufl., ©. 572 —bleibt eine l^rifc^e
^^antafie — unb entftammt bem SBemül^en ©c^oipenl^auer'ö,
ber Gonfequenj au^juh^eid^en, ba§ in ben SSßillen felber bie
D^nmad^t ijerlegt n)erbe. ®em gegenüber möge man biefe
3lbfd^lt)eifung ate eine metai)^^fifd^e 5ß^antafie, aU eine
SSariation über ein ©d^oi)enl(iauer*fd^e^ S^^ema anfeilen.
5* t^ortfe^ung. Sie in ^nffirud^ genommene Sonbet^
ftedimg bts ®mt8.
2Bir feieren iiim näl^ern ©egenftanbe biefei^ Slbfd^nitt^
unb be§ i)orle^ten ^apiUU jurüdt, um in^befonbere nod^ bie
grage ju erörtern, ob nid^t an^ ber Stellung be^ SBal^r^
l^eit^brange^ ju ben übrigen etl^ifd^en tcoc^t) .in ber 2^l^at
fic^ ettua^ ergibt, \va^ für ba^ ®enie einen ejceiptionellen
©erid^t^flanb, ein eigene^ moralifd^e.^ SJribunal befonbern
gorum^ gu etn)aj3 meljr al^ bem Slnfprud^ ber Stürmer
unb ©ränger auf 5ßrit)ilegien ber 6a))rice mad^t. ®ie
fonft nid^t gerabe an genialen ®Etra\)agangen laborirenbe
beutf^e ^polijeiorbnung l^at bem Seben^alter, toeld^e^
©d^ot)en^auer ba^ geniale nennt, eine fogenannte afabe^
mifd^e greil^eit einjurfiumen für nötl^ig befunben, m bie
344 Sie Sommuuion3))rot>ini.
Sugenb i)räfunürbarertt)eife fid^ mit einem nid^t ganj or-
binären Qntellect jufammenfinbet. ®ern tüollen toix barin
bie aRanifeftation jeneiS naitoen SBoIfeinftinct^ betounbem,
toelc^cr felbft ba nod^ jutoeUen burd^brid^t, too bem SSoIIe
mögüdE^ft entfrembete 5perrüfenl^äitpter mit ber gormulirung
beffen, toa^ 3led^t, u^p. SSorred^t fein foff, betraut tt)er=
ben; toir moEen nidE^t unterfu^en, tuietoeit aud^ biefer 3«=
ftinct fi(^ aU ein trüglid^er erliefen — toir Motten einfad^
bie 2;i^atfad^e conftatiren, bafe je „ i)l^iUftröf er " *) ba^
Bürgerlid^e Seben fid^ geftaltet, befto energifd^er allemal
bie SReaction toon feiten berer auftritt, tweldje bie tl^eore^
tifc^e Seite bej^ Seben^ ^öl^er ftetten aU bie j)raftifd^e.
3n geiüiffem ©inne ift ja aud^ toirflid^ ba^ SReic^ be^ rei-
nen aSiffen^ //nid^t t)on biefer SBelt", bie, in Slotl^ unb
©orgen einfd^nürenb, bem Sterblid^en n)enig Äraft unb
3Kufee i)ergönnt für. fo „ un})raltif ^e-^ " Seginnem So
fd^eint mit einer Slrt t^on Jlot^toenbigfeit iu^befonbere ein
leidster Binn in finanjieEer SBebrängnife ju ben faft uner=
lafeU^en 3lequifiten einer genialen 5Watur ju gel^ören —
unb n)ie männiglid; befannt Jjftegt unbefonnene^S ©d^ulbeu-
madjen ba;3 ®rfte ju fein, toomit @d^auf^)ieler unb anbere
„^ünftler" i^ren 5Cribut i)on ber ^a\)l ber „gröl^nbner"
glauben einjie^en ju muffen, bamit man an i^rer „©en=
bung" nidjt jtoeifte. Sag §egel ni^t ber einjige 5ß^iIo=
^opf) getoefen, ber nad^ bem S^^iS^ife bon Siofenfranj in
feinem „Seben ^^egel'^" feine ^au^J^altungöbüd^er ftet^ in
Drbnung ge(;abt, ift babei ju ignoriren bequemer; gerabc
fo tt)ie man nid;t gern an ©c^itter';^ SBort erinnert toirb:
„ba^ @mk^ ba^ ifl bergleife"; benn fol^ ein geilen unb
Umgeftalten ber gorm, fold^ ein „auf bie ©olbtoage legen"
jebe^ einzelnen Slu^brud^, tüie e^ größte ©enien nöt^ig
gefunben l;aben, barf man ben genialen ©intag^fliegen
*) 2)a8 SBort ganj im (Sinuc ^dfopzn^autx^^ genommen —
na^ ber 2)efinitiott ^arerga, 1. S(uf(., I, 326, öerglici^en mit ©tctten
toie ®ic2Bctt de SBiffe mib ^Borpettung, 2. $lufr., 1,577 fg.; 11,396;
3, %n\i., I, 611 ; II, 452.
Sottf. S)ie in 3(nfpru(^ genommene SonberfteÜung be§ ®ente3« 345
bod^ nid^t gumut|icn, ober gar emj^f eitlen — ioo bliebe
innert bann bie3rft, aud^ nur eim einjige 3^1^ ju ©tanbe
ju bringen? ©ie Vertrauen lieber ber SBal^rfd^einlid^feit,
bafe in ben Äö))fen be^S ^^Jublifum^ nod^ ba^ 3Rärd^en \>o\\
einer licentia poetica f^)ufe, unb toagen barauf f)in jebe
3!ncorrect^eit, feitbem ©d;iller beren Slbtoefen^eit für ein
i)erbäd^tige^ Qü6)m erflärt i^at.*) 2Bir armen 2llltag§-
menfd^en l^aben freilid^, n^enn h^ir in einem eleganten ©til
einen ®rammatifalfd^ni|er entbeden, ganj benfelben &n=
brud, toie \omn man an einer iprftc^tig au^ge))u|ten SSaH-
bame ein Sod^ im ©trumj)f bemerft; aber bem „Oenie"
toirb ^alt ein;5 toie ba§ anbere nad^gefel^en. 3lur ber
nüd^terne ^ottänber mad^t feine Umftänbe, fonbem fertigt
alle Sieberlid^feiten feiner 9Raler — h^ie ^an ®teen*ö — mit
bem ©jjrid^toort ab: ,^e grooter ©eeft — je grooter Seeft",
tt)iber beffen 3?erbeutfd^ung : ,,3e größer ©enie, je ärgeres
SBie^" toenigftenS ber flammtoertoanbte Dfifriefe g. 6.
©d^loffer nid^ts toürbe einjumenben gel^abt ^aben.
®S läfet fid^ jener 2lnfi)rud^ auf me ejemtion^juri^s
bictiou alf nur tinbiciren auf ©runblage einer ^ßarticular^
et^ü, nad^ toeld^er bie SSal^rl^eit unbebingt über bem 3Wit=
leib ftänbe.
®^ ift mir be^l^alb, nad^bem id^ längfl auf eigenem
aSege biefer t^^age nad^gegangen n^ar, befonberS intereffant
getoefen, ju fe^en, toie aud^ l^ierüber ©(^o:|)enl^auer eine
efoterifc^e 3Dleinung gehabt l^at, beren SSeröffentlid^ung er
erft nad^ feinem 2^obe geftatten sollte: bie 3Kittl^eilungen,
tt)eld^e grauenftäbt in ben bi^l^er erfd^ienenen beiben ©amms
*) 2)a6 ®6)opzni)aütx in fpätcrn Salären Sagb mad^lc auf alle
0))uren etne9 li3erfalld ber ^^xaäft unb in gal^Uofen ^axiationen fei«
nen 3^^^ barüber ergog, mirb auäf für eine berjemgett ^eugerungen
feiner 3nbtt)tbuantät gelten muffen, n^eld^e neben einer fiarl fnb«
jectiüen Beigabe ein bem X^pvL9 ^efentlici^ed entljialten. !2)id^ter
unb 2)enler n^ollen am n^enigfien il^r Tlattmi unb ißt^iUl flti^ ber«
l^ungen laffen; ed ftnben r<^ i^ ^^^ t)on ^oetl^e ^ufjeit^nungen ganj
ä^nlid^er %xt.
346 2)ie (Eontmunion^^ro^inj.
lungm an^ bc^ aReifler^ 3laä)la^ gegeben, fommen toieber-
f)t>lt auf bicfen ^unft ju f))re^en. 2Scr ober ©d^o^en=
^aucr einigermaßen fennt, toirb mit mir fiberjeugt fein,
bafe niemals bie blofee ©c^eu, beim ^ßublif um Slnfiofe gu
erregen, ii^n i)enno(i^t l^at, irgenbeinen ©a| ungebrudt gu
laffen: toaö er jurüdlegte, ttjollte er enttoeber nod) längerer
Prüfung i)orbel^alten, ober im Slu^brudf nod^ forgfamer
feftftellen, unb tva^ er nid^t ber SBelt jum befien gab,
l^atte für il^n nur ben SBertl^ einer anfed^tbaren 5ßribat-
meinung. kmi) infofern l^aben feine ©ebanfen- Samm-
lungen junäd^ft ben ß^arafter eine^ ^)l^ilofo:|)l^if(i^en 2;age=
bud^g — finb ©elbftgefiprädE^e, an ioeld^e toir nid^t ben=
felben aUafeftab legen bürfen, loie an ba^, toa^ auf fein
eigen ©el^eiß an^ i?ic^t getreten ift. Unb n:)a^ er in feinen
leiten Seben^tagen ju feinem greunbe fagte, „er l^abe
jum menigften dn reinem inteUectuelle^ ©emiffen" *), ba§
werben toir aud^ l^ierauf an^t)enben bilrfen. ®r tüar biel
ju gelüiffenl^aft, um ber SBelt i)rei^jugeben, tt>a^ if)m
felber nod; irgenbluie än)eifell^aft war — imb mod^te er
„sie sauTov" bie ©elbftanf lagen wegen pttlid^er SBer-
irrungen burd^ bie S^^eorie t)on einer über bie geh)öl^n=
lid^e SKoral l^inau^liegenben 3lufgabe be^ Oenie^ ju be=
f^lüid^tigen fudjen, fo benjeift un^ beren iRid;tt)eröffent^
li^ung ebm nur, ba§ er ftreng genug gegen fid; felber
rtjar, um fid^ aud^ ba^ ne clixeris quod dubitas jur 3*id^t=
fd^nur ju nehmen. ®ennod; bel^alten biefe ©elbftbefennt::
niffe für nn^ ben SBertl^ eine§ toiffenfd^aftlid^en 9Jlateriafö,
fofem fie jeigen, tvk im eigenen Äojjfe be§ Url^eber^ nn-
ferer SJJletapl^^fif ©rtoägungen unb donfequenjen Betritt
fanben, toeld^e fid^ nai^e genug mit ben ^^:|)Ot^efen unfern
vorigen StapiUU berül^ren.
*) ;®tt)inner, Slrtl^ur ^dfoptn^antx au« Jjcrföttltd^em Umgang
bargcflefft (8cipai9 1862), @. 224.
®efaf)ten cinfeltig intcHectueüer Sluäbtlbung. 347
6. ytaüftfftUt htx einfeitig inteOectueOen ^usBtlbitng für
ben dtfaxalttx aU ju emerknben*
aSie toenn i^m ba^ SBort „©idcftif" burd^ §cgcl
obiö^ gcn)orbcn, ))flegt ©d^oi)enl^auer baffelbc pi t)etmeiben
unb fjjri^t lieber öon einer fte^enben „Dj)))ofition§t)artei"
in feinem Äoijjfe, unb ber ßrbe unb Herausgeber feines
Slac^laffeS t^uf S i^m nad^ unb erjdl^It bloS („Slrt^ur ©d^os
i)enl^auer 3Son il^m. Ueber il^n", @. 426 fg.) üon bem „®e=
liberatiüen" in feinem ©eifte. UnS binbet fold^e Slildtfic^t
nid^t, unb fo nenneft tt)ir eS getrofi eine bialeftifd^e Sintis
t^efiS, jufolge tDeld^er aud^ baS 5Ber^ftltni§ ber intetteo
tuetten jur moralifd^en SluSbitbung feine Äel^rfeite f)at,
unb bem ©a^e : Selüufetf ein ifl Ie|ter aSittenSjtoed — ber
anbere gegenäbertritt: ber fd^limmfte geinb fittlid^er ©elbft^
ergie^ung ift einfeitig intettectueHe 2luSbilbung.
3)eitn, ganj abgefel;en i)on,bem urft)rünglid[;en Orabe
ber inteHectuellen Begabung, bie auSfd^IiefeUd; t^eoretifd^e
Sefd^äftigung bringt nod^ eine anbere fittlid^e ©efal^r afö
bie für baS ®enie aufgemiefene mit fid^: pe lä^t ben ©l^a-
raf ter ungeübt. ®er blofee ^ei§ im Semen mag immer^
l^in für ben ©d^üler als ©d^üler eine ßarbinaltugenb
I;ei^en, toer'S aber feine Sebtage nid;t toeiter bringt, bleibt
chtn ani) fein Seben lang fittlid^ unreif, „fd^ülerbaft";
unb tomn nid^t bem Seigrer baS ©d^ulleben felber ein
©orrectit) böte, baS i^n jtt)ingt, ju anbern 3nbit)ibuen
eine ©teHung einjunel;mert, fo toürben bie SSelege für bie^
fen ©afe nod) fläglid;er ausfallen gerabe bd ben irgenb^
toie ^)l^ilologif d^ Sef d^äftigten ; benn meiftenS beftimmte bief e
bei ber aßa^l il^reS ©tubiumS „bie füfee ©etoo^n^eit bes
©afeinS" in ber ©d^ule, bie bequeme ©elbftloftgfeit, mit
tüdijex ber Sernenbe fid^ ^)affit) i^er^alten fann ju bem i^m
bargebotenen ©toffe, möge biefcr nun mittels ber vox viva
ober in ©ejlalt t)ergilbter ßobiceS unb ?ßalimit)fejle il^m
nol^e gebrad^t »erben. S)em ft)iberfprid^t aud^ nic^t bie
348 2)ie (Eommunioit3))to)}in|.
SBibcrl^aariglcit, tocld^e man t)ielcn aRitglicbern biefer
3unft nad^fagt; benn nur totx SSelt unb SRenfd^cn nid^t
fcnnt, fieift fid^ felftftgefällig unb eigcnfinnig auf feine bot^
nirte 3nbit)ibualität. ®ar nid^t feiten finb in unfern Xa^
gen med^anifirter ©c^ulbreffur jene 2cnU, bie innerl^alb
einer geftedtten grift ben 3Dlagen i^reg ®eijle^ „pd^ öoll-
f dalagen" (toie ba^ Solf wm gebanlenlofen ^x^^tx fid^
au0brädEt) mit bem ©toff, toelc^en fte für irgenbeinen
3tt)edt — meiften^ für ein d^inefifd^e^ 3RanbarineneEamen —
gerabe ,,braud^en", unb bie bann — fei e§ infolge dunerer
Umflänbe, fei eg t)ermöge ber ©c^toäd^e il^rer intellectuellen
aSerbauung^Iraft — in^ ©todEen geraH^en an bem ^ßunfte
i^rer Silbung, ft>o bie Steife eintreten, b. f). baiS abftract
©rlcrnte in ein anfdbaulid^, nid^t blo§ begriffttd^, SSerfiam
beneg fid^ umfefeen foHte — unb fo üiel fie nun aud^
fj)dter auf bemfelben med^anifd^en SBege nod^ julerncn
mögen: alle^ bemeffen fie in i^rer Urt^eitölofigfeit nad^
ben paax Gegriffen, toeld^p i^nen öon irgenbeiner 3luto=
rität jugeflöffen finb. Ueber baS a)ivo<; 29a bringen fie
e§ nie i^inauS, unb fie ipebantifd^e 5princi))ienreiter gu
nennen, ^ie§e i^nen nod^ ju t)iel 6^re antl^un, tt)eil aud^
tt)a^ fie für i^re „®runbfd|e" ausgeben, nur entlei^nte
üReifierf))rüd^e finb. ©igcnfinn, SRed^tl^aberei unb bomirte
SÄoutine muffen bei i^nen geitleben^ ben ß^arafter er=
fe|en — unb nid^t anber^ toie im ^ßraltifd^en üer^alten
fie fid^ in il^rer 2;^eorie unb Äritif. @o ^aben fie g. 95.
einmal babon fj)red^en i^ören, bafe im 2)eutfd^en bie 5par=
tici^)iaIconftructionen leidet fd^le^j^jenb toürben — unb öiel^
leidet ^ielt i^r eigener Seigrer e§ für nöt^iig, i^nen beren
©ebraud^ fategorifd^ al3 unjuläflig ju unterfagen. S)ag
bleibt benn für fie eine unberbrüd^lic^e Siegel, möglid^er-
iDcife ber eingige 5ßaragra:j)l^ il^rer ©tiliftif (fie mußten ja
getoö^nlid^ au^ bem Ueberfefeung^beutfd^ fid^ heraus-
arbeiten) unb nun l^aben fie aufeer biefem armfeligen Äri=
terium feinen tt>eitern Äanon für bie SSeurtl^eilung frember
©iction, mdl^renb i^re eigene ,,elocutio" ein ungenießbare^
©efa^ren cinfeitig intcttectueHer Slu^bitbutig. 349
©eban!en^ä(JfeI ift imb auf bem ©tanbi^unft finbifd^er
©tillofigfeit öcr^arrt.
©^ ift alfo feinc0tt)eg§ aEein bie Q\xtf)at ffeiptifdjcr
Sleflepon , toeld^e fid^ leidet bei bem bloßen Si^l^eoretifcr
einftettt, toorau^ ate auö einem jerfe^enben germent jene
Sä^müng ju erflären ift; benn ein tomiQ SftefleEion, b. 1^.
©elbftbefinnung, ftärft anbererfeit§ and) iDieber bie Äraft
jur ©elbftüberlüinbung, n)ä^renb ba§ blo^ :|)affit)e Sernen
fid^ nid^t über ben ©tanb:|)unft be^ ©goi^muS erl^ebt.
Slufeerbem jjebod^ ift ju berüdfid^tigen, bafe öon ber
©efammtfumme ber inbibibueUen Äraft in jjeber intettec?
tueßen 2lnftrengung ein 2!]^eil ber ipraftifd^en SBiffeng:^
bet^ätigung entzogen tt)irb; ein Slntagoni^mu^, bontüeU
d^em e§ ja gar i)erfd^iebenartige 6rfd^einung§lt)eifen gibt,
e^ toirb j. SB. in SBa^nfinnigen nid^t nur bie Srritabiütät
erl^öl^t , f onbern aud^ bie ipräfumtiöe Seben^bauer beträd^t=
lid} V)erlängert: alfo fd;eint and) i)kt tvk in frül^er be^
fprod^enen ©rfd^eiuungen bie organifd^e Seben^fraftein^eit
(ber SBitte im n)eitern Qinm) — nad^ einem ber garben-
tI;eorie ©d^oipen^auer'^ entlehnten 3lu§brude — eine ,,qna^
litatit^e 2^l^eilung" il^rer 5C^ätig!eit V)orjunel^men — unb
n)ie jtoifd^en ben 6om))lementärfarben ift aud^ t;ier ein
polaxn Slntagoni^mu^ ba^ StefuÜat: töa^ babei bem
(Sel^irn entjogen tüirb , lommt ber 3Ku^feIfraft unb 3icpxo^
buction jugute — tt)ie nmgelel^rt biefe beiben bei lieber-
anftrengung ber ©enfibilitftt Slbbrud^ erleiben. 5p^^fifd;e
Wie ^)f^d^ifd)e (moralifd^e unb intettectueEe) (Sefunbl;eit be-
fielen nur bei einem getüiffen ©leid^genjid^t jUJifdjen biefen
gactoren, tuennglei^ aud^ f)ier ein tueiter ©^^ielraum
bleibt , innerhalb beffen feine eigentlidE»e Äranf ^eit auftritt,
fo grofe aud^ ba§ Uebergeit)id}t be^ einen ober anbern
?5ungiren^ fein mag. ©elbft auf ba^ un§ nod^ ertoartenbe
Problem be0 ©igenfinn^ voirft bie^ fojufagen umgefel^rte
SSer^ftltnife jtüifc^en ^o^f unb ^erj, Snteffect unb SBiffe
ein Sid^t ^orau^: an fid^ d^arafterfd&U)ad)e Sttbit)ibuen
^)fl[egen, it)o intettectueHe äornirt^eit ceteris paribiis bem
350 Sie (Eomtnumond))roi»in).
SBittm föaufagen einen Ueberf^u^ jur SSerfügung fiettt,
fid^ eigenfinniger ju geberben, aU an^ bemf elften 2;eig
©ebadene, bei benen aber ba^ mütterlii^e ®rbe eine^ glän-
jenbem Sntellectö freiere ©ntfaltung fanb. 3Han benic
nur an gtt)ei fürfllid^e Srüber, öon benen ber filtere ba^
traurige ®ä)au^pid bot, bie ß^aralterfd^toad^e beö SJater^
ju ^)er:|>etutren in einem ©d^toanfen, ba<§ feinet ©taatö
5ßölitif unb jule|t il^n felber jerrüttete, trö| einer na^e
an ®enie jlreifenben geiftigen Unit)erfalität unb Sßerfatilität,
tofi^renb ber jüngere in feiner fiarrfinnigen ©nfeitigfeit
wenigften^ nid^t tim fo grell bi^l^armonifd^e ^ßerfönlic^feit
barfteHte.
7. 2)ie 9iifmer!famfeit ali iai beutlid^fte B^ifi^ettgebirt
Hon Spille itnb 3fnte0ect.
Offne mm SBorgang, in toelc^em ber SBitte fid^ in
Snteffect unb ber 3ntellect in SBiUe rein umgefe|t ju l;aben
fd^eint, bleibt jeberStct ber Slufmerffamfeit ein fd^Ied^t-
^in unerflfirlid^e^ 3tät^fel, ein an^ attem Si^f^^^^w^nl^ang
mit fonftiger SBiotibation lo^gelöfie^ gactum. SBie in^be^
fonbere auc^ ba^ äfi^ctifd^e Dbject irgenbft)ie aU aWotit)
— unb jtoar jur Eingebung ari feine gefammelte SBetradb-
tung — toirfen mu^, fam ebenfalls bereite jur ©i)rad^e. *)
*) (^äfoptnf^antx fe(6er ^ptiäft tDteberl^oIt (aud^ an Steffen ht9
^a6fiaf\t9) babon, toix mügteu und t)or ein ^unfltDerf ßeHen unb ah*
toaxtm, ,ttoa9 cö un« gu fagcn l^abc" — unb tocrfcnnt nid^t, ba^ bie
toerfd^iebcncn Äün|!e einen toerfd^iebcnen @rab Tcbenbiger Sestejung
gum SBttten l^ättcn. SBie fci^ftcr ijm fclbet ba« Problem erfd^ienen,
betDeift feine SCb^anblung Uebei ha9 3ntere[fante, unb ha^ er biefetbe
gurü(fgeiegt , bücfte atd tin 3<ugntg bafiir ftd^ anf|>red^en laffen , n>ie
i^m felbei' bie bartn erretd^ite ülöfung nid^t genügt l^abe. ©ang ab<
gefeiten ba))on, bag bartn burci^gel^enbd mit einer fieTaßaa«; zU aXXo
Y^vo«; bie „^l^eitnal^me an einem gelben'' ber ,,(S^annung" auf ben
Sortgang ber ^egebenl^eiten gletd^gefe^t tt)trb: e9 tk^t ftd^ \a ein (S^a*
2)ie 3lufmet!fam!eit. 351
3?ur m im flrengjlm ©innc bobenlofcr ©uali^mu^ !ann
bie SlufHärung btefe^ 5probIcm3 in ebcnfo unbercd^tigter
\t>k blo^ fd^einbarcr 3Beife [id^ ju etleid^tern V)erfuci^en. *) —
ra!ter in feinem Sefen gat nid^t erfennen o^ne ^Mfxd^t auf bie @i<
tuation, ha ja jebe äf^otiüation a\9 fold^e felber unter bem ®efe^ bed
©runbe« unb ber golge fle^t, aJfo bie „Sbee" eine« ^eftegten unb
ü!ebenbigen über^au^t nid^t o^ne bie ^etlj^eiligung be« @at^e« bom
®runbe pd^ erfaffen Ifißt. Snfofern ifl eg ein naitoeö (gintenlen, njemi
{(^Ueglid^ angegeben tcixh: bad ©entiltl^, b. 1^. eben ber SBille, b. ^.
baö tt>aö Sntereffe nimmt, n>ürbe crmüben, toenn e8 nid^t an*
(jercgt irürbe — eben gur „Slufmerffamleit".
*) 3)ie Un^altbarfeit be8 @^trem3 , in toeld^em ©d^o^cnl^auer bie
„Sfein^eit" be« ^uBjectö U\)aupitt, ergibt fid^ fd^on barauö, ha^
banad^ bie ^l^anomene ber 9{fi(rung unb bed SD^itleibd, atfo indbefon«
bere ^^ränen, bei einem äfil^etifd^en ^etrac^ten unflatt^aft n>ären^
toenn ber SBiUe gängnd() aud bem ^en^ugtfein fd^mänbe; eine fotc^e
Äälte ber Stuffaffung ttjürbe aber aud^ bem ©enuffc be« <Sd^önen alle«
©tüdä^ntic^e benel^men. @o fie^t ftc^ benn aud^ ©d^o^en^auer felber
genöt^igt, bei geftflettung be« begriff« „erl^aben" bem 555itten ftieber
ein $inter^)förtd^en ju öffnen. (58 ifl atfo nur (gj^anfton, nid^t (Slu
mination be« eigenen £etb|l, ttjaö in ber äjll^etifd^en ©etrad^tung«*
tüeife toor ftd^ ge^t, unb felbfl bie greube am einfad^ @c^önen berul^t
auf fold^em ^omogeneität«* ober 3bcntität«bett>u6tfein be« Tat twam
asi: ba6 Sirfüd^e ifl nur M ba« je^t, momentan unb actuell, un«
unb unfer „3ntcreffe" Slfficirenbc au« bem ©etoufitfeln entfernt. @«
ifl fojufagen ein intentionett, virtualiter toirfenbc« Sntercffe, — ein
Sntereffe in ber 5lttgemein^eit ber ^Ibflraction; nur augenblidEIid^
brängenbe ^totdt finb nic^t babei fühlbar — aber bie gange Sten*
beug unfer« (S^aratter« a(« eine« menfc^üd^en ifl nid^t babei aufge«*
gebetf: e« bleibt nid(it nur, fonbern e« tritt in ben ^orbergrunb ba«
^onfoItbarität«ben)ugtfein be« nil humani a me alienum puto. 3e
h?eiter (— um ben angefod^tcnen Som^saratiö : „allgemeiner'' gu öer*
meiben — ) nun bie« 3ntereffc ijl, befio reiner tft atterbing« bie äftl^e»
tifd^e Sluffaffung. Mein e« i|i ni^t (Srl^öbung ber „5Bir!ung", toeld^e
ber ^ünftter al« ^^ünfilei crflrcbt unb au«übt, luenn ^om (S^eniegenben
blo« ein mügige« ^pkhn unb @(^U}etgen ber ^^antafte gefud^t n)irb.
2)ie 9?omanti!er mit i^rem „^f;antafu«" unb nad^ SJ^ögtid^fett geit«
lofen ^robuctionen Joürben fonft bie einigen X^ptn ber 3been in
i^rer größten 9iein^eit geliefert Ifiaben; bag fie bennod!^ fd^on ber je^i*
gen Generation fo gut n)ie ungenießbar borfommen , flem^elt fie fennt»
lid^ genug gn SBerivruugen eine« ba« Ännfl^rinci^ bbttig an«leerenben
352 3)ie 6ommunton^))ro))ins.
©0 ttjeit ber SBirtfamleit eines j[eben anbem 9Rotit)8 3?otl^=
toenbigfeit jufommt, vm^ fold^e aud) ffitt bcffanpUt Ser-
ben: baS geniale Snbiöibuum fann gar nid^t anber§, eS
mufe fid^ in bie 6ontem^)lation ber „Qbeen" öerfenfen, bx^
ein ftärfer toirfenbeS 3Rotib ober itgenbein Sleij eS baüon
lieber ablenft, ober bis bie Äraft ermübet; unb info=
toeit ift benn aUerbingS bie fiftl^etifd^c SKuffaffung ber
grunblofen SBilßör, bem abfohlten Selieben entl^oben —
fo gut toie jebe anbere ^anblung, benn, toie öfter jd^on
gefagt: bie Sefd^affenl^eit beS QntettectS ift, ioenn biefer
für ein 5probuct beS SBiffenS gilt, ein integrirenber 2^^eil
beS ei^arafterS, beS SBoHenS in feiner :|)l^änonienolo-
gifd^en Gjiftenj felber. SBer feine anläge für äft^etifc^e
3citgef(^macf3. 2Wag fein , baß bie ^Cepi^ettl ^egefö unb feiner @ci^ü*
ler ©ci^o^en^aucr'n ba8 einfcitige betonen be« fittlid^en (Schalt« einer
3)id^tnng verleibet ^>at — iebcnfatt« mußte er mit feiner O^^jofttion
ind ©ebränge fommen bem ^rama gegenüber, tt^eld^em ftd^ nid^t fo
leidet toic bem SRoman ba9 f:|)ccififd^ 2:ragifd^e fem l^alten lägt; —
unb fein SBunfd^, baö ®efen ber ^ragöbic mit einer afcetifd^*^cf^
ftmif^ifd^en S^enben^ in ^Serbtnbung gu bringen , mußte biefc $erlegen=^
l^eit hx9 ju einem 5Btberf^)ru(^ fteigern; abgefel^en bai)onr boß eö fein
9teagen8 Don fici^crer S[Bir!fam!ett filr SinBUd in bie ,,3bee" eine«
SittentDefend gibt, a\9 eben ben ^robirflein be9 lOeiben^. lieber«
bieg ifi i9, tok ftd^ M bad ^raftifd^e korrekt gu allem $^antaf)tf(^en
— toa9 jenem romantifc^en ©efd^macf bie jufagenbflc S^a^rung ijt —
bie ^rojcctenmad^erei unb 2lbcnteuerlirf;fcit ju erfennen gibt, fo andf
ein ^jöd^fl bebcnüid^eö 3«<^f" ß^ bie äfll^etifc^e @m^föngli(^feit, toenn
fold^e 2)ingc — hjogu namentltd^ bie Literatur ber 9?itter*« unb 9?ä«T6er*
gefd^id^ten gebort — mit Vorliebe aufgefud^t h>crben; benn toenn bo*
hti einmal ©dritter unb haß iOeibbibiiotbe!cn:|>ub(i!um fld^ begegnen,
fo genügt eine (Srinncrung an baö duo si idem faciunt, non est
idem — unb aliter pueri, aliter Grotius Terentium legunt, um
beibe« in bem ©ebanfen gu öerfbbncn; obiectit>e, »on unmittelbar
^roftifd^er Slutoenbung abfebcnbe SBelt* unb 3)lenfd^enlenntniß ift ber
3toc(f be« ^unfigcnießeuben »ie eines jieben, ber ^bi^^^f'^^^^c ^^^^
fonfl eine X\)toxxt um ibrcr fetbfl totttcn betreibt, fobaß aud^ in bie*
fem @innc @d^o:|)enbauer rec^t U\}Hit: ber ftabrc ^^ilofo^b niüffe
ztxi>a9 bom Äünfller, ba« ttjabrc @^flem ettt>a« Dom Ännfitücrf in
ftd^ b^^ben.
3)te 5luftnerffam!eit. 353
?ßerce^)tion befi|t, ttjirb ebenfo toenig jum „ intereffelo fen
SCnfcl^auen", toie bcr bo^l^afte 6^ara!ter inm ebelmutl^
gelangen; unb tDO ber SBiKe unmittelbare, b. 1^. auf ®r=
Haltung unb ^örberung be§ eigenen Snbit^ibuum^ gerid^tete,
ainfiprüd^e ergebt unb bajtoifd^en tt)irft, ba toirb e^ fo gut
mit bem ftft^etifd^en SBetta^ten unb ber genialen ßonce^j^
tion, toie mit jeber anbem Slrt t)on Slufmerffamfeit vorbei
fein — benn ber gatt, toeld^en i)or einigen ;3al^ren bie
Seitungen erjft^lten, ba§ ein ©elei^rter in einer SBibliotl^ef
t)erl^ungert angetroffen fei, ift lüenigften^ fo lange feine t)oII-
gültige ©egeninfianj, ate nid^t bie SJermutl^ung toiberlegt
ift, e^ l^abe berfelbe ju imen Staturen gel^ört, bie niemals
infünctiö jum ®ffen mal^nenben junger emipfunben unb
nur burd^ ben ©lodenfd^lag baran erinnert loerben, 3laf}'
rung ju fid^ ju nel^men ; — bann aber gel^ört er ber 5pa=
tl^ologie an — unb bafe ©ofrate^ tage= unb näd^telang
l^infiarrenb foH öerl^arrt l^aben, fann nur ate 33eif^)iel eine§
feltenen ©rabe^ öon Slu^bauer angefül^rt toerben.
Slber aud^ ba§ t)ornel^mfte xa^ot; <p')X6(yo9ov — fei e^
auf f^)eculatii)e ober äftl^etifd^e ®rfenntnife gerid^tet — ift
ber atterorbinärflen Slufmerffamfeit toefenötjernjanbt; unb
biefe tl^eilt mit bem abelid^en a3ruber felbfi beffen fü^efteö
^Privilegium: gum ©elbfit^ergeffen ju berl^elfen. @§ fommt
gar nid^t barauf an, toa^ ba^ für ein Dbj[ect fei, bem e^
gelingt, bie Unraft ber ©eban!enflud^t ju l^emmen: man
fielet j[a fd^on ba^ fogenannte 5patiencefi)iel unb eine nid^t
aufgel^enbe aWonat^red^nung in biefer SBejie^ung ganj bie^
felben ©ienfie leiften, n)ie Äunft unb ^ßl^ilofoit^i^ie, ioeld^
lefetere befanntlid^ Gicero gern ju fold^em 5trofi' unb Se*
fd^n)id^tigunggmittel l^erabfe|te, ol^ne fid^ f eiber bamit über
biejienigen ju erl^eben, bie nad^ ganj berfelben ^ßf^d^o-
logie i^rem S^abadf^faften bie finnige Sluffd^rift gaben:
Dulce lenimen laborum.
6^ berul^t ^im auf biefer „6om:|)enfation" ber jjf^s
d^ifc^en Functionen aud^ ba^ SBerul^igenbe atter ©elbft^
objectii^irung, toa^ ©oetl^e fo oft antoenbete, unb nid^t
354 3!)ie SommumonSprot)inj*
minber, h>ag B^opmf^anex (bgl Sinbner unb grauenfiäbt,
„Slrtl^ur ©d^o^jenl^auer. SSon il^m. Ueber il^n", ©. 284), ben
eigentl^ümlic^m „Äntff" feinet (Sente^ nannte: bie %&f}iQ-
feit, ba^ aUerertegtefte ^l^len fic^ tnnerlid^ mittefe intet
lectuetter aSergegenftänblid^ung it)ie mit einer S)oud^e |)Iß|i
lic^ abjufül^len: ju beibem ift bie ^Jftl^igfeit abl^ängig bon
einem angeborenen Uebertoiegen ber Suft an inteßectualer
2:i^Ätig!eit, bie in ber ,,5leflejion", auf fid^ f eiber fid^
jurütoenbet, um fid^ f eiber „©egenftanb" ^u toerben»*)
Slbftracte^ ^mtm unb äftl^etifd^e SBetrad^tung fd^einen in
biefer §infid^t fid^ nur bur^ ben ®rab ber ©d^toierigfeit
be^ „Slufmerfeng", b. f). ber bamit berbunbenen Slnjlreiv:
gung, ju unterf Reiben. 3!e mäd^tiger ein 3Rotito toirft,
befto weniger lüirb ber aBiffe feiner eigenen, f|)ontanen
Xl^ätigfeit inne, befto näl^er liegt ba^ ex^P-ai bem exo ■—
fo ift'^ im ^praftifc^en, fo im 2;i^eoretifd^en — in beibeu
%&Um bie tooHenbete Eingebung be^ ©ubject^ an ein £)b^
j|ectit)e§. ©onfl mfire e^, aU ftünbe ber SBitte l^inter ber
StufmerffamJeit aU m rein Snbifferente^ — aU tt>äre er
nid^t aud^ l^ierbei ba^ wnt SWotib ©ejogene. Unb ol^ne
uns l^ier auf bie fd^toierige ^^^^age nad^ ber Orenjiinie
jiüifd^en ^bee unb äCnfd^auungSbilb (,,5pi^antaSma") aU
©runblage beS abfiracten Segrip einjulaffen, fönnen toir
bod^ baran erinnern, bafe, je abftracter bie Segriffe finb,
fie aud^ befto ferner bem 3!ntereffe beS SSittenS fiel^en, befto
weniger beffen S^Jeden bienen — ja, unter Umftänben ju
fold^em ©ienfi fd^led^tl^in unbrauchbar finb, fo gut ioie
bie SBerfe beS ©eniuS, ate beren SlbelSbrief ©d^o^jen^auer
eben baS Unnü^fein bejeid^net. 2Ber fid^ 3. 33. mit Äant
in bie Äategorientafel unb Antinomien vertieft, bringt
*) g« f€ftt ja Jcbc ©cIBflobiectbtruitg cbcnfo fcl^r btc ^Befreiung
t)on ber Ouai h\9 gu einem getDtffen ®rabe f<i^on borauc;, mie fte
izxnaä) biefelbe bcfbrbert, tocnn einmal bem objectib * tl^eoretifti^en
aWotib bie SBal^n ber Sirffamfeit geöffnet tfl, unb in biefer Scci^fel*
tDirfung liegt bie 3nittatibe auf feiten be9 , \^en tl^eilmeife ht\^xoxäf'>^
tigten, ©^merae«.
3)ie 2lttfmcr!fotn!eit 355
getoife für bcn im cigentltd^en ©innc !praltifd^en SBiffen fo
tocntg l^eim, tote toer jid^ t)or Sftafaer^ l^eiKgc ßäcilie be^
trad^tenb l^ingefiellt — unb bod^ ertoeiji fid^ bic« rein ti^co*
retifd^e Qntercffc mäd^tig genug, um wn allem fonfiigen
SBorftettung^inl^alt abji^iel^en, unb toeil l^ierbei ein ntd^itum
beträd^tHd^er Sluftoanb t>on Spontanität erforbetUd^ i%
toirb fid^ ber aBitte feiner Slnfirengung fel^r tool^I betoufet.
5Da f}at e^ ber toadere gtattid^ ganj ri^tig burd^fd^out,
bafe biefen ®rab toon ©!pontaneitÄt nur ber Gl^olertfer be^
ft|t, t)on bem er unter anberm fagt (a. a. D., ©. 244):
„er ift meifientl^eife ein Siebi^aber t)on SWetaJpl^^fici^ unb
anbem Slbftracti^. SDie ©rfal^rung aber unb bie TOoraUa*)
fd^einen il^m gering, toeil fold^e^ anbere unb befonber^ ge^
meine Seute auc^ lernen lönnen. Qe fd^toerer aud^ ettoa^
ju lernen ift, befto lieber tl^ut e0 ein dl^olericu^/' 3)iefer
l^ol^e ©rab t)on Spontandt&t ift e§, toaS ber SKufmerffami
leit ettoa^ bem ©igenftnn Slel^nlid^e^ gibt. 85Bie ber ©igem
finn toitt, um ju tootten — (ber ^abfüd^tige i^aben toiff,
um ju l^aben) — unb ba^ SEBotten um be^ aCBollend toiffen
fo ini^altSleer bleibt, bafe laum eine Qualität be^ ©elbft
babei lenntlid^ toirb, man be^l^alb bon ün^m felbftlofen
©igentoitten f!pred^en möchte : f o ifl e^ auc^ überaus f d^toer,
au« ber S^l^atfac^e ber Slufmerffamleit ben ©d^ein eine«
liberum arbitrium IndififerentiaB ju entfernen, toeil l^ierin
getoiff ermaßen ber SBiffe felbft, ate*3Bßiffentootten, afö fein
eigene« 3Rotito auftritt, aber inbem bei atter eigentlid^en
2)en!t^ätig!eit immer eine SSorftettung ba« Object ber n&6)^
ften toirb, fobafe fie fid^ in bie näd^fie toie ber Äem in
bie §ülfe einfd^liefet (unb feine«toeg« ettoa blo« fetten^:
mä^ig „anreil^t")/ fö toerben toir ehm anä) auf biefem
SBege, unter SDlitbetrad^t ber ^^änomene ber äufmerffam^
leit, auf bie Slnnai^me t>om SBitten al« bem eigentlid^ ju^
fammenfd^lie^enben (Sentrum be« ^ä)^, bem urf!prünglid^n
tjYeixovücov gefül^rt. Unb fo möge benn fd^liefelid^ unfer
*) ^«ißt »Ol: ilRoral in ber gorm tmj>ctatti}if<]^er ^Ijrtomc.
23*
356 S)ie Gommuniond^totiin},
obetfter unb jugleid^ J^iet aU le|ter refultitenbet @a|:
bie Sntettectfunctioncn finb al« f|)ecietter galt bet SHBitten^^^
functionen gu ftettad^tcn — an ber ipanb ber ©m^pirie nod^
ein toenig inbtoibualifirt unb ittuftrirt werben.
Sßie fel^r bie fogenannte ^beenaffodation na6) ben
®efe|en bet aJlotiJjation — b. l^. auf ©runblage beö je-
toeiligen SBotten^ — t)or fid^ gel^t, geigt fid^ in nic^tö beut-
lid^er al§ barin , bafe bie augenblidUd^ gerabe öorl^errf d^enbe
©timmung bie 3Kc^tungen berfelben mitbeftimmt: bie^
fette aSorfteffung öerfnilpft fid^ in gebrüdter ®emütl^^i)et=
faffung mit gang anbetn Sieil^en al^ in gel^obener (ein
Xl^ema, bad bei ben älntinomien beS ©emüti^S gleid^faQ^
feine ©teile finbet, toie e^ vn^ bereite obm bei ber SKo-
bificabilttät^frage befc^&ftigt ^at). Unb ni(^t minber fte^t
bie 3tnaginatii)nö!raft unter ber ©intoirlung ber fittUd^en
5Ratur beö Snbibibuum^ (— mie umgelei^rt beren Setl^ä-
tigung abl^ängt t)on ber Sw^agination, tt>irb unten in ber
©d^lu^betrad^tung über: ,,®tl^ifd^e^ unb ^atteti^ifd^eS" gu
erh>Sl^nen fein — ) : ber i^erglof e SWenf d^ malt fi^ gar ni^t
au^^ tt)ie fd^it^er eine allgemeine Kalamität ben @ingelnen
treffe, unb toäl^renb er feinen 2Bünfd^en nad^gel^t, fommt
i^m gar nid^t ber ®eban!e baran, gu fragen, ob ettoa
beren ©rfüllung gu biefer bejlimmten 3^* befonber^ grofte
D^fer toon feiten anberer erl^eifd^e.
5Der Urf!()rung geWlffer, gemeiniglid^ aU blofee ,,©inne^-
täufd^ungen" abgetl^aner, ©m^pfinbungen toon ber 2lrt mie
bie, bafe man e0 am gangen Stbxpa glaubt Juden gu fül^len,
toenn t)on Ungegiefer bie SRebe ifl (ba^ „aBöffem" be^ ^ftun-
be^, toenn man toon Sedereien reben l^ört, ift äl^nlid^er 3la=
tur, be^gleid^en ber ®IeI aU finnlid^eS ©efüi^l, too er
auf bem 2Bege ber ®inbilbung0!raft bei ®riüäl^nung efet
l^after Dinge entfielet), läfet fid^ nad^ bem i^ier bef|)rod^enen
aSerl^Ältnife gtoifd^en SSiUe unb Sntellect etia>a burd^ fot
genbe^ ©leid^nife (ber Sluffül^rung eine0 ©d^o!penl^auer'fd^en)
t)eranf c^aulid^en : ber aßiHe tt)irb burc^ bie ©rinnerung an
möglid^e Unbequemlid^feit ober fonftige Unannel&mlid^feit
©d&ärfung fcer 6inne8tt)al()rne]^mungen. 357
aöertirt mie ber ^l^rer einer gelbtoad^e : aU ra}):|3ortirenbe
5ßofien lüerben t)orjug^tt)eife Dl^r unb Sluge, bod^ jutoeilen
aud^ bie SWafe, fungiren, — aUbaib toirb ber ^nteffect —
im befagten g^aHe in gorm ber ^autemj^finbung — au§*
gefd^idft ate 9iecognofcirung^|)atrouiffe, b. 1^. bie ©m^jfin-
bung concentrirt — ganj berfelbe aSorgang toie bei ieberlei
Stufmerifamfeit — unb tt>k „ba^ gefpi|te Dl^r", ber ,,ges
fd^ärfte SHd" (acies oculorum) n. f. f» S)inge tt)al^rnel^men,
bie fonft nid^t in^ Selüu^tfein fallen, fo pnbet j|e|t bie
^autem^jfinbung taufenb f leine Störungen, bie fonft unbe-
nterft geblieben toären* S^fofem Hegt alfo gar feine
eigentlid^e S^äuf^ung — ^attucination — t>or, fonbern
ba§ SBal^rgenomtttene ift objectit) toirfli^ tjorl^anben unb
toftre fonft nui( nid^t bead^tet. *) — SBir glauben ja aud^
bei ©rjäi^lung t>on fd^redflid^en ©d^merjen, jumal t>on ent=
fe|lid^en D^^erationen, in ben ©liebern, beren ©rtoftl^nung
gefd^iel^t, einen ©d^merj ju f|)üren — unb e§ finb ja
leine^loeg^ blo0 bie ^^^^o^onbriften unter ben jungen 3We=
bicinern, bie beim erften ©tubium ber ^atl^ologie fo jiem=
lid^ t)on jeber Äranfl^eit, beren ©^m^Jtome i^nen befd^rieben
*) ^i^t gaitg berfetbc IBorgang ifi e«, »orauf ba8 „©rennen
alter SBunbcn'' I6eru^t (^einriö^ ^eine: 2)tc ©renabterc — Ul^Ianb:
2)ie S)öffinger ©d^kd^t:
3)a brennt il§n feine SRotbe, ha gart bet olte ®xoU —
t>ergli(]^en mit:
9(ttf bei Sibaffoabxütfe
SBxad^en alte SDunben auf);
benn aldbann gel^t jebedmal eine l^efttge ©emüt^sBemegung borauf,
»eld^e ba6 iölut lefcl^after burti^ bie ^bem treibt unb auä) f'dvptxl^
ben @<3^merg erneuert: ba8 SSctoußtfetn , nmfonji gelitten gu jiaben,
reist gleichseitig ben (^roH, unb e9 ben>irlt nur eine Steigerung
beö öor^ianbcnen i^i^^jtfcä^en ©d^merggefü^Iö, bag jtd^ bie Stufmerffam*
!eit babei ben ^larbenfieUen sun)enbet. $on ©emütl^^fd^mersen gilt
baff e(be : befÜmmte (Srinnerungöanläffe beleben baö SBe^gcfülj)! um fo
tntenjlber, je inniger fle fxäf mit bem ©etougtfein nu^^toö burd^ge*
mad^ter ^äm:^fe t>erbtnben.
358 Sie 6ommumongpro)}tn3«
töcrben, bie Jprimitoen Stnjeic^en an fic^ fclber toal^rju^
nel^men meinen. 83etm ed^ten ^\)poä)Ot(t>xiahi^ fteigert fxä)
bie^ nur ju einem anbauemben Rranfi^eit^toal^n ; übetaBt
l^in ftreiJt bann ber geftngfligte SSitte — (mit ber Siebe
jum Seben toirb man aud^ bie ^^j)od^onbrifd^en ©rillen
grünbli^ Io§!) — feine gül^Ifäben au^; unb toeil niemals
ein fd^led^tl^in gefunber Si^flö^^ ^^^ gcmjen Drgani^mu^
!t)räfumirt werben lann, fo entbe<Jt begreiflid^ertt)eife ba^
concentrirte ©m^jfinben aUemol irgenbiüie eine toirllid^e
©törung; unb bafe biefe fonft unbead^tet bleibt, ift eben
nur bie Äel^rfeite ju biefer ßoncentration in ber mel^rfad^
ertoäl^nten ©om^jenfation: ber 3«teffect ifl fonft eben anber=
iüÄrt^ befd^äftigt — unb ber toirHid^ bon Ungejiefer Ueber=
fäete toeife meiften^ gar nic^t^ bom 9iu<5^«- . S)agegen tritt
l^emad^ bei 3Cbfd^ä|ungber toirflid^en Störung bie aufge=
regte ©inbilbung^fraft mit in0 ©^3iel unb lä^t ba^ SBal^r^
genommene in ber abftracten 3Sergleid^ung mit bef^jrod^enen
Seiben auffd^metten jur Imagination fd&tt)eren ©rfranftfein^.
aber aud^ babei iji baS S3anb jtüifd^en ^intettect unb SBiUe
feine^loeg^ ganj jerriffen: ba§ betoeifen äffe pfiffe, too
Slngft t>or einer Äranll^eit beren 2lu§bru^ förbert (loe^^
l^alb jener Huge Slrjt jur SBerul^igung ber ob il^rer 2lngfi
toor ber ßl^olera äCengftlid^en i)eröff entlid^en liefe : bie 2lngft
fd^abe nid^t^), unb nod^beutlid^er biejenigen, loo, ol^nebie
aJlöglid^feit irgenbloeld^er Slnftedfung, Äranfl^eiten fid^ f^m=
:patl^ifd^ — infolge lel^l^aften aJKtgefüi^fö unb ©id^tragen^
mit bem Äranfl^eit^bilbe ~ an^^ ober einbilbeten (— fo
ijerbreiten fi^ ja aud^ Äräm^jfe — aSeitötanj — unb fo=
genannte geiftige e^ibemien, — be^gleid^en ba§ ®&f)nm,
naä) einem finnigen SBolf^glauben aber nur äioifd^en fold^en,
bie fid^ ,,gern l^aben")- — 85Bo fid^, toa^ mir ba^ Sftecog^
nofciren genannt l^aben, im ®ebiet be^ ganj Slbftracten
^ält, lann bie §^^3od^onbrie bie ©eftalt annel^men, bafe
aud^ ©eelenleiben affer 2lrt, beren aßöglid^feit bie ®^^!o=
lie gern toorfül^rt unb beren toirllid^en (Eintritt fie in bem=
felben SWafee leidet glaublid^ finbet, toirflid^ öorl^anben
S)a§ ermübcnbe geiftiger Slnfpannung. 369
fd^eincn — haffin gel^ören jur ft^en Qbee gett)orbene 9lal^=
tung^fotgen, franf^afte ©iferfud^t — bie ja „mit ®tfer
fud^t" — unb äJ^nlid^e^»
enblid^ aber fei l^ier nod^ ber ©;t)annung aU ber auf
ein l^erannol^enbe^ fiünftige^ geri^teten gorm ber Slufmerf-
famfeit gebadet, '^mn in nic^t^ beftätigt fic^ ja bie SKd^tig-
ieit unferer 3lfp[uEtl^eorie unmittelbar anfd^aulid^er aU in ber
gewaltigen ,,nert)öfen ©rfd^Iaffung", toeld^e auf j|ebe^ ange=
ftrengte 3lufl^orci^en folgt. $aben mir j. 33. eine SKauS im
©d^laf jimmer rafd^eln l^ören, fo ift, toa^ un^ ben ©d^laf t>er=
treibt, eben bie 5Rertoenerregung, unb toa^ ba§ ©el^irn er-
mübet, ift nid^t ber med^anifd^e Slblauf ber SBorftellungen,
toeld^er ftd^ ,,t)on felbft" t)offjie^t, fonbem ba^ t>on ber
©j)ontaneität an^ bel^errfd^te S)en!en im eminenten Binnt.
— SBäre nid^t ba^ Verfolgen be^ S^f^mmenl^ang^ ber ^mh
objecte il^rem Sni^alte nad^ ba^ Slufreibenbe, fo loäre
ber geiftig Sefd^äftigte nur l^alb fo t^ätig toie ber ^anb-
arbeiter, toeit ja aud^ bei biefem bie inteUectueffe 2;i^ätig!eit
in feinem h>ad^en Slugenblicle gänjlid^ rul^t. 2lber ba§
freie Uml^erfd^ioeifen gel^t be^l^alb mül^elo^ t)or.fid^, iüeil
e^ faft nad^ bem ®ratoitation^gefe| t>on ®rudf, ©tofe unb
gaff fid^ beioegt. ©agegen l;at bie ©eele beim eigentlid^en
^mtm i^re ©officitation nur an il^ren eigenen latenten
93en)egung§formen — unb ol^ne ©rlüedEung^mittel t)on
aufeen muffen biefe innern ^proceffe i^r^ ©rregungSfermente
gegenfeitig abforbiren: ber ©toffioed^fel be0 ©el^irnö mufe
babei befd^leunigt, bie ßonfumtion bermel^rt lüerben, unb
ba§ mad^t immer neuen Slfflu^ nötl^ig. 3Sieffeid^t lüirlt fo^
gar bie 5Rotl^lt)enbigIeit, entlegenere Drgantl^eile aufju-
ttJü^len unb ju il^nen i^in bie Functionen ju t)er:|3flanjen,
mit jur nad^folgenben ©d^laff^eit unb ©d^toäd^ung. SBBer
nad^läfet t)om ftrengen ©enfen, bem fd^iefeen, bi^ er ettoa
einfd^läft, biejenigen Sßorfteffung^rei^en auf, toeld^e fid^
an bie jüngften lebl^aften finnlid^en ®inbräde toon felber
anlel^nen, unb lüerben fold^e 5lej)robuctionen — fei eö toeil
man öon au^en l^er geftört it)orben ift (worauf ba« ger*
360 S)ie 6ommuntond^tot)m§«
mürbenbe jeber Unterbred^ung betul^t, wx toeld^er bm
StxanUn ju lauten mä} glotencc ^iigl^tingale f o einbringlic^
ermal^nt), fei e^ lüeit bie eiafiicitftt bc§ SnteHectualorgan^
xf)u ®netgie in aHju fiarler ©el^nung t>erloren, — öber^
ntäd^tig, fo ifl cö mit ber äufmerlfamfeit gu ©nbe.
©elbfi ber i)ieIbef^3roci^ene ftärfere SWeij bejS aSer^üfften
finbet einjig l^ieran feine aulrei^enbe, toai^rl^aft ^^f^d^olo-
gifd^e ertlärung. 3m SSitten — unb nid^t im fogenannten
reinen ©ubject — liegt ^ier toie immer ba^ Ouälenbe.
Sei jeber ©rtoartung (unb fold^e erregt aud^ bie SSeri^üt
lung) ift e^ bie grage , ob bie SBirllid^f eit ber SSorfteffung
entfj)red^en toerbe, it)a^ bie inteffectuette 2:i^dtigfeit in er=
l^ö^te^ Seben t>erfe|t — unb ba^ ©d^manlen ber Ungc^
lüife^eit, bie mit biefem öerbunbene Unrul^e ber Stimmung,
termag ben SBiUen ungleich mächtiger ju afficiren, al^ ber
©inbrud ber entf!|>red^enben 3iealität felber.
QfebeUngebuIb jeigt bie^ ^neinanbergreifen bon SBiHe
unb S^tettect. ®er junger be^ i)egetatii)en Seben^ ^at in-
nerl^alb bei ©emüt^llebenl an ber Ungebulb fein 2lnaIogon:
©eignen unb ©c^mad^ten ift beiben gemeinfam. S)ie ©teige=
rung burc^ SSorfteHung ber ännäl^erung bei erl^arrten
©egenftanbel ift ebenfo fel^r prius all posterius ber \>ox::
gefteHten Slnnä^erung : bief e 38orftelIung nuirb immer mel^r
bie aulfd^lie^lid^ toor^errfc^enbe: in SBec^fetoirfung bei
änfd^lüellenl Ift^t fie leine anbern SSorfteHungen mbm fid^
jur 9lul^e f ommen , immer tüieber übertoiegt fie bie anbern,
unb eben baburd^ it)irb bal ©efüi^l ber @ntbe]^rung leb-
l^after, tt)eil jebe anbere ©ftttigungltoeife ber nad^ ^^^ätig^
feit trad^tenben ©^jontaneität (ügl. oben ©. 65 fg.) für jefet
ijerfd^mäl^t toirb. ^a^ ^ingel^altentoerben jel^rt bie ©nergie
auf, immer reizbarer loirb bal 5ßerlangen, je näl^er bie
®rfüffung ju fommen fd^eint: bal^er bal ^löfelid^e ©d^laff-
tt)erben \>ox bem ^id^ (bal j. 33. nad^ einem angeftrengten
ajiarfd^e aud^ bie SWulfeln ergreift); bal^er aber aud^ bal
3erftörenbe, mal jebe neuerregte Hoffnung für unfere
©ebulb im Seiben mit fid^ bringt: biefe ift am größten
Srmartung unb Ungebulb* 361
angefid^tö be0 l^anbgretflici^ Unabftnberlid^en, am fd^toet-
ften , it)0 nod^ eim SWöglid^f eit be§ SSiebergetoinnen^ fid^ un-
feter 5ß]^antafie barbietet, jumal tvmn biefe fid^ baran
Hämmert, bafe i)on TOenfd^enlüilßür — bie in abstracto
fo leidet umjufiimmen fd^eint, toie fie in praxi fid^ un=
beugfam ju jeigen |)Pegt — unfer ©d^idffal abfängt.
2)em ^ßäbagogen aber mag fd^tie^Iid^ nod^ eine aSer:=
Reifung auf 3ean ^auP^ „Sebana" ben SBin! ertl^eilen,
ttid^t aHe^, \üa^ toon ber genialen, fojufagen !pofitit)en,
aiufmerffamleit gilt, aud^ auf bie rein fonnale ober nega^
tit)e be^ blofeen SWid^tabgejogen^ unb Jlid^tgeftörtfein^ ju
begiel^en; nod^ iveniger aber bie „ allgemein ^menfd^lid^e"
Slufmerffamfeit („ßetoana", §. 133) immer nur mit gräm=
lid^em ^uge ol^ m ^emmnife be^ Unterrrid^t^ ju be=
trad^ten, ftatt fie für beffen 3^^^^ jw öertoertl^en, fie in
ben ©ienft ber Selel^rung ju nel^men. Unb tt)ie überl^au^t
^^an ^anV^ jartbefaitete ©eele beffer flimmt jum fanftem
SBiberl^att an^ einer 3Wäbd^enbruft , aU iffx Qbealigmu^
ben „©efunben" (ju beren iperau^lennen ba^ Urti^eil ge-
rabe über $itan ^aul ja ein0 ber fid^erften ^ülf^mittel
ift) tauglid^ fd^eint bei ©rjiel^ung jur „3Rännlid^leit" für
bie raul^e SCBirllid^f eit : fo bürfte aud^ bie Sieugier be^
meiblid^en ©efd^led^ts leichter in eine ben SernjtoedEen
beffelben entf|)red^enbe SBi^begierbe umjutoanbeln fein, ate
be^ Änaben „^)raftifd^er ®inn'' fid^ feffeln läfet burd^ ein Qn^
tereffe am blo^ SCI^eoretifd^en — tjollenb^ in einer g^t,
too faft atte SSäter il^ren ©öl^nen einfd^ärfen, toorjug^toeife
bag ju lernen, toa^ fie irgenbtoo ober irgenbtoie einmal
h>erben „braud^en" fönnen. Qtoimer aber bleibt bie „Se:=
i)ana" ein ijortrefflid^e^ SBud^ jum ©c^u^e jener jarten
Äinbematuren , bie unter glüdlid^en SSerl^Ältniffen ben
©türmen be^ SebenS fönnen entjogen bleiben, — unb
für biefe^ Sob ift e0 leine ßinf d^rftnlung , ba^ baffelbe
33ud^ irreleiten !ann in ber §ärte unb Änorrigfeit ber
^Realität, itue fie aud^ im ed^ten Suben fid^ lunbgibt. SWur
t)erfte^e man bie« nid^t fo, afö ob nid^t Qean 5ßaur«
362 3)te GommunionSptooin).
l^ciliget ®fer für ba« SRed^t ber Äinber and) eine manmi-
n)ärbige ä3egeifterung n>äre. Have pia animal
8. mt^t ober weniger tion beut S^erl^ättnt^ it9 StSend
3itm 3fttteflect abl^Sitgtge ^^araftereigettfd^aften.
®ani toon fetter fd^Iiefet fid^ an eine S3efj)reci^ung be^
Sufammen^ang^ jlüifc^en SSille nnb Snteffect um 35e-
trad^tung fold^er Snbteibualitätömerfmale an, beren aWo^
bificabilitat ^anb in $anb gei^t mit allen ©d^h>anfungen,
toeld^en jene^ Sßerl^ältnife au^gefe^t ift — unb toir toerben
banad^ brei Lebensalter ju unterf^etben l^aben: baS auf*
fteigenbe, too bie gactoren bem ©leid^getoid^t juftreben —
bie Sllme, too pe fid^ ins (Sleid^e gefe|t l^aben unb beSl^alb
bie aSolföf!prüd^e fo finnig ben „©tiHefianb"*) btS^anpUn,
unb baS abfleigenbe, tt)o lieber eine Soderung jtoifd^en
beiben, eine ftetig junel^menbe Störung, lurj: bie ©ecre^
fceng, eintritt. ®ie Unfid^erl^eit ber berührten SSottSregel
f^iegelt babei nur bie objectitje Unmögli^feit ab, naä) Soi^s
ren ober aud^ nur nad^ Sal^rjel^nten fefte ©renjen anju^
geben: Älima, SRaffe, ©itte, Seitalter, erjiel^ung unb bie
SnbibibualitÄt felber geben jebem einzelnen feine eigenen,
nur fid^ felber gleid^en, SebenSabfd^nitte. ®aS ariflote=
lifd^e: „liebe greunbe , eS gibt leine ^eunbe!" I^at in un^
fem 2^agen bei ben granjofen fein !parobirenbeS Seiten-
ftüdt befommen: „liebe Äinber, eS gibt feine Äinber!"**)
— unb anbern l^intoieberum blül^te bie Slfme bis nal^e an
bie ©tufe, toeld^e baS SSolfsmort bem „Äinberf^ott" !preis^
gibt. Unb tt>er bead^tet i^ot, toie feit ^omer, ©oi)l^oKeS
unb Pato bis Äant unb ©oet^e (pmn man toiH: ©d^eU
ling unb Sllejanber toon ^umbolbt) bie Sanglebigfeit fid^
*) $gl. mf^txi9 in SaloB ®nmm'« 9tebe UeBer ha& mux.
**) Ober tt)ie c« f(]^on bei SÄoItere (Le Malade imaginaire, II,
11) lautet: Ah, il n' y a plus d'enfaDts.
11
SBitte unb SnteHect in ben bcrfd^iebenen Sebenlaltern. 363
auffattenb l^äuflg gerabe in bcr fo Keinen S^ffl ber 9Kftn?
ner t)on ®enie einfinbet, ber toixi nid^t erft au^ einem
©efjjräd^e ©^oj^enl^auer'^ mit grauenft&bt („3Son ti^m.
Ueber tl^n", ©. 184) fid^ l^aben anregen laffen, in biefer
frctppanten 5Cl^atfad^e mel^r aU bloßen S^^f^^ß i^ erlennen
unb einem ®efe|, ioielleic^t gar einem teleologifd^en, bartn
nad^jufpüren- 2)enn fie f^eint ju betoeifen, ba^ bie toirfc
Kd^ geniale Äraft aud^ i^^^ftfd^ ciuf jener jäl^en gefiigfeit
j&l^er ®Eiftenj baftren muffe, bie, toon Ändern 3ufättigfeiten,
tt>ie Slnftednng, Sßerunglüdfungen u. bgl. (fold^e lönnte nur
bie i)on ©d^o^^eni^auer, a. a. D., angebeutete unitJerfale
5CeIeoIogie ablüenben) abgefel^en, eine ungettJöi^nlid^ lange
fieben^bauer ju garantiren t>ermag. — ©c^ttjad^ angelegte
Organismen (ju fold^en mad^t aber fo lüenig fd^on jeber
beliebige ©efect in einem Drgane, lt)ie er ettoa bei SB^ron
i)orlag, aU eine Äranll^eit, bie man ftc^ l^erebitär ober
burd^ unbiätetifd^e SebenStoeife jugejogen, toie ©dritter
feine Sruftfd^ttJäd^e) fd^einen feine toal^rl^afte ®rft§e ber
intettectuetten Begabung jujulaffen: ober ©d^o:|3enl^auerifd^
auSgebrüdEt : im ® enie mu§ ftd^ ber SEBiffe jum Qtbm ani)
nad^ ber irritabeln unb re^)robuctit)en (t^egetatitoen) ©eite
mit befonberer Energie betl^ätigen.
2)er ©d^erj öom ©d^toabenalter J)a§t freili^ leidet
auf mand^e ©tämme beffer aU gerabe auf bie ©d^toaben
— aber bie il^m ju ©runbe liegenbe allgemeine 2Ba^rl^eit
ift biefe: eS gibt Seute genug, bie erft mit t)ierjig Salären
tl^re „Sugenbfünben" loS iverben, unb anbere, bie fein
Sllter „t>or S^^orl^eit fd^ü^t". 2Biff man aber i)on ben
©d^toaben jugeben, ba§ fie toirfUd^ fel^r ^p&t bie „blöbe
Qfugenbefelei" ablegen, fo l^eifet eS bod^ gerabe baS ©egen^
t^eil beg 9Wd^tigen treffen, toenn bieS aus einer ©d^toäd^e
il^reS gntettects l^ergeleitet n^erben foH. *) Sßielmel^r ifi eS
*) Unb inbem td^ toieberum auf bad t)er»etfer n>ad ^Idttiäf,
a. a. O.f @* 271 fg*, 321, 333 unb 407 vorbringt, um ^ox UcBer*
(faflung unb ^erfrü^ung gu toarnen unb anbererfeitd barüBer )U Be»
364 S)ie SommumotiSptot^m;,
bte biefen ganjen ©tamm bel^ertfd^enbe anläge für ^ta^^
li^mn^ unb S)taleltif (i^r ©efteniücfen mufe nur aug bcm
®e[xä)t&pnntt bcr D!p!pofition gegen bie ntoeffirenbe abflracte
Äird^enboctrin getoürbigt toerben, um l^ierfür einen ber
fd^lagenbften SBelege abzugeben) in SSerbinbung mit
einem SOBillen^fern t)on ungettJöl^nlid^er ©nergie
unb^ SReid^J^altigleit, toeld^er e^ il^m fd^toerer maä)t
atö bem oberfläci^Iic^ rejptectirenben Storbbeutfd^en (tjiettei^t
[teilen bie ©d^Iefier, Reffen unb ©d^Ie^toiger ben ©d^toaben
in bief em ©tüde am näd^flen), ©ubjectibe« unb Dbjlectiöe^
gegeneinanber ins SReine ju bringen unb an ber eigenen
ruhigen, ha^ ed mit festem Unterri^t feine iRotl^ ^aU, folange nur
ttoc(i ber ,,$erflanb ni^t berroßet ifl^', möd^te xäf gerabe an bem
natben $nmor biefer ed^ten <^c^tt)abenfee(e htn Wiftanh aufmeifen
3ti>tf(]^en feinen nid^t feiten barocf^bnlgSren , aber allemal fc^tagenben,
ia meifi tief finnigen ©leid^niffen unb bem ^a^ujinabenton, totläftn tt)ir
norbbeutf(i^e @eifili(i^e fo leici^t anfcl^lagen l^ören, tt>enn fit fi(^ aufs
,,boIfdtpmIid^e'^ $rebigen berlegen, naib fein tDoHen unb nur ind
^lattt über gar S^ol^e ))erfal!(en. 2)a9 Uebertoiegen naiter ^nfd^auung
-~ eben j[ene9 Clement, tDeld^ed ai9 täft ^oetifd^ed ba9 fd^tDäbifd^e
Seben mit einem ibealen 2)uft überjie^t, toie bie i!uft))erf))ectibe feine
Äouje 2ttb — berbinbet fld^ mit einer Steigung , ba« einzeln — unb
gtoar tief unb rid^tig — ^ngef(]^aute in feiner gangen inbibibuetten
^Mt auf einen abfiract allgemeinen Sudbrud gu erl^eben; unb bie
babei not^toenbig gu £age lommenben ©egenfS^e gtt)ifd^en bem Sn*
bibibueüen unb bie Sncongrueng gtoifi^en abfhactem begriff unb an«'
fd^au(i(]^er ^orfleüung (morein ja ^d^o^enl^auer ba9 fBefen aUed
Säd^erlid^en fe^t), geben ebenfo fe(ir bad germent l^er gu ben bialef^
tifd^en Liebhabereien biefed fBollB , roeld^e ben Siberf:|)rud^ aU realen
^inpetten (©d^iller'ö SJorliebe für Stntit^efen gehört ^lierl^er unb
®o lang ed ©d^tDaben gibt in ^6itoaf>txt,
Xßi¥b $egel au^ )6etDunberet l^aben),
tote gu feinem $umor, ber ed fSl^ig mad^t, aud^ in unreflectirter
i^olfdauffaffungsioeife (finaudgufommen über bie ^d^ioere bed (Srben^
bafein^r fobag felbfl bad ?llltäglid^e unb am meiflen ^rofaifd^e bort
nid^t fo fd^toerfäEig bel^anbelt n^irb n^ie bom 9lorbbeutfd^en, ber, flatt
Sein gu trinlen, bidfe iRebeUuft at^men unb ben Obern anl^alten
mn^, um ftd^ nid^t bie Lunge bon fdj^neibenbem Slorbofl gerfleifd^en
gu laffen.
SBide unb ^ntcßect in ben Dcrfi^iebcncn SebcttSaltem. 365
Sttbtoibualität beten ©inHang barjufieCcn. SBie üb^ffaupt
bo^ geniale 3nbit)ibuum am f;t)äteften jur „9ieife" im ptah
tifc^en Sinne fommt, ipeil feine 5Rait)etät il^m nid^t S^t
läfet, t)iel über ben Umfang feiner eigenen Äräfte ju re^
flectiren, fo gelangt aud^ ba^ SEßeib, tro| feiner fonftigen
rafd^ern ©ntoidelung, meiften^ nur bann ju einem er=
toorbenen ßl^arafter, toenn ba§ Seben e^ in eine firenge
©c^ule nimmt (toomit jebod^ feine^megg gefagt fein fott,
bafe nid^t aud^ beim 3Ranne ba^ redete Dauerobfi feiner
Ueberjeugungen erft ioon ber ^i|e be§ Seben^mittag^ gar
gefod^t tt)irb; ©rfenntnife mn^ reifen toie SEßein, fonft tJer^
gärt fid^ ba§ UnHare nid^t). S)enn bie bei ii^m, n>ie bmt
©enie, übertoiegenbe Intuition fielet, toie toir fd^on bei
anberer ©elegenl^eit gefeiten, il^rem SBBefen unb Urf!prung
nad^ bem SEBitten ju na^e, um fid^ t)on il^m fo leidet ju
emanci^)iren, toie baS abftracte S)enfen. Unb tt>mn man
bie^ am SBeibe nid^t immer gelüal^r wixi , f o liegt ba^ nur
(xw, feinen beiben ©ejualpribilegien: 2^aft unb Gontenance,
t)on benen toenigften^ jener un« beim Uebergang ju ben
Slntinomien be^ ©emüt^^ nod^ ju fd^affen mad^en toirb*
^Dagegen beflätigt ba0 ©. 43 fg. über ba^ Sßaturell
©efagte bie l^ier bargelegte Sluffaffung. SßJa^ man t)or-
jugätoeife bem toeibltd^en Oefc^led^t nad^jufagen ^jjflegt,
finb jum großen S^i^eil ^t(\. fold^e ©igenfd^aften, toeld^e
o.u biefer ©teile jur @!prad^e fommen muffen, toeil fie bem
Sugenbalter, atö ber ^eriobe t)or ber au^gleid^enben 9ieife,
befonber^ eigentl^ümlid^ finb: Seid^tfinn, ©igenfinn, Unfte^
tiflfeit, '^^x\okjXtxi!it\i , 3lait)etät, ©itelfeit — t)ietteid^t aud^
5Rafd^l^aftigieit, n^iemol biefe geeigneter fd^eint, un^ ju ber
Semerfung l^inüber jufü^ren, ba§ gleid^fatt^ bem abfteigenben
Sllter mit ber Swg^^b mel^rere 9Rer!male gemeinsam finb;
<x^ feinem anbem ©runbe, ate n^eil ber ,,öerfnöd^erte"
SnteHect mit bem nod^ nid^t entfalteten bie Unfäl^igfeit tl^eilt,
bie t)on il^m vorgehaltenen aJlotitoe mit bem nötl^igen SRad^s
brud au^jufiatten.
Unb ba e^ enblid^ aud^ eine angeborene ©d^toäd^e be^
366 S)ie (Eotnmunion^proom).
SnteOectö gibt, fo treten aU t)terte^ @{ieb in biefe @e-^
noffenfd^aft neben ben unenttoidelten, ben übettoiegenb itu
tuititoen unb ben abgefiumijften S^t^ff^ct bie \>on ipaufe auä
©nfÄltigen ober bie eigentlid^ Somirten, benen entf!()reci^enbe
g^araftereigenfd^aften beigegeben finb-
©d^on ba« Bpxiiftooxt f!peciaKftrt biefe 3«f<^»««^w-
jleBung, inbem eä bel^auj)tet: „SRarren unb Äinbet fagen
bie SBoJ^rl^eit." älber toäl^renb au^ Äinbern ttieifien« ber
unt)erbotbene ©inn rebet, toeld^er nod^ nid^t^ batoon toeife,
bafe SWenfd^en bie Bpxa6)c anä) tooücn bdommen l^aben,
um 3Ri^brauci^ bamit gu treiben, finb l^ier mit ben ,,3lar-
ren" offenbar fold^e gemeint, toeld^e bie golgen i^rer Stuf-
richtig! eit nid^t l^inlänglid^ überf d^auen , alfo aud^ bie SDlög=
lid^leit ober aSal^rfd^einlid^feit biefer folgen nid^t afö
toamenbe abftracte aWotitoe auf fid^ lönnen mirfen lajfen,
eben toeil fte übntyiv^t für bie SBirffamleit fold^er toenig
jugänglid^ finb — gerabe fo toie ©reife „finbifd^" — inö-
befonbere eigenfinnig, gefd^n^ä^ig unb ©d^ledter — toerben,
inbem fie mit ber gdl^igfeit, auf abftracte SWotibe ju rea=
giren, auc^ bie ßuft an abftracten 9leijmitteln verlieren.
(S)em tt>iberf!prid^t ber ®eij unb bie Sftu^mfud^t anberer
©reife nid^t, benn biefe, gerabe auf bie fid^ überfc^Iagenbe
SCbftraction gepeilten, Seibenfd^aften bel^errfd^en nur fold^e
©reife, bie eben nod^ nid^t ifinbifd^ geworben finb; unb
fc^on glattid^, a. a. D., ©. 171, ^at bemerft, bafe nid^t^
fo fe^r ba^ Äinbifd^lüerben befd^Ieunigt, aU baS ^ntüd=
jiel^en öon ber getool^nten SBefd^äftigung unb ben in biefer
gegebenen Slnregungen.) ^
derlei „Unarten" (b. f}. Slbtoeid^ungen t>om SDhttel^
ma§ ber „Sttrt") finb aber au^ bemfelben ©runbe itiU
lebend bie unjertrennlid^e ©efeHfd^aft berer, bei benen bie
einfeitigfeit unb „Sefd^rönfti^eit" ^abituett finb, an^
ioeld^em fie ate d^arafteriftifd^e SKerftnale an ben äufeerften
6nben ber SebeniBalter fi^ jufammenfinben. 3lad^ bem
©. 52 Stnm. geftgefteHten fann e^ alfo feinem 3Mi^öerfiänb-
ni^ mel^r unterliegen, toenn h>ir je|t junäd^ft befj)red^en:
S)er ^[ugenb etgent^ümlidfte Untugenben« 367
9. @tmoe im Sfttgenbatter at^ Parafter:|i]^iitt0mette Hör-
angötoeife eioentl^jimntle ^^Utttagertben^^; mit einem (S^ut»
ülier 3erftrettt]^eit urtb 3erfa^ren]^eit
„S)er aSerftanb lommt nun einmal nid^t toor ben Qai^s
ten" unb „Qugenb miH austoben" finb ja jtoei Slrofi*
fi)rücl^e, mit benen fo mand^er fd^on auf gerietet ipürbe,
ber bereite an feinen „Suben" toerjtoeifeln toottte — unb
ö)ag befaßt nid^t aHe^ biefer „SSerftanb", ber rid^tiger ,ßex^
nunft" unb t)on biefer abl^ängige ^.Sefonnenl^eit" l^eifeen
müfete? unb m^ fäHt nid^t affeg unter bo^ ,,2:oben"?
— „glüc^tigfeit" — „^erfa^ren^eit" — ,,5Bergefelic^feit"
— „2;ro|" unb „©tarrfinn" — „^ifef ö^figWt" — ,;8eic^t*
rmn" — ,,aJlut^toiae" — ,,®ebanf enlofigfeit" — finb ebenfo
toiel SSer^d^en au^ ben ÄlageKebem ber ©rfimlinge toie
an^ ben si;t)oIogien ber felber 3!ugenbfrifc^en unter ben
®rjiel^em — unb fämmtUd^ i^aben fie il^ren Urfj)rung in
bem aSer^ältnife be§ 3fnteaectg jum SBitten. *) ©om'eit fie
©ad^e ber ,, ©emdl^nung " finb, geben fie Slu^fid^t auf
„SBejferung" — unb toer nad^ je^n Sauren einen iüieber^
fielet, ben er in ber ©d^ule afö ,,2Bilbfang" ober „2;ro|-
fo!i)f" lannte, mag oft erftaunen, h>aS für ein „gefefeter"
unb „befd^eibener" „foßber" junger SKann barau^ gettjor^
bem 2lu^ jtoei i^übfd^e 5IReta|)^ern! ,,gefe|t" erinnert an
*) Unb fo l^at fit auäf %latti^ angefe^en: „Wlan fann balb
ma^fftUf bag eittem ^albe bad springen bergel^t, man barf e9 nur
htVLfiaim fd^Iagcn" (a. a. O., @. 263). glüd^tigfett i|l ba« ®c*
gcntl^cU i)on Ucbertcgnng; and^ ®ef<3^citcn fe^It eö oft an Uebcrfc*
gung, @. 230 fg., 315. 9htn benft aber ber9J2enf(^ am mei«
fitn bem naci^, toa9 il^m^erbrug bereitet ^at — bal^er fc^abet
ed nic^t, junge Seute im Heinen einmal anlaufen gu laffen (berbrann^
M S^nh ^üxäfttt geuer) unb bann auf bie Urfad^e l^inaufül^ren unb
red^t aufmerffam ju mad^en, @. 230 fg. Hber: 3P in ber 3ugcnb
ber innere 3^d^tmeißer nid^t ba, fo ^tlft bie Sugere S^äft koenig,
@. 233 (gan3 ba« ©eneca'fdje Velle non discitur).
368 2)ie &ommunion§pro))in).
ben Sttieberfc^lag an^ ber ©ftrung — „befd^eiben" an bte
©rengfd^eibefuttfi: c8 tt)iD nid^t mel^r ,,tnit bem Äoj>f burd^
btc aSanb rennen", toer ber ©d^ranfen frine^ SRed^tö tote
feiner Äraft inne geworben. 3)er aWangel aber an ©infid^t
in baS eigene SBefen unb in beffen S^fötnmen^ang mit
bem SBeltlauf erjeugt jenen ^el^ler, toeld^en toir Seid^tfinn
nennen. ®g ift alfo unlogifd^, toeil eine ji.sTaßaac<; d<;
aUo Y^voc, öom Unterfd^ieb leid^tftnniger unb boi^l^after
©ünber, toie eg noc^ l^ier unb ba ju gefd^el^en fd^eint, atö
t)on einem bloS grabueffen ju fj)red^en. Seic^tfinn afö
fold^er ift gar fein etl^ifd^er SBegriff; brüdt toielme^r mei:^
ften^ nur einen 9Wangei an befonnener Älugl^eit im §an?
beln für0 eigene S^tereffe au« ; l^at e^ birect gar nid^t mit
bem SJlaterialen ber ^anblungen ju tl^un, fonbern bejeid^^
net eine blofee gormbeflimmt^eit an benfelben, infofern
alfo ettoa^ ben 2^em!()erament^unterfd^ieben fel^r äl^nlid^e^;
ber Seid^tfinnige tjerfäl^rt nid^t nac^ jenen felbftgegebenen
Siegeln, bie tt)ir ®runbfft|e ober 9Wajimen nennen, fonbern
läfet fid^ leiten Don ben Eingebungen be^ gegenwärtigen
aRomenti^, folgt überl^au!pt mel^r anfd^aulid^en ate ab^
ftracten 3Kotit)en, furjfid^tig ben ©elüflen be^ Slugenblidt^
nad^gebenb. ©o fann ja ber eble ©l^arafter leid^tpnnig
l^anbeln fo gut ioie ber felbjlfüd^tige (j. 35. toenn er äufs
Gattungen bei^ SWitleib^ folgenb einem ©ftufer jum Sit
mofen gibt, toofür er feiner eigenen gamilie S3rot laufen
fottte). aSenn alfo ber Seid^tfinn banad^ afö eine et^ifc^
inbifferente (gigenf^aft erfd^eint, fo läfet fid^ bod^ fagen:
ber geid^tfinnige toirb na^ leiner ©eite l^in ejcettiren, ioe^
ber im ®uten nod^ im ©d^limmen. Seid^tlinn ifl eine
©igenfd^aft ber SBeiber unb ftinber unb meift aud^ eine
be« ©enie«, bem bie Älug^eit ber „ftinber biefer SBelt"
fel^lt unb ba0 irbifd^en SBortl^eil ijerfd^mäl^t gu ©unfien fei^
ner greil^eit unb Unabl^ftngigfeit im S)ienfi ber SBal^rl^eit.
— 2)e^l^alb unb toeil ber Seid^tfinnige unbebenflid^ ben
il^m ioon anbem bargebotenen ©nbrüden fid^ l^ingibt, mad^t
eine getoiffe S)ofii^ Don Seid^tfinn fo „lieben^toürbig".
S)cr 8ei*trmn. 369
2)er Seid^tfittn f)at in bem aWafec bie ^ßräfumtion
einer Wobificabttität für fid^, aU bie inteHectueHe Segabung
ein SBad^fen an ©infid^t unb baö SBoHen eine fefte ©tetig-
leit ju garantiren fd^eint. S6|tereS SSer^ältnife irirb jum
größten ^i^eil burd^ ba« ^enH)erament au^gebriidtt —
jutoeilen in SBerbinbung mit bem ^jofob^nifd^en Factor fo::
gar nad^ bem SSerfal^ren ber umgelel^rten Slegelbetri. —
©enn unter ben d^olerifd^en h\)^okof4 lann e^ fold^e geben,
toeld^e mit ben Salären immer leid^tfinniger toerben: je
mel^r nämlid^ au« ber Seben«erfal^rung baj^ gro^e dis-
appointment (desengano) refultirt, befto geneigter toirb
man, in refignirenber Untertoerfung unter bie SBergebßd^::
feit be« Vorbauen« unb 5piänef d^miebenö , affeö gelten ju
laffen toie eö toiH — toeil, toie fd^on ber Äol^eletl^ toeife
{Stap. 9, 11): „jum Saufen nid^t l^ilft fd^neff fein, ivm
©treit nid^t l^ilft ftarf fein, jur SRal^rung l^ilft nic^t ge^;
fd^idt fein, ivm SReid^tl^um ^ilft nid^t flug fein; ba^ einer
angenel^m fei, l^ilft nid^t, ba^ er ein ®ing hDol^I lönne,
fonbern alle« liegt an ber 3eit unb ©lüdE". 3a,
©oetl^e (unb mit il^m ©d^ojjenl^auer in bem Srief^ an
SRofenfrang über Äant) fül^rt ba« Seid^tfinnigfein unter ben
normalen ©igenfd^aften be« ©reifenalter« auf:
Orabfd^rift:
^U ^nabe toerfci^Ioffen unb trut^ig,
^19 Süngüng anmagüd^ unb findig,
%i9 9)7ann gu Z\fattn toxUiQ,
9CI9 ®xtx9 (etd^tfinntg unb grtdigl
Sluf beinern ®rabflein totrb man lefen:
^ad ifi fütttat^r ein SD^enfd^ geioefenl
©ohDeit bagegen ber „ßeid^tfinn" al« eine beftimmte ^orm
ber „6^aralterfd^tt)äd^e" ju beurtl^eilen ift, behalten tt)ir
ii^in mit biefer einer befonbern SBetrad^tung t)or.
gi^m glei^ al« ein birecter 3lu«Pu^ be« inbiüibuetten
aSerl^Ältniffe« git)ifd^en Sntellect unb SBiffe unb inäbefonbere
be« no^ nid^t überhDunbenen ©d^toanlen« biefer beiben
gegeneinanber fielet bie „3^tfci|ftenl^eit", öon ber man ju^
8aHfen, C^aratterologie. I. 24
370 S)ie ©ommuniongprpüinj.
näd^ji jtoeifeltt lam, ob man fie afe „©emüt^^berfaffung",
n)0 ni^t gar atö f^non^m mit ®runbfa|lofigfcit im etifu
fd^en ©inne, ober ate reine Snt^Hecteigenfd^aft ju fubfu=
miren .j^abe. S^benfatt^ l|>at jte il^r SBefen am Oegenfa^
ju „Sammlung" unb innerer ©inl^eit, ünb i)on ber blofeen
Serjireutl^eit untertreibet fie fic^ nid^t allein toie iebe^
ßonftante i)on einem 5Womentanen, fonbem aud^ burd^
il^ren ungleid^ engern S^^fö^menl^ang mit bem ©efammt-
d^arafter, afe mit toeld^em ba^ 3^tfti^^«tf^i« it)enig ober
gar nid^t^ in t^un l^at, ba e^ nur in einem augenblidt
lid^en ©etl^eiltfein ber inteHectuetten ^nctionen befielet.
3)en ^erftreuten ©d^üler ober ^nf}bxex fann man jule|t
„feffeln", aber gegen bie ^tx^af)xm\)at bleibt aSerbeut^
lid^ung*) fo erfolglos toie ^ntereffantf ein ; im ©egentl^eil:
jerfa^rene 5Wenfd^en ^jflegen geioiffen Siebl^abereien eine
gro^e f^)ontane Slufmerffamleit entgegenjubringen, toä^renb
ber jerftreute ©d^üler fid^ nur leidet ftören unb abjiel^en
lä^t bom Unterrid^t.
■ ©ar ju einfad^ barf man fid^ jebod^ ben Unterfd^icb
t)on „jerftreut" unb „jerfa^ren" aud^ nid^t beulen: jeber
biefer beiben SBegriffe bilbet für fid^ ein eigene^ ^)f^d^olo=
gifd^eiS ^Problem. ^tt^nntf)tit im engern ©inne ift dn
jeittoeilige^ Unterbunbenfein ber Slbern jioifd^en Qnteffect
unb SSßiHe, eine momentane ©tauung in ben bie 6ommu:=
nion^^jrobinj burd^furd^enben Äanälen (bie be^l^alb befom
ber^ leidet im 3uftö«i> för!|3erlid^er unb geiftiger ®rmübung
ober gar ©d^Iaftrunfenl^eit eintritt). SBir feigen an bem
3erftreuten ein ^anbeln, in toeld^em fid^ 3fKd^tigfeit be^
SBotteng, ber abfic^ten, mit SSerfe^rtl^eit be^ SluSfü^ren^
*) SCud^ borüBcr ffagt %iatti^ (@. 278): „Söcnn man einem'
tttoa9 nod^ fo (eid^t unb beutlid^ ma^t, unb er ht'fyHU feinere«
bauten nid^t beifammen, fo l^üft ed aUed ni(^t$ ; ja, je beutUd^er
man einem tttoa^ maä^t, be|!o weniger fagt er'ö, toeil manbnrd^bie
2)entlid^feit tttoa^ »eitlSnfig h>irb, unb ein fold^er furg benft,
unb 9let(^ lieber tttt>a€ anbered''.
3erfa]f^reitl^eit unb 3c'^ft^^t]S)ett 371
toerbinbet: e^ freujen fid^ fojufagett bie SluSfü^rungen
jtoeier ^anblungen, unb S)inge, bie nad^einanber ganj
getl^an hDerben foHten, werben gleid^jcitig jebe^ jur einen
i&ftifte getl^an: i)on ber ausgegebenen Drbre t)oBftje(ft bie
§anb bie^älfte bonbent, tt>a^ bem5IWunb, unb berSWunb
bie ^ftlfte bon bent, n^aS ber $anb aufgetragen n^ar. ®er
Qnteffect gel^t feinet SBegeS tüeiter, ol^ne fid^ gu t^erge-
Ziffern, ob unb toie baS motorifd^e ©Aftern tl^ätig gehDefen
— fo l^at er im näd^ften SlugenblidE bergeffen, hDaS in=
gn^ifd^en ber SWed^aniSmug bereits g^fci^cifft i^at — ober
fielet nur ntit'l^albem 2luge ju, ob bie %i)üx, \>ox ber er
ftelift, aud^ bie fei, in n^eld^e er i^ineintoollte — ben
SKed^aniSmuS überlädt er ber vis inertise ber ©en^ol^ni^eit,
ol^ne etloa toeränberte Umftftnbe ju berüdfid^tigen ; nirgenbS
läfet er fid^ ^dt jur ^Prüfung beS t^atfäd^Iid^ Sßorl^anbenen
unb ftol!pert fo in eine SReil^e lomifd^er aSerlegenl^eiten
i^inein (bafür iffS t^^jifd^, in allen SBinfeln bie SBriffe fud^en,
bie man auf ber SRafe l^at) : f d^on ©et^aneS t^ut er nod^=
malS, jum Herten unb fünften mal — ju 5C^uenbeS unter^^
l&fet er, ioeil er, feine 3SorfteBung t)on ber SluSfüi^rung
mit biefer felbft tjerhDed^felnb, eS für fd^on geti^an i^ält.
®ie ®inbrü(ie beS SBirfUd^en gelangen bei il)m nid^t ju
lebenbiger 5ßerce!|3tion, foba^ für i^n ber Unterfd^ieb ber-
fd^ioinbet gioifd^en ber ©d^toäd^e bloßer ^pi^antaSmata unb
ber Energie objectiber finnlid^er SBal^rnei^mungen, unb in
bem ©etl^eiltfein jtoifd^en gtoei aSorftellungStoal^rnel^mungen
i^ält er baS 5Räd^fte, toaS i^m unter bie ginger fommt, für
baS, toonad^ er gerabe greifen n^oHte, unb barauf grünbet
ber ©d^abernad feine 3lnf daläge: f^jielt il^m einen fremben
^ut, diod, ©todE, ^auSt^ürfd^lüffel in bie ^änbe, um fid^ an
ben aSerloidfelungen eines fold^en Quibjjroquo ju ergö|en.
35aju ftimmt bie ©rfal^rung, ba^ gerabe „©elel^rte" —
fagen irir beffer: contem:>3latit)e Jlaturen, alfo fold^e, ioeld^e
fid^ einen „Ueberfd^ufe" beS ^nteHectS über feine bem
SBBitten unmittelbar bienftbaren Functionen erübrigen möd^-
ten — am ei^eften bem S^i^fti^^utfein anl^eimfatten — unb
24*
372 ^ie Gommuniondprot^in}.
bamit einer gorm ber Stomrt, toel^e fo-l^anbgreiflid^ tote
laum ettoa^ anbetet bie Sftid^tigfeit ber ©d^oj)enl^auer'f(i^en
(grflärung be^ Sä^erli^en, afö einer S)l8crej)anj bonXn^
fd^auUd^em unb 33egriff, belegen mufe. — S)er SnteHect
jlettt bem Slufgebot be« SBiUeng nur bie ^älfte ber au8=
gef^riebenen SRannf^aft, unb ber SBille räd^t fi^ bamit,
bafe er ben Unbotmäßigen bem SRibicule bloßjieHt, muß
aber jule|t bod^ felber lieber bie Äoften für 3nfcenefe|ung
biefer Äomöbie tragen, toeil bie ^raftif^en folgen ber
3toe(ftoibrig!eit feinen eigenen Sntereffen jum ©d^aben ge-
reiben. S)a^ ©d^o^j^enl^aueffd^e SBunber xolx i^oxri^ , bie
©in^eit be^ toottenben unb erfennenben ^^, f^eint jur
^älfte fu^!|3enbirt, unb jtoar beibe tbm baburd^ tl^eiltoeife
gef Rieben, bafe bag, toa^ für bo^ tl^eoretif^e ^6) „un-
mittelbare^ Dbject" ift (ber £eib), jugleid^ unmittelbare^
5ßrobuct unb 2Berf jeug be^ Jjraftif^en 3d^^ ift. Sleu^erlid^
ober fann biefer „el^elid^e 3^ift"/ ^o 1^^^^^ f^ne eigenen
SBege gel^t — aud^ eine fxtxpa [xavta! — ebenfo oft eine
©eftalt annel^men, in toeld^er ber SBiUe burd^ ben SnteHect
irregeleitet fc^eint, afe jene anbere eineö mi^lingenben unb
fid^ felbft bejirafenben (Smanci^jation^berfud^e^ biefer bon
jenem. (Ouanbt l|>at in ©u^loto'^ „ Unterl^altungen ata
^äu^lid^en ^erb", SReue golge, I, 3lx. 25, bieg ^l^änomen
in „anregenber" SBeife jur @|)rad^e gebraut unb babei
auf So^anneg aRüIIer^g „§anbbud^ ber 5ß^t;ifiologie",
©. 513, bertoiefen.) SBo aber bie S)o^)pel^eit innerl^alb
ber intettectueHen aSorgänge bleibt, ba ^aben toir bie 3er=
ftreut^feit im Leitern ©inne aU ben allgemeinen ©egenfafe
jum @ef ammeltf ein ; alfo in jenem ©inne, in loelc^em bor^
l^er ber jerftreute ©^üler bem ju Unaufmerffamleit nei=
genben gleid^geftettt lourbe. S)em gegenüber fe^en toir bie
©rfd^einungen ber S^^^^xmf)üt in 4l^ren borübergel^enben
jjormen am beutli^ften im SBillen tourjeln, nämlid^ ba,
ioo fogenannte „Sefangeni^eit" SBiffen unb §anbeln auS^
einanberreifet. ®g fällt bieg toieber unter bag ®efe|, nad^
toeld^em bag SEBiffen um unfer SJI^un, ba« Steflectiren auf
3erfa^rcnl&eit unb 3«fttcutl&cit 373
baffette, biefe« unftd^er mad^t — unb uns ettoaS eben
beSte)egen nid^t red^t gelingen U)iII, toeil toir eS red^t gut
mad^en möd^ten; nad^ toeld^em nur baS inftincttoe ^an^
beln mit bottet t^^ftigWt erfolgt. SBer j. 33. anfängt, auf
fein ©pred^en ju ad^ten, toer fid^ um ben !paffenbfien %n^^
brudt erfl bemül^t, toer mit 33eit)ufetfein jebem lapsus lin-
gu8ß borbeugen möd^te: ber gerabe fommt in ©efa^r, fid^
ju ,,i>^mmnm^^ (iuie ber ©d^toabe mit 3Sermeibung ber
3rt)eibeutig!eit fagt für: fid^ berf^jred^en) , ber läfet bie
näd^filiegenbe unb einfad^fie Segeid^nung unbenu^t unb ber^
fättt auf eine, bie „getoäl^lt" ober „gefud^t", unb gerabe
be^toegen nur i^alb jutreffenb ift. S)a^ §infel^en fojufagen
beS innem ©innS auf bie SSBeife, n)ie bie motorifd^en Ster-
ben fid^ anfd^iden, bie empfangenen Stufträge ju t)oII=
ftreden, fiört biefe in il^rer 2;^ätigfeit, unb jtoar gerabe
vermöge ber einl^eitlid^en Statur beS QnbibibuumS, aU
toeld^e nid^t bulbet, bafe man ba eine obfolute ©imulta^
neität (nämlid^ jtoifd^en Functionen berfd^iebener 2leufee=
rungSformen ber einen „©eele") erjioingen tooUe, too
attein eine in fiörungSfreier SSBeife geregelte alternirenbe
©uccefpon bie SbentitätSfräftigfeit beS ®efammt:=3d;S
JU erl^alten bermag. ©onft unterbrid^t eins baS anbere
unb jerftört bie 6ontinuität; gerabe toie auf rein inteHec-
tueHem ©ebiet jebeS „bergleid^enbe", „erioägenbe" 2;^un
unmöglid^ loirb, lx)o eS an fold^er gefiigfeit ber Qbentität
beS ©enfenS ober SBetoufetfeinS mit fid^ f eiber fel^lt; alfo
ba, too jebe momentane Slblenlung bom jetoeiligen Sop
ftettungSberlauf fofort beffen bollftänbige S^^öttung jur
golge i^at. 33ei getoiffen formen ber ©eifteSfranl^eit, beS
ßretiniSmuS, beS befultorifd^en „^l^antafirenS" in gieber^
juftänben erreid^t biefe Unfäl^igfeit jur ©elbftbel^auptung
beS ®enfenS inmitten beS lebiglid^ bom ^u^aU bel^errfd^ten
glujuS ber SBorftellungen il^ren l^öd^ften unb bejie^ungSs
weife an6) längft an^altenben ®rab. Umgefel^rt: tt)o jene
t^eftigfeit jur ©tarrl^eit n^irb unb hu Setoeglid^feit jtoifd^en
bem Slttemirenben auf ein 3Kinimum rebucirt ift, ba l^aben
374 3)ic (EommunionSprot)inj.
tüxt bic (grfd^einungeu a^jat^ifd^er „©tu!()ibität" (— ^on
einem d^aralteriftifd^en 3wfatnmen^ang mit Stupor) — unb
baö Sßer^ältnife jrt)ifd^en beiben ®egenfä|en tt)irb affemal
ba^ 9Jla& für ben ®rab ber Sefft^igung ju ^j^ilofo^jl^ifci^em
^enfen geben; benn biefe^ beruht auf ber ?jd^igfeit, jtd^
einerfeitö „objectit)" unb t)on jufäBig angeregten ©eiten-
bliden ungeftört in einen Oegenflanb ju „t)erfenfen", unb
bod^ barüber bem iQin unb §er bialeftifd^er ©egenfä^lid^feit
nidft unjugänglid^ ju tt)erben, t)ielme^r fein 3)enlen bon
biefem in bie redete Dfciffation t)erfe|en ju laffen — in
bie ,,red^te", toeil ^ben ein Uebermafe l^ieröon e^ ift, toa^
„gerfa^ren" mad^t. ^ie 2lufmerffamleit ift bemnad^ feinet::
toeg^ eine ganj abftracte, fojufagen rein pnnctmUc 3ben=
tität ber 3tid^tung be§ ®enfen^. Söeil fein Object fd^Ied^t^
l^in einfa^ ifi, toeil jebea eine aSiell^eit bon SWerfmalen
umfaßt, toeil ^ortfd^ritt ol^ne ^inau^blidfen auf ein jenfeit^
beö gegenwärtig ®rreid^ten Siegenbe^ nid^t möglid^ ifl: fo
barf bie Slufmerlfamfeit ftd^ nid^t auf ein ^inrid^ten ber
inteffectualen ©^)ontaneität in einer beftimmten Sinie bc-
fd^ränlen, fonbern mu^ fid^ eine ^läd^e, einen Umfang,
eine ©^jl^öre t)on untereinanber berbunbenen, irgenbeine
einl^eit conftituirenben SBorfteffungen jum ^id nei^men*
aSon biefer Setrad^tung fäfft ein Sid^t t)orau^ auf etrt)a^,
toa^ toir f^äter ju bef^red^en l^aben U)erben: ben 2lntago-
ni^mu^ jit)ifd^en Oebäd^tnife unb ©rinnerung; — jene^,
nid^t biefe, mu^ in feiner ©tärfe ju bem, \m^ borl^er bie
Sbentität^feftigfeit genannt tourbe, in getoiffem ©inne in
einer umgef ehrten ^projjortion fielen: benn ba^ leidet auf-
faffenbe ©ebäd^tni^ t)errät]^ eine geringe JReaction^fäl^igfeit
ber ba^ Seipu^tfein augenblidElid^ gerabe occu})irenben SBor-
fteffungen; benn je gefd^loffener beren (Sini^eit (ix^ie mate=
riale, logifd^e ober anfc^aulid^e ©ongruenj fie ^erftefft) ftc^
ertoeift, befio fräftiger toirb fie gegen fofortige Slufna^me
frembartiger (Slemente fid^ fträuben. ®er (Srab biefer @e=
fd^Ioffen^eit aber toerl^Ält fi^ jum Orabe jener 3bentität^=
fräftigfeit ungefähr toie bie SWu^felftärfe jur ©id^tiglett
4
3erfal^ren^ett unb Setftrcutl^eit 375
iinb Q&ffiQldt i^rer gafertejtur. ®ieg alles aUt ftnbet
feine SSeftÄtigung bei Seobad^tung ber 3^^<^^tenen, mag
man nun l^inabge^en jum SSertoed^feln bon einjelnen Sau^
ten im ©^red^en unbl Sud^fiaben im ©d^reiben, ober auf=
fteigen ju ben logifd^en ^nconcinnitäten in i^rer ganjen
^arfleHungStoeife. ©S fel^It il^nen toeber an ©ebäd^tnife,
nod^ an Intuition, nod^ felbft an Urtl^eil — aber in jebe
biefer brei Sntettectualfunctionen mifd^t fid^ bei xf)ntn leidet
^tttjaS „Sßerbre^teS" ein. 2lud^ 3li(i)t^^tt^af)xmm Jj^affirt
es ja leidet genug, bafe bei ganj flarem ®enfen bie ^unqe
bie Saute eines ober mel^rerer SBörter, bie auSjuf^jred^en
i^r aufgetragen ift, anagrammatifd^ umfteHt. ®aS Sc-
tüuM^i« ift — ä^nlid^ toie eS fid^ t)orl^er beim 3^iftreuten
jeigte — fd^on l^alb l^inauS über baS auSjuf})rec^enbe —
ober beim ©id^berfd^reibcn über baS nieberjufd^reibenbe
— aSort, controlirt ben motdrifd^en 5Rert) nid^t mel^r fidler,
iinb biefer em!pfängt toie taj)^)enb feine ©inioirfung bon
irgenbeiner anbem nad^jittemben aSorfteUung, ober — iuo
ein älnagramm l^erauSfommt — bon ben fid^ Ireugenben
^injelfd^loingungen jtoar nod^ gegenU)ärtiger, aber in=
einanbergeflojfener SSorfteHungen. Unb loeil baS ©d^reiben
no^ t)iel langfamer als baS ©:>3red^en bem Oebanfenfluge
folgt, fo erftredt fid^ dn fold^eS SSeritDec^feln beim ©d^reiben
leidet auf gange ©a|reil^ett unb il^re gegenfeitigen aSerl^ält^
niffe; unb felbfi bei giemlid^ ^o^em ©rabe ber QbentitätS^
Iräftigfeit foftet eS bem ber geber borauSeilenben Äo^fe
einige Slnfirengung , bem ©id^überftürjen unb (Sinanber-
überl^olen ber ©ebanJenletten fo ioeit ju toel^ren, bafe nid^t
baS ©efd^riebene ein ©urd^einanber bon ©ebanfenbru^-
tl^eüen ioerbe. 6r mu^ ber ©ebanfenl^aft einen S^i^wi <J"'
legen; fonft ergel^t eS il^m, bermöge ber angegebenen BpaU
tung ber ©eelenfunctionen, n)ie einem aSortefenben, ber in
bem 33eftreben, baS ©injelne rid^tig unb auSbrudESbott ju
©el^ör gu bringen, fobiel abforbirt — ober, bei großer
©eifteSbeibeglid^feit, fobiel unberioenbet behält unb an
„9lebengebanfcn" abgibt, weil i^m beim lauten ©^red^en
376 2)ie (EommumonSprotjms,
ber SSorjieHungglauf ju langfam gel^t — ba§ er fetter öon
bem ©elefenen am aUertDenigften l^aftenbe (glnbrüde ge^
tviant "S&tnn aber S^v^af^vmt gerabe burd^ Sebi^aftigfeit
ber 2lnfci^auung unb glüdlid^e Sefd^affeni^eit il^re^ ©ebäd^fc
niffe^ fid^ au^jeid^nen, fo bietet baö ein 2lnaIogon ju ben:=
ienigen^2^enti)eramentöformen, bie eine ungettjö^nlid^ rafd^e
3lece^tit)it&t unb pd^tige Sieagibilität auf ber Orunblage
eine^ mel^r afe mitteltttäfeigen ©nergiegrabe^ berbinben —
unb aud^ biefe Slnalogie toirb nid^t feiten atö eine ^betu^
titftt fid^ au^toeifen. ©esi^att ift aud^ nid^t^ unfritifd^er^.
al^ ^n^af^xmifdt mit intettectueHer ^mbeciUität ober gar
©umm^eit unb Urtl^eitölofigfeit (©infalt) ju üertoed^feln;
ein Qrrti^um, toeld^em man bennod^ oft genug gerabe in
ber Sei^rertoelt begegnen bürfte. 3GBol^l fann fid^ bie Qcx^
fal^renbeit mit biefen ©efecten intellectueller Äraft jufammen^
finben unb in il^ren %olQm fogar ben ©rfd^einung^toeifen
berfetten gleid^en, aber il^rem SBefen nad^ ift fie )ocn il^nen
fo unabl^ängig loie üerfd^ieben. 2lm öfteften toirb bie
Serfa^renl^eit fid^ in benjenigen Functionen üerrati^en, für
loetd^e Sogil unb ©tiüftif bie ®efe|e gu formuliren f)abm;
toeil e§ babei nid^t folool auf bie materielle 9iid^tig!eit ber
einzelnen Segriffe unb 3lnfd^auungen in il^rer Qfolirt^eit,
toie auf bie formale ßorrect^eit il^rer SBerfnü^jfung am
fommt, atö loeld^e ganj ba^ aSerf ber oben bejeid^neten
3bentität^feftigfeit be^ »ettjufetfein^ ift. ^m 3ln!nüi)fen
ber SRebenfä^e, in ben ^pronominalen SRüdbejiel^ungen, beim
SBrüdenfd^lagen ber Uebergänge jioifd^en jtoei Slbf d^nitten
(loobei e^ aUemal barauf anf ommt , bafe an jebem ber bei^
ben Ufer ein l^altbarer unb fid^tbar aufragenber Pfeiler
fte^e unb ba^ 83inbeglieb auf beiben jugleid^ aufliege,
b. f). folool bie SBorfteHung , oon ioeld^er man l^erfommt,
im!|3licire, aU au6) biejenige anfünbige, ju loeld^er e^ ^in=
überleiten foll, loe^l^alb bie 9Serfnü})fung um fo gefd^icfter
fein ttjirb, je Weniger biefer ®o})})elgel^alt naöt ju 3;age
liegt, je me^r alfo red^t eigentlid^ ein ^toi^dfm^ ober
„SWittelgebanfe" au^gefjj^rod^en ober burd^ ©onjunctionen.
3erfal&rcn]S)eit unb 3crftrcut]^eit. 377
b. "f). tbm SBinbeiDörter, tote „bennod^", „alfo" u. f. f.
bag 5parttci^)iren am aSor= unb SRüÄtoärt^ toenigften^ an=
gebeutet iji) — ba finb bie (Sdfteine, an benen bie 3^-
fal^renen ju gatt f ommen ; unb gro^e ©tärle ber Sntuition
bei groiset Unfid^eri^eit im logifd^en ©enfen ift nid^t t)er=
tDunberlid^er aU toie größte logifd^e ßorrect^eit ncbm
einer beinal^e intuition^Iofen älbfiracti^eit ber 3lnfd^auungg=
fd^tüäd^e, tDObon bod^ bie jpl^ilofojji^ifd^e Literatur gerabe
3)eutfc^lanb^ bie Seifjjiele legionentoeife geliefert l^at. 3^
ne^ erftere 3«fÄmmenf ein fommt namentlid^ ^äufig bei
aSeibern t>ox. ©elbft im Slfferelementarften ber Sogif, in
ber ©id^erl^eit ber 33ilbung unb ber f^rad^lid^en aSertoen^
bung be^ 33egrip mit aWerfmalen, tritt bieS 3tntinomi=
ftifd^e im SBefen ber ^tx\af}utü)dt jutoeilen ju ^^age. Sie
3>nter^unftion Jjlaubert e^ a\x^, totnn bie Siegel: „jtoifd^en
jtoei nebeneinanberftel^enbe Slbiectiba fe^e dn Äomma!" oud^
auf aSerbinbungen toie „ber erfte !|3unifd^e Ärieg" ange-
toanbt, ober ein fteigernber 3^f<^fe ^i^ ^ne 3l^)^)ofition be=
^anbelt toirb. Site ©ubfumtion^fel^ler d^arafterifirt e^ fid^,
toenn „natio" ober ,,gens" aU 5Wa^cuIina gebrandet werben,
jufolge einer 2l^})Iication t)on „®ie Scanner, SBößer u. f. \t>/%
ioeld^e nid^t unterfc^eibet jtoifd^en nomen appellativum unb
proprium. ®ie Seder'fd^e ©afellaffififation finbet an xf)m
il^ren unbetoufeten ©atirifer, tomn ein ©a| mit finalem
ut ein „6aufalfa|" genannt toirb. ®er Slbfd^nitt ber
®ö|inger*fd^en Orammatif i)on ber „Ueberfd^außc^feit ber
aSejiel^ungen" mufete bie 2lu^lefe feiner craffeften SBarnung^^
beif^)iele bei SKttern bon ber 3^^fö^^^nl^^it aufteilen; benn
in leinem ©tüde fünbigen biefe me^r aU gerabe l|>ierin —
öiel feltener in ©^Uogi^men, toeil bie )oid naiver am Sln^
fd^aulid^en il^re ©bibenj l^aben. ®er 3^^fö^t:ene liebt e^
j. S^ SHelatiba auf ben allgemeinen Sefianbtl|>eil eine^
©^jecialbegriff jS jurädjubejiel^en , unb tt)ie il^m üUxffanpt mit
logifd^en 3)iftinctionen fd^toer beijufommen ift, fo entgeht
il^m t)oIlenb^ leidet ber Unterfd^ieb jtoifd^en jjr&bicatiöem
unb attributivem ©ebraud^ eine^ Slbjectit)^. 3*od^ fefter
378 3)ic (Eommuniongproüinj.
öerl^ättt tritt ber öon il^m gemad^te %ef)Ut auf, too ein-
5Berbum mit einem !()räbicattt) gebraud^ten ^bjectiü jufammen
erfl einen S5egriff auömad^t (für n^el^en in biegfomern
©^ta^en auä) ein SBort au^reid^en tüürbe), unb bod^
nad^l^et gefonbert ttjirb, iuie toenn eine blo^ attributit>e
aSertoenbung t>orIäge (man t)ergleid^e ettoa : „franfe pfee
befommen" mit „franfe 2;^iere aufnehmen")- ^^^ 3^^-
fal^rcne gibt fid^ beim D!()eriren mit fold^en 33egtipt)erbin=
bungen gan§ nad^ ber einen ^älfte ber ^oppü^ ober
Slri^leioorftellung l^inüber, unb bie 2lufmertfamfeit ber
©e(bflbeobac^tung fd^ü^t il^n t>or SBieber^oIung beffelben
S5en!fel^Ier^ t)iel weniger, aU fte imStanbe iji, beim in=
tuitiben Seobad^ten nad^jul^elfen. 3Sor SSerfiöfeen ber an=
gegebenen 2lrt fid^ert nur baS angeborene rid^tige ©enfen,
unb Äu^erft feiten gelingt e^ bem • controlirenben Seigrer,
bon fold^er SBerfe^rtl^eit gu l^eilen. Qu nid^t^ tool jeigt
fid^ beutUd^er, toie bie Sßernunft ein bon ber Intuition
toto genere t)erfd^iebene^ Sßermögen ifl: bie generalia,
älttgemein^eiten, mit meldten e^ jene ju t^un l^at, finb ja
jum S^^eil ba^ ^robuct einer mehrmaligen ^eftillation,
eine^ mit ben 2lIIgemeinl^eiten biefer t)orgenommenen
©u^jergeneralifLrung^jjroceffe^, unb in ber ^anbl^abung bie=
fer ©eftillate lann einer grofee Unfid^er^eit jeigen unb brandet
barum bod^ fo toenig bon flarer Stuffaffung anfd^aulid^
gegebener SBer^dltnijfe, toie ettoa bom jartftnnigen aSer^
ftänbnife für fünftlerifd^e ©efüi^fönuancen auSgefd^loffen gu
fein. — S5od^ e§ ift 3^it, fid^ gu befinnen, ba& in bie ®ar=
ftettung J^er 3^tfa§ren^eit leidet ettüa^ bon ber ©a^e felbft
^ineinlommen lönnte, loenn ioir un^ nid^t beeilten, ou^
bem bi§curfit):=bianoiologifd^en @ECur§ jurüdjulenfen jur
befcri^Jtiben ß^arafterologie, bie au^ jenem refumiren mag.
Sm gangen fe^It e^ bem 3^tfa^renen an ©olibität —
aud^ fein 2;^un i)at etioa^ „Safetige^" — tüie er f^rid^t,
el^e er fein Renten unter baö SSanb einer Siegel gebellt
i^at, fo ^anbelt er o^ne bie Qbentität ber 3^^dfmä|igleit
— nimmt balb bie^, balb jene^ \)or, ol^ne irgenbettoa^ ju
@nbe ju bringen — l^5rt an allen Seiten bie ©lodten
läuten, aber fe^rt fid^ balb linfö balb re^t^, tüeit er nir^^
genbS ber SWid^tung fidler ifi* (Seine SlntitJorten pnb ta!p-
^enb, feine S)arfteffungen confu^ — feine Slbfid^ten fd^toan=
!enb, feine Slu^fü^rungen juüerfid^t^log. (Sin nid^t feiten
ebleg aSoHen läfel fld^ burd^ jebe neue Anregung ablmlm
üon bem faum eingefd^lagenen SBege — jebe Steuerung
fielet er für ben Slugenblid atö flegreid^e SSerbefferung an
— fein UnglüdE ift, bafe er gehört, nad^ %>m fül^rten
öiele SDBege — fo f|)ringt er t)om einen auf ben anbern
über, oft an ben 2lnfang jurüdt unb fommt alfo nie t>or^
toärt^. aSon ntand^erlei Slnlagen fpürt er in fid^ bie Äeime,
fo glaubt er, fie alle gleid^ fel^r cultibiren ju muffen, unb
toed^felnb ioie feine 3Keinung öon fid^ felber finb feine
Siebl^abereien. ®er 3^t:fal^rene flol|)ert forttoäl^renb über
feine eigene S^nge, ift oft glüdlid^ in einzelnen ©d^lag=
ioörtern, toirft mit treffcnben »roden um fid^, aber münb-
lid^ ioie fd^riftlid^ gibt er nid^t leidet einen ©a| \>on fic^,
ol^ne jioei donftructionen ober itod ^l^raf en f o burd^=
finanberjurüi^ren, bafe ber erfien ^älfte ber einen bie
jioeite Hälfte ber anbern folgt (toa^ natürli^ nid^t ^in=
bert, bafe gerabe biefe (Sigenfd^aften ii^m ba^ 3^g Ju
einem SSolföagitator geben fönnen) — er ift, ol^ne alle ©on^
tinuitÄt in feinem ©arfleHen, mel^r unbel^olfen al^ i)er=
fd^roben, mel^r barod atö bijarr. — ©o toirb e^ jur toaf)=
ren 2;ortur, ©d^riftflüde t)on fold^en Acuten ju lefen*
SKand^e l^alten bergleid^en für eine blofee Ungetoanbtl^eit,
für 5Wangel an ftiliftifd^em ©eübtfein; aber eX|Utraque
parte laf[en fid^ Belege gegen biefen 3[rrt^um aufbringen :
oft überraf^en nn^ ganj einfädle Seute burd^ bie Älar^eit
unb ©ef^loffenl^eit il^^rer 2lu^brud^ft)eife, obglei^ biefe
t)iellei^t t)on ©^ni^em gegen Drtl^ogra^)l^ie unb ©^nfaj
ioimmelt; itJä^renb in einigen gamilien jeneg grett beful=
torifd^e ©i)red^en unb ©d^reiben getoiffermafeen erblid^ ju
fein fd^eint — unb jloar, loenn me^rfad^e 33eobad^tung
nid^t trügt, al^ ein ©rbt^eil öom SSater, ioa^, nac^ ©d^o})en=
380 3)ie Gommuniondprot^m)*
l^auer'f^en ännal^men, barauf beuten »ürbe, bafe ber
©tunb mei^r im SWangel an fefier innerer ®inl^eit be^
aEBiUen^lem^, ate in einem S)efect ber inteHectuetten Äraft
ju fu^en fei. 3m ®egentl|>eil: ein l^o^er ©rob ftft^etifd^er
unb materialer Silbung ijl bamit fe^r tüo^l vereinbar —
aber ba^ reiche SSiffen entbel^rt gänglid^ ber f^flematifd^en
ßoncentration ; unb too baneben felbfl ^ßrobuctiöität er^
fd^eint, ba bel^ftlt fie bie gorm be^ 3lj)l^orijiifd^en, grag-
mentarifd^en* ®er geifireid^en guitf en f^)rü^en genug, aber
nie gibf^ eine jietige glamme — unb ba§ Slbgeriffene,
baÄ toir fo toenig objectiö toie fubjectib nad^ feinem gu^
fammeni^ang verfolgen fönnen, bleibt fib^ttinifd^ bunlel unb
oraleli^aft öielbegüglid^. SSiettei^t ift'^ ba^ l^ier in Siebe
©te^enbe, toaS einem ipamann ben S3einamen „SDlagu^
im Jlorben" eingetragen.
Site eine fojufagen ^)at]^oIogifd^e ®rfd^einung be§
^ugenbalter^ gel^t bie S^tfal^renl^eit nad^ ©enefi« unb $eil^
barfeit bie !|3äbagogifd^e 2;i^era^)eutif an, — 2Bo glüd^tig-
feit unb ©ebanfenlofigfeit baju ^)rftbi«^)onirt, tt)irb febr
leidet ettoa^ in berSReti^obe berfe^en, unb für fold^e Äin«
ber toirb bie S^l^eilnai^me an öffentlid^em Unterrid^t oft
gerabeju eine ©efal^r. *) Äommt bann aber bie Unbor=
fid^tigfeit l^inju, ba§ man ben ©d^üler in eine ju l^oi^e
Älaffe ftedt ober gar ioieber^olt unreif t)erfe^t, fo toirb
bie ^rognof e überaus ungünftig , unb im beften gaUe gelten
toenigflen^ S^^i^re einer ftetigen ©nttoidelung untoieber::
bringlid^ berloren, unb nur ber größten SBel^utfamfeit ber
ße^renben unb Seitenben fann e^ gelingen, tinen langfam
in^ redete @Iei^ jurüdEjubringen, berfo gerfal^renift, ioeil
fein SfbenStoägelein grünblid^ft b erfahren iourbe. — ©ot
d^en Staturen gegenüber ifi ein getoiffer ^pebantiömu^ ganj
atS ^la|e, nämlid^ jener, toeld^er mit ber ©ebulb ibentifd^
ifl, feine l^albfertige Seiftung für boH anjunel^^men — nid^t
*) SJQl. ^tatdäf, e. 306, sub iRr. 212.
?Päbagogif<i&e Sej^anblung ber S^t^a\fxm\)t\t 381
juttt rul^igern SRitf^öler überjufipringett, fobaö) ienet fid^
in feiner ,,§ibbeUgleit" \)ertannt f)at, fonbem fein SBeftn-
nen abjutoatten unb inSbefonbere fid^ nid^t mit einer 9Raut
fertigleil jufrieben ju geben, toeld^e in einzelnen l^erauös
geipolterten SBörtem nur jeigt^ ba^ fie einigermaßen üom
©egenflanbe ber %taQt SBefd^eib toeiß. 35enn ba^ ©ebfi^t
niß ^jflegt beim ^^affxmm niäft f^tüad^ ju fein, aber
tooran e^ gebri^t, ift bie logifd^e Q\x6)t be^ 3)enlen^.
Äennen ber Siegeln ift ba, aber nid^t ba^ Äönnen il^rer
Slntoenbung. — Unb nid^t minber t)errät^ fid^ bag Un-
gegügettfein ber Sleagibilität in ij^raftifd^er Sejiel^ung. ®er
3erfa^rene ift ber ©j)ielball jjebe^ augenbßdlid^en SWotit)^;
untoiberftel^lid^ jiel^t e^ \i)n ju SCHotrii^ — unb jene fitt-^
lid^e ©d^toäd^e, tüeld^e auf ber Stufe be^ ßretini^mu^ afö
Völlige Unem^)fänglid^!eit für abfhracte 3Rotit)e auftritt, fin*
bet in ben fd^Iimmfien gätten ber ^ct^af)xm\)txt gewiffers
maßen Uebergang^formen bon einer fc^toer be!j)rimirenben
©rabation, bie ai)})rojimatit) jene felbft »erreid^en, tüo jie
bie t)ierje]^nte unferer 2;em!()erament^f ormen jur SBafi« l^aben.
SJroi ciBebem aber geigt bie @rfal^rung , baß bie Slu^s
fluten bei jerfai^renen Äinbem nid^t fo burd^au^ befjjerat
jtnb, toie e^ nad^ bem 33i^l^erigen jid^ ertoarten Keße. SBi^s
toeilen bauert'^ nid^t einmal bi^ jum ©intritt bei8 5ßuber?
tätaalter^, el^e ein „gefeitere«" SBefen fi^ einftettt. SBo
bie „glatterl^aftigfeit" mel^r bon rafd^er 9lecei)tit)ität afö
toon flüd^tiger SReagibilität l^errü^rt, fel^^en mir „guter Seute
Äinb" untjerl^offt eine größere Straffheit unb aHmäl^lid^
fefier tüerbenbe ©elbftcontrote geix^innen. ®ie SBed^fet
bejie^ung felber jtüifd^en SBitte unb ^fntettect ift erftarft,
unb als Slnfang ber Sefonnenl^^eit l|>at jtd^ bie gäl^igfeit
eingefunben, aus ber Qcv^ixtntf}üt — ber SluSeinanber-
gejogenl^eit — distraction — fid^ ju „f ammetn" ; bag Un^
vermögen, „an bie ©ad^e fi^ gu l^alten", bie airpo(js$ia,
ifl übemjunben, unb eins ber für ben ©rgiell^er unmittel-
bar erfreulid^ften SRefultate ift erreid^t* 6S l^at aHmfti^lid^
aufgel^ört, baß jeber ßeinfte (Sinbrudt bie J)f9d^ifd^e SReac^:
382 ^ie ^ommunionSprot^in).
tion tt>a6)xn\t, nnb bamit bie gal^I ber „fiörenben" SBor^
fommniffe beträd^tlid^ abgenommen, unb biefer, bie ^ex^
fal^ren^eit gunft^ft minbernbe, ?ßroce^ toirb l^intoieberum
geförberl burd^ bag öom 33en)u^tfein enblid^ gelingenber
ßrfolge gefrftftigte Qntereffe am Unterrid^töobjecte felber.
®er Rmhe ober ba^ 9Räbd^en bekommen ie|t ,,®efd^nta(I"
am Semen (l'app^tit vient en mangeant), beiden ]^erj=
l^after an, unb bi^n^eilen J)Iö|Hd^ unb überrafd^enb, toeil
fd^einbar unvermittelt, „gel^t i^nen ein Sid^t auf" über
®inge, bie il^nen fonft bunfel blkben — fte l^aben fi^
orientirt in ber fo lange fremben SBelt, unb mit bem er-
ften SSerfiÄnbnife jugleid^ ertoad^t ba« aSerlangen nai) mU
term; ber Serntrieb vereinigt bann fd^on beibeS: ber aBitte
ftad^elt benQntettect, i^m neuen ©toff jujufül^ren, unb ber
Snteffect näl^rt biefen ®ifer — loenn nid^t ba^ Unglüdt
n)itt, baj5 bem ^ungemben toieber ber 5IWagen überlaben
toirb, unb biefer bann in bie alte ©d^Iaffl^eit jurüdtftnft.
gafi ©a| für ©a| fte^t biefer Darlegung bie 2luto=
rität ^lattid^*^ jur ©eite, unb toeit fie gro^entl^eitö von
ber Slrt ifi, bafe bie au^ Unerfal^renl^eit 5pebantifd^en fie
befreiten ober toenigften^ me^r !|3araboj atö toaf)x finben
iverben, fo tooffen ioir ei^ nid^t verfd^mäi^en, tt)a§ unab=
l^ängig von biefem ivürbigen Sunbe^genoffen gefunben unb
au§gef!|3ro^en ivar, burd^ ?ßaraffelftetten au^ i^m ju ftü|en.
©0 Vergleid^e man benn, a. a. D., ©. 259, 282,
289, 290: SBer curioS ift, ber benft gern. SBenn
man alfo einen curio^mad^en fann, fo fannman
aud^ mad^en, bafe er gern beult. ©. 291: ©al^er
aud^ einem 5IWand^en nad^benf Itd^e ©ad^en ober ein gefd^eiter
3)iscurä lieber ift, afö bie befte SWal^ljeit ober anbere er=
gö|lid^feiten* ©benbafelbft: ©^ finb unterfd^ieblid^e ^inber=:
niffe, tt)eld^e mad^en, bafe bei jungen Seuten ber aSerftanb
nic^t red^t tofid^ft, j. SB. toenn fie trag ftnb, nad^jubenfen,
toenn fie ffüd^tig finb, toenn fie ju viel memoriren,
ivenn fie ber 5ß^antafie gu Viel ben Sauf laffen, ivenn
fie 3)inge lernen,* bie über il^^ren ^orijont finb.
$dbagogif(i^e 9e(^anblun<) hex Qtx\a\)xtni)t\U 383
toenn fic immer einerlei tl^un, toenn jte ni^t^ Steuer mel^r
lernen fönnen. — ©. 206: ®^ l^at mir aber bieg Oelegen^
l^eit gegeben, eine Sleflefion ju machen, tüarum' fo toiele
junge unb ertoad^fene Seute tl^eite nur eine S^t l^ng,
tl^eil« aber Wttig ftittfiel^en toie bag Sieben be^ 8Baf=
ferS feinen getoiffen ®rab erreid^t, tomn man aud^ baS
geuer nod^ f o grofe ma^t , toie ber 3Renfd^ bei bem SBa^g:^
t^um feinei8 Seibe^ feinen ®rab ber ®rö^e erreid^t, toenn
er aud^ gleich immerfort ifet, toie t)orl^er. coli. ©• 207.
^aiM ©. 183: @inige junge Seute nel^men bei il^rem Ser^
nen immer um etoa^ ju« ©inige aber lernen immer, unb
bennod^ äußert fid^ bei il^nen lange 3^* ^^^ SBad^^t^um,
bod^ gefd^iel^t eS, bafe bei fold^en öftere auf einmal
ba^ Sid^t aufgellt, n)eld^eg man im ©jjrid^wort alfo
au^jubrüdEen pfiegt : ©^ fei ber Äno^f gebrod^en. ®g ge^t
nämlid^ bei bem SBad^^tl^um ber ©eele ebenfo, tt)ie bei
bem SEßad^^tl^um beg Seibe^. . . , 9Wan mu^ bemnad^ bei
einem jungen 5Wenfd^en ber 3^ü ertoarten unb i^n ja nid^t
übertreiben, coli. ©. 201: SBBenn junge ßeute il^re
^ortfd^ritte toal^rne^men, fo befommen fie eine
Suft jum Semen.
Um biefer })f^d^ologifd^en ®rfal^rung n^itten barf man
aud^ bie 2lnloenbung toürjl^after SReijmittel nid^t ganj \)er=
fd^mäl^en. *) — (5Wand^er t)erbanfte erft fjjäter „2lnregung"
burd^ einen „geifireid^en" ©ocenten bie ©elbfterlenntnife
feiner inbi\)ibuellen ©eifie^anlagen.) ?lur f offen bie ©timu=
iantia nid^t an bie ©teffe ber SRal^rungiSmittel felber tre-
ten — unb fd^on barum em))fiel^It eS fi^, jeben ©d^üler
me^rem Sel^rern gugleid^ ju übergeben, bamit tm ©in-
feitigfeit bie anbere au^gleid^e: ber 5pi^iIolog bie be^ 5IWa-
*) glatt^, 0. a. £)., @. 260, fiugcrt ftd^ bo^in: Tlan muß bcn
^inbem erfl Stet in ben Tlnnh fliegen, bann getoö^nen fte ftd^
felbfl 3u effcn. Wlan t^ut aBer ntc^t« für fiäf fclbjl (b. ^. f|>ontan),
folange man ed nid^t gern tl^nt — man mng bamm 9|)^etit gum
fernen mad^en, a)?^etitma<i^enbe @^etfen i^crtegen*
384 S)ie 6ommumonSptot)mj,
tl^cmatifcri^, ber Sogifer bie bc^ äeftl^ctifer^, bcr „(Sin=
jjaufcr" bie bc« genialen „SBdtblidnmitexa^'. — 3ta^
Dbigem verliert au6) ber tritjiale äui^brud: mand^e ©d^ü-
ler tooHen fid^ in unb au^ jeber Älaffe erft burd^fi|en,
fein äbfurbeS unb ®el^&fftgeö *) — man mag ei3 mit einer
ber ©^rad^e ber 5ßferbejüd^ter entlel^nten SWetoipl^er dn
geijHgeg ^urd^gel^aferttoerben nennen**) — au^ bie „ge=
funbefte" unb „frftftigfte" Äoft mn^ ja tjerbauKd^ fein unb
toirfßd^ t)erbaut toerben, um SBlut in bie 3lbem unb 9Warf
*) Unb toieber lann glattt(]^ Reifen, mit einer bur(i^fd^(agenben
Unterf(i^etbung bie ^KgemetngiUtiglett bed (betagten gu erl^ärten unb an«
fd^aulid^ ju belegen, a. a. O., @. 347 fg. (ögl. oben @. 10 ^itnm.) Ttan
Dcr»ed(if ele ntd^t fd^toad^e Sngenten unb ingenia tarda ; bief e flnb ben
ingemis prsBcocibus entgegcngefe^t — bieSöcibeaäd^flrafd^er
aU bet (Si^'bavLm; ingenia tarda fönnen bie gtünblid^flen Seute
toerben — man mn^ nurbad %tntXf ba9 fie t)on ben f(i^b)a(^en nnter«
fc^eibet, l^erau«crfenncn (übrigen« ,, brandet man nid^t tanter Sid^ter
in ber Söelt, man toitt and^ ^ßn^fd^eren l^abcn"!) — fie memoriren
fd^ioer, begreifen (angfam, i^r SJ^ebium if! bad ©d^reiben o^ne @e«
be^e, @. 198r 447.
**) S^x 3(u$»abl, toenn^S einer ^übjd^er ober „ebter" finbcn
fottte, fe^en loir ba« entf^red^enbe glattid^'fd^e ©leid^nig &er (@. 192 fg.) :
(i9 gibt t)ierer(ei ^eder: Einige ftnb gut oben, toeiter unten fd^Ied^t;
anbere oben fd^Ied^t unb toeiter unten gut, anbere oben unb
unten gut, anbere oben unb unten fd^Ied^t. ©bcnfo gibf« viererlei Äb^fe:
bei ben erflen xoxti e« i)txna^ nid^t n^eiter, bei ben jtoeiten gel^t ed erfl bart,
baß fie fclber unb anbere ben 3Äutb finfen loffen — \pättx gebt e« gut,
toann fie einen anbern $oben, nämlid^ ba« Subictum, er«
reid^en. ^ie (Srflen taugen gu einer fu^erficieKen^enntniß unb gu
^pxad^m (!), ©ijlorte, ®cogra|)^ie u. f. to. unb fbnnen vielerlei
lernen. — 2)ie 3^^^^^^ f^nb nid^t ju bielertei aufgelegt (bertangen
atfo Non multa, sed multum) unb taugen gu fd^ujeren unb tieffln*
nigen fingen, ^ie 2)ritten ftnb gu allem gefc^idt, fon)ol[ gu ^ifto^
rifi^en a(« ingenibfen unb nad^benf(id{ien fingen, unb toenn fie
geratben, fo gibt e« öortreffUd^e Scute. „^Ifo foU man iti
gutem Anfang nid^t gu (aut fd^reien, nodft hti fd^Ied^tem
gleid^ öergagt fein." — 25a«, frage id(i nun, bebarf e« nad^ bie«
fem nod^ toeiter 3cugnig für ba« fo oft t)on mir gegebene unb fafi
ebenfo oft be^rittene ©ignatement ber bloßen „Sjtemporalefö^fe'',
ber eigentUd^en 9ie^r&fentanten für bie erflbefagte SBobengattung ?
$äbagogif(J^e Se^anblung ber 3^^fA^^^nl^cit 385
in bie Änod^cn ju btingen. äCBein nur ,,©ettflefyen mad^t
fett"! ttjie ein aSBort ber SSoIfötoei^l^eit lautet, mit toeld^em
t)or lurgem nid^t übel in einem })reu§if(i^en ©d^ul^rogramm
eine 9ieii^e bel|ierjigung^n>ertl^er ipAbagogifc^er SSetrad^ftungen
eingeleitet tourbe**)
Unb iDie jur (Srgftnjung mag l^ier ein ^^uä einge^
flod^ten toerben, bejjen Umfel|irung ing ©aljmann'f d^e ,,Äreb^5
büd^lein" gel|i6ren toürbe, ettoa unter ber Ueberfd^rift : SBie
bringt man e^ fidler bal^in, ba§ einer „fid^bumm lerne"?
afe :t)robatejleg 3Rittel l^ier ju toürbe ^atti^ em})f ol^len l^aben,
men nur red^t ju „übertreiben" b. f). ju ^e|en, ju for-
ciren unb mit aUiu fd^toetem ©toff ju überfüttern**)
(pQlB. 16 fg.). SWit Siegeln überfd^üttet, beiberen 3lntt)en=
*) ^(atttd^, naäf einem oft Don i^m gebrand^ten SieBIingdbUbe,
@. 292 f9. coli. 181 fg.: Sie bie ©Reifen burd^ Qgffen in benilÄagen
unb bux(i^ bie ^erbauung in ben Seib gelangen ^ fo bad Gelernte bnrd^
^ttfmerlfamfeit {hit fomit bem be»u6t*fj)ontan/n (Sffen entf^rid^t) in bie
®eele, unb burd^ bieUeberlegung unb eigene^ 9lad^benfen (ba^ tote ber
^igefltond^voceg nid^t feiten in einer unbetougten ,,9{uniination'', nad^
<gd^o^en^aner'fd^em Sluebrucf , bor jld^ ge^t, f. glattid^, @. 181) toirb
ed in ber <^ee(e Mftig unb fontmt ium Sad^dt^um; benn (@. 249)
man fann nur burd^ eigenes 9lad^benlen gefd^eit »erben — ber Se^rer
fann nur aufmuntern (tote jum @ffen)^ geigen, fagen, toad unb
toie man eö ti^un fo(I — man fann aber fo toenig für einen an*
beru lernen, koie für il^n effen.
**) glattid^, a. a. D., @. 182 fg. coU. 443 fg., @. 319: Senn
man träge unb Derbrieglid^e 2tviti gu ))ie(em fernen gtoiugt , fo Der«»
lieren fie fafi alle ^ctioitSt, »erben immer bümmer unb un«
braud^barer — coli. @. 326: toenn g. (g. eine« (Bäht im 9'iad^benlen
befielet, unb er bind^d^^^ ^^n fd^Ied^te« (9eb£d^tnig ^at, fo toürbe
man mebr t)erb erben al« gut machen, wenn man i(n mitblo«
gem SD^emoriren quSIen tooffte. @. 381: @d toirb ber Sille
nid^t burd^d i^efe^ten gemacht, toedwegen aud^ Volo fei*
nen 3m^eratit) ^at. <S. 378 toirb »egen barau« folgenber
^d^toSd^ung t)or Ueber^afhtng anöf bei febr lernbegierigen ®d^ülertt
^etoarnt. (Snblid^ <^. 306: ^a« 9tad^benlen unb Ueberlegen fann
man nid^t ergtoingen. 3a, ie mebr man ed er^toingen toill,
beflo bümmer »erben bie iungen Seute, inbem fie ba«
burd^ confu« toerben, unb biegurcbt unb 9ngfl mad^t, bag
fie nic^t nad^benfen fdnnen; coli. ®. 181 fg.
Sa^nfen, S^aTatteioIogte. I. 25
386 2)ie (Eommunion^pro))in}.
hutiQ er aUemal ba^ SRol^eur ^at ^/fel^ljugteifen^^ n[)etl er
fie ni(^t Derflanben unb be^l^alb blinblingg tafienb juta})}3t,
toertoirrt O^berbieftert") ftd^ ber ©(^üler immer mel^r, toirb
alle Xa^c confufer unb l^ätte bod^f ein Reinere^ Quantum
Semfioff ganj ö)0l|il betoftltigen fßnnen, toenn eS il^m i)er^
flattet getoefeit toäre, in 5Berl|iaitniffen ju bleiben, bie für
Ärüge mit fo engen §ftlfen — nad^ bem Stuöbrud Duin=
tilian*^ — bie })affenben ^Jrid^ter angutoenben erlauben,
aber aud^ bie^ ifl einer ber g&tte, tüo man gern unbefel^en^
bem Seigrer bie ©d^ulb gibt, afö l^abe er e^ bamit ber-
fel|ien, SBafjer auf flad^e ©d^üffeln ju ftürgen, tok tomn
er Tonnen bor fi^ l^fttte — er barf io6) au6) t)erlangen,
ba§ man il^m auf l^öl^em ©tufen au^fd^Iiefelid^ (Sefä^e
üon ber S^iefe toenigfien^ eineö Äübefe unterrüde. — ©tatt
beffen fielet er fid^ freilid^ mand^er Drten burd^ Oefefee für
©d^ulorganifation, beren Intentionen ebenfo toeit au^er-
tialb ber rein i^ftbagogifd^en, toie ber toiffenfd^aftßd^en
3n)e(Ie liegen (fofern fie gett)iffe Siedete unb SSorred^te bon
abfotoirten ^enfen abl^ängig mad^en), genötl^igt, fd^toad^e
©eifter mit allerlei adminixjulis toie am <Bpalm gro6ju=
jiel^en, auf Unfofien naturlid^ ber au^ fid^ f eiber l^erau^
ftrebfamen ©d^üler, tt)eld^e injtoifd^en unbefd^äftigt unb
infolge beffen üerbammt bleiben, auf bem 3lii:>eau ber aWittet
mä^igfeit ju tjerl^arren ober fid^ SlHotrii^ jujutoenben,
toeil il^nen t)on ben befteHten Äoftgebem ba^ redete, il^nen
angemeffene SRal^rung^mittel i:>orentl^alten toerben mu^.
Unb ba§ SBiberfpiel gu bem, toa^ toir fo auf rein
inteKectuellem ©ebiete tjorgel^en fe^n, l^aben toir in pxah
tifd^en SSerl^ältniffen ba, too ber „gute SBiUe", bem e^ an
Urtl^eil -gebrid^t, „fojjffd^eu" toirb. ©o mand^er möd^te e^
einem anbem gern in attem „red^t mad^en", unb bod^ toill
i^m ba^ nie gelingen, toeil er fid^ toie ein ©flai:>e ol^n'
ade Unterfd^eibung („©i^cretion") in traurigfter Sud^fl&b::
lid^feit an gelegentlid^ unb für befonbere gätte geäußerte
SBünfd^e unb SBorfd^riften flammert unb biefe, atö ob fie
unbiegfame unb unbebingt gültige ©efe^e fein follten.
£o)rffd^eulE^ett utib 3)idfeOid!eit. 387
ftngfttid^ au^fftl|irt. 2)e^l^al6 bod^ immer toiebet gefd^oltw
ober minbepen^ Älagen über feinen Unt^erftanb nid^t ent
gel^enb, toirb er julefet gftnjUd^ irre an feinem Äßnnen unb
gibt bie SJerfud^e ju bef riebigen auf, fei e8 in S^rol, toeil
er e^ f att f}at, ftd^ ftetö lieber t)ergeben^ ju fragen : ,,ob*^
fo tool gut ift?", fei e^, bei tjortoaltenber ©utmütl^igleit,
in betrübtem SSerjagtfein, ba^ er fid^ auflagt: ,,id^ bin
benn ja alfo ju gar nid^ft^ ju gebraud^fen". *)
10. ^nttxmmo: ^idfettigfeit — ®utmUt|igfeit — huh
itnhts ^usffatxtn.
Qene erftere Slrt ber Äo!t)ffd^eul^eit fielet ber fogenannten
S)i(JfeIIigfeit fel^r nal^e, unb toeilin biefe aud^ bie ju lange
auf bie ^robe geftettte ©utmüt^igfeit gern umfd^lftgt, m&^
gen t)on beiben ein paax SBorte überleiten ju jener ®e=
bulb, bie nid^t an^ ber matten ©|)ontaneitftt , fonbern au^
bem bett)u^ten ©id^fügen ftammt unb bal^er mit bem er^
ftarfenben Qntellect it)ad^fen fann.
®S ift fd^on bejeid^nenb^ bafe man immer nur t)on
bidfettig toerben, bidEf ellig mad^en fi)rid^t — man benft
alfo babei nid^t an fold^e, bie fd^on i)on §aufe au^
5ßad^^bermata finb. Qm ©egentl^eil, eine getoiffe jarte
(Sm|)fÄnglic^feit für bie ©inloirfung frember 33Billen§äu6e=
rungen mu| t)oraufgel^en; e^ finb an fid^ „loyale" 3la^
turen, bie unter untoeifer S3el^anblung fid^ ijerl^ärten. **)
©omeftifen unbSolbaten, alfoSeute, bie urf^jrünglid^ fein
*) glattidj, ©. 255: ,,3« "«« 3«it i""«* "« junger iKcnW,
er fi^nne tttoa^ unb l^at guten ^ntif, gu einer anbern S^t fü^It er
feine @(^n)ädi>e, er benft, er Wnne nid^t« unb ijl toerjagt. — 2)ie*
ienl[6n}eci^fe(ungen finb bie gleigigflen am meiflen unter««
njorfen.''
**) 2)er Urf)>rung ber Wlttap\ftx totxft und ja anäf ni(^t auf ben
®fe( an fiii^r fonbern auf ben unter gn)e(fIofem prügeln in feinem
(i^igenfinn t>erfle(tten (Sfel, a(fo aud^ auf bie burd^ anberer iSaunen«
^aftigfeit erft ^robedrten „Sft&dtn**.
25*
388 S)ie Sommumon^;i)roi>tn|*
5tt|el t>Dn independence fU(^t^ bie ^iäme^t im 9eti>u|t=
fein i^ter Unfelbfiänbigfeit unb üfx^ „b^äfxäxitm Unter-
t^anenbetflanbe^^^ bereit genug f^nb, ft(^ leiten ju laffen^
fUtc^ten ^6) enblid^ hinter S)idfeOigIeit^ t^enn be^ ^ubelnS
)u biel unb bed SujonirenS fein @nbe n^irb. ©ie befc^ei^
ben ftc^ eine 3^ ^Q ^^t gem^ nic^t immer bif Slbft^t
bei ben il^nen ertl^eilten Sßeifungen i^rer SSorgefegten )u
bur(^f(^auen — fie bringen fogar eine getoiffe gutmiUf^ige
aSertrauenSfeligfeit benfelben entgegen. Slber toenn immer
jid^tbarer bie reine SBittlür fid^ borbrängt, toenn fie gänj^
lid^ imdlo^ in bem Keinen 9teß il^rer )>erfdnli(^en ^ei-
^eit fid^ gefränft fül|ilen, tomn fie merfen, eiS fei nur
barauf angelegt, pd^ in leeren ©jiperimenten i^re^ unbt=^
bingten ©e^ord^en^ ju öerftd^em, toenn ba^ t^nen gejlem
unb l^eute äCuf getragene fid^ fi<^tlid; genug toiberf ^rid^t :
bann bämmert in i^nen ettoa^ auf toon bem »etou^tfein:
„tt)ir finb bod^ aud^ 5!Wenfd^en fo ju fagen!" unb felbfl ber
biSl^er l^ünbifc^ „Äufd^enbe'' unb Äried^enbe leiert jule|t
eine ftiurrenbe unb fnorrige Siffigleit l^erau^, jtoar nid^t
fogleid^ gegen bie „aSorgefe|ten", aber im Äreife ber ©leid^-
gefleHten (Äafernenttjftnbe unb ©efinbeftubcn toürben mand^
aSer^lein ^iert)on ftngen fönnen), unb er lä^t e^ bod^ ,,erfl
fe^r an jxd^ l^eranfornmen", e^e er toieber ,,Drbre panxf'.
S)a^ Jeau|)tmotib l^ierbei ifl alfo eine inftinctib fritifd^e
©fe))fl3 an ber Autorität : ber ©idtfeHige ifi irre geworben
an ber intettectuetten unb moralifd^en ©u})erioritÄt beffen,
ber „i^m ettoa^ ju fagen l^at". *)
*) 98ie fid^ fcld^e Stimmung j. 9. enmidett, tt>o ein (^ittd^err
o^ne rechte (Sinfidjit allerlei iReuerutigen mit feinen ^^Seuten'' ^erfud^t
imb fid^ babei einmal über bad anbete eine $li)ge (,,ein SD^mentt'')
gibt , i^ tteffUd^ bargeflellt in ^ri^ 9leuter'« : Ut mine ettomtib, too
gerabe ha9 92atureII bed mecflenburgifd^en ST^enfd^enfc^tagd olle $or«
bebingnngen für einen berartigen $roce§ il^m entgegenbringt, ^amtt
mag ^ier benn gleid^ ba9 &(in(id^e $(änomen jnfammengeßeQt toerben,
bag bis bal^in ruhige, in fi($ getebrte, i^^Iegmatifd^e iRoturen pU^^
a($ ,,nUtV\äf** tt>erben: xft bad SRag ber ^ebulb enblii^ üoU, fo
2)ie ®utntüt]^ig!eit. 389
®atau§ crtiftrt fid^ tjon fetter, toarum nur SBöHet
flaiDifd^en unb germanifd^en ©tomtneg biefe ©rfd^einung
jeigen'unb fd^toerlid^ jemate Stotnanen, benen baju bie
langmütl^tge ®ebulb abgei^t — fie toerben nid^t einmal ein
SEßort bafür l^aben; benn ber bloßen Saune fe^en fte lieber
actiöen ate })afftt)en SBiberjlanb entgegen, unb ein ener=
gifd^ereg SRed^tögefül^l mac^t bei il^nen weniger geberlefen«
mit ber aßiHfür; — felbfl ber t)erl^altene ©rimm ift bei
iifmn glül^enber ate beim ^eutfd^en, bem burd^ unb burd^
©utmütl^igen". SBenn bei biefem bie „5pietftt" gegen ba«
angefiammte" gürflenl^aug unb „ SWed^tögefül^l " coHibiren,
trägt lüol getoöl^nlid^ jene ben ©ieg baöon unb toirft ba:^
mit ein grelle^ Sid^t auf ba^ eigentlid^e SBefen ber meijien§
allen toillfommenen, aber bod^ t)on ben Älugen fiet^ be^
läd^elten „Sutmüt^igfeit". ©enn toie mand^erlei gel^t nid^t
ein in biefe „breiige" ©ubftanj! Slu^brüde toie „ein gut=
mütl^iger Xf}ox'' — „gutmütl|iig aber bumm" u. ftl^inl. t^er-
rati^en beutlidji genug, „tt)eJ3 ©eifte^ Äinb" bie „©nfalt"
ift, toeld^e beim ©utmütl^igen burd^brid^t. ®ie geiftige
„aSefd^rftnfti^eit" l&^t il^n ebenfo tt)enig merfen, tt)ie man
ii^n mii^braud^t, feine „©ef&Cigfeit" ausbeutet, um i^m
fd^lie^lid^ mit einem l^öi^nifd^en „®er 3Hf>f)X lann gelten"!
feine ©imiffion gu geben*), aU fie il|in fd^ig mad^t, jemals
ff
ISuft e9 ü6er nnb bann aud^ gleid^ gang (eer. Wlanäftaal Uvnfft bied
auf bem unDermntl^eten @r»ad^en bed @elbflt)ertrauend, nad^bem bie
eigene traft einen befiimmten ^ö^e^unft erreid^t ^at, unb lünbtgt ftc^
bann tool an bnr<^ einen fünfind^en, auf bem ^ege ber S^efle^ion erzeugten
3orn, iveld^er fld^ borfagt: id^ barf mir bied ober ba9 nid^t mel^t ge«
faSen kffen. $[ber nur nnfid^ere iRaturen finb fold^em Slufbraufen
auögefe^t — om meinen tinber unb SBeiber — unb eö ^angt gu»
fammen mit bem (angräd^igen )Q$efen ber S)eutf($en, t^rem anfam»
meinben ,,9{a(9tragen'' erlittener Unbilben; ber toal^^rl^aft Sefonnene
SD'^ann totrb fid^ hzi geiten gu toe^ren »iffen unb z9 fo n>ett gar
nid^t erjl !ommen laffen.
*) SßQl bad aaerUeb^e ®ebid^t bon iRiloIaud i^edfer (bem ^er«
faffer be« SJl^einliebe« , tta« biefe« felber in feinem forcirten Orimme
c^aralteriftrt), ^ie treue $aut
390 3)ie SommumonSpro)}in$.
na6) feften ®runbfä|cn ju l^anbcln. ©o erflfirt Unn
feine UnjutJeflftfflgfeit neben feiner ,,^a(Jefeligfeit" ^in-
iänglid^ bie SBerad^tung, tt)elc^e il^m jutl^eil toirb, bi^ ein=
mal auä) fein ,,@ebulb^faben reifet" unb nun bie ^lunH3e
Unbel^olfenl^eit be^g ,,ttippi^i)m SKefelein^" (toie ^einrid^
§eine bie beutfd^e Station foH genannt l^aben) mit il^rem
blinben Stufbraufen unb 2)reinf(i^Iagen ebenfo fomifd^ iDirft,
lüie t)or^er ba§ Sitten ^ftci^ 5 gefatten4affen. iSo tritt am
beutlid^ften in ber enblid^ fid^ ergebenben ©idfeffigfeit jene
SSerbinbung ju SJage, meldte im ©rofeen unb ^ifiorifd^en
toie im Äleinen unb Slfftftgttd^en un^ fo geläufig ifi: gut
mütl^ig aber eigenfinnig. ®ine geö)iffe Seid^tgl&ubigfeit
ift ber befte ®ung für bie S3ereittt)ittigfeit, fid^ gutmüt^ig
^ftnfeln ju laffen, unb t^ipifd^ hierfür ift e^, bafe bie ©eut-
fd^en benfelben Subtoig ben frommen genannt l^aben,
meld^er ben granjofen le D^bonnaire l^eifet. ^enn bie
mattl^erjige (Snergielofigfeit beö SBo^tooIIen^ , toeld^e bie
©utmütl^igfeit d^arafterifirt, ift gar toeit t)erfd^ieben öon
einer ebeln Sel^arrlid^feit, bie jebod^ mit jener jutoeilen
baö ©ine gemein l^at, bafe fie fid^ nid^t mag „toi^igen"
laffen burd^ SSerfennung unb ^WiSerfolge, unb lieber il^r
§erj toill t^erbluten, afö i^r ^od^finnige^ ©treben fahren
laffen. greilid^ jiel^t aud^ juit)eilen ein 6l^ara!ter, ben
tl^atfrftftigere^ SBoffen unb umfid^tige Jtlugl^eit bei einem
entfi^red^enben ®nergiegrabe n)er!tl;ätigen SJlitgefül^lg länger
aufredet erl^ftlt, enblid^ fid^ trauernb in fid^ felbft jurüdf,
tomn immer toieber bem reblid^en Semül^en nid^t^ afö Un=
banf unb Slblel^nung loi^nt — unb aud^ tomn fold^ ein
Sirad^ten äufeerlid^ jule|t nad^läfet, b. 1^. jeben ©ingreifen^
in bie 6om:j)leje ber ipraftifd^en 3Birflid^feit fid^ entl^<,
läfet e^ fid^ bod^ nid^t erbittern, obgleid^ eS bem Unerfennt=
lid^en aud^ nid^t ben .2;rium^)^ ber Ueberlegenl|ieit gönnt.
63 repgnirt mit ber aUerfd^merjlid^ften ®ntfagung felbfl
auf Setl^ätigung be^ beften SBoUen^ — unb bielleid^t erfl
bie 5rtad^tt)elt i:>ernimmt ben legten ©eufjer ber fo gefnidCten
»ruft, it)ie in ^o^epf)'^ IL felbftgetoäl^lter ©rabfd^rift^
©elaffenl^ett unb @tge6ung« 391
%bn Qani flanglo^ t^offjiei^t ftd^ oft baffelbc SWart^tium
ungeal^nt in tnanci^ treuem grauenbufen, jumal an ber
©eite toller, au^fd^toeifenber ®atten. *)
SRirgenbtoo anberö aber fornmen ijietteid^t religiöfe
SRotibe fo toirffam in^ Qpid afe in %&Uen tt)ie ben l^ier
befiprod^enen — unb toeil bie ®mi)fanglid^!e{t für folc^e
bod^ tt)enigften^ tl^eitoeife aud^ ©ad^e be^ SBerl^ältniffeS
jtoifd^en 33Bitte unb ^nteUect ift, fann e^ nid^t für ein
alienum a proposito gel^alten n)erben, tl^rer an biefer
©teile einmal f^jeciett ju gebenfen.
S3ig auf bie ©rfd^einung^toeife ber einfad^ften d^arafc
terologifd^en (Elemente erftredEt fid^ bie ©eftaltung burc^ jene
3Jlotit>e. SBie fd^tt)er ^ält e^ j. 83. oft, ju ergrünben, ob
tt)ir angeborene ©ufolie ober2)^^foüe \>ox un^ ^aben, too
ein toirflid^ ,, lebenbige^ " ®ottt>ertrauen über ba^ ganje
SBefen bie friebeijotte 3tul^e ber ®elaffenl^eit l^inbreitet!
3Ba^ i)om griboßn gefagt ift:
2)od^ au6f ber Saunen UeBcrmutl^
^ätV er geeifert gu erfüllen
^Klit greubigleit um ©otted totden!
ifi bie S)et)ife für biefe ganje ©attung, ate beren 3itpx&^
fentanten mir bei ©dritter aujserbem nod^ ben alten SSater
S^^ibaut b'3lrc l^aben in ben Slnfd^auungen, au^ toeld^en
bie SBerf ennung feiner SJod^ter motibirt toirb, toie ftd^ am
beutlid^ften im ^rolog jur ,,3ungf rau* ijon Orleans" au^-
]pxx6)t
„ßrgebung" nennen toir e^, toenn ber menfd^Iid^e
®igentt)ille caipitulirt in Slnerfennung göttlid^en SBitten^
unb SBalten^ mit l^ingebenber Untertoerfung unter göttlid^e
*) SBer aber gu „totidf" ifl, gu »enig ^Jeflflenjlraft ^at, um
bidfelltg gu toerben ober jur SReflgnatton gu getangen , ber fann unter
berfetben, unaudgefe^t ni5rge(nben, 8e^anblung gu(eQt , an fld^ felbet
irre toerbenb, — ,,ben ©erpanb öcrüeren".
392 3)ie SommuntonSptoi^in).
Sßdd^eit; — fte ffot aU fold^e aEemal i^r SDttelat m einer
„©^idunfl" ober „gügung", toel(^er ber „fromme Sinn"
fid^ ein= unb unterorbnet, in toeld^e er balb „ft^ ju finben"
loeife; loä^renb ber ©toici^mu^ nur „©tanb l^ftlt" bem
unab&nberli(^en $atum unb mit einem 9tefi t)on $romo-
tJ^eu^'^ro^e ^agt: ^u lannfl jule^t mir bod^ im innerßen
Aem nic^tö angaben!
!93er l^alf mir
SBibcr ber 2^itancn Ucbcrmut^?
föer rettete t>otn £obe mtd^^
»on ©flatocrci?
$afi bn ni<i^t aUtß felbfl t>oSenbet,
^txÜQ glü^enb ^era?
Sa bid^ iSta^) c^rcn? SBofür?
^afi bu bte ©d^mergen geltnbert
3e bed Selobenen?
$af! bu bie ^(rSnen gefÜQet
3e be« ©eSngfleten?
$at niäft mit^ gum SDi^anne gefd^miebet
2)te aUmäd^tige 3^^^
Unb ba9 etoige <Sc^i(ffaI,
SDieine $errn unb beinc?
SEBo^ aber ftä^tt, ifl l|iier loie bort bie einfielt in bie
SRotl^toenbigfeit. ®amit l^ört nid^t auf toa^r ju fein, toa^
tt>ir oben (©, 65 fg.) erfannt: e^ gefte t)on ber ©ebulb me^r
ci& t)on anberer „2;ugenb" baö SBort Sarod^efoucaulb'^,
baJ3 fie „2^enH3eramentöfad^e" fei — aber ebenfo geioi^
ifi: too fie aU i^re eigene 3tt)ittitig^fci&tt)ejier in ber ®eflalt
ber ®elaff enl^eit auftritt : ba ift fte aud^ au^ jener ©infid^t
geboren. 3iur barum fteKt fid^ ber ©äugling fo unge^
berbig, it)eil er fold^er ©infid^t nod^ gftnjlid^ bar; nur
barum ioirb ber ©reiö fo leidet jum ftörrigen, jäl^en, mo^
rofen laudator temporis acti, toeil er lein neue§ ®efe|,
baö nid^t fc^on in feiner Qugenb gegolten, toiff gelten
laffen — unb nur barum betounbem toir bie StuSnal^men
ifutoon öorjug^toeife ob il^rer „3ugenblid^!eit", toeil nid^t^
Su^ige UiUettocrfung unter bic JlotlEiwettbigfeit. 393
fo fel^r bie betoal^tte grifd^c, SBette unb eiafticitftt be^
3ntettcctö befunbet, tote bie^ ^tttt^e am gortfd^ritt ber
3eit, bie^ SBürbigen neuer ^l^atfad^en nad^ neuen ©efid^tö^
:t)unften, bie^ ©id^l^ineinleben in ungetool^nte SBerl^ältniffe,
bieg ©id^6eIei^renIaffentt)otten burd^ eine nad^getoad^fene
©eneration. SSietteid^t rettet ein ^iftorifer ftd^ leidster biefe
©erec^tigfeit ber Dbjectiijit&t afe mt ©ic^ter ober ,,@es
mütJ^^menf d^ " — ein ©d^loffer unterfd^eibet fid^ barin
bort^eill^aft t)on einem ©oeti^e; unb einem alten ^errn
t^erjeii^en toir gern feinen „confert)atit>en", ja ,,reactionftren"
©ifer, toenn tt)ir getoal^r toerben, bajs e^ feinem §erjen
fd^toer toirb, ju laffen t)on ber ,,®emütl^Iid^feit" eine«
,,lanbegi:>äterlid^en", „ipatriard^alifd^en Slbfoluti^mu^", mag
aud^ fein Äojjf toa^ il^m ©lauben^^ b. ff. ^erjen^fad^e ift
einf leiben in bie l^artflingenbe ©octrin: ,,ein gut 9legi=
ment gel^t über atte^!" — nur too biefelbe „©efinnung"
an^ eigenfüd^tiger D:t)f eruntoiUigfeit ftammt, pxowdxt fie bie
Sntoleranj be^ ®egner§. ^mn aU ein blo^ angftlid^e«
SBetoad^en ber eigenen ©tanbe^intereffen üerftß^t fie nid^t
blog toiber ba^ Noblesse oblige, fonbern toirb aud^ jum
geraben ©egentl^eil i>on jener ed^t re^jublifanifd^en SBürger^
tugenb, bie auf ftaatlic^em ©runbe ba^ toürbige ©eiten-
jWidE bübet jur bal^rl^aft frommen golgfamleit gegen gött«
lid^e aSorfd^rift S)enn ber „gute SBürger" jeigt fid^ ate
fold^en barin, ba§ er „ol^ne 3Rurren", toeil mit ©elbft-
betou^tfein, ben gorberungen be^ ju SRed^t befte^enben
®efe|eg" toiffig Dp^et bringt unb nur bieg afe feine
^eil^eit" in Stnfiprud^ nimmt, toftl^renb biefelbe Sürger^
tugenb bem „juf ftßigen" Selieben eineg ^c^potm mit atten
Äräften toiberftrebt , toeil biefe nur eine „fubjectit^e 5Kotl^=
toenbigfeit" l^at, alfo nid^t beftel^en fann \>ox bem, aud^
ol|ine Slnerfennung eineg ^)oftti^)en ©ogmengel^altg antoenb^
baren, Äanon: man foff ©Ott mel^r gel^ord^en ate ben
3Renf(^en. — ®a§ aber felbft ein Sut^er wx bem ®i=
lemma,, toeld^eg aug bem 3«föwwt^«^Ält^« i>i^f^^ Äanong
mit bem beliebteren : „f eib untertl^an ber Dbrigf eit, bie ©e-
ff
394 S)te ^0mmuniondptot)in}.
toalt über cud^ l^at", entfiel^en mu^, in« ©d^toarxlcn gerattert
lonnte, erinnert unö baran, tote nid^t iebem ^Reformator
eine ©romtoeEnatur innetoo^nt mit bem unbebingten SRutl^e,
&beraB in freiefter Slutonomie nur ber „fubjectiöen Ueber^
jeugung" ju folgen, ba, bei ber SBBanbelbarfeit affeö menfd^s
Uelzen „SRed^t^'', jule^t boc^ nur biefe im ©tanbe ifl, be^
fümmte ©rengen ju jie^en, bie um fo weniger fefle unb
fidlere fein fönnen, je leidster fie gerabe mit religiöf en 2ln-
fd^auungen ju Gonfficten führen. ©^ ift alfo^ aud^ t>on
biefer ©eite betrad^tet, fein gar fo einf ad^e^ S)ing, immer
bie ©rfüHung ber ftaat^bürgerüd^en unb 3lmt§j)flid^ten mit
ben affgemein et^ifd^en SRormen in ©inHang ju erhalten,
toorauf gelegentlid^ nod^ eine befonbere ©^arafterjeid^nung
be^ „^Patrioten" jurüdfü^ren fönnte.
IL %ii(fgang: .@tn :|iaar Sorte über bie ^rognofe nail^
ben 3fugenb:|i^Snomenen im aOgemeinen.
S)a§ e^, ungead^tet fo mand^er Hoffnungen, toeld^ean
bie SKobificabilität getoiffer Qugenbeigenfd^aften jid^ !nü})fen
laffen, unter ben 3ögßngen in ©d^ule unb ^au^ bereu
gibt, bei benen „^oipfen unb 3Kalj ijerloren" bleibt, toeil
eö am „guten Sefien" fel^lt, mag Sleltern, bie an il^ren
Äinbem in ber ©d^ule toenig greube erleben, geredeter
ftimmen in xffxm gorberungen unb ©rtoartungen, toelc^e
fie t)on ber jjäbagogifd^en Äunft liegen; bod^ toirb ber
©d^ufter ftet§ bereit fein, ba^ non ex quovis ligno Mercu-
rius lieber auf fein Seber ate auf fein eigen gleifd^ unb
33lut anjutoenben — unb ber geloiffenl^afte ©(^ulmann
mufe ba^ über fid^ ergel^en laffen. SJorläufig mag aber
jener aud^ bamit pd^ trßften, bafe in ber SBelt meiftenS „aiou-
tine" ol^ne SBerflftnbniB leidster il^r „©lud mad^t", ate ein-
fid^t«i;)offe 2:i^eorie o^ne ^raftifd^e „@ett)anbtl|ieit", unb ba&
„bummbreifie" aRaul = unb ©d^lagfertigfeit eö oft weiter
3)ie ^rognofe nad^ ^lugenbpl^dnomenen* 396
bringt atö pmibU ©rünblid^leit, bie in ®cfal^r fontmt,
,,ben SSBalb bor lauter SBäumen nid^t ju feigen".
Stnbcrerfeit^ aber mögen fic^ biejenigen nic^t ju fefl
auf il^re 9Wenf(l^enlenntni§ ijerlaffen, toeld^e au^ ben ,,tDffen
©treid^en" i^rer „Stangen" einfl feden Seben^mutl^, au^
ü^rer „SKafetoeiS^eit" einfl manneStoürbigen greimut^ er^
blühen ju fe^en hoffen — bie meifien ,,toben" fo grünbli^
an^, baj^ bie buefffild^tigfien ,,6or^)§burfd^en" fid^, fobalb
ber Sugenbraufd^ öeriflogen, ju actenbürrften Sureaufraten
— fogar mit einer getoijfen Slegelm&feigleit — \>cxpv:p\>m,
tooju bie gormel be^ 3laturgefe|e^ nid^t fd^toer ju flnben
tfl; benn ba^ /rforfd^e SBefen" be^ Gotp^burfd^en, tok ber
jugefnö:j)fte, abi^eifenbe ©ünfel be^ SBureaufraten berul^en
beibe barauf, ba§ ba§ ©efül^l J)erfönlid^er Ueberlegenl^eit
bei einer ©enoffenfd^aft unb il^rem esprit de corps fid^
in Slffecuranj gegeben — unb umgefel^rt l^odte man^ f^ä-
terer „®emagog" auf Uniberfitftten unter ben „Äamelen",
ö)eil il^m ba0 flotte S^reiben ber anbern nid^t „emfl"
genug tt)ar, feine Äräfte baran ju öergeuben; \oot>on
griebrid^ t)on ©äffet gefungen: „(Sin fd^ön nm Sieb t)on
einem paxi^n ©tubenten, ben fte anfangt für einen ^ud^
mftufer gel^alten l^aben."
Unb ö)eil l^ier einmal i)on unerfüfft bleibenben $offs
nungen (jebem Qfingling fefet man \a baö epitheton ornans
,,l^offnung3t)Dff" in bie iobe^anjeige) bie 3lebe ifl, fo mag
aud^ nod^ baö Ingenium prsßcox barin bem ,,altKugen Äinbe"
gleid^geftefft toerben, ba^ beibe in ber Siegel rafd^ genug
auf bem Slit^eau be^ ,,®ett)öl^nlid^en" [teilen bleiben — je^
ne^, toeil ber affju frül^ in "^n^ gef ommene Snteffect balb
erflarrte, biefe^, toeil für feine rtelijerrufene ,,Unleiblid|f-
feit" nid^t fotool e§ felbfl aU feine Umgebung, bie barin
gel^örten ®efj)r&d^e u. bgL t^eranttoortlid^ ju machen ftnb.
S)ennod^ ifi bei biefem bie ^prognbfe ettoa^ günfttger afö bei
jenem, toeil o^ne ein jeitig fid^ funbgebenbe^ inteffectueBe^^
Sntereffe toon bem ©e^örten aud^ nid^tö „aufgefc^nai)jrt"
toirb — alfo mel^r ein 9Ri«t)er^ältnife jtoifd^en bem afp-
396 S)ie 6oininunioni$ptolHn|.
milirten ©toff unb ben Salären atö jtoifd^en biefen nvi>
ber Äraftenttoidelung fclber befleißt — erfictc^ aber com^
pm[ixen bte S^i^re balb f eiber, fofem man nx<f)t anjus
neffmm braud^t, ba^ au^ bem aÜHugen Jlnoben oSemal
ein greifenl^aft benfenbet SWann toetbe — toa^ freilui^ auä)
\)otlonmt, jumal tt)o bie äOtflugl^eit \>on ^au^e attö burd^
5ßrftcocitftt gefteigert toar.
S)tc Sttcrgtcgfabc
uttb
n)a8 bamtt jufammcnpngt
1. %tx Sigenfltin^ an {til^ n»b in feitter bSmomf^eit
Statut*
In vetitum nitimur unb: eble SRaturen toiberftteben
bem Stoange — batmt l^aben toir ba^ erfte 5paar t)on
®cgenfä|en, pA\&i^ toeld^cn bie SBetrad^tung be^ ©gen-
finn^ fid^ l^iin^ unb l^erbetoegen mu§; ba^ Oemeinfame
barin ift bie ©eC&ftbel|iaui)tung be§ eigenen SBotten^ gegen
t)Dn aujsen ^et cmbrftngenbe frembe SBitten^befiimmungen
afö einziger unb legtet 3^^<5- ipöret mit SBerbieten auf: unb
tl^r entjiel^t bem ©genfinn be« Äinbe^ feinen breiteften
aiummetplal ; benn nun lodt il^n fein „bu barfft nid^t!"
nod^ „bu foffteflnid^t!" I^erau^ ju einer jtoedlofen SBetJ^ä-
tigung eine^ i)on material - egoiftifd^em 3leij ööHig freien
©elüfte^ — ber SReij liegt in bem abflracten: Qd^ f ann'^
(t^un ober laffen). ©er Snl^alt feinet SBoaen« ijl il^m
beinahe gleid^gültig ; e^ fommt i^m \^^x(i ,,3)urd^fe|en''
feiner SBoHen^mDmente nid^t fotool auf ba^ SBa^, al^ nur
auf ba^ ©afe ^xi, unb t% ift infofem aUerbing^ bie abftract
j)Dtengirte SInlage unb Sleu^erung be^ egoiflifd^en ^ßrincij)^
— nur be^i^alb im frül^eften Äinbe^alter in feiner ganjen
Siadtl^eit l^ertjortretenb, toeil fid^ biefem bie SBelt ber con^
creten SWotitje no^ nid^t erfd^Coffen l|iat — unb barum
aud^ beim ^äbd^en l&nger anbauemb al^ beim ^obtxi,
toeil öberl^au))t bem äSeibe nur ein fd^mälereS ^elb ber
erfüHung mit })raltifd^en Seben^jtoedfen offen flel|it. — ^öret
398 3)ie Sitergiegrabe utCt toa^ bamtt ^ufammen^Angt.
mit gorbern auf: unb xf}X mtfftbt ha& eble ©emüti^ ber
^ein, toeld^e i^m f eiber barau^ l^eröorge^t, bafe e^ eud^
euer SBerlangen abf dalagen mu^, toetl in feinem 3nnem
ein SBibetl^alen ifi, ben e^ fid^ ausreiften müftte toie bie
SSiene ben eigenen ©tad^el, el^e eiS euerm »ege^ren toitt=
f ai^ren f önnte — mag biefeS an fid^ au^ auf ettoaS l|ier j^ •
lid^ ©leid^gültige« gerid^tet fein: aber bie 3unge ift x\)m
tt)ie gelahmt, bie &ippm toie aneinanbergefd^miebet, tomn
e« eud^ SRebe [teilen foH auf eine f^rage. Unb forf^t man
nad^ einem ©rflärungSgrunb, toarum bieg eben ebeln 3la^
turen üorgugSiDeife eigen ift, fo toirb er ju fud^en fein in
einer mel^r ober toeniger Rar betouftten (Seltenbmad^ung
beS autonomif(^en 5ßrinci^)S. ©er 6ble toitt im \yoUm
©inne ber S^i^äter feiner eigenen 2;^aten, nicj^t boi^ toer^
anttoortungSlofe 3Webium fremben SBoDenS fein — fo lann'S
au& i^m mit einem ^ro| Hingen toie auS ^utten: SSoS id^
getl|fan l^ab' , baS l|iab' id^ get^an, SWid^t gebeten, nid^t ge^
nöt^igt, fonbem ganj aus fid^f unb feinem SQSefen l|ierau«,
b. f). toa^r^aft frei, toiK eS l^anbeln unb unterlaffen.
®aS Äinb fürd^tet eure ©träfe für fein unartig eigene
finnig ©d^reien: aber laffen fann eS bas bod|^ nid^t — fo
fd^reit eS: „id^ toitt artig, jiiff fein", unaufl^örlid^, unb
eben in ber Sleufeerung beS entgegengefe|ten 3Jorfa|eS
beftel|ft ie|t feine Unart.
©0 begegnen toir aud^ beim ©igenfinn toieber jenem
Siid^ttooffen im SBBotten unb SBotten im 3lid^ttooffen, toeld^eS
tt)ir bie Orunbantinomie ber 6l|iarafteroIogie ju nennen
bered^tigt finb. ®aS ift, nad^ obiger SBeftimmung biefeS
33egrip, baS ©ftmonifd^e im (Sigenfinn. S)er ßigen^
finnige loüti^et red^t eigentlid^ toiber fein eigen %lü\6f —
gerftört ftd^ fetter, toie in blinbem SRutJ^loiUen, bie fd^öm
jien ©tunben feine« &^btn^: bie Siebe ruft, er l&fet fi<^
feffeln tjon irgenbeinem Ouarf, ben er gerabe unter ben
^änben l|fat; bie Äiebe toamt unb fle^t, er aber bel|iorrt
in bem ol^n' inneres Sebürfnift einmal vorgenommenen
%f)nn — unb inmitten feiner aSBbnnemomente gibt er ben
< 3)er eigenfmn in feiner bämonifc^en 9latur. 399
blue devils ßinla^ unb toetteifert fo an SfBtberfinnigfeit
unb 2;^orl^eit mit beut in ftd^ gefjjaltencn Oemütl^ — unb
infotoeit toenigftenö ifl ein guter ©inn in beut SBefenntni^,
baö tt)oI ntel^r atö einer fid^ ober anbem abgelegt: „id^
toar ftetö ©emüti^Menfci^ unb bar um eigenfinnig" —
l^aben bod^ (Sigenfinn unb Oemütl^ aud^ bie tiefe Qfm^ref^
fionobilität unb bie nad^l^altige Sleagibilität gemeinfam —
baju meift fd^toad^e ©j)ontaneität: mit einem SEBort bie
$au:t)telemente beö Slnftmatifer«.
S)em ©igenfinn iüefentlid^ ift aud^ ein ^anbeln it)iber
beffereg 2Biffen. (Segen baS eine grofee, rationette
3HoÜo, toeld^e^ il^m fofort ein ®nbe mad^en müfete, fül^rt
er eine unüberfei^bare ©d^ar iüal^rer 5p^gmäenmotit)e in§
gelb: Älug^eit unb SÖBei^^eit feigen fid^ umflattert t)on
einem ©d^toarm gemein-:t)fiffigen ©efd^meifee^ — bem SBer-
nunftgebot: fofort! fiefft er ein enblofeS: nur nod^ einen
Slugenblid! entgegen — unb biefe Slugenbliöe toeife er ge^
nau bi^ ju bem 5ßunfte au^jubel^nen, h)o ba^ unerbittlid^e:
3u f^)ät! il^n angrinft — bann lÄfet er enblid^ ab — benn
„er l^at \a bod^ feinen SBitten". ©o ift'^ für feine 3i^^<t
toibrigfeit ein t\fpi\6)e^ ©^mbol, toenn toix bem jufel^en,
it)ie gefd^eite unb im übrigen tool^Iüberlegt l^anbelnbe
Seute nad^ bem verlorenen ^Pfennig fud^en unb barüber ein
©rofd^en^lid^t ijerbrennen — obenbrein ober ganj unfd^ä|::
bare unb unbejal^Ibare ©tunben an ba^ nid^tige 2^l^un
t)ergeuben — ber ©nglänber lönnte e^ penny-wise and
pound-foolish nennen; unb ber ©ad^e nad^ iji e^ ja ganj
einerlei, ob ettoa ba^ ©efud^te ein 6itat ift, not worth a pin,
unb über baS ©ud^en bie ©tunben eigener frifd^er ^probucs
tionöfraft unioieberbringlid^ entrinnen. 2lber ber SBerfianb
nid^t nur, aud^ baö ^erj fommt babei ju lurj: au§ Xifa-
ten be^ @igenfinnS quitten nid^t bie toenigften ber 2:i^rÄnen,
t)or benen ber S)id^ter toamt — umfonft toamt, benn toer
fid^ loamen liefee, bebürfte ja ber SBamung nic^t:
2)ann fntefl bu nteber an ber ©ruft
Unb birg^ bie ^ugen trüb unb nag
400 3)ie (Snergiegrabe unb toad bamit sufatnmen^dngt.
— @te fe^n btn anhtxn nimmermehr —
3n9 lange, fend^te Jtir(i^l^ofgra9.
Unb f|>rtd^fi: „O \ä^au auf mid^ ^ecab,
2)er ^ier an bemem ®raBe toetnt;
Vergib, bag td^ ge{r&n!t bid^ ^ab\
«et @ott, ed iDar niä^t böf gemeint!
SCud^ babci l^atten bte t)erffil^rcrifd^en Slnteijungm t)er=
tröflct auf bic folgcnbe ©ecunbe, bie alled toiebcr gut
tnad^en, aUe^ SBerlorene toicbcr einl^olcn foBtc — unb
toetitt nid^t atteg, fo bod^ ba^ jule|t baran gefe|te — ober
bet SWoIod^ (Sigenfinn gibt Uint» ber Dj)fer gurüd, bie bu
in feinen geuerbauc^ geworfen — erfeftt feine erlittene
©inbufee, aud^ nid^t einmal einen 2)^eil berfelben — er
lodft nur irrlid^tartig nedtifd^ toeiter — unb l^ierin eben
befielt feine beflridtenbe SWad^t: er untf fingt ba« SBoffen
toie mit feftgefd^nürten SBanben — aber ba^ »etoufetfein
bleibt Har — man toeife, bafe e« ein SBal^n ift, )a>a^ mm
im aSerf eierten bel^arren lä^t — man toeife, bajs ber 5Ber=
fül^rer ni^t SBort ^&It — unb bennod^ bleibt feine SRad^t
unübertoinblid^ ; — er ftemmt pd^ gegen jeben aSorfa| au
refigniren , f olange bie SReftgnation nod^ ein 2lct beg freien
entfd^luffeS toäre — eö foll bem fd^abenfrol^en 3)ämon
ba^ l^ö^nifd^e ©efid^er nid^t entgelten, toenn eg nun fo it^eit
i|l, bafe einer angefid^t« beS SSemid^teten nur gum J^ol^ne
nod^ fann gefragt toerben: biji bu bereit, barauf gu t>er-
jid^ten?
2. Sottfe^nng. %e$l^abetei unb Ditetlö|)figleit
2)ief er innere SBiberf^jrud^, mit toeld^em ber eigenftnn
bel^aftet ijl, mac^t i^n, m bie nöt^ige „Unfd^äblid^feit"
bewai^irt toerben Jann, ju einem fo toirffamen ©toff ber
Äomif, bie t)on i^m bereiteten Slantalu^ualen be« en>{g
erneuten SBerfud^^, ,, feinen SBillen gu belommen", bürfen
bann nur nid^t bie 3Riniaturbimenftonen fleinlid^en unb
9te(]^t]^aberei unb Duer!5))fi9{eit. 401
Ileinltc^flen SBegei^iteng überfd^teiten — er jle^t barin bem
®etge unb bem Äofettentl^um afe etoaS ganj ©leid^artigeö
an ber ©eite: e8 tft bie Äontlf be§ ben 3^^<äf negirenben
3Wittel8, fei e^, bafe man SSerlome^ ä tout prix retten
tt)ill, unb barüber mel^r unb Unerfe|ltd^eS t)erltert — fei
es, ba^ man red^tjeitig feine ©intoiöigimg ju etiüaS t)er^
fagt unb barüber fid^ in bie Sage bringt, J^ernad^ t)iel
größere gorberungen sujugcflel^en, \>xd fd^merglid^ere D^>fer
ftd^ abjtoingen ju laffen. äud^ ber ©genjtnn — nid^t bloS
bie SRu^mbegierbe, tt)eld^e an [x6) freilid^ oft genug ben
(gigenftnn ali 3Roment in ftd^ trägt — l^at fein: aut Cae-
sar, aut nihil — unb langt beSl^olb oft genug beim nihil
an; — unb bie S^ottÜi^nl^eit, gu loeld^er ber ©igenfinn in
®l^renfad^en loie in Siebegaffairen anjujiad^eln jiarl genug
fein lann, ifi bann fo gut berfd^ioenbet, loie bie jäl^eSe-
bulb, toeld^e loir il^n bei anbem ©elegenl^eiten. aufbieten
fe^en. „©d^obe brum" — l^ört man bann Äußern — „fo
t)iel aufgeloenbeter ®ifer loäre lool^I eineg.beffem ©egem
flanbeS loertJ^;" Unb loer baran jioeifelt, ber bered^ne nur
einmal, n^ie t)iel Äraft jal^rauS jal^rein t)on ber 5perrälen=
gelel^rfamfeit unb il^ren Xagelöl^nem barangefe^t tt)irb,
für irgenbeine mifrologifd^e ^ifpot^c^c 33elege auf jujiöbem.
SBie ber ©eijige in feiner 3Wonomanie t)er]^ungert unter
©d^a^en, fo t)erfd^mad^tet baS 3Wenfd^entl^nm in ber SBruft
bei8 bloS auflefenben SRotijenfrfimerS, loeld^er unter bem ©om^
mein Don ©tüfeen für eine SeSartenconjectur aud^ nid^t
ben leifeften $aud^ beS gewaltigen ©eijleS t)erf^)ürt, ber
i^ in ben ©enfmalen beö Slltertl^umS umtoel^t. Unb ob
biefe Stajfe tt)irHid^ j[e|t am Sluöflerben ift? man mufe
es begloeifeln, folange bie Sad^mannS unb SUtfd^tö no^
immer, aud^ unter ber 3«9^nb, in verba raagistri fd^loö=
renbe ©eiounberer ^aben. SBer aber beSl^alb, ioeil loir
fold^en SRef^ject nid^t tl^eilen., loieber bes 5ßietätSmangefö
gegen eine ßigeni^eit unferS SSolfö nn^ jeil^en möd^te, ben
t)ertoeifen loir nod^matö an bie fd^önere Segeifierung, mit
toeld^er suaviter in verbis, sed fortiterin re baS ioirflid^
Sal^nfen, CEJ^araltetoIoeie. i. 26
402 2)te @nergiegtabe unb toad bamit aufammenl^&ngt
ed^t beutf^e ©elc^rtengemütl^ cine^ Qafob ®rittim in ber
@eben{r^e auf Sac^ntann folc^ treiben als A&rmertreue
(i^arolterifirt ffat ^atutn flel^en tx>xx au^S) nid^t an^ bie
anbete gorm, in toelc^er ber ©igenfinn auf rein intettec=
tueQem @ebiet fid^ binbgibt^ bod^ nod^ eine @tufe f)&ffex
ju jleHen, S)er f^)eculatit)e „Ouerfoi)f' t^eitt mit bem ©l^ia-
tafter, im Untetfc^iebe t)on bem in ©injell^ieiten fidjf bet-
gettelnben @igenfinn, boc^ )t)enigfienS bie ein^eitlid^en
@tunb}äge bet {td^ felbet gleid^bleibenben Sonfianj; unb
mag et in feinem — nid^t si, fonbetn faji quia — omnes
patres sie, ego non sie, aud^ gat fel^t unleiblid^, tomn
niijt lAd^etlic^ fein, fo n)ei| et bod^ \t)aS et toiS unb torXi
es motgen n)ie l^eute unb tt)ie et eS gefietn geiDoEt älDein
i)om eigenjtnn l^at et baS Sid^ntid^tsübetjeugen-noc^toiber^
legen4af[en^n)oQen; tagt abet äbet ben bloS 9led^t^abetifd^en
infofetn ^inauS, afö feine gä|e auf einem fejien unb feft
bel^au:t>teten ®tunbe, nid^t auf einem bloßen ©infaU beS
älugenblids flei^en. ^et SRed^tl^abetifd^e betflodt fid^ bem
toaS et einmal auf gefteUt ^ät }u Siebe, toenn'S anbetS nid^t
gel^t, in logifd^e ©onfufion — bet Ouetfö^)fige ijl unan^
gteifbat in bet f^jlematifd^en ©onfequenj feinet ^poiitionen,
unb i^m gegenitbet gilt baS: eontra prineipia negantem
non est disputandum. S)ie 9Ritte jtDifd^en beiben l^ält
gett)iffetma|en bet in 5ßtinci^ienteitetei SSetrannte. 5Bom
Uttl^eil beS iQuet!öi)figen mufe man fagen, bafe eS bet ge^:
toöl^nlid^en SWeinung nid^t fotool „jutoibetläuft", alä eine
ba}u im ted^ten Sßinfel entgegenliegenbe ätid^tung nimmt
— et ifl nid^t botnitt, obet bie anbetn nennen il^in „ber^
fd^toben" obet „betbtel^t". S)em Sied^t^abetifd^en bagegen
fel^lt es gemeiniglid^ äbetl^au))t an @infid^t unb gefunbem
Uttl^eil — et betfd^liefet fld^ bet SSelel^tung nidjft fotool,
tDeil et feine älnfid^t liebgett^onnen, als tt^eil eS i^n be^
mütl^iigen n)ütbe, ftd(f füt übettDunben etKäten )u muffen.
(©enaueteS l^ieriibet finbet man in bet „StuSSltt^ut ®6)0pm^
^auet'S ^anbfc^tiftlic^em Sttac^lafe" betöffentlic^ten „etiflif'O
S)en ^tincipienteitet enblid^ f ennjeid^net bie @infeitigleit, in
9^dft\}aUm unb DtterI5))ft9leit. 403
toeld^er i^n Wc vis inertiae bet einmal begonnenen Setoe^
QunQ forttreibt: er fielet nid^t toa^ red^tö nod^ \oa^ linU
liegt, fobalb el ,,in feinen ftram nid^t paj^if% toäl^renb ber
üuerlo^jf für bie^ aUe^ ein ganj offene^ unb unt)erblen=
bete§ SSuge l^oben fann, unb fein ©treben nur barauf ge=
rid^tet ift, eg fo ju toenben unb jujujlu|etT, bafe eg in fei-
nen SBau fid^ eirtorbnen lajfe — bleiben bann fd^roff bor^
f^jringenbe Tanten ftel^en, fo ftört i^n ba8 nid^t toeiter — ift
feiner ßiebi^iaberei furiS SBarodte t)iellei(i^t fogor toilHonttnem*)
*) Äaum eine anbcre SStffcnfd^aft bürfte fo tyiti claffifd^c ©jcm*
Opiate ber £luerfB))fisfett (tefern «il9 tote ^l^tlologtfd^^^l^tflonfd^e* Wlan
fe^e nur 3. $• gu, tote ba in atramqae partem geffinbtgt tfl; toeld^er
Sufmanb bon ^(i^arffinn, toeld^er ^aUafl bon Öele^rfamleit, um
eine {^^^pot^efe gu fluten, in bie man fld^ einmal rr^^nant" l^atl
SDa lernt man fennen, mad ein ,,(ogif4^er 9{a))tud" ifi. fSuf ber
einen @eite bie dieflitutiondl^iflorifer, bie an9 pVLxtx O:))|)ofttion gegen
9Hebu]^r , ä^ommfen unb @d^n)egler auä^ bie fd^Ied^tefien Ouellen mit
^aut unb $aar vertreten — toie ®er(a^ — ; auf ber anbern bie
,,beflructiben Äritifcr", bie, einem CSinfaß g. 5r. Soip« ober Sad^*
mann^d gu Siebe, .ed gar nid^t fatt friegen Tonnen, bie {^omerifd^en
©ebid^te unb bad 9hbe(ungen(ieb in lauter ge^en unb gäben gu ger«
gn^fen. Ober toollen toit an bie iDeilonb ^ela^gertiteratnr erinnern?
ober on bie ga^Uofen ^^d^riften de situ paradisi? Wan IBnnte eS
für obfolet l^alten — brum feien bie mel^r al9 fipagl^aften l^erfud^e
erm&l^ntr mit falbem Riffen gu et);mo(ogiftren unb im $eimat6«
bialelt bie Urf^pradf^e gu entbedten. Sud^ bie Sn^tl^ologie ifl fold^ ein
2:ummet^tat ber Ouerfö^pfe — unb feitbcm ?obcd ber gord^iammer**
f<!^en SBaffertl^eorie bad
olandite Jam rivo8, pneri, sat prata biberunt
entgegenrief, l^aben ^ottf^ unb 3. ^aun mit i^rer ^Oertettung
bed ^eUenifd^en an9 bem Orient unb Segv^ten ben iüngern ^t*
toeiö geliefert, bag SJctranntfein in ©ebanfcn „mit einem Äömdjcn
SBal^rl^eit'' auf beutfd^er @tben nod^ immer „nid^t auögcj!orBen fei",
©aß e^ übrigen« audj bei ben 3üngem ber fogenannten ejacteu
SBiffciifdJaften ntd^t au OuerW^figfeit fe^It, betoeifen bie nod^ immer
mieber bon Seit gu 3eit anftaud^enben i^erfud^e, an bie (Stelle bed
Äo<)ernicanifd^en (S^pem« längfl wiberlegte Stl^corien gu fc^en. @benfo
gelten ben iRctotonianern — alfo ber SWaiorität — alle Vertreter ber
©oet^e'fd^en garbentl^eorte für bloge OuerI9))fe.
26*
404 2)te energie^rabe unb toad bamit jufammenl^dngt.
3* 9ottft$nng. @i^no)U)iitifil^e Wgteiijitiig M Sigen-
finnS gegm nemitnUe CEigtifi^afteii«
^ie QtbÜ)dlunQ itoVjifm )>em Sigenfinn \mt> feiner
ja^lreid^en SSetterfd^ft — a;ro|, ©tattfinn, ©iflentoiHe,
fotnmt ben SBafen : ^artnädigteit, ^l^ftartigleit, Se^art^
l^teit, 3Biaen^feftig!eit u. 9(. - ^ Txäf ba^ Tribunal
ber St^nont^miler t^eitoeije Iei(^ter gemad^t, ol^ toofüt ein
S^ron jte gehalten, too et („Don Juan", XIV, 89 fg.)
that lurking demon
Of double natnre, and thus donbly named —
Fimmess yclept in heroes, kinga and aeamen,
That ifi, when they succeed; bat greatly blamed
As ohstinacyj both in men and women,
Whene'er their trinmph pales or atar la tamed: —
And ^t foiU perplex the etuuist t» iMraiity
To fix the due hatmds of this dangeraus quäUty
Had Buonaparte won ad Waterloo,
It had been firmness; now 't ia pertinacity:
Must the event dedde between the two?
I leave it to your people of scigacity
To draw the line hetween the faUe and tfuey
If such can e'er he dravm hy man's capctcity.
SEBirflid^ toirb ber eventus atö magister stultorum ge*
nteiiuglid^ bem unfritifd^en Setoufetfein bo^ einjige Arite:'
rium l^ergeben; aber a\x6) ol^ne ä(nf)}ru(i^ auf befonbere
sagacity u>erben Xoix eine determinatio t>erfu(^en bärfen,
Smmerl^in ijl in beni „©^non^mifd^en SBörterbud^" Don
©ber^arb unb SWaajs — 3. 3lufl., I^ierau^gegeben Don ©ruber
— ber ärtifel: „eigenfinnig ©törrig" (II, 153 fgO,
unter bie mit löblid^er ©c^ärfe ber S)ifUnction au^gefil^rten
ju jäl^len — aber benno^ fann unö ba^ $ert)orl^eben ber
Unterfc^eibungi^merfmale nac^ bem ©egenflanb unb bem
SluSgang be^ ftd^ gleid^bleibenben ©treben^ nid^t red^t be^
friebigen, toeil ej3 toieberum bie objectiDe- ©eite auf itoften
SHe S^non^men ju (Stgenfmtt. 405
be^ fubiectit)en Urfjmtttg« unb aSefen^ biefer d^atafteto=
logtfd^en 5pi^&nomenc betont — entfjJted^enb ber t)or=, ja
jum SCi^iell antisftantifd^en ©tettung be§ SegtttnberS btcfe^
SBerteS. ®od^ mögen einmal — gut SKufttation beffen,
toa^ ©♦ 57 fg. über ba« aSerJ^Ältnife ber ©l^atalterologie jut
©^non^mil gefagt toorben — ün \>aat ©d^Iagltd^ter auf
einige ^unUt be^ 2)etaifö fallen. 3w^*ci^ft ft^^i^gt bie
Unjulänglid^feit in bie Slugen, mit toeld^et „fränieinbe,
üble &anm'^ ju bem einzigen »anbe gemad^t toirb, an
bem ber ©genfinn mit ber eti^ifd^en unb 5;em:t)eramentö=
feite beg ganjen S^bibibuald^arafterö jufammenl^angen foff.
©obann ijl ber bort befd^riebene (gigenfinn pd^tlid^ genug
nur eine befonbere unb obgefd^ioäd^te ©rfd^einung^form beS
toirfüd^en ®igenfinn§ in feiner Sieinl^eit. S)iefer fe|t atte-
mal borauö, bafe ba§ im ^^legma mitborl^anbene SWo^
m^nt *e^ Sel^arren^ in feiner formalen Slbftractl^eit für
fld^ l^erbortrete, ober loie e8 bei ©d^o^jenl^auer („^arali^
})omena", 1. «ufl., H, §. 321) l^eifet: „Sltter ©igenfinn he-^
tnfft barauf , bafe ber SBiHe fid^ an bie ©teile ber (Srfennt^
ni§ gebr&ngt ^at." ®anad^ ifl e^ alfo gerabeju berfel^rt,
bem (gigenfinn ein ^anbeln nur nad^ unjureid^enben 3Ko=
tiben beizulegen (®berl^arb, a. a. D), flatt baS SBefen
bejfelben in bie tJöHige Untoirffamfeit inteHectueHer S9c=
ftimmung^grünbe ju fe|en. SKnbererfeit^ aber l^errfd^t bag
t)on ©d^o^)enl^auer l^eröorgelel^rte SKerfmal be§ stat pro
ratione voluntas aufeerbem in nod^ anbern 5Raturformen
be§ 3BiIlend — inSbefonbere in Slffect unb Seibenfd^aft —
genügt miti^iin beSgleid^en nid^t jur Äenntlid^mad^ung bej^
©igenfinn^ al« fold^en. SSielmei^r ftreifen ioir and) i^ier
ioieber an SRuancen, beren eigenartige Slingirung foiool an
Qualitäten beS moralifd^en (Sl^aralterö it)ie beS Öntettect^
il^re Goefftcienten l^at.
3?ad^ einem wn §egers glüdtid^en Sluöbrüden ijl ber
eigenfinn „bie ^ßarobie be§ 6l^arafter§" — unb barauö
mögen ton loenigftenS f o t)iel afö ridjtig entnel^men, ba§ e^
miölid^ fein ibürbe, an bem ©runbioefen be§ (Sigenfinnö
4Qß 3)ie 6nergie0¥a^e tit^ mad batnit jufatntnenl^dngt.
unb bet i|fm bemanbten Srfd^einungen eine 0en)iffe Unu
tjerfalttät ju öerfennen. 3« «od^ gtöjaerer S8orfii(ft abct
müfete e§ aufforbem, ba§ ^egel'd 3ä«0^t »ofenfranj (m
feiner ,,5pf^(^ofogie", 3. Sluff*, ©. 83) ben ©genfinn in
ncU^em Swfammenl^ang ju bem fe|t, tooS ü^nt meland^o-
lifc^e^ 2;emi)erament l^eifet, toenn bem tdijt bereits t)or==
gefelj^en toäre burd^ baS, toaS oben über ben ©genfinn
ber ©emütl^dmenfd^en beigebracht ifi; iDomit ^8 burd^auS
^)ereinbar bleibt, bafe aud^ ber ©genftnn in bem ju tout-
jeln fc^eint, toa« in ©Jjontaneitftt unb 3leagibilität ben
^l^legmatifer a unb c d^arafterifirt unb tooxan im unter-
fd^eibenben SJeri^i<nife ium ©anguinifer aud^ bie gormen
a unb b beiS S^oIeriferS ii^r ^l^eit l^aben, tüt^f^ bei
biefen ber @igenfinn bie @eftaU bei^ Sro|ed annehmen
lann. äluS einem eigenftnnigen ^inbe n)irb nämlid^ leidet
ein trofeiger Änobe (ber be^l^alb nod^ lein ,,unbänbiger"
ju fein brandet — benn bieg ^jflegt größere i)l^^ftf(^e Äraft
al# S3afiS t)orauiSjufe|en). Ueberl^au))t entf^ric^t ber %xo^
Qaxii bem @ntti)id!elungsftanb!|)unft bes ^abenalterS unb
finbet fid^ im Sünglingg:: (ganj feiten h)ol aud^ im ^ftarv^
ne§-) älter nur bei fold^en, xelatx\> xof) gebliebenen, 3nbi=
i)ibuen, toeld^e bie Steife beS Änabenalterä innerlich nid^t
überfd^ritten l^aben. S)aS fd^lie^t jebod^ nid^t au«, ba§
fid^ im Xxo% unleugbar ber Äeim fünftigen SRanne^fteljeS
offenbaren fann. SDem Xroligen ift eS toefentlid^, bie il^n
bebro^enbe Äraft gegen fid^ l^erauSguforbem — er jjrobo-
cirt mit einem lauten ober in feinen SJhenen fld^ au§=
fi)red^enben ^uxn\: t)erfud^*S, ob bu mid^ nieberf dalagen
unb bänbigen lannfl! — unb nur loo er fid^ ganj mad^ts
loS toeife, bemütl^igt er fid^ fotoeit, mit bem, in feinen
„Saunen" verleiten, ©d^toäd^ling bloS ju „maulen"- —
2Beil bemnad^ ber Xrofe auf einer „ SJermeffenl^eit" b. f).
unrichtigen 2lbfc^Ä|ung ber eigenen Äraft, berui^t, fo ift er
im Saufe ber 3«^^^ leidster „ju 9laifon ju bringen" ate
bie blofee „Saune". S)iefe ^at ni^t fotool baS aRotiö
bes 2;ro|e«: id^ toiH mir bieg ober jeneä „nid^t gefallen
Die S^tton^men ju Sigenfmit. 407
laffctt", als bie einzige, unfeltge Formel: car tel est notre
plaisir — too fie im SSefii bet SWad^t tft, toitb fie jur
beiS^jotifd^en SBillfüt, ble burd^ fortgefe|te^ SKci^tad^ten
fremben SRed^tö fo tief erbittert tt)ie nid^tS anbere» —
unb fold^e SBirfung fd^on burd^ il^ren bloßen ©d^ein l^er^
beiffi^rt, afö toeld^er aKemal entfielt, tt)o ber ®e^ord^en=
fottenbe feinen tjemünftigen 3^^ ^^ irgenbeiner ju 6e=
folgenben SInorbnung abfielet. S)ie &anm l^anbelt nad^
abfolutem SSelieben, bie SBiUfür nad^ einem jebe SRed^en^
fd^aft bertoelgemben „®utbönlen".
^a^ i^iäufige aSorfomwen be§ ©igenfinn^ in ben ®p
tremen ber Seben^atter -^ beim Äinbe unb beim ©reife —
toie aud^ beim toeibßd^en ®efd^led^t, toeld^em ©d^o^jen^auer
eine „geiflige aR^oi)ie" nad^fagt, leitet un^ an, baS unter==
fd^elbenbe SWerhnal in einem SDefect be^ SnteHect^, red^t
eigentlid^ in SBomirtl^eit, aufjufud^en; — unb jene ftarr=
fö^jfigen (stubborn) unb l^ateflarrigen (augenfd^einlid^, toie
fd^on ®berl^arb gefeiten, bom ©tier entlehnte 3Ret(tt)^em!)
SW&nner, benen mit SSernunftgrünben nid^t beijufommen
ifl, leiten fo toenig toie bie S^l^iere, bie fid^ burd^ @igen=
ftnn au^jeid^nen (9Knb unb @f eQ, wn biefer ©i)ur ah. 3a,
e3 ifl gerabeju einj^ ber traurigjlen ©^:t)tome über=
toud^ember ©reifenl^aftigfeit, fid^ mit jftl^em ©igenfinn in
ber Unfäl^igteit jur Unterfd^eibung jtoifd^en SRed^t unb Um
red^t ju berl^ifirten unb fein nod^ fo trügerifd^e^ 9laifonne=
ment pinvxpis^tt ©o:t)l^iflü ju t)?rfd^mäl^en, um bamit ben
SRefl eine^ immerl^in nod^ toiberftrebenben ©etoijfenS jii
befd^ioid^tigen. SBo fold^ bomirte ®l^rlid^IeitSt)eBeität auf
bem 2;i^rone ft|t, ba feiert bie rabuliftifd^e @efe|eöbeutelei
i^re Drgien — unb ganj t)on bemfelben ©eure ift ja ber
3Ri^braud^ , toeld^en frömmelnber ^anati^mu^ mit ber ©cru=
j)ulofität be8 altemben Soui^ XIV. treiben burfte. (6^
gibt ja überl^au!t)t eine 2^enbenjlogif, bie man einen el^r-
lid^en ©elbftbetrug nennen möd^te, too loirflid^ unbetoufet
ber SBiUe bem ftojjfe fogar bie S)enfgefe^e, nid^t blo§
ben ©enfinl^alt, borfd^reibt.)
408 3)ie ^nergtegmbe unb maS bamit {ufammenl^ängt.
gut jene Sd^afelammer bcr SBei^l^eit im Ä(H)ttel ,,3Som
5ßrimat beö aBitten^ im Seteftbctoufetfein" („SDie SSdt ate
SBitte unb aSorjieHung", S3b. 2) liefert gerabe bie S3eobad^tung
beö Äinbe^alter^ toaste ©abinetöjiüde, unb ber ©igenfitin
f eiber ift fo gut ein folc^e^ toie bie %^aVia6)t, baß Don
allen formen ber (Bpxa6)e^ bo^ Ätnb juerft ben Swi^J^citiö
^erfiel^en lernt unb f eiber, lanm ftammelnb, feine Umge*
bung mit einem ewigen „31. toiU bag ober bo^" verfolgt.
5)amit l^oben toir aber fd^on bie beiben ©lemente be^ ©igen*
finn^: e^ bebarf, um il^n gu erzeugen , nid^t^ aU ein
SSBoHen unb ein ^emmen biefe^ SBoHen^ — unb je mel^r
lefetere^ ate toirflid^er S^^^Ö/ ^t^<i^ i^ t^^^ *>^^^ jw
unterlaffen, auftritt: bepo energifd^er reagirt ber SBiUe —
infofern l^at jeber 3;ro| fein ©orrelat an einem irgenblDie
gegen ben SBiUen loirfenben S^anQ^, — Ueberatt feigen
toir bie ©elbftbel^aujjtung um ber ©elbftbel|iaui)tung toitten,
ben feine SDlotitoe rein nur auö pd^ unb feiner angeblid^en
©elbftgleid^^eit fd^ö|)fenben unb eo ipso fid^ ber rationeHen
aKütiijation entjiel^enben SBiUen: ein ©idlj-nid^t^ijon^aulen-
afficiren^laffen-tootten; unb loaö SKommfen in feiner „9lö=
mifdben ©efd|^id|^te" t)on 3lntiod^u§ bem ©rofeen V)on Serien
fagt: „er ioijrbe bel^errfd^t öou ber gurtet bei^errfd^t ju
toerben", liefert l^ierijon eine e£entj)larifc^e ©^jecialität-
Snfoioeit ber fo [id^ ijerl^ärtenbe SBitte bereites einen anber*
toeitigen ^nl^alt i^at, f|)red^en loir aud^ lool toon ®igem
loillen, im Unterfd^ieb bom ©igenfinn, unb biefer le^tere
bejeid^net atöbann bie nod^ abjitractere, ganj formale, mei?
fien^ nur negatib — im aSertoeigern — fid^ äu§ernbe
Se^arrung. (®iefe unfere Sluffaffung be^ ©igenioillenö
enthält jugleid^ bie burd^greifenbfte äbloeid^ung toon ber
in biefem 5ßunfte ganj t)agen ©arfiettung ©berl^arb*^, für
ioeld^en gerabe umgefe^irt ber ©igentoiffe bie abftractere
gorm ift.)
©er ©igenfinn aU fold^er ift alfo ioefentlid^ o^ne mo^
terialeä 5ßrincip, ioäl^renb ber ßigentoitte be^ ©reifen an
früher aufgenommenen ©el^alt fid^ feftftammert, alten ^&
2)ie ©^ttotti^mcii ju ©igenftnn, 409
«nb alte, ntd^t minber ungeted^te, aSorlfebe nid^t fal^reit
laffen tt)ia — toeil „bie em!i)fängli^feit beö Sttteffect^ für
anbete ^nbtiliJe unb babutd^ bie SBetoeglid^feit be^ aSBittenä
im6) l^injuflrömenbe SWottoe abgenommen IJ^at" („3)ie
SBelt afö SBiae unb SSorfleaung", 2. SCufl., ©, 240; 3- SKufl.,
II, 267). Unb h)ie ganj baffelbe auf bm gelbe ber SC^eorie
gilt, jeigen j[a jjene flarrfmnigen ßöi)fc?, bie nid^t baä ge^
tHngfte ©tftubd^en fid^ tt)oIlen abfeieren laffen in ber ^nmptU
lammer il^reg S)enfen^.
„6ajf>rtce" (toof)l möd^te man ein SBortfitrfel toagenb
bai^ et^mon lieber in capere aü in caper fud^en) unb
Sauncttl^aftigleit finb bem ©igenfinn ebenfo eng \>ex^
fd^tt)i[tert, iöie Sfted^tl^aberei in ber S)ebatte unb 5ßroce§=
jud^t i)or ©erid^t. S)er @igenfinn ft)itt ja n)aS er toill
nid^t au§ 3ntereffe an bem erfannten S^l^^alt beffen toa^
er toiH; fein QnteHect beflnbet fid^ im 3iiftanbe iperma^^
nenter SBer jIdä tl^eit : ber igafeftarrigfeit im SSertoeigern
lommt nad^ UmjiÄnben bie ^artnädigleit im gorbern unb
(Srftreben t)öttig gleid^; beibe beftel^ien fogar mit großer
:t)€rfönlid^er ©inbufee auf einmal auSgef^jrod^cnen S5orfä|en;
fie toollen thm nur jeigen, bag fie tooHen unb e^ il^nen
nid^t barauf anlommt, too^ e^ foftet, an fold^em SBoHen
f eft}ul^alten ; unb \omn aUe^, toa^ augerl^alb einer (S^au^
falität^rei^e aufzutreten fd^eint, m SBunber i^eifet, fo fielet
in ber 2;i^at ber reine ©igenfinn an^ toie ein ^jf^d^ologifd^e^
SJBunber, eine Slrt bon creatio ex nihilo liberi arbitrii
indififerentisß/ benn feinem %f)nn (öfter SRid^ttl^un) fel|ilen
bie begreipid^ mad^enben aWotitje; gibt e^ boc^ fogar fonft
fel^r lenlfame 3Kenfd^en, bie ju jeiten ober in einjelnen
©tüdten toiber SBitlen eigenfinnig finb (ioenn fie
etttHi irgenbioie blo^ „il^r 3Äfitl^d^en fül^len" tooffen ober
\>on einer alten toertljflofen ©eiool^nl^eit ober einer ^ßfeubo^
majime falfd^er ©^jarfamfeit, fei e^ in ^infid^t auf 3^it
ober (Selb, u. bgl. loie unter bämonifd^em 3^i^ber fid^ ge=
bannt fül^len) — eine contradictio in adjecto, bie ent-
toeber einen „realen aßiberfprud^" — ©elbflentjtoeiung —
410 Sie enetgiegtabe unb mad bamit }ufammenl^&ngt.
B^eid^net ober auf ettoa« toie SBal^nflnn beutet — iebeit^
faff^ aber bem beijuorbnen i% toa« — Dom forenftfd^^e^
btclnlfd^ien ©tanbi)unft — Dr. 3«fiu^ Äno^) unter bem
%M: ,,^arabojie be8 SBiUeniJ ober ba^ freitoitttge ^an^
beln bei imierm aBtberjlreben" (Set^)gtg 1863), b^an=
belt l|iat. @enauerer SSetrad^tung l^&It freilid^ oud^ bieiS
SButtber nld^it flanb, obgleid^ e8 bem „SBunber xar* i^ox"^^"
— ttrfe ja ©(i^oi)enl^auer bte (Sinl^eit be8 looHenben unb
erlennenben 3(^ nennt — nid^t aBju fem fielet. SDenn
toaiJ ben ©d^ein erjeugt, afö l^fttten toir im ©genftnn ein
»eif^nel jener abfoluten SBal^Ifreü^eit: ba^ bie SWotiöe bo^^
bei ganj immanente, „ganj im SBiUen Uegenbe" loftren, —
ba^ Iftfet fid^ als ein ebenfo ungenauer Slu^brudt loie ettoa
„©elbftbel^errfd^ung" nad^loeifen. ©o ioenig loie hierbei
ein ©elbft hinter bem anbem agirenb unb befHmmenb
fielet, ebenfo toenig ifl ber (Sigenftnnige ganj unabl^fängig
t>on SRötiben. ©ogar fein ©runbmotiio: bie unbebingte
©elb{ibel^au))tung in lal^Ifier Slbfhaction nimmt jebe^mal
nad^ ben befonbem Umfl&nben bed Sinjelfaltö eine con^
cretere garbe an: — e8 fommen j. 33. jjerfönlid^e Stuti*
^jatl^ien gegen bie gumutl^enben mit inS ©})iel, toenn bie
blinbe ©elbflbejal^ung nid^tS tüiU, atö ftd^ t)on anbem
nid^t Derneinm laffen — unb fo toie bie fogenannte ©effift^
bel^errfd^ung ioefentlid^ befielet in ber burd^ Uebung er^
toorbenen ober bod^ üerflftrften gertigfeit, abftracte SWotit)e
ebenfo ftarf auf fid^ ioirim ju laffm tt)ie anfd^aulid^e: fo
ifl ber ©genfinn getoijferma^en bie auf il^rer ©t)i|e fid^
loiber fid^ felbfl f el|>renbe möglid^ l^öd^jie 5ßotenjirung biefer
felbigen gertigteit. SebenfaffiS mn^ bem ßigmfinnigen m
geioiffer ®rab fold^er ©elbfibel^errfd^ung innetool^nen; benn
Iör})erlid^en ©c^merj (j. 85. ©daläge bei Äinbem) unb ber=
gleid^m 9leije erioeifen fid^ bei il^m mad^tloi^ gegm bie ab-
flractere Sftegel: „id^ toiH ej^" (ober: „loitt eg nid^t'O-
S)ie pdt>agogtf(i^e SBel^anblung beg StgenftnnS. 411
L Sie ipäbagogifd^e SBel^anblttng ht9 Stgenftnn?«
®amtt finb fd^on einige 3&inU gegeben für bie fo
öfieraug fd^toierige SBel^anblung beS (SigenfinnS. — Um
ben aSetfud^, ii^in gu ,;bred^en", toirb eS meifien^ ein mi^^
Ud^ 2)ing fein; gemeinigli^ teid^t man toeiter bei Ü^m mit
bem @tab ©anft atö mit bem @tab SBel^e; benn eine
SttatuT, bie feinen S^atiQ leiben tt)in, ijerl^ärtet fid^ am
el^eften, too fie eine auf fold^en l^injielenbe Slbfid^t getoal^rt.
aber anberetfeit^ ift jebe unreife SRad^giebigfeit ebenfo
tjetfel^tt; benn fte reid^t bem ©igenfinn baS fluttet be§
„Sßerjiel^en^" unb „SBertoöl^nenS"» SSttfo ol|>ne auf ba^ be^
benllid^e „S)ie SBal^rl^eit toirb tt)ol in bet SWitte liegen"
unfern SKidtjug ju nel^men, muffen tt)ir bod^ dm SDKfd^ung
wn ©trenge unb ©anftmutl^ etttj)fel^len — fd^on toeil bie
©rfal^rung le^rt, bafe finge aWütter attemal beffer mit ben
,,eigenfinnigen 9langen" fertig tt)erben atö jäl^jornige SSäter.
©ebulb! ijl aud^ l^ier baS gaubertoort — ©ebulb aud^ jur
rul^gen ^Prüfung, ob ber im gegebenen gaUe ju bt^an^
belnbe ©igenfinn t)erf^)rid^t ium ,;Iid&enStoärbigen" ju tt)er=
ben, alfo „ein %on, toietool ein öerftimmter, berfelben
©aite ift, toeld^e einft in d^arafterbotter geftigfeit erflingen
fonn"; ober ob er ©^m^)tom rüdffid^t^Iofer, aKe^, ioa^
il^r 2Biberjianb leiftet, t)or fid^ nieberifoerfenber ©elbftfud^t
l^eifeen mufe, toofür ba« fid^erfie Äennjeid^en fein loirb,
toenn er mit ipeftigfeit forbernb fid^ geberbet. Qm
fold^em gaUe mag man eg immerl^in mit bem SBeugen unb
SSred^en be§ Xxo^top^c^ t)erfud^en, ioäl^renb in jenem an=
bern als einjig rid^ttge SWetl^obe ein ebenfo feftes toie
freunblid^eS Senfen be« SnteHectS inbicirt ift. äßan gebe
bem bel^arrlid^en ffiiffen einen t)emänftigen Snl^alt, fo l^at
man il^n eben bamit fd^on jum „ßi^arafter" gemad^t. 3Ran
e^re baS an fid^ nid^t t)ertoerflid^e SSBiberftreben gegen ben
QtoaxiQ als fold^en infotoeit, als man feine unmotibirten
®ebote ober SSerbote auffieHt unb inSbefonbere fid^ lautet,
412 Sie Gnevgiegrabe utib mad bamit sttfamntenl^angt
bo^ ftinb mit ©d^eingetDAl^irungen ober r^SSetfagungen ju
„ncdten", toa^ eben nid^tö anbetet befagt atö: ben ©gert::
finn gtt)C(flo8 ju reijen. Unb tocil ja bag in vetitum ni-
timur ju aSermeifi eben t)on bem (Sigenftnntgen gilt, fo
fotbere man nid^t blinbe Untertoetfung unter eine ganj=
lid^ uni>erftanbene älutorität; — man n^arte baiS \t>0f}U
bered^tigte: äBarum foll id^ hai Üfm ober nid^t tl^un?
gar nid^t erft cib, bann brandet man eS nid^t afö 9lafe=
n>ei51^eit — b. f). oft genug nur: ,,ttnbequemHd^fcit" —
abjutt^etfen; aber man laffe aud^ nt(^t fd^to&d^lid^ bem
llinbe feinen SBäiBen, toenn biefeiS afe gebietenber ^errfd^er
aufiutrum))fen ftd^ unterfängt ober feinen 6tgenfxnn auc^
auf ben ^nteffect au^bei^nt unb fid^ jirftubt, ,,SBemttrtft
anjunei^imen"; — man jeige il^m bidmel^fr, lt)o e« not^-
t^ut^ bag ber 93emunft aud^ ^d^t beitDofint, unb anti«
ci)>ire fo geu^iff ermaßen baiS rid^tige Urtl^eil, tt^eld^es ftd^
bann meifleniS balb nad^trftglid^ etnfieUen tvirb. Unb it>i>
ber ©genfinn mit Slffect üerbunben atö Xxf>^, //?5a|igleit",
Unbefd^etbenl&eit, Ungebül^r, ©ntpflnblidjff eit *) fid^ gibt, ba
b&nbigt man il^n am {t(^er{len, inbem man nit^t ,,unge-
l^alten" toirb, t)ielmel^r an fid^ f eiber ha& 83eif})iel ber
Selbfibel^errfd^ung, be^ 9{ieberIäm))feniS aufbraufenben Un^
mut^i^, barbietet, mitl^in im))onirt burd^ ben Slugenfd^etn,
bafe bie SBemunft bie ^errfd^aft in Jpftnben l^at. — (Um^
geleiert ijl e^ bei „inbolenten ©d^lafmöfeen" oft gerat^en,
loenigfien« nid^t übel angebrad^t, bem „l^eiligen 3«>*^"
einen energifd^em 3lu0brud ju leil^en, al^ ber eigenen
momtntanm ©rregti^eit entf))red^en mag : fold^ ein S^^B^ng
*) ßm^flnblid^ ifl, toer mit bcrl^attcnem Slberflrcfccn ju erfeu*
ncn gibt, et l^altc irgcnbctncit ^Sorwutf für m^t öcrbtcnt ober tx>tU
tete in einer tool^Igemeinten ^orbaltang bie 9[bfi^t gn frMen. ((Sm«
)>{tnblt41eit ifl a(fo nid^t an t)ern)e(^fe(n mit einer Unaufriebenl^ett mit
ftd^ felber, bie fld^ bei ert^etlten ^ermeifen a(9 ^ctrübntg äugert.)
^emgemäg bebarf ed gar ntd^t erfl bed f,%ii\mndtn9'\ um bad
Urt^eil gu redjtferttgen, ein S^abel fei ntti^t mit «efd^cibcn^eit Ein-
genommen«
3)te pdbagogif^fe Sel^anblung beS (Sigenfttm^. 413
mufe fef^en , bofe man „oud^ böfe toerbw fann"; bamit er
einen l^eilfamen 6l^oc belomme unb ntd^t feinen ©tuttH)f?
[ihn mit tt)eif er 3Wäfetgung Dertoed^f ele, nod^ umgef el^rt btefe
mit jenem.) Äurj: bie SBorfd^riften be§ 3efu8 ©irad^ über
ben redeten ®ebraud^ ber Slutl^e finb cum grano salis am
juttJenben» 9Wan fei fo geredet, \>on Äinbem nid^t mel^r
ju f orbern afö t)on fid^ felbcr: oft befeitigt man bie SKn^
ioanblung eigener übler Saune ja aud^ nur burd^ ®ntfer*
nung t)om Slnlafe jum SSerftimmtfein, S)afe barüber bie
aBai^irl^eit be^ 'O piYi Sopel^ av^pcwccx; ou TcatSsueTat nid^t
gu lurj fomme, bafür fann man ber Siegel nad^ getrofl
bai^ „Seben" forgen laffen, tt>el(^e§ fd^on Situationen l^er^^
belfül^ren toirb, in toeld^en „bie f dürfen ©den fid^ ab-
flogen "• SBir tootten am allenoenigfien fd^load^müti^iger
aSerjärtelung baS SBort reben unb nur noc^ an siouffeau'^
SÄegel erinnern: „atö Vernünftig toirb biejenige ©träfe l^in*
genommen, loeld^e mit bem ©l^ralter einer natumotJ^toen^
bigen golge feinei^ S^l^un« an ben Sefiraften l^erantrltt",
— im anl^nggloeife aud^ ju biefen Äa^^iteln loieber un^
fer^ gtattid^ S^ftttumung einjul^olen, ©eine rid^tige
©runbanfd^auung leud^tet un^ fd^on auö einer fd^einbar
^ier f aum l^ergel^örenben Setnerfung entgegen , bie offenbar
bai^ über bie ^rinci|)ienreiterei ©efagte erl^&rten fann
(a. a. D., ©. 240)* „Solange man im SQBlfiien ifl (nad^
moberner Slu^brudfjStoeife: jtd^ in ber abftracten 3;i^eorie be-
tt>egt) unb barinnen feinen gortgang unb ©tärfe emj)finbet,
fo ift man aufgeblafen. SBBenn man aber in8 %i)\xn l^inein-
fommt, unb toenn man in ber SBelt foH hxanijbax fein,
fo emjjfinbet man gemeiniglid^ feine ©d^loftd^e unb Iftfet
ben 3Wutl^ finfem SBe^toegen aud^ ^ßractici t)iel
tjerträglid^er finb aU blofee 2;i^eoreticl/' Unb
al^ locus classicus jum @ingang auf ©. 397 (a* a. D«,
©• 301): „6^5 ift bem aWenfd^en an feinem freien 8GBit
len fe^r i)iel gelegen, ba§ er fid^ fold^en t)on einem
anbern SDlenfd^en nic^t ioiH nel^men laffen, ioie benn nie-
manb toüufd^t, ein ©!lat)e )u fein. Sluc^ ftinber unb
414 3)ie (Snetgitgtobe unb toad bamtt fttfammenl^gt.
iuxiQt £eute toel^ten [idf fe^t um i^ten freien äBiOen; t>a^
^er (!) fobalb man i^nen ettDad Derbietet, fo tDoQen fie
gemeiniglich nad^ bem @t}rid^b)ort Nitimur in vetitum
eben t>a& SSerbotene. älbfonberlid^ koitb man in ebeln
@emätl^ern toal^rnel^men, ba^ fie loon fid^ felber
@uted tl^un*)unb au^ eigenem £tieb toa^ lernen
toollen^ fobalb fie aber gejtDungen merben^ fo ge^
fd^iel^t ed il^nenfauer'^ u. f.tt). ^aju @. 444 unb 454.
@))ecieEer auf bie ))fV(^ologif4 inbicirte S3el^anblung bed
@igen{innd )[)on feiten ber ©rjie^er gelten folgenbe ©teSen
ein (a. a. D., ©. 297): ^^^an mu^ jjunge Seute toor
bem @igen{tnn foioiel b)ie möglid^ beu>al^ren^ aber nic^t
meinen, (d^ toenn man mit @ett)alt il^n brechen unb nei^-
mm !5nnte^^ unb boS ^^olgenbe, koeld^e^ — n)ie aud^
©. 298 — mit fd^lagenben SQSorten eine toeife, Ueberlegem
^eit be!unbenbe Stad^giebigteit enq)fie^lt« @nblid^ @. 367 :
,;3m SQSiQen flecft eine größere Araft, atö man fid^ öftere
t)or{leDt. SJlan bentt getoöl^nlid^, man fönne einem ben
äBiilen burd^ 3^<(ngSmittel fd^on mad^en; allein ge)9)öl^m
lid^, tomn bie S^anQßmittü aufhören, fo l^ört auc^ ber
aSiae auf' u- f. to.
©d^Üe^lid^ fei nod^ be^ )[)ielem))fol^lenen unb bei man-
d^en al^ Uni))erfalmittel gegen ben @igen{mn beliebten
3folirung!$üerfa]|freniS gebadet älfö ©träfe lamt eiS ebenfo
n)ie bod, beinahe atö feine ibeeSe äSorftufe anjufel^enbe,
Sgnoriren beS @igenftnnigen oft am $la|e fein — ald
^rtoentit) ober ^xopf^tjUai^ ift e^ mel|fr al^ bebentlid^*
^a| ein Ainb, toeld^e^ burd^ feinen 6igenftnn fid^ auf {td^
felber fteUt, bafUr eine Q^ lang bed gefelligen @enuffed
entbel^rt, ifl ebenfo fel^r in ber Drbnung, tt)ie bag man
i^m baburd^ gugleid^ bie @elegenl|feit ent)ie^t, feinen @igen^
"") ^qu ptmmt to>l{rtn(^ ber $o(!$f))rud^ an9 2)eutfd^e Snf^riften
an ©au« unb ©erfit^ (©erlin 1865):
(Sin Qbeltc^d Oemut^
S)te päbadogifci^e SSteJ^anblung btö gigenfiniti^. 415
finn an irgenbeinem oitöjulajfen. 3(6et anbetetfeitö tmüft
(tt)ie unter anbetn ©ber^arb rid^tig bemwlt) ber @igenfinn
f eiber ungef ellig, unb bie Sfolwung toirb bann gar nid^t atö
©träfe emipfunben — unb umgele^rt: bie UngefeHigleit,
ba^ i)iele ätteinfein, jiel^t ben @igenfinn gro§. Qnfofem
ifl eg gcrat^en, Äinber, bie fid^ eigenfinnig benel^men, toiel
mit il^re^gleid^en toerf eieren ju laffen, bamit fte nid^t immer
nur fojufagen mit Slef:j)ect3l)erfonen ju tl^un l^oben, fon-
bem fid^ an bie ftatifd^e ^UiSgleid^ung in jebem ©efeSfd^aft^-
leben genDäl^nen unb fo eine Sll^nung baioon belommen, bag
frember SBitte nid^t nur in gorm beg iM)n einer äutoritftt
emanirenben ®ebot2 ober SSerbot^ bem unfern ©d^iranlen
fe^t, fonbem für ba^ blofee 3ttf ^mmenfein . mit anbem
fd^on eine getoiffe gfigfamfeit unb SBad^giebigfeit bie uner*
la^lid^e ä3ebingung ift. SD^an tt>äi)U be^l^alb ium Umgang
mit eigenfinnigen Äinbem nid^t befonberS fanftmütl^ige unb
friebfertige ®ef})ielen, fonbem laffe gelegentlid^i einen i^arten
Äoi)f am anbem fid^ bie Jeörner obflo^m. — Unb gemä|
ber negatiioen Statur, toeld^e ber (Sigenfinn meiflen^ f eiber l^at,
ift bei il^m aud^ ba8 negatiöe ©traföerfal^ren ber ®nts
jiel^ung ober SSerfagung meiften^ beffer angebrad^t ate baj5
l)ofitiöe ber Süd^tigwg, unb entf})rid5it ganj ber Siegel
^ant'd: ,>enn iaä fiinb unS nichts )u (Gefallen t^ut, fo
tl^un toir aud^ il^m toieber nid^tä ju ©efaHm", SWan benfe
bei @nt}iel^ung nur nid^t ettoa lebiglid^ an eine ipungercur
— fonbem an en^icJ^ung aUer Slrt toon ®mu^, bie ber
ZaQ in feinem Saufe bem ^inbe )i>^\pnäft 9!)od^ eine
äBamung fei l^injugefttgt: dn ungered^ter Slutl^enfhreid^ ifi
fd^limm, aber er l&|t fld^i enblid^ bod^ »erfd^merjm — eine
(n^enn aud^ nur fd^einbar) avä bloßer übler haxme Der-
i^ängte Sn^iel^unggfirafe — boQenb^ toenn babei eine nid^t
alle S^agc ioieber angebotme greube, ein Äinbcrfefl u. bgl.,
\oa^ fd^on jugefagt toar, nad^tr&glid^ t)orentl^ltm toirb
— toirb jeitleben^ nid^t »ergeffen. ®ag loirb fctft jeber
bezeugen tonnen, ber auf feine eigene Ainb^eit mit einiger^
ma|en flarer Grinnemng jurüdtblidt @S erforbert olfo
416 3)te Sntr^te^abe unb woS tamit }ufammenl^&ndt.
aOerbingiS bie Xntpenbung be$ @trafmtttel^ ber @nt^tel^ung
nod^ gtd|ete ä9e|futfatn{eit al^ jebe anbete (aber e» ^ei^t
über ba^ Si^l l^tnau^fd^iefeen, bei^i^alb, tt>ie neuerbing^
me^rfad^ gefd^e^en^ baffelbe äberl^u))t Dertoerfen yu tooUm)
— unb nur ber l^ftd^ften äutorttftt für ba^ Ätnb !ann
feine SluMbung jufte^en. — S)ie ©j)arfattifeit, mit toeld^er
e§ pi l^anbl^aben ift^ inüotoirt bereitö, bag nur in gan;
t>ereinjelten unb befonbem gätten ein ©riafe fölci^er ©träfe
auf bem SBege ber Slmneftie ftatt^aft fein tuirb. — S)ie aRittet
{lra|e türm aud^ l^ierfür bi&milm burd^ eine Slnbrol^ung
führen, bei ttjeld^er man e^ gtoeifel^aft lafet, ob biedern
tualttftt, für toel^e fie öertoirHid^t toerben föttte, tyoBfkftn-
big eingetreten ober nid^t. @^ mujs aud^ babei ba$ ©traf^
Derfal^ren bem SSergel^en ^araOel foufen^ unb loaS ^an
$ßaul in feiner fein beobad^^tenben SQäeife an einer ©teile
ber ,,18ebana" V)om 9lad^jittern eine« fd^on l^albtoeg^ über^»
tounbenen S;ro|e^ fagt, re^tfertigt ben (grjiel^er, toenn
er aud^ fein Ultimatum nid^t nad^ ber ©ecunbe t)oO[ftredft^
fonbern eine fojufagen neutrale 5ßaufe be^ Unentfd^ieben^
fein^ }ugibt. $ier nun aber fto|en ton an bie RÜppc
be^ ,,%adtln^'% bie bem „Ouadeln" fo mf}c benad^bart
ifi. S5a^ aSerle^rte l^ieran befielet barin, ge^iffermafeen
erft abtoarten ju tooUen, toie-toeit einer in feiner aBiber=
f^)enfiigfeit ju gelten gebeult, ftott fofort beutlid^ genug
merfen ju laffen: l^ier ifi ein SRiegel v>orgef droben. SDaju
bebarf e^ nid^t allemal be^ toemcl^mlid^en ober gar ^jol-
ternben S^rufä: bi^ l^ierl^er unb nid^t toeiter ! Qebeg 3<^«i>«^«
mit einer berartigen aSBillenöfunbgebung bringt bie @efa^r
mit fid^, ba§ bie ©egenftrebung 3rtt bäovxtne, um fid;
über hm ^unft l^inou^jufteigent, jenfeit tt^eld^eö fie fid^
nid^t me^r fofort am SBiberftanb bred^en, fonbern nur ju
Äu^erfter Äraftanftrengung er^i|en l&|t. &.n Äinb, mit
bem loidöerl^olt gefädelt loorben ift, öerfud^t'^ nun gern
erfi, ob ber, toie eg balb ^erau^fül^lt, ol^ne redeten ©ruft
angebrol^te ©trafact jur aSottftredung fommen ifoerbe ober
nid^t. daraus jiel^t fid^ t>on f eiber bie ^nmrm: toex einem
^nbe 3la6)^iä)t angebeii^en laffen toiQ, mujs eS nid^t in
3ö>eifel batüber lajfen, bafe nur fd^onenbe Siebe, nid^t
fd^toad^e Unentfd^Ioffenl^eit mit ber fül^lbarem Sefttafung
i)erjiel^e; — benn fonft toitb bie^ SBerjie^en ium SBer^
jiel^en, aU toeld^e^ ja feine^toeflS blo^ im aSerl^Ätfci^eln
befielet. SRid^tö ift unreifer atö ein SJerfal^ren, toeld^e^ bie
gurd^t ijor ©träfe ungeregelt lä|t — ein ©rtoerfen ber
JÖoffnung auf fernere SWilbe läj^t bo« Slu^bleiben biefer
als eine Ungered^tigfeit emipfinben — toer einmal 3Rilbe
atö SBiafür, b. f). unmotitoirt, tt)alten liefe, Don beffen ißanb
erfd^eint fortan an^ bie gered^tefte ©träfe in ben Slugen
bes SöglingS lei^t ate ein äct ber SBilHür unb mad^t
,,berftoöt"; bie »efferung für mnüi^ l^altenb, toeil im^^
mer unb überall ungered^te ©träfe pird^tenb, frevelt ber
©igenflnnige bann lieber barauf loS, um bie ©träfe toe^
nigftenS mit bem ©efül^le ju empfangen: er l^abe fie jje^t
loirflid^ einmal öerbient.
5. ^irfliii^e nnb f^einbare (Sl^aralterfii^toä^e^ gegen Die
(Srf^etnung^taieife t^ttt äS^iflen^ftörle gel^atten.
2)er (Sigenfinn atö bie „^ßarobie beS ß^arafterS" fül^rt
uns barauf, gerabe bei feiner SBetrad^tung nad^juforfd^en,
toeld^e SBebingungen eS finb, beren Slbioefenl^eit nid^t geftattet,
bafe er für ed^ten Sl^arafter gelte, ©d^on baS SBiSl^erige
entl^ielt einen ^i^gerjeig, bafe biefer SKangel tl^eilloeife nur
in ber Unreife unb Unfräftigfeit ber QneinSbilbung öon
SSitte unb 3ntettect befielet. SlUein too aud^ im reifem
SebenSalter ber ©igenfinn fortioud^ert, ba fiofeen toir auf
bie britte Slntinomie, njeld^e bie SBeurt^^eilung beffelben er-
fd^toert ^mn in abstracto Iftfet fld^ nid^t entfd^eiben, ob
ber Sigenfinn auf einer gett)iffen gefiigfeit ober auf einer
©d^to&d^e beS äBoQenS berul^t.
©0 firtb es benn bie \)erfd^iebenen ©nergiegrabe bes
SBoUenS, ioel^e an biefer ©teile nod^ nad^träglid^ eine
418 S)ie foetgiegtabe unb mad bamit pfammoi^Angt.
felbflAtibige Störterung erl^fd^en — tmb biefer hai Sßefen
bed @igmfinni^ }ur $otte ju Q^bm, to>irb ftd^ atö eine
fötberlid^e äRetl^obe ertoeifen.
@d t)errätl^ ftd^ ber @igenftnn aiSbaSb al^ eine befon^
bete ^ornt ber vis inertise bed Sl^atatter^ ; unb babei er-
gibt ftd^ ebenfo bolb^ ba^ bie vis inertise l^ier fo gut tt)ie
überall onber^too eine bi))}))elte @rfd^einung^tt>eife f)aU SBe-
l^orren in ber Stulpe unb gortfe^en ber einmal begonnenen
äSetoegung ^ bi^ eine übertD<igenbe @egent9irtung biefelbe
auf^bt. @igenfiinnig ifl nid^t minber^ toer in tr&ger SSer-
fio^tl^eit t^ ftd^